Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.11.1995, Az.: II 489/94
Rückforderung von Investitionszulagen für Forschungsinvestitionen und Entwicklungsinvestitionen ; Investitionszulagen für ein Betriebsgebäude und ein Bürogebäude; Zweck der Gewährung von Investitionszulagen; Zweifel bei der Auslegung einer steuerrechtlichen Norm; Anwendung der Grundsätze der Meistbegünstigung im Investitionszulagenrecht
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 23.11.1995
- Aktenzeichen
- II 489/94
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 19536
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1995:1123.II489.94.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 2 Nr. 2 InvZulG
- § 51 Abs. 1 EStG
- § 7b EStG
Fundstelle
- EFG 1996, 488-490 (Volltext mit amtl. LS)
Verfahrensgegenstand
Investitionszulage 1989 und 1990
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Ob abnutzbare unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 Investitionszulagengesetz zu mehr als 2/3 oder wenigstens zu mehr als 1/3 der Forschung und Entwicklung dienen, entscheidet sich grundsätzlich nach dem Verhältnis der für die verschiedenen Zwecke genutzten Nutzflächen. Da die der Forschung und Entwicklung dienenden Nutzflächen innerhalb eines auch anderen Zwecken dienenden Gebäudes kein selbständiges Wirtschaftsgut bilden, soll so eine sachgerechte Förderung des gesamten Gebäudes ermöglicht werden.
- 2.
Die der Forschung und Entwicklung zuzuordnenden Flächen, also mehr als 2/3 oder wenigstens mehr als 1/3 der gesamten Nutzfläche - wie nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 Investitionszulagengesetz bei beweglichen Wirtschaftsgütern - müssen ausschließlich diesen Zwecken dienen.
- 3.
Durch die Investitionszulage für Forschung und Entwicklung soll die eigenbetriebliche Forschung- und Entwicklungstätigkeit gefördert, dadurch der technologische Vorsprung der deutschen Wirtschaft zumindest erhalten, besser noch verstärkt und damit die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gestärkt werden.
- 4.
Steuerbefreiungsvorschriften sind nicht schon deshalb, weil es sich um Ausnahmevorschriften handelt, unter allen Umständen eng oder gar sehr eng auszulegen, doch kann der Charakter als Ausnahme von der Grundregelung unter sinnvoller Würdigung des verfolgten Zweckes bei der Auslegung berücksichtigt werden.
- 5.
Es ist sachgerecht, wenn bei Zweifeln über die Auslegung einer steuerlichen Norm für die Feststellung des mutmaßlichen Willens des Gesetzgebers auch der Gesichtspunkt der Praktikabilität herangezogen wird. Die diesem Gesichtspunkt zukommende Hilfsfunktion kann durch den Gedanken gerechtfertigt werden, dem Gesetzgeber müsse im Falle zweier an sich möglicher Auslegungen, die zu einem praktikablen und einem weniger praktikablen Ergebnis führen, unterstellt werden, er habe die praktischere Lösung gewollt.
- 6.
Die Grundsätze der Meistbegünstigung können nur Anwendung finden, wenn sich der Inhalt eines Gesetzes im Wege der Gesetzesauslegung nicht eindeutig erschließen läßt. Nicht jede schwierige Gesetzesinterpretation führt danach bereits zur Anwendung der Grundsätze der Meistbegünstigung. Vorrang vor der Anwendung dieser Grundsätze hat die Gesetzesauslegung.
In dem Rechtsstreit
hat der II. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 23. November 1995,
an der mitgewirkt haben:
1.Vorsitzende Richter am Finanzgericht ...
2. Richter am Finanzgericht ...
3.Richter am Finanzgericht ...
4. ehrenamtlicher Richter ...
5. ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Rückforderung von Investitionszulage für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen nach § 4 Investitionszulagengesetz 1986; es geht u.a. darum, ob ein Betriebs- und Bürogebäude für 3 Jahre nach dessen Herstellung im Betrieb zu mehr als 33 1/3 v.H. der Forschung oder Entwicklung gedient hat.
Kläger ist der Konkursverwalter der während des außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahrens in Konkurs gefallenen Firma T. (im folgenden T.).
