Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.11.1995, Az.: XII (IV) (XII) 293/92

Unzulässigkeit der Klage wegen fehlender Klagebefugnis; Erledigung in der Hauptsache durch Rückgängigmachung der ursprünglichen Bescheide; Auslegung des Umfangs des Klageantrags einer Feststellungsklage; Unzulässigkeit einer Klageerweiterung wegen Bestandskraft des Verwaltungsaktes; Teilweise Bestandskraft bei Teilbarkeit des Verwaltungsaktes und Anfechtung hinsichtlich des anderen Teils; Anforderungen an die Bestimmtheit des Klagebegehrens

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
08.11.1995
Aktenzeichen
XII (IV) (XII) 293/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 30457
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1995:1108.XII.IV.XII293.92.0A

Fundstelle

  • EFG 1996, 185-186 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Ges. Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1985 bis 1987

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die alleinige Dispositionsbefugnis des Klägers über das Streitprogramm erfordert eine klare Bezeichnung des Klagebegehrens, damit das Gericht den Umfang seiner Entscheidungsbefugnis kennt. Als prozessuale Willenserklärung ist die Bezeichnung des Klagebegehrens der Auslegung zugänglich.

  2. 2.

    Eine Klageerweiterung ist unzulässig, wenn der angefochtene Verwaltungsakt teilweise bestandskräftig geworden ist. Ein Feststellungsbescheid ist in dem Sinne teilbar, daß eine Feststellung auch dann noch als selbständige, sinnvolle Regelung von der Finanzbehörde erlassen werden kann, wenn der Gewinn auf einen anderen als den ursprünglichen Betrag festgesetzt wird.

Der XII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts hat
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 8. November 1995,
an der mitgewirkt haben:
1. Vorsitzender Richter... am Finanzgericht ...
2. Richter am Finanzgericht ...
3. Richter am Finanzgericht ...
4. ehrenamtlicher Richter ...
5. ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten um die steuerliche Anerkennung eines Mietvertrages mit Zusatzvereinbarung zwischen der Klägerin als Besitzunternehmen und der Betriebs-GmbH.

2

Die Klägerin ist aus einer 1979 durchgeführten Betriebsaufspaltung des Einzelunternehmens K. Handel mit Kraftfahrzeugen, Werkstatt und Tankstelle als Besitzgesellschaft hervorgegangen. Als Betriebsgesellschaft wurde die Firma A. GmbH (GmbH) gegründet.

3

Durch Mietvertrag vom 2. Januar 1979 hat die Klägerin die vormals vom Einzelunternehmen betrieblich genutzten Grundstücke an die GmbH vermietet. Der Mietzins, der indexiert wurde, betrug ursprünglich 10.000,00 DM monatlich. Am 29. Januar 1979 wurde der Mietvertrag durch eine Zusatzvereinbarung zwischen den Gesellschaftern der Klägerin und der GmbH, deren Gesellschafter-Geschäftsführer die Gesellschafter der Klägerin sind, ergänzt. Danach verzichtet die Klägerin auf Mietzahlungen, soweit bei der GmbH ein Gewinn von 10.000,00 DM nicht erreicht wird.

4

Nach einer Außenprüfung im Jahr 1984 (Prüfungsjahre 1979 bis 1984) erkannte der Beklagte die Zusatzvereinbarung steuerlich nicht an, weil sie handelsrechtlich nicht durchgeführt worden war. Die GmbH hatte trotz hoher Verluste Mietzahlungen an die Klägerin geleistet. Mit Urteil vom 26. März 1987 hat das Niedersächsische Finanzgericht (XII 624/85) die Auffassung des Beklagten bestätigt, dabei aber offengelassen, ob die Zusatzvereinbarung nicht auch deshalb steuerrechtlich nicht anzuerkennen sei, weil sie nicht dem entspreche, was unter fremden Unternehmen üblicherweise vereinbart worden wäre.

