Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.11.1995, Az.: I 151/90

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
28.11.1995
Aktenzeichen
I 151/90
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 34219
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1995:1128.I151.90.0A

In dem Rechtsstreit

wegen Einheitsbewertung und Grundsteuermeßbetrags auf den 1. Januar 1988 für Stückländereien in B.

hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 28. November 1995, an der mitgewirkt haben:

Vorsitzender Richter am Finanzgericht .

Richter am Finanzgericht .

Richter am Finanzgericht .

ehrenamtlicher Richter .

ehrenamtliche Richterin .

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.

    Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

Die Parteien streiten über die Frage, ob für diverse Flurstücke des Klägers (Kl.) in B. ein Einheitswert festzustellen ist.

2

Der Kl. erwarb mit Vertrag vom 18. Dezember 1986 sieben verschiedene bis dahin land- und forstwirtschaftliche genutzte Flurstücke -; darunter ca. 15 ha Grünland und 5 ha Forst -; in B. bei C.. Die Grundstücke lagen in dem geplanten Naturschutzgebiet "S." und sollten dem Naturschutz dienen. Für den Erwerb des Grundbesitzes erhielt der Kl. eine finanzielle Zuwendung der Bezirksregierung L. mit der Auflage, den bestehenden Zustand der Grundstücke vorerst nicht zu verändern und bei der Verpachtung von Grünland Bewirtschaftungserschwernisse zugunsten des Naturschutzes durchzusetzen. Entsprechend dieser Auflage überließ der Kl. die Grünlandflächen verschiedenen Landwirten und verpflichtete sie, das Gras nur einmal im Jahr zu mähen und abzutransportieren. Eine Beweidung war nicht zulässig.

3

Mit Änderungsbescheid vom 20. September 1989 bewertete das Finanzamt (FA) die Flurstücke auf den 1. Januar 1988 als land- und forstwirtschaftliches Vermögen (Stückländerei) und stellte den Wert auf 17. 800 DM fest. Entsprechend dieser Bewertung erließ es mit Datum vom selben Tage einen Grundsteuermeßbetragsbescheid -; Nachveranlagung -; auf den 1. Januar 1988.

4

Dagegen hat der Kl. nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben, mit der er die Aufhebung des Einheitswert- und des Grundsteuermeßbetrages begehrt. Er ist der Auffassung, daß der Einheitswert keiner Besteuerung mehr zugrunde gelegt werden könne, der Bescheid sei deshalb gem. § 24 Abs. 1 Nr. 2 Bewertungsgesetz (BewG) aufzuheben. Der Einheitswert sei insbesondere für die Grundsteuer nicht bedeutsam, weil er -; der Kl. -; gem. § 3 Abs. 1 Nr. 3 a Grundsteuergesetz (GrStG) von der Grundsteuer befreit sei. Da auf den bewerteten Grundstücken Naturschutz betrieben werde, würden sie für gemeinnützige Zwecke benutzt. Naturschutz sei gemeinnützig. Das gelte unabhängig davon, ob die Grundstücke in einem bereits ausgewiesenen Naturschutzgebiet lägen oder ob für sie -; wie im Streitfall -; ein Naturschutzgebiet erst geplant sei. § 6 GrStG stehe der Grundsteuerbefreiung nicht entgegen, weil die Grundstücke nicht zugleich auch land- und forstwirtschaftlich genutzt würden. Die land- und forstwirtschaftliche Nutzung durch den früheren Eigentümer sei am 30. November 1987 ausgelaufen. Seitdem würden auf dem Grünland nur noch solche Pflegemaßnahmen durchgeführt, die zum Zwecke des Naturschutzes erforderlich seien. Es gehe darum, den natürlichen Zustand der Weiden wieder herzustellen. Ziel der Naturschutzbemühungen sei es, binsen- und seggenreiche Naßwiesen entstehen zu lassen, weil dieser Landschaftstyp zu den besonders geschützten Biotopen gehöre. Dazu sei es erforderlich, dem Boden wieder den Stickstoff zu entziehen, der ihm infolge der früheren intensiven landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt worden sei. Nur dadurch werde es möglich, auf dem Boden die früher heimischen Pflanzen anzusiedeln. Deshalb sei es erforderlich, die Wiesen einmal im Jahr zu mähen und das geschnittene Gras abzufahren, da anderenfalls der Stickstoff durch die Verrottung des Grases dem Boden wieder zugeführt werde. Je nach Bodenart bestehe die Erwartung, daß das Mähen nach einigen Jahren eingestellt oder zumindest seltener durchgeführt werden könne. Das Abmähen erfolge möglichst spät im Jahr, damit die Gelege der im Gras nistenden Vögel nicht zerstört würden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Mahd für die Landwirtschaft nur noch eingeschränkt oder nicht mehr verwertbar, weil sie schon zu viele Binsen und ähnliche Pflanzen enthalte, die sie als Tierfutter nicht geeignet erscheinen ließen. Das abgemähte Gras werde den beauftragten Bauern gewissermaßen als Tauschobjekt für die Leistung des Mähens überlassen. Eine Beweidung der streitigen Flächen finde nicht statt. Teilweise seien auf den Grundstücken inzwischen Binnengräben gezogen, Feuchtbiotope angelegt und eine Wiedervernässung durchgeführt worden.