Die T. ist im Maschinen- und Apparatebau als Unternehmen der metallverarbeitenden Industrie tätig. Sie beschäftigt sich mit der Planung und Konstruktion von Maschinen und Anlagen und deren Herstellung und Vertrieb; außerdem führt sie Lohnarbeiten im Bereich spanabhebender Bearbeitung (Lohndreherei) aus. Im wesentlichen baut und liefert sie Maschinen und Anlagen für die Nahrungsmittelindustrie, insbesondere die Zucker-, aber auch Kartoffel- und Gemüseindustrie. Sie fertigt und entwickelt maschinelle Anlagen zur Aufbereitung der Früchte und zur weiteren Behandlung der dabei anfallenden Abwässer.
In den Streitjahren 1989 und 1990 errichtete sie ein neues Betriebsgebäude und ein neues Bürogebäude, die über einen Verbindungstrakt miteinander verbunden sind. Die Gesamtnutzfläche des Betriebsgebäudes beträgt 4.089 qm, die des Bürogebäudes 815,5 qm. Die T. beantragte und erhielt auf die Herstellungskosten Investitionszulage nach § 4 Abs. 1, 2 Investitionszulagengesetz 1986 (Investitionszulage für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen) und zwar, da das Gebäude zu mehr als 33 1/3 v.H., aber nicht mehr als 66 2/3 v.H. der Forschung und Entwicklung dienen sollte, auf die Hälfte der Herstellungskosten. Die Gewährungsbescheide ergingen nach § 164 Abs. 1 AO i.V.m. Abs. 5 Investitionszulagengesetz jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Im Zuge einer im Jahre 1992 bei der T. durchgeführten Außenprüfung wurde die T. aufgefordert, den erklärten Nutzungsanteil von mehr als 33 1/3 v.H. und weniger als 66 2/3 v.H. für Forschung und Entwicklung nachzuweisen. Schließlich wurde dem Prüfer eine Planskizze des Gebäudekomplexes vorgelegt, in der für das Betriebsgebäude die für die Forschung und Entwicklung mitgenutzten Gebäudeflächen farbig markiert waren, und zwar einmal Flächen mit geringem Anteil an Forschung und Entwicklung (724 qm) und solche mit überwiegendem Anteil an Forschung und Entwicklung (1.061,9 qm); die Differenz zu der Gesamtfläche von 4.089 qm entfielen auf Verkehrsflächen und sonstige Betriebsflächen. Wegen der Einzelheiten wird auf die in der Betriebsprüfungsarbeitsakte abgelegten Planskizzen nebst Auflistung der sich daraus ergebenden Nutzungsflächen verwiesen. Der damalige Geschäftsführer erklärte gegenüber dem Prüfer, zu den vorgelegten Berechnungsunterlagen gebe es keine weiteren Nachweise; die von dem Steuerberatungsbüro ... zugrunde gelegten Berechnungen seien nicht verfügbar. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Aktenvermerks des Außenprüfers vom 19.11.1992 (Bp.-Arbeitsakte) Bezug genommen. Der Außenprüfer erbat von der T. weitere Nachweise für die erklärten Nutzungsverhältnisse und wies darauf hin, daß in die Ermittlung auch der Bürogebäudeteil einzubeziehen sei, da hierfür ebenfalls Investitionszulage beantragt und gewährt worden sei. Insbesondere sollten die Kriterien, nach denen die Zuordnung der Flächen mit geringem Anteil und mit überwiegendem Anteil an Forschung und Entwicklung erfolgte, im einzelnen dargelegt werden. Daraufhin teilte die T. mit Schreiben vom 5.1.1993 (Bp.-Ordner Investitionszulage IV am Ende) mit, sie habe mehrere CAD-Anlagen angeschafft, für die sie ebenfalls Investitionszulage für Forschung und Entwicklung erhalten habe, die ausschließlich für die Neuentwicklung und wesentliche Weiterentwicklung von Maschinen eingesetzt worden seien; mit diesen Anlagen seien in der fraglichen Nutzungszeit ein Rotorseperator, Trockenschmutzabscheider, eine Entwässerungstrommel, Waschtrommel für Rüben, Waschtrommel für Rote Beete, eine Kompaktanlage, ein Rollenrost, ein Gewürzzerkleinerer, ein Rübenprobestecher und ein Rübenverteilturm entwickelt worden. Diese Neu- und Weiterentwicklungen seien überwiegend in den gelb gekennzeichneten Bereichen (Flächen mit überwiegendem Anteil an Forschung und Entwicklung) gefertigt worden. Auf den CAD-Anlagen seien nur Neu- und Weiterentwicklungen bearbeitet worden, da für die bisher und auch weiterhin produzierten Maschinen bereits Zeichnungen vorhanden gewesen seien, nach denen diese in den Werkstätten hätten gefertigt werden können.