5

Im Jahr 1989 fand bei der Klägerin und der GmbH erneut eine Außenprüfung (Streitjahre 1985 bis 1987) statt. Dabei stellte der Prüfer fest, daß aufgrund des FG-Urteils die in den Prüfungsjahren als Aufwand gebuchten Mietzahlungen der GmbH an die Klägerin berichtigt worden waren. Wegen der Einzelheiten wird auf den Prüfungsbericht vom 4. Mai 1990 für die Klägerin (Blatt 83 f. Bp.-Akte) Bezug genommen. Nach diesen Korrekturen ergaben sich bei der GmbH Gewinne von

1985:42.582,35 DM
1986:142.062,10 DM
1987:10.000,00 DM.
6

Dem Prüfer folgend erkannte der Beklagte die Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom Januar 1979 wiederum nicht an, weil sie einem Fremdvergleich nicht standhalte. Der Beklagte änderte daraufhin die Gewinnfeststellungsbescheide der Klägerin für 1985 bis 1967, indem er den Gewinn der Klägerin um ausstehende Mietforderungen und darauf entfallende Zinsen um

161.179,20 DM für 1985
176.869,05 DM für 1986
62.281,14 DM für 1987
7

erhöhte.

8

Den Einspruch gegen die Änderungsbescheide wies der Beklagte als unbegründet zurück.

9

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin zunächst eine Abschreibung auf ihre Beteiligung an der Betriebs-GmbH. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor, auf Grund der Zurückweisung des gerichtlichen Aussetzungsantrages (XII 477/90 V) habe sie Mietforderungen in Höhe von 400.329,39 DM zum 31.12.1987 einbuchen müssen. Entsprechende Verbindlichkeiten seien bei der Firma A. GmbH zu passivieren gewesen. Dies habe bei der GmbH zur Konkursreife wegen Überschuldung geführt. Nach Ergehen des o.g. Aussetzungsbeschlusses werde die Klage auch nicht mehr auf die mit der GmbH geschlossene Zusatzvereinbarung gestützt, so daß die Mietforderungen als entstanden angesehen werden könnten. Die nach der Außenprüfung erfolgten Gewinnerhöhungen seien gleichwohl rückgängig zu machen, da die Forderungen wertlos gewesen und deshalb mit dem niedrigeren Teilwert anzusetzen gewesen seien. Durch die wirtschaftliche Entwicklung in den Jahren 1979 bis 1906 sei die GmbH in erhebliche Liquiditätsengpässe geraten. Aus diesem Grund habe die KG der GmbH ein Darlehen in Höhe von 200.000,00 DM gewährt und bei der Umschuldung von Bankverbindlichkeiten durch Sicherheitsleistung geholfen.

10

Durch die Einbuchung der Mietverbindlichkeiten sei die GmbH zudem zahlungsunfähig geworden. Dies führe nach der Rechtsprechung des BFH trotz der Gewährung des Darlehens und der Sicherheiten zur Teilwertabschreibung der uneinbringlichen Forderungen. Alternativ macht die Klägerin geltend, die Gewinnerhöhungen seien durch eine Rückstellung wegen drohenden Verlustes rückgängig zu machen.

11

Im Umfang der Gewinnerhöhung sei der angefochtene Gewinn auch deswegen zu mindern, weil der wert der Beteiligung in Höhe des Stammkapitals von 400.000,00 DM auf 0 DM abzuschreiben sei. Ausweislich der Bilanz der GmbH zum 31.12.1984 belaufe sich der Bilanzverlust auf 151.952,76 DM. Bei Nachbuchung von Mietverbindlichkeiten und Zinsen sei die Beteiligung wertlos. Die Klägerin beantragte, in Höhe der Nachbuchung der Mietverbindlichkeiten in den Kalenderjahren 1985 bis 1987 eine Abschreibung auf die Anteile an der GmbH vorzunehmen.

