Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.10.1995, Az.: VI 362/92

Vereinbarung zwischen einem Alleingesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und der GmbH als verdeckte Gewinnausschüttung; Gehaltszahlungen wegen Verstoßes gegen § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als verdeckte Gewinnausschüttung

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
30.10.1995
Aktenzeichen
VI 362/92
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 17890
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1995:1030.VI362.92.0A

Fundstelle

  • DStRE 1997, 380-381 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Körperschaftsteuer 1983

Amtlicher Leitsatz

Das Urteil des BFH vom 17. September 1992, BStBl II 93, 141, wonach eine Vereinbarung zwischen einem Alleingesellschafter einer GmbH und der GmbH, die vor dem 1. Januar 1981 getroffen wurde, nicht allein deshalb zu einer vGA führt, weil keine Anpassung an den ab 1. Januar 1981 geltenden § 35 Abs. 4 GmbHG erfolgt ist, ist dann nicht anzuwenden, wenn ein Alleingesellschafter mit der von ihm beherrschten GmbH nach Inkrafttreten des § 35 Abs. 4 GmbHG am 2. Januar 1981 eine Vereinbarung auch über die Anwendung des § 181 BGB trifft, die jedoch nicht ins Handelsregister eingetragen wird.

In dem Rechtsstreit
hat der VI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 30. Oktober 1995,
an der mitgewirkt haben:
Präsident des Finanzgerichts ... als Vorsitzender
Richter am Finanzgericht ... Richterin am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ... Dipl.-Kauffrau ehrenamtlicher Richter ... Landwirt
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob Gehaltszahlungen wegen Verstoßes gegen § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) zu behandeln sind.

2

Gegenstand des Geschäftsbetriebes der mit notariellem Vertrag vom 13. September 1979 gegründeten Klägerin ist die Vorbereitung und Durchführung, Vermittlung und Personenbeförderung von Reisen mit naturwissenschaftlichem und kulturellem Inhalt. Das Stammkapital der Klägerin betrug bei Gründung 20.000 DM, im Streitjahr 50.000 DM und wurde von dem Alleingesellschafter R. gehalten. Dieser ist nach § 6 des Gesellschaftsvertrages vom 18. September 1979 zum alleinigen Geschäftsführer der Klägerin bestellt. Der notarielle Gesellschaftsvertrag enthält keine Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB. Die Klägerin und ihr Geschäftsführer R. schlossen zunächst auch keinen schriftlichen Anstellungsvertrag. Ebenso fehlt es - entgegen einem rückdatierten Protokoll vom 13. September 1979 (Bl. 63 der Vertragsakte) - an Beschlüssen der Gesellschafterversammlung zu § 181 BGB.

3

Am 2. Januar 1981 schlossen die Klägerin, vertreten durch R., und R. einen Geschäftsführer-Anstellungsvertrag, der in § 1 neben anderem auch eine Befreiung des Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB zum Inhalt hat. Nach § 2 des Vertrages erhält R. ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von 2.000 DM. In einer Ergänzungsvereinbarung vom 1. Januar 1983 wurde es auf 2.600 DM monatlich angehoben. Ferner gewährte die Klägerin ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer eine gewinnabhängige Tantieme. Wegen des Inhalts des das Streitjahr betreffenden Vertrages und seiner Ergänzungen im einzelnen wird auf Bl. 25 bis 30 der Vertragsakte Bezug genommen.

4

Die Gehaltszahlung an R. betrug für das Streitjahr insgesamt 79.403 DM. Die Klägerin behandelte diese im Rahmen der Gewinnermittlung 1983 als Betriebsausgaben. Das Finanzamt (FA) erteilte den Körperschaftsteuerbescheid 1983 erklärungsgemäß; er erging gemäß § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.

5

Im Rahmen einer bei der Klägerin in der Zeit vom 13. September bis 12. Oktober 1989 - mit Unterbrechungen - durchgeführten Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 1985 bis 1987 beanstandete der Außenprüfer neben anderem, daß der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag keine wirksame Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB enthalte. Es wurde eine Änderung des Gesellschaftsvertrages durchgeführt und am 2. November 1989 die Befreiung des Geschäftsführers von den Beschränkungen des § 181 BGB in das Handelsregister eingetragen.

6

Das FA erteilte am 27. Dezember 1989, der Auffassung des Außenprüfers folgend, für 1983 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Körperschaftsteuerbescheid, in dem es die Gehaltszahlungen an R. in Höhe von 79.403 DM als vGA behandelte.