Die Außenprüfung kam schließlich zu dem Ergebnis, daß die Voraussetzungen für die Gewährung der Investitionszulage nicht vorgelegen hätten. Das FA begründete seine Auffassung damit, die T. habe schon keine Forschung und Entwicklung i.S. der Vorschrift betrieben. Hierzu gehöre die Grundlagenforschung, die Neuentwicklung von Erzeugnissen oder Herstellungsverfahren und die Weiterentwicklung von Erzeugnissen oder Herstellungsverfahren, soweit wesentliche Änderungen hierzu entwickelt würden. Grundlagenforschung werde durch die T. nicht betrieben. Während in den Vorjahren bis etwa zum Jahre 1986 Neu- und wesentliche Weiterentwicklungen nachweisbar vorhanden gewesen seien, da hierfür Patente angemeldet worden seien, fehle es in dem maßgebenden Drei-Jahres-Zeitraum von März 1990 bis März 1993 offenbar an solchen Entwicklungen. Da jedenfalls keine Patente mehr angemeldet worden seien, seien insoweit begründete Zweifel gegeben. Konkrete Unterlagen, aus denen Neuentwicklungen oder Weiterentwicklungen mit wesentlichen Änderungen entnommen werden könnten, seien nicht vorgelegt worden.
Darüber hinaus sei die Investitionszulage auch schon deshalb zu versagen, weil auch nach der vorgelegten Aufstellung der erklärte Anteil an Forschung und Entwicklung bezogen auf die Fläche des Betriebsgebäudes nur 25,97 v.H. betrage (1.061,9 qm von 4.089,36 qm), bezogen auf die gesamte Nutzfläche des Betriebs- und Bürogebäudes 21,65 v.H. (1.061,9 qm von 4.903,86 qm). Richtigerweise müsse sogar auf das letztere Verhältnis abgestellt werden, da Büro- und Betriebsgebäude eine wirtschaftliche Einheit darstellten. Bei gemischt-genutzten Flächen könnten zur Ermittlung der Nutzungsverhältnisse nur die Flächen der Forschung und Entwicklung zugeordnet werden, die überwiegend (mehr als 50 v.H.) für Forschung und Entwicklung genutzt würden.
Das FA änderte daraufhin die Gewährungsbescheide und forderte die nach § 4 Investitionszulagengesetz auf die Herstellungskosten des Büro- und Betriebsgebäudes gewährte Investitionszulage wieder zurück, und zwar für 1989 151.473 DM und für 1990 in voller Höhe von 68.379 DM. Für 1989 ergab sich noch eine Verschiebung zwischen den Bemessungsgrundlagen, die sich auch auf die Höhe der Zulage auswirkte; und zwar beliefen sich die Herstellungskosten für die Hardware nicht auf 105.000 DM sondern auf 78.300 DM; der Differenzbetrag von 26.700 DM entfiel auf nach § 4 Abs. 2 Nr. 3 Investitionszulagengesetz begünstigte Anschaffungskosten für immaterielle Wirtschaftsgüter.
Die T. legte gegen die geänderten Gewährungsbescheide Einspruch ein; nachdem sie in Konkurs gefallen war, führte der Konkursverwalter, der Kläger, das Einspruchsverfahren fort. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.