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Aufgrund dieses Antrages erließ der Beklagte geänderte Feststellungsbescheide und berücksichtigte für 1985 eine Teilwert-AfA von 161.180,00 DM, für 1986 von 176.870,00 DM und für 1987 von 61.946,00 DM unter anteiliger Auflösung der Gewerbesteuerrückstellungen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Erläuterungen zu den Feststellungsbescheiden (Blatt 33 Klageakte) Bezug genommen.

13

Die Gewinnerhöhungen lt. Betriebsprüfung wurden durch die Änderungsbescheide für 1986 und 1987 vollständig rückgängig gemacht. Für 1985 minderte der Beklagte den Gewinn um 320,00 DM weniger als beantragt.

14

Die Klägerin machte die geänderten Bescheide vom 18.03.1993 zum Gegenstand des anhängigen Klageverfahrens. Nunmehr begehrt sie zusätzlich die Rückgängigmachung der Gewinnerhöhungen durch die Anerkennung der Mietverträge. Die Mietverträge seien ernsthaft vereinbart und tatsächlich durchgeführt worden. Ein Fremdvergleich sei nicht anzustellen. Bei Nichtanerkennung der Zusatzvereinbarung sei eine Abschreibung der Mietforderungen zwingend geboten, da Banken der GmbH keine Kredite mehr gewährt hätten. Ferner seien die GmbH-Anteile zusätzlich in Höhe der Mietverbindlichkeiten abzuschreiben, da diese Schulden als Darlehen einen kapitalersetzenden Charakter hätten. Dies gelte auch für das gebrauchsweise überlassene Anlagevermögen. Wegen des Vorbringens im einzelnen wird auf den Schriftsatz der Klägerin vom 26. März 1993 (Blatt 38 f. Klageakte) Bezug genommen.

15

Die Klägerin beantragt,

die Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu mindern.

16

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

17

Er ist der Ansicht, die Zusatzvereinbarung sei nicht anzuerkennen, da sie einem Fremdvergleich nicht standhalte. Eine Abschreibung der Forderungen komme nicht in Betracht, weil nicht ersichtlich sei, wieso die GmbH zahlungsunfähig sei. Ferner sei eine Teilwertabschreibung der GmbH-Anteile über das erfolgte Maß nicht zulässig. Die Gebrauchsüberlassung habe keinen eigenkapitalersetzenden Charakter, weil im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages die GmbH auch auf dem freien Markt entsprechende Mietverträge hätte abschließen können.

18

Mit Bescheid vom S. September 1995 minderte der Beklagte den Gewinn für 1985 in Höhe von 320,00 DM. Ein Antrag nach § 68 FGO ist bei Gericht nicht eingegangen.

19

Die Prozeßbevollmächtigten der Klägerin beantragten, den Termin zur mündlichen Verhandlung aufzuheben. Ergänzend tragen sie nach Hinweis durch den Berichterstatter vor, ein Antrag nach § 68 FGO sei am 2. Oktober 1995 gestellt worden. Eine Klageerweiterung sei gemäß §264 Nr. 2 ZPO in Verbindung mit § 155 FGO zulässig, da bei natürlicher Auslegung des Klagebegehrens keine Teilanfechtung gewollt gewesen sei.

20

Der Senat hat die Gerichtsakte des Aussetzungsverfahrens (XII 477/90) zu Informationszwecken beigezogen.

Entscheidungsgründe

21

Die Klage ist unzulässig.

22

I.

1.

Soweit sich die Klägerin gegen den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1985 vom 13.06.1990 in der Fassung vom 18.03.1993 wendet, ist sie durch den angefochtenen Verwaltungsakt nicht beschwert.

23

Gemäß § 40 Abs. 2 FGO ist eine Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Von dem angefochtenen Verwaltungsakt müssen Rechtswirkungen ausgehen, die eine konkrete Beeinträchtigung in persönlichen, subjektiven Rechten des Klägers beinhalten.