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Der Kl. beantragt,

die Einheitswertbescheide auf den 1. Januar 1988 vom 4. Januar 1988 und 20. September 1990 sowie die Grundsteuermeßbetragsbescheide mit selbem Datum und den Einspruchsbescheid vom 6. März 1990 aufzuheben.

6

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen

7

Der Beklagte (Bekl.) ist der Auffassung, daß eine Befreiung der Grundstücke von der Grundsteuer nicht möglich sei. Die Aufrechterhaltung des Naturschutzes sei nur für solche Grundstücke ein gemeinnütziger Zweck im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 3 GrStG, die in einem ausgewiesenen Naturschutzgebiet lägen. Unabhängig davon könne die Befreiung auch deshalb nicht gewährt werden, weil der Grundbesitz zugleich auch land- und forstwirtschaftlich genutzt werde. Das ergebe sich zunächst daraus, daß die Grundstücke vor dem Erwerb durch den Kl. land- und forstwirtschaftlich genutzt worden seien und eine andere Zweckbestimmung noch nicht eingetreten sei. Außerdem habe der Amtliche Landwirtschaftliche Sachverständige des Finanzamts die streitigen Flächen am 24. August 1990 besichtigt. Dabei sei teilweise eine extensive Mähnutzung festgestellt worden. So hätten auf den beiden Flurstücken 28 und 184/11 ca. 130 großen Ballen Heu zum Abtransport bereit gelegen. Eine Befreiung von der Grundsteuer sei daher nur im Erlaßwege gem. § 32 GrStG möglich.

8

Über den Umfang der Mähnutzung und der Brachflächen hat der Sachverständige des FA die auf Bl. 24 der Gerichtsakten befindliche Skizze aufgenommen, auf deren Inhalt verwiesen wird.

9

Wegen des Vortrags der Parteien im übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze im Klageverfahren und Vorverfahren nebst Anlagen Bezug genommen.

10

Die Parteien haben durch Schriftsatz der Kl. vom 9. Oktober 1991 und des Bekl. vom 22. Oktober 1990 auf eine mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.

Gründe

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I.

Die Klage hat keinen Erfolg.

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1. Das FA hat zutreffend den angefochtenen Einheitswertbescheid nicht aufgehoben, weil der streitige Grundbesitz land- und forstwirtschaftlich genutzt wird und deshalb eine Grundsteuerbefreiung nach § 6 GrStG nicht möglich ist. Zur Begründung im einzelnen verweist das Gericht auf die Entscheidungsgründe seines heutigen Urteils im Verfahren derselben Beteiligten wegen Einheitsbewertung für Stückländereien in W. auf den 1. Januar 1990 (I 134/91). Die tragenden Gründe jener Entscheidung gelten auch für diesen Rechtsstreit.

13

Lediglich ergänzend ist für dieses Verfahren anzumerken, daß die Überlassung des Grünlandes an verschiedene Landwirte auch dann bei objektiver Betrachtung eine landwirtschaftliche Nutzung darstellt, wenn -; wie hier -; keine Beweidung sondern nur eine Mähnutzung stattfindet. Die Tatsache, daß ein Teil der Grünflächen inzwischen zu Brachland geworden sind, führt zu keiner anderen Einschätzung, weil das Ausmaß der landwirtschaftlichen Nutzung für die Anwendung des § 6 GrStG nicht entscheidend ist. Da § 6 GrStG als lex specialis der Regelung des § 8 GrStG vorangeht, tritt auch keine teilweise Steuerbefreiung ein.

14

2. Entsprechend dem Einheitswertbescheid hat auch der angefochtene Grundsteuermeßbetragsbescheid weiterhin Bestand.

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II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

16

Das Gericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).