Mit der Klage begehrt der Kläger weiterhin Investitionszulage auch auf die Herstellungskosten der Gebäude. Entgegen der Auffassung der Betriebsprüfung habe die T. während des Drei-Jahres-Zeitraums Forschung und Entwicklung betrieben. Dies sei auch nachgewiesen worden. Es komme deshalb im Ergebnis darauf an, wie die Nutzungsverhältnisse gewesen seien. Die vom FA vorgenommene Berechnung sei unzutreffend. Es gehe nicht an, die Verkehrswege und die allgemeine Fläche für die Produktion, die auch für Forschung und Entwicklung genutzt worden sei (2.303 qm), voll der Produktionsfläche, wie es das FA getan habe, zuzurechnen. Diese Fläche müsse vielmehr im Verhältnis der Fläche für Forschung und Entwicklung zur Produktionsfläche aufgeteilt werden. Selbst unter Einbezug des Bürogebäudes ergebe sich dann ein Anteil von rd. 50 v.H. für Forschung und Entwicklung. Auch sei es unzutreffend, das Bürogebäude in vollem Umfang dem Produktionsbereich zuzurechnen. Die reinen Büroflächen betrügen 294 qm, wovon dem Forschungs- und Entwicklungsbereich 20 qm unmittelbar zuzurechnen seien. Die Flure mit einer Gesamtfläche von 192 qm müßten deshalb im Verhältnis 20 zu 274 auf Forschung und Entwicklung und Produktion aufgeteilt werden. Dabei würde allerdings nur die Nutzung durch das Büropersonal berücksichtigt. Da auch das Produktionspersonal diese Fläche nutze, müsse sich der Anteil an Forschung und Entwicklung sogar noch erhöhen. Die Sozialräume mit 296 qm würden von allen Mitarbeitern genutzt. Diese Fläche müsse daher im Verhältnis 1.062 qm zu 724 qm der Forschung und Entwicklung und Produktion zugeordnet werden. Letzterer Aufteilungsmaßstab sei auch für die Nutzung des Besprechungszimmers anzuwenden.
Es habe fest abgegrenzte Bereiche gegeben, die ausschließlich der Forschung und Entwicklung gedient hätten. Daneben habe es auch Bereiche gegeben, die eine bestimmte Zeit der Forschung und Entwicklung und eine bestimmte Zeit nur der Produktion gedient hätten. Der letztere Bereich sei in den vorgelegten Planunterlagen nicht als solcher, der der Forschung und Entwicklung diente, markiert worden.
Der Kläger beantragt,
das Finanzamt zu verpflichten, für das Jahr 1989 154.810 DM an Investitionszulage zusätzlich zu zahlen und für das Jahr 1990 68.370 DM.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das FA hält an seiner Auffassung fest, wonach die Klägerin schon gar nicht Forschung und Entwicklung i.S. des § 4 Investitionszulagengesetz betrieben habe. Auch hält es an der vorgenommenen Ermittlung der Nutzungsverhältnisse fest. Hierfür sei das Verhältnis der der Forschung und Entwicklung dienenden und der der Produktion dienenden Nutzflächen maßgebend. Mischflächen, die beiden Bereichen dienten, seien nicht begünstigt; nur konkret abgrenzbare Flächen, die ausschließlich der Forschung und Entwicklung dienten, seien begünstigt und könnten in den maßgebenden Nutzflächenvergleich einbezogen werden. So müsse jedenfalls das BFH-Urteil vom 25.06.1993, (BStBl. II 1993, 771) verstanden werden. Aber auch nach der bisher von der Verwaltung und in der Literatur vertretenen Auffassung, wonach als der Forschung und Entwicklung dienend in den Nutzflächenvergleich nur solche Flächen einbezogen werden könnten, die überwiegend der Forschung und Entwicklung dienten, fehle es im Ergebnis daran, daß die Gebäude zu mehr als 33 1/3 v.H. der Forschung und Entwicklung dienten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
1.
Für abnutzbare unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens wird Investitionszulage für Forschungs- und Entwicklungsinvestitionen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 2 Investitionszulagengesetz nur gewährt, wenn diese mindestens drei Jahre nach ihrer Herstellung im Betrieb des Steuerpflichtigen zu mehr als 2/3 (für die Gewährung der vollen Zulage) oder wenigstens zu mehr als 1/3 (für die Gewährung der halben Zulage) der Forschung und Entwicklung dienen.
2.