24

Eine derartige Rechtsbeeinträchtigung kann von dem angefochtenen Feststellungsbescheid 1985 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 18.03.1993 für die Klägerin nicht mehr ausgehen, da dieser Bescheid durch den weiteren Änderungsbescheid vom 5. September 1995 suspendiert wird und dadurch keine rechtlichen Wirkungen entfaltet (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 25. Oktober 1972 GrS 1/72, BStBl II 1973, 231, 233). Eine Einbeziehung des Bescheides vom 5. September 1998 in das Klageverfahren ist nicht mehr zulässig, da der Antrag nicht gemäß § 68 Satz 2 FGO innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe bei Gericht eingegangen ist.

25

2.

Die Klage ist ferner insgesamt unzulässig, da durch die Gewinnminderungen in den geänderten Feststellungsbescheiden vom 18.03.1993 bzw. 05.09.1995 ein die Hauptsache erledigendes Ereignis eingetreten ist. Die Klägerin hat eine Erledigungserklärung nicht abgegeben, obwohl ihrem Klagebegehren in vollem Umfang entsprochen wurde. Durch die geänderten Gewinnfeststellungsbescheide sind die durch die Außenprüfung veranlaßten Gewinnerhöhungen vollständig rückgängig gemacht worden.

26

In der Klagebegründung vom 7. Januar 1993 hat die Klägerin ihr Klagebegehren eindeutig auf die Rückgängigmachung der durch die angefochtenen Feststellungsbescheide erfolgten Gewinnerhöhungen begrenzt. Dies ergibt die Auslegung ihres Klagantrages unter Einbeziehung ihrer Klagebegründung.

27

Durch eine Klage kann die Aufhebung oder Änderung eines Verwaltungaktes, insbesondere eines Steuerbescheides, begehrt werden. Es ist die Aufgabe und das Recht eines Klägers zu erklären, ob und inwieweit nur ein Teil des Steuerbescheides angefochten wird. Diese alleinige Dispositionsbefugnis des Klägers (§§ 96 Abs. 1 Satz 2, 72 Abs. 1 Satz 1, 40 Abs. 2 FGO) über das Streitprogramm erfordert eine klare Bezeichnung des Klagebegehrens, damit das Gericht den Umfang seiner Entscheidungsbefugnis kennt. Als prozessuale Willenserklärung ist die Bezeichnung des Klagebegehrens der Auslegung zugänglich. Dabei ist zu beachten, daß Inhalt und Umfang des Klagebegehrens sich aus dem Klagantrag regelmäßig eindeutig ableiten lassen.

28

Bei der Auslegung von Willenserklärungen ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen. Maßgebend ist im Zweifel der allgemeine Sprachgebrauch. Bei der Auslegung ist der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Der Zweck der Erklärung und die Interessenlage des Klägers sind bei der Ermittlung des wirklichen Willens zu berücksichtigen. Außerhalb des Sinngehaltes einer Erklärung liegende Begleitumstände, wie die allgemeine Interessenlage, müssen zumindest einen Niederschlag in der Erklärung gefunden haben (vgl. BFH-Urteil vom 1. April 1981, II R 38/79, BStBl II 1981, 52; BGH-Urteil vom 25.03.1983, V ZR 268/81, BGHZ 87, 150, 154).

29

Ein allgemeines Interesse dergestalt, daß wegen des komplexen Regelungsgehaltes im Einkommensteuerrecht regelmäßig eine Anfechtung des gesamten Verwaltungsaktes anzunehmen ist, kann bei Feststellungsbescheiden nicht angenommen werden, da anders als bei Einkommensteuerbescheiden eine systemimmanente Begrenzung des Klagegegenstandes fehlt. Bei der Anfechtung von Einkommensteuerbescheiden ist eine weitergehende Herabsetzung als bis auf 0 DM nicht gegeben. Die Gewinnfeststellung kann jedoch ohne weiteres in eine Verlustfeststellung umschlagen, so daß eine Begrenzung nicht denkbar ist. (Zum Auslegungskriterium des Interesses vgl. eingehend Koenig, DStR 1990, 512, 514).