7

Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage, zu deren Begründung die Klägerin vorträgt, sie habe mit dem Gesellschafter-Geschäftsführer R. eine im voraus getroffene klare und eindeutige Vereinbarung, auch betreffend die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, getroffen. Ende des Jahres 1980 hätten Unterredungen mit dem Steuerberater B. in U. stattgefunden, die die umfassende Regelung des Anstellungsverhältnisses des Geschäftsführers zum Gegenstand gehabt hätten. Diese Vereinbarungen hätten im schriftlich fixierten Anstellungsvertrag vom 2. Januar 1981 ihren Niederschlag gefunden. Für diesen Geschehensablauf spreche auch die Lebenswirklichkeit, denn kein Geschäftsführer unterzeichne ohne nähere Erörterung und Prüfung einen Vertrag, der nicht zuvor eingehend besprochen worden sei. Daraus folge, daß bereits Ende des Jahres 1980 eine zivilrechtlich wirksame Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB vorgelegen habe. Dieser Sachverhalt sei dem Sachverhalt vergleichbar, der dem Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. September 1992. Bundessteuerblatt - BStBl - II 1993, 141, zugrunde gelegen habe. Danach seien Leistungen einer GmbH an den Alleingeseltschafter-Geschäftsführer, der vor Inkrafttreten des § 35 Abs. 4 des Gesetzes zur Regelung der Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) wirksam von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit gewesen sei, nicht deshalb als vGA anzusehen, weil die Befreiung erst nach Abschluß von In-sich-Geschäften in der Satzung geregelt und in das Handelsregister eingetragen worden sei.

8

Ferner habe das beklagte FA bei Lohnsteueraußen- und Umsatzsteuersonderprüfungen in den Jahren 1981, 1985 und 1988 keine Beanstandungen im Hinblick auf eine fehlende Regelung zu § 181 BGB erhoben. Es habe damit einen Vertrauenstatbestand geschaffen, den es nicht beseitigen könne.

9

Die Klägerin beantragt,

den Körperschaftsteuerbescheid 1983 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 15. Mai 1992 dahingehend zu ändern, daß vom Ansatz verdeckter Gewinnausschüttungen in Höhe von 79.403 DM abgesehen wird.

10

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

11

Er hält an seiner Auffassung fest, daß die in 1983 geleisteten Gehaltszahlungen in Höhe von 79.403 DM vGA darstellten, da es an einer zivilrechtlich wirksamen Gehaltsvereinbarung zwischen der Klägerin und ihrem Alleingesellschafter-Geschäftsführer fehle. Nach Einführung des § 35 Abs. 4 GmbHG zum 1. Januar 1981 habe eine Regelung im Anstellungsvertrag nicht mehr ausgereicht.

12

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Steuerakten - St.Nr.: ... Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

13

Die Klage ist unbegründet. Das FA hat die Gehaltszahlungen an den Gesellschafter-Geschäftsführer R. zu Recht als vGA behandelt.

14

Gemäß § 7 Abs. 1 und 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) bemißt sich die Körperschaftsteuer nach dem zu versteuernden Einkommen, wobei für den Einkommensbegriff und die Ermittlung des Einkommens gemäß § 8 Abs. 1 KStG die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG) zugrunde zu legen sind, VGA dürfen gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG das Einkommen der Körperschaft nicht mindern.

15

Eine vGA ist bei einer Kapitalgesellschaft eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist, sich auf die Höhe des Einkommens auswirkt und nicht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschluß beruht. Im Regelfall ist eine einkommensändernde Vermögensminderung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter oder einer diesem nahestehenden Person einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte. Bei beherrschenden Gesellschaftern ist eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis auch dann anzunehmen, wenn es an einer zivilrechtlich wirksamen, klaren und von vornherein abgeschlossenen Vereinbarung darüber fehlt, ob und in welcher Höhe ein Entgelt von der Kapitalgesellschaft gezahlt werden soll (vgl. hierzu Streck. Kommentar zum KStG, 3. Aufl. § 8 Anm. 120, 137, 138 zugleich mit Nachweisen zur Rechtsprechung). Voraussetzung für die Klarheit und Eindeutigkeit einer Vereinbarung ist nicht notwendigerweise deren Schriftform, vielmehr kann der Nachweis für eine derartige Vereinbarung auch auf andere Weise erbracht werden, etwa durch eine langjährige tatsächliche Übung (Urteil des BFH vom 24. Januar 1990 I R 157/86, BStBl II 1990, 645).