Der Senat läßt offen, ob die T. überhaupt, wie sie behauptet, Entwicklung i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 2 Investitionszulagengesetz i.V.m. § 51 Abs. 1 Nr. 2 u Satz 4 EStG betrieben hat; danach ist unter Entwicklung, wie sie die Klägerin betrieben haben will, die Neuentwicklung zu verstehen oder aber die Weiterentwicklung von Erzeugnissen, soweit wesentliche Änderungen dieser Erzeugnisse entwickelt werden.
Der Senat läßt auch ungeprüft, ob die Gebäude in dem erklärten Umfang für begünstigte Zwecke genutzt wurden.
3.
Unterstellt, die T. hätte tatsächlich und auch in dem erklärten Umfang Entwicklung i.S.d. Begünstigungsvorschrift betrieben, hat sie schon deshalb keinen Anspruch auf die zunächst erhaltene und wieder zurückgeforderte Investitionszulage, weil nach dem vorgelegten Nutzungsplan in keinem Bereich des Betriebsgebäudes ausschließlich Entwicklung betrieben worden ist, im Bürogebäude lediglich 20 qm von 415 qm ausschließlich für Entwicklungszwecke genutzt worden sind.
a)
Ob abnutzbare unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 Investitionszulagengesetz zu mehr als 2/3 oder wenigstens zu mehr als 1/3 der Forschung und Entwicklung dienen, entscheidet sich grundsätzlich nach dem Verhältnis der für die verschiedenen Zwecke genutzten Nutzflächen. Da die der Forschung und Entwicklung dienenden Nutzflächen innerhalb eines auch anderen Zwecken dienenden Gebäudes kein selbständiges Wirtschaftsgut bilden, soll so eine sachgerechte Förderung des gesamten Gebäudes ermöglicht werden.
Der Senat folgt der im BFH-Urteil vom 25. Juli 1993 III R 2/89 (BStBl. II 1993, 771) angedeuteten ("... weil - wozu der Senat neigt - die der Forschung und Entwicklung zuzuordnenden Flächen ... ausschließlich diesen Zwecken dienen müssen") Auffassung, wonach die der Forschung und Entwicklung zuzuordnenden Flächen, also mehr als 2/3 oder wenigstens mehr als 1/3 der gesamten Nutzfläche - wie nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 Investitionszulagengesetz bei beweglichen Wirtschaftsgütern - ausschließlich diesen Zwecken dienen müssen.
b)
Dies ergibt die Auslegung der gesetzlichen Regelung nach Wortlaut, systematischer Stellung und Sinn und Zweck der Regelung.
Durch die Investitionszulage für Forschung und Entwicklung soll die eigenbetriebliche Forschung- und Entwicklungstätigkeit gefördert, dadurch der technologische Vorsprung der deutschen Wirtschaft zumindest erhalten, besser noch verstärkt und damit die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft gestärkt werden.
aa)
Dieser Zweck erfordert es, auch um Mißstände zu verhindern, daß die geförderten Wirtschaftsgüter in einem Mindestzeitraum tatsächlich für Forschung und Entwicklung eingesetzt werden. Dieses Ziel verstärkter Forschungstätigkeit wird am ehesten und umfangreichsten erreicht und sichergestellt, wenn der Investor gezwungen ist, das geförderte Wirtschaftsgut auch ausschließlich für Forschung und Entwicklung einzusetzen. Dem entspricht es, daß der Gesetzgeber bei beweglichen Wirtschaftsgütern eine ausschließliche Verwendung für Forschung und Entwicklung in einem Zeitraum von drei Jahren nach Anschaffung oder Herstellung vorgeschrieben hat.
bb)
Auf der anderen Seite ist nicht zu verkennen, daß insbesondere bei abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern (Gebäude) kleinere oder mittlere Unternehmen trotz der Förderung nicht in der Lage sein werden, solche zu errichten, in denen ausschließlich Forschung und Entwicklung stattfindet; gerade aber diese Betriebe sind oftmals im Forschungs- und Entwicklungsbereich besonders kreativ, innovativ und erfolgreich. Offenbar um auch diese Betriebe sinnvoll fördern zu können und damit die Investitionszulage für Forschung und Entwicklung nicht überwiegend nur von Großbetrieben beansprucht werden kann, ist es bei der Förderung von unbeweglichen abnutzbaren Wirtschaftsgütern (Gebäuden) - dies ist zwar, soweit ersichtlich, in den Gesetzesmaterialien nicht dokumentiert, kann aber nur der Grund der gesetzlichen Regelung gewesen sein
ausreichend, daß diese zu mehr als 2/3 (so die früheren Gesetzesfassungen) bzw. seit dem Investitionszulagengesetz in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes und anderer Gesetze vom 30.10.1978 (BStBl. I 1978, 427) zu mehr als 2/3 (für die volle Zulage) oder wenigstens zu mehr als 1/3 (für die halbe Zulage) der Forschung und Entwicklung dienen.