30

Bei Anwendung dieser Grundsätze konnte die Erklärung der Klägerin nur dahingehend verstanden werden, daß die nach der Außenprüfung durch den Beklagten durchgeführten Gewinnerhöhungen wieder vollständig rückgängig gemacht werden sollten. Für ein weitergehendes Begehren liegen keinerlei Anhaltspunkte vor. Die Klägerin hat beantragt, in Höhe der Nachbuchungen der Mietverbindlichkeiten Abschreibungen auf die GmbH-Anteile vorzunehmen, also die durch die Forderungsaktivierung eingetretenen Gewinnerhöhungen durch Teilwertabschreibungen zu revidieren. Dem selben Klageziel dienen die weiteren Begründungen, die erkennbar durch die Umschreibung "aber selbst wenn der Klage aufgrund der oben angeführten Ausführungen nicht abgeholfen werden sollte" in ein Alternativverhältnis gestellt wurden. Sowohl die Teil-Wertabschreibung der Mietforderungen der Klägerin als auch eine Rückstellung wegen drohender Verluste der Mietforderungen hätten jeweils zu einer Herabsetzung in Höhe der durch die angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheide zuvor erfolgten Gewinnerhöhung geführt. Für diese Auslegung der Willenserklärung der Klägerin spricht zudem, daß die erstmaligen Feststellungsbescheide bestandskräfig geworden waren, die Klägerin also keine Einwendungen dagegen vorzubringen hatte. Die Außenprüfung führte lediglich hinsichtlich der Aktivierung der Mietforderungen einschließlich Zinsen und Gewerbesteuerrückstellungen zu einer Gewinnänderung, die in den angefochtenen Änderungsbescheiden umgesetzt wurde. Die Abschreibung der GmbH-Anteile, der Mietforderung oder die Einstellung der Rückstellung für drohende Verlust sollte das ursprüngliche Feststellungsergebnis wieder herstellen.

31

3.

Die nach Erlaß der Änderungsbescheide vom 18. März 1993 in der Fassung vom 5. September 1995 erfolgte Klageerweiterung ist unzulässig.

32

Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH (BFH, Beschluß vom 23.10.1989 GrS 2/87, BStBl II 1990, 37) ist eine Klageerweiterung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundessozialgerichts unzulässig, wenn der angefochtene Verwaltungsakt teilweise bestandskräftig geworden ist. Ein Verwaltungsakt wird zum Teil bestandskräftig, wenn die im Verfügungssatz enthaltene Regelung teilbar ist und der Verwaltungsakt nur zum Teil angefochten ist. Danach kann ein Steuerbescheid zum Teil bestandskräftig werden. Dies gilt insbesondere auch für Gewinnfeststellungsbescheide. Ein Feststellungsbescheid ist in dem Sinne teilbar, daß eine Feststellung auch dann noch als selbständige, sinnvolle Regelung von der Finanzbehörde erlassen werden kann, wenn der Gewinn auf einen anderen als den ursprünglichen Betrag festgesetzt wird (vgl. BFH-Urteil vom 26.01.1982, VII R 85/77, BStBl II 1982, 38; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 26.04.1974, VII C 30.72, BStBl II 1975, 37; Gräber/v. Groll § 100, Rd.-Nr. 21, List, NWB, Fach 2, S. 5451; Koenig, DStR 1990, 512, 513). Steht mit der Bezeichnung des Klagebegehrens endgültig fest, in welchem Umfang der Steuerbescheid angefochten ist, so wird der nicht angefochtene Teil bestandskräftig. Die eingetretene Bestandskraft bewirkt, daß der Verwaltungsakt insoweit mit ordentlichen Rechtsbehelfen nicht mehr angegriffen werden kann.