16

Im vorliegenden Fall fehlt es hinsichtlich der Gehalts- und Tantiemezahlungen an einer wirksamen zivilrechtlichen Vereinbarung. Gemäß § 35 Abs. 4 GmbHG, eingefügt durch die GmbH-Novelle 1980 - Art. 1 Nr. 14 des Änderungsgesetzes vom 4. Juli 1980, BGBl I, 836) - gilt § 181 BGB auch für den geschäftsführenden Alleingesellschafter einer GmbH. Gemäß § 181 BGB kann ein Vertreter nicht ein Geschäft als Vertreter eines Dritten und mit sich selbst abschließen, es sei denn es ist ihm gestattet. Für den Alleingesellschafter einer GmbH bedeutet dies nach der seit dem 1. Januar 1981 geltenden Fassung des § 35 Abs. 4 GmbHG, daß die Gestattung im Gesellschaftsvertrag oder durch eine nachträgliche Änderung des Gesellschaftsvertages herbeigeführt werden oder im Handelsregister eingetragen werden muß. Schließt ein Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH im Namen der Gesellschaft mit sich selbst Rechtsgeschäfte ab, ohne wirksam von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit zu sein, so handelt er ohne Vertretungsmacht. Diese Rechtsgeschäfte sind zwar nicht nichtig, aber schwebend unwirksam. Zivilrechtlich können diese Rechtsgeschäfte mit Wirkung für die Vergangenheit nachträglich genehmigt werden. Steuerrechtlich ist eine solche Genehmigung wegen des Rückwirkungsverbotes jedoch nur mit Wirkung für die Zukunft anzuerkennen (Frotscher/Maas, Kommentar zum KStG, Anhang vGA zu § 8 Rdn. 39 a). Der BFH hat lediglich insoweit von einer strikten Anwendung des § 35 Abs. 4 GmbHG abgesehen, als ein Alleingesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH vor Inkrafttreten des § 35 Abs. 4 GmbHG rechtswirksam von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit war. In diesen Fällen sollen Leistungen nicht allein deshalb als vGA anzusehen seien, weil die Befreiung erst nach Abschluß der Geschäfte in der Satzung geregelt und im Handelsregister eingetragen wurde (Urteil des BFH vom 17. September 1992, a.a.O.). Eine wirksame Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB konnte vor dem Inkrafttreten des § 35 Abs. 4 GmbHG am 1. Januar 1981 zum Beispiel durch einen wirksamen Gesellschafterbeschluß mit unterschriebener Niederschrift eines Protokolles über die Gesellschafterversammlung (Beschluß des Bayerischen Oberlandesgerichtes vom 7. Mai 1984 BReg. 3 Z 163/83, Der Betrieb 1984, 1517) oder durch einwandfreie schriftliche Aufzeichnungen (Urteil des Bundesgerichtshofes vom 19. November 1979 II ZR 197/78, GmbH-Rundschau 1980, 166) belegt werden.

17

Der von der Klägerin vorgetragene Sachverhalt genügt nicht den Anforderungen, die an eine wirksame Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB für den Zeitraum vor dem 1. Januar 1989 gestellt wurden, mit der Folge, daß nach der Rechtsprechung des BFH vom 17. September 1992 I R 89 - 98/91 vom Ansatz von vGA abzusehen wäre. Zum einen hat die Klägerin lediglich vorgetragen, daß es Ende 1980 zu mündlichen Vereinbarungen gekommen wäre, zum anderen handelt es sich bei dem hier zu beurteilenden Sachverhalt nicht um einen sog. "Altfall" der Regelung des Selbstkontrahierungsverbotes. Denn die Klägerin und ihr Alleingesellschafter-Geschäftsführer R. haben bereits zum Zeitpunkt der Geltung der Neuregelung des § 35 Abs. 4 GmbHG am 2. Januar 1981 eine Vereinbarung getroffen, die insoweit nicht mehr der aktuellen Gesetzeslage entsprach. Wenn sie nach dem 1. Januar 1981 eine Regelung betreffend die Befreiung von § 181 BGB trafen, so hätte sich diese an den geltenden Vorschriften orientieren müssen d.h. es hätte insoweit eine Änderung des Gesellschaftsvertrages und eine Eintragung in das Handelsregister erfolgen müssen. Die Neuregelung des GmbHG war auch bereits im Jahr 1980 in Presse und Literatur besprochen, so daß die steuerrechtlich beratene Klägerin bei der Gestaltung ihrer Vereinbarungen dem hätte Rechnung tragen können (vgl. z.B. Lutter, Die GmbH-Novelle und ihre Bedeutung für die GmbH, die GmbH & Co. KG und die Aktiengesellschaft in Der Betrieb 1980, 1317, 1322; Ratgeber zur GmbH-Novelle-Rezension in Deutsches Steuerrecht 1980, 715; Deutur in GmbH-Rundschau 1980, 145, 146).

18

Aus dem Umstand, daß in anderen Veranlagungszeiträumen Lohnsteueraußen- und Umsatzsteuersonderprüfungen stattgefunden haben, ist nicht auf das Entstehen eines Vertrauenstatbestandes hinsichtlich der körperschaftsteuerrechtlichen Beurteilung des Anstellungsverhältnisses zwischen der Klägerin und ihrem Geschäftsführer zu schließen. Denn diese Prüfungen haben andere steuerrechtliche Sachverhalte zum Gegenstand.

19

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) abzuweisen; die Klägerin ist die unterlegene Beteiligte.