Dem geringeren Handlungs- und damit Investitionsspielraum der inbesonderem Maße auch zu förderenden kleineren und mittleren Betriebe ist aber dadurch ausreichend Rechnung getragen, daß die Forschungs- und Entwicklungsbereiche aufgrund der gesetzlichen Regelung in größere Gebäudeeinheiten integriert werden können. Grundvoraussetzung der Förderung muß aber, wie in der Regelung für bewegliche Wirtschaftsgüter zum Ausdruck gekommen ist, bleiben, daß die der Forschung und Entwicklung dienenden Wirtschaftsgüter, hier mithin Gebäudeteile, ausschließlich der Forschung und Entwicklung dienen.
cc)
Insofern stellt die Regelung für unbewegliche Wirtschaftsgüter eine Ausnahme gegenüber der Regelung für bewegliche Wirtschaftsgüter dar. Vergleichbare Regel-/Ausnahmeverhältnisse gibt es auch in Allgemeinen Steuerrecht, wo Steuerbefreiungen die Ausnahme von der grundsätzlichen Besteuerung bestimmter Vorgänge darstellen. Allerdings sind Steuerbefreiungsvorschriften nicht schon deshalb, weil es sich um Ausnahmevorschriften handelt, unter allen Umständen eng oder gar sehr eng auszulegen, doch kann der Charakter als Ausnahme von der Grundregelung unter sinnvoller Würdigung des verfolgten Zweckes bei der Auslegung berücksichtigt werden (vgl. BFH-Urteile vom 12. Mai 1965 II 59/62 U, BStBl. III 1965, 425; vom 24. Juni 1964 II 125/61 U, BStBl. III 1964, 446; vom 28. April 1970 II 109/65, BStBl. II 1970, 600). Damit kommt es entscheidend darauf an, daß durch das Abrücken (Ausnahme) vom Erfordernis der ausschließlichen Nutzung (Regel) für Forschung und Entwicklung lediglich die Benachteiligung kleinerer und mittlerer Unternehmen beseitigt werden sollte, für die u.U. die Errichtung eines Gebäudes allein für Forschungs- und Entwicklungszwecke trotz der Förderung nicht tragbar wäre. Hierzu bedurfte es aber nicht des vollständigen Abrückens vom Erfordernis einer ausschließlichen Nutzung für Forschung und Entwicklung; dieser Zweck wird, gerade auch um Mißbrauch zu verhindern, in ausreichendem Umfang erreicht, wenn die ausschließlich für Forschung und Entwicklung genutzten Flächen mehr als 2/3 oder wenigsten mehr als 1/3 der Gesamtflächen ausmachen.
dd)
Für diese Auslegung spricht ferner, daß sie als einzige tatsächlich praktikabel ist, denn eine ausschließliche Nutzung läßt sich leichter dokumentieren und damit nachweisen, aber auch nachprüfen, als wenn es auf ständig schwankenden Nutzungsverhältnisse verschiedener unterschiedlich genutzter Bereiche eines Gebäudes ankäme.
Es ist durchaus sachgerecht, wenn bei Zweifeln über die Auslegung einer steuerlichen Norm für die Feststellung des mutmaßlichen Willens des Gesetzgebers auch der Gesichtspunkt der Praktikabilität herangezogen wird. Die diesem Gesichtspunkt zukommende Hilfsfunktion kann durch den Gedanken gerechtfertigt werden, dem Gesetzgeber müsse im Falle zweier an sich möglicher Auslegungen, die zu einem praktikablen und einem weniger praktikablen Ergebnis führen, unterstellt werden, er habe die praktischere Lösung gewollt (BFH-Urteil vom 20. Mai 1969 II 25/61, BStBl. II 1969, 550; BVerfG-Beschluß vom 14. März 1977 1 BvR 334/61, BVerfGE 21, 209, BStBl. III 1967, 357).