33

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann aus § 155 FGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO nicht gefolgert werden, daß eine Klageerweiterung auch nach Eintritt der teilweisen Bestandskraft zulässig ist. § 264 ZPO stellt lediglich klar, daß es sich bei den Fällen der Nr. 2 und 3 um eine zulässige Klageänderung handelt (vgl. Zöller/Stephan, § 264 Rd.-Nr. 1; Thomas/Putzo, § 264 Anm. 1). Damit befreit § 264 Nr. 2 ZPO nur von den besonderen Voraussetzungen der Klageänderung im Sinne des § 263 ZPO. Wendet man § 264 Nr. 2 ZPO sinngemäß auf das finanzgerichtliche Verfahren an, so bewirkt dies, daß die Voraussetzungen des § 67 FGO, nämlich Sachdienlichkeit oder Einwilligung des Beklagten nicht erfüllt zu sein brauchen, um eine zulässige Klageänderung anzunehmen. Zur Zulässigkeit der geänderten Klage, also zu der Frage, ob die erforderlichen Sachentscheidungsvoraussetzungen erfüllt sind, läßt sich § 67 FGO jedoch nichts entnehmen, so daß die Anwendung des § 264 Nr. 2 ZPO nicht von der Einhaltung der Klagefrist gemäß § 47 FGO hinsichtlich des nachträglich einbezogenen Teils befreit. Die Teilbestandskraft wird nicht beseitigt (ebenso Koenig, DStR 1990, 512, 515).

34

Mit der Bezeichnung des Klagebegehrens durch die Klägerin sind die Feststellungsbescheide in Teilbestandskraft erwachsen, so daß eine weitere Gewinnminderung über das bisherige Begehren hinaus unzulässig ist.

35

4.

Im übrigen ist die geänderte Klage auch unzulässig, da das weitere Klagebegehren nicht hinreichend bestimmt ist. Nach § 65 Abs. 1 Satz 1 FGO muß der Kläger den Beklagten und den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnen. Dazu gehört, daß das Ziel der Klage hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wird. Denn das Gericht kann dem aus § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO sich ergebenden Verbot, über das Klagebegehren hinauszugehen, nur entsprechen, wenn der Kläger den Umfang des begehrten Rechtsschutzes bestimmt hat. Für eine ausreichende Bezeichnung des Streitgegenstandes ist es daher erforderlich, daß der Kläger substantiiert darlegt, inwiefern der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig sei und ihn in seinen Rechten verletze. Nur wenn dies geschehen ist, kann das Gericht den Gegenstand des Klagebegehrens ermitteln und die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis bestimmen.

36

Eine substantiierte Bezeichnung des geänderten Klagebegehrens ist den Ausführungen der Klägerin nicht zu entnehmen. Der im Schriftsatz vom 26. März 1993 formulierte Antrag, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu mindern, ist weder ziffernmäßig bestimmt noch unter Berücksichtigung des Vorbringens bestimmbar. Die Klägerin führt lediglich aus, daß die Mietverträge anzuerkennen sein. Im Falle der Nichtberücksichtigung sei eine Teilwertabschreibung der Forderung zwingend geboten und weitere Teilwertabschreibungen der GmbH-Beteiligungen seien vorzunehmen, da die gewährten Darlehen und die Gebrauchsüberlassung eigenkapitalersetzenden Charakter hätten. Diesem Vorbringen ist nicht zu entnehmen, in welcher Höhe eine weitere Gewinnreduzierung angestrebt wird, da weder die Höhe der eigenkapitalersetzenden Werte dargelegt noch erläutert wird, inwieweit eine weitere Gewinnminderung durch die Teilwertabschreibung auf die Forderung oder die Anerkennung der Mietverträge nach der erfolgten Gewinnänderung in den Änderungsbescheiden erfolgen soll.

37

II.

Die Klage ist zudem unbegründet.