Gerade die Verhältnisse des Streitfalles zeigen in besonderem Maße, daß eine einigermaßen genaue Zuordnung unterschiedlich und im Umfang auch noch wechselnder Teilflächen nahezu unmöglich ist, wobei im Streitfall noch hinzukommt, daß auch die Größe der Teilflächen nicht genau festliegt. Der tatsächliche Nutzungsumfang wäre, wollte man die Nutzungsverhältnisse genau ermitteln, so (nachfolgend als "Berechnungsart I" bezeichnet) festzustellen, daß jede ausschließliche Forschung und Entwicklung und jede ausschließlich für andere Zwecke genutzte Teilfläche sowie jede gemischt genutzte Teilfläche mit dem ihren Nutzungsanteil entsprechenden Flächenanteil (z.B. 100 qm werden zu 55 v. H. für Forschung und Entwicklung und zu 45 v. H. für andere Zwecke genutzt; als Forschungs- und Entwicklungsfläche wäre entsprechend dem Nutzungsgrad 55 qm und als sonstige Fläche 45 qm anzusetzen) in die Verhältnisrechnung einzubeziehen wäre. Das würde aber eine genaue Ermittlung der Nutzungsverhältnisse aller unterschiedlich und/oder auch im Wechsel genutzter Bereiche voraussetzen, was in der Praxis kaum durchführbar ist. Sonstige Mischflächen, wie z.B. Verkehrsflächen oder Sozialräume und Kantinen, müßten nach einem anderen geeigneten Maßstab aufgeteilt werden (z.B. nach dem Umfang des Personaleinsatzes für Forschung und Entwicklung und für sonstige Zwecke). Zwar würde eine genaue Ermittlung der Nutzungsverhältnisse in der dargelegten Art und Weise durchaus im Rahmen des Gesetzeszwecks liegen.
Gleichwohl muß der Auslegung auch unter Berücksichtigung der Praktikabilität der Vorzug gegeben werden, da diese sowohl der Systematik der Gesetzesvorschrift als auch dem Gesetzeszweck, wie oben dargelegt, durchaus entspricht, aber eben praktikabel ist.
c)
Die bisher allgemein in Anlehnung an die Rechtsprechung zu § 7 b EStG (dort zur Entscheidung, ob ein Gebäude zu mehr als 2/3 Wohnzwecken dient) vertretene Auffassung (Blümich-Falk, § 4 Investitionszulagengesetz Rdn. 26; Marsuch in Handbuch der regionalen Wirtschaftsförderung B II Anm. 133; Hermann-Heuer § 2 Investitionszulagengesetz 1969 Anm. 11, 12; Tz. 121 des BMF-Schreibens vom 31.12.1986, BStBl. I 1987, 51), wonach bei der Berechnung des Nutzflächenverhältnisses Räume, die sowohl der Forschung und Entwicklung als auch anderen Zwecken dienen, dem Zweck zuzurechnen sind, dem sie überwiegend dienen und in Fällen, in denen alle Räume eines Gebäudes gemischt genutzt werden, es nur auf die überwiegende Nutzung ankommen soll, ist dagegen abzulehnen (nachfolgend als "Berechnungsart II" bezeichnet); sie ist zwar im Vergleich zur genauen Berechnung der Nutzungsverhältnisse etwas praktikabler, führt aber zu dem Gesetzeszweck nicht mehr entsprechenden Ergebnissen, wie die nachfolgenden Beispiele zeigen:
Würden in einem Gebäude mit der Gesamtfläche von 100 qm 10 qm und weitere 30 qm zu 51 v. H. für Forschung und Entwicklung genutzt werden, wären nach dieser Auffassung 40 qm von 100 qm, mithin 40 v. H., dem Bereich Forschung und Entwicklung zuzuordnen mit der Folge, daß die halbe Zulage (mehr als 1/3 Nutzung zu Forschung oder Entwicklung) zu gewähren wäre. Bei genauer Berechnung der Nutzungsverhältnisse nach Berechnungsart I würden demgegenüber von der gemischtgenutzten Fläche nur 51 v. H. von 30 qm, mithin 15,3 qm anteilig dem Bereich Forschung und Entwicklung zuzuordnen sein, so daß die Nutzung für Forschung und Entwicklung nur 25,3 v. H. betrüge, mithin keine Investitionszulage zu zahlen wäre.
Würden in einem solchen Gebäude 10 qm ausschließlich für Forschung und Entwicklungszwecke genutzt, 80 qm dagegen zu nur 49 v. H., könnten nach der Berechnungsart II der Forschung und Entwicklung nur 10 qm zugeordnet werden, wäre mithin keine Investitionszulage zu zahlen. Berechnet man dagegen die Nutzungsverhältnisse nach der genaueren Berechnungsart I, würden von der gemischtgenutzten Fläche (80 qm) 49 v. H., mithin 39,2 qm der Forschung und Entwicklung zugeordnet werden. Der Gesamtanteil für Forschung und Entwicklung betrüge dann 49,2 v. H., so daß die halbe Zulage zu gewähren wäre.
Fände in dem genannten Gebäude in allen Bereichen eine Mischnutzung statt, wären die Ergebnisse ebenfalls von den Zufälligkeiten der Nutzung abhängig und in sich widersprüchlich. Würde beispielsweise die gesamte Fläche zu 49 v. H. für Forschung und Entwicklung genutzt, wäre nach der Berechnungsart II keine Zulage zu zahlen, da die Flächen nicht dem Forschungs- und Entwicklungsbereich zugeordnet werden könnten; bei der Berechnungsart I wäre der Anteil für Forschung und Entwicklung dagegen 49 v. H., so daß die halbe Zulage zu zahlen wäre.
Betrüge der Anteil für Forschung und Entwicklung 51 v. H., wäre nach der Berechnungsart II die gesamte Nutzfläche dem Forschungs- und Entwicklungsbereich zuzuordnen und die volle Zulage zu zahlen, während nach der genaueren Berechnungsart I 51 v. H. der Forschung und Entwicklung zuzuordnen wäre, mithin nur die halbe Zulage zu zahlen wäre.
Im Ergebnis bleibt festzuhalten, daß die von der allgemeinen Meinung gebilligte Berechnungsmethode zu in sich widersprüchlichen und zufälligen Ergebnissen führt. Schon aus diesem Grunde ist sie abzulehnen, zumal sich für sie weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus dem Gesetzeszweck etwas anführen ließe; auch der Gewinn an Praktikabilität ist nur gering.
d)
Dem durch Auslegung gewonnenen Ergebnis steht auch nicht der vom III. Senat des BFH zum Investitionszulagengesetz in neuerer Zeit entwickelte Grundsatz der Meistbegünstigung entgegen (vgl. dazu erstmalig BFH-Urteil vom 9. Dezember 1988 III R 27/86, BStBl. II 1989, 242; ferner BFH-Urteile vom 10. Februar 1989 III R 155/84 BFH/NV 1989, 600; vom 24. Februar 1989 III R 1/87, BFH/NV 1989, 736; vom 10. Januar 1992 III R 223/90, BStBl. II 1992, 427; vom 26. August 1994 III R 63/92, BFH/NV 1995, 340).
Die Grundsätze der Meistbegünstigung können nämlich nur Anwendung finden, wenn sich der Inhalt eines Gesetzes im Wege der Gesetzesauslegung nicht eindeutig erschließen läßt. Nicht jede schwierige Gesetzesinterpretation führt danach bereits zur Anwendung der Grundsätze der Meistbegünstigung. Vorrang vor der Anwendung dieser Grundsätze hat die Gesetzesauslegung (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1994 I R 107/93, BStBl. II 1995, 403).
4.
Gegen das Urteil war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen. Eine höchstrichterliche Entscheidung dient hier der Rechtsbildung, zumal der BFH in seinem Urteil vom 25. Juni 1993 III R 2/89 (a.a.O.) die hier gewonnene Auslegung angedeutet hat und der Rechtsfrage damit schon grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Gegen dieses Urteil ist die Revision zugelassen worden.