38

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Mietvertrag steuerlich anzuerkennen ist, da auch bei Berücksichtigung des Mietvertrages in der durch die Zusatzvereinbarung geänderten Fassung, keine weitere Gewinnminderung in Betracht käme. Eine Teilwertabschreibung auf die GmbH-Anteile hätte ohne die Passivierungspflicht der Mietverbindlichkeiten bei der GmbH nicht erfolgen dürfen, so daß bei Anerkennung des Mietvertrages und Abschreibung der Mietforderungen eine Rechtsfehlersaldierung nach § 177 AO zu erfolgen hätte. Entgegen der Ansicht der Klägerin wären die Teilwerte der GmbH-Anteile ohne die Mietverbindlichkeiten nicht unter die Anschaffungskosten gefallen. Zwar wies die Bilanz der GmbH zum 31.12.1985 einen Bilanzverlust von 156.417,91 DM aus. Die Ertragslage der GmbH wies jedoch eine eindeutig positive Entwicklung auf. Der Jahresüberschuß 1985 betrug 42.582,00 DM und wurde 1986 auf 142.062,00 DM gesteigert, so daß der bisherige Jahresverlust fast vollständig ausgeglichen war. Für 1987 erzielte die GmbH ebenfalls einen Gewinn, so daß keine Anhaltspunkte vorliegen, die die nach ständiger Rechtsprechung anzunehmende Teilwertvermutung entkräften könnten.

39

Eine Teilwertabschreibung auf die Mietforderungen ist nicht vorzunehmen, da die GmbH entgegen der Auffassung der Klägerin nicht zahlungsunfähig war. Angesichts des Umfangs des Geschäftsbetriebes, der jährliche Aufwendungen von ca. 2 Mill. DM umfaßt, die ausweislich der Gewinn- und Verlustrechnung und der Bilanzen auch weitgehend bezahlt wurden, liegen keine Anhaltspunkte davor vor, das die Mietverbindlichkeiten durch die GmbH auf Dauer nicht hätten beglichen werden können.

40

III.

Der Senat konnte trotz der Abwesenheit der Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung entscheiden.

41

Gemäß § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 155 FGO kann die Verhandlung aus erheblichen Gründen vertagt werden. Derartige Gründe lagen jedoch nicht vor. Der Vertragungantrag des sachbearbeitenden Steuerberaters ... vom 2. November 1995 wird mit einer Geburtstagsfeier zum 80. Geburtstag eines nahen Angehörigen begründet. Die Teilnahme an einer privaten Familienfeier hat gegenüber gerichtlichen Verhandlungsterminen grundsätzlich zurückzutreten, da das Interesse an der Durchführung eines anberaumten Termins, was insbesondere in der Prozeßförderungspflicht der Beteiligten zum Ausdruck kommt, Vorrang genießt. Dies um so mehr, wenn die entscheidungserheblichen Rechtsfragen mit dem Prozeßvertreter - wie im Streitfall geschehen - mehrmals eingehend tel. erörtert wurden und keine Gründe dafür vorgetragen wurden, daß ein persönliches Erscheinen in der mündlichen Verhandlung für erforderlich gehalten wird (vgl. BFH-Beschluß vom 7. Dezember 1990 ... III B 102/90, BStBl II 1991, 20), obgleich dem Prozeßvertreter bereits tel. mitgeteilt wurde, daß eine Terminsaufhebung nicht in Betracht kommt.

42

Die tel. Mitteilung der Erkrankung des Prozeßbevollmächtigten am Sitzungstag stellt ebenfalls keinen erheblichen Grund im Sinne des § 227 Abs. 1 Satz 1 ZPO dar, wie sich aus § 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 in Verbindung mit Abs. 3 ZPO ergibt. Denn die Erkrankung des Prozeßbevollmächtigten wurde trotz Aufforderung durch das Gericht nicht glaubhaft gemacht.

43

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.