Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 17.11.1995, Az.: IX 59/94

Zahlungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs führen weder zu Werbungskosten, noch zu außergewöhnlichen Belastungen; Einkommensteuer 1991

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
17.11.1995
Aktenzeichen
IX 59/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1995, 34209
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:1995:1117.IX59.94.0A

Fundstelle

  • EFG 1996, 173-174 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    1. Eine Ausgleichszahlung im Rahmen des Versorgungsausgleichs führt nicht zu einer Vermögensminderung und ist daher nicht als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig. Die Zahlung hat keinen Unterhaltscharakter, sondern es handelt sich um eine Form des Zugewinnausgleichs, die eine bereits während der Ehezeit eingetretene Vermögensminderung durch einen Barausgleich ersetzt.

  2. 2.

    2. Es handelt sich auch nicht um Werbungskosten, da es an dem erforderlichen Einkunftszusammenhang fehlt. Dieser wird nicht allein dadurch begründet, dass das vom Arbeitgeber gewählte Betriebsrentenmodell einem Realsplitting nicht zugänglich ist.

In dem Rechtsstreit

wegen Einkommensteuer 1991

hat der IX. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts nach mündlicher Verhandlung in der Einzelrichtersitzung am 17. November 1995, an der mitgewirkt haben:

Richter am Finanzgericht ... als Einzelrichter

ehrenamtlicher Richter ...

ehrenamtliche Richterin ...

für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

    Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

1

I.

Die Beteiligten streiten über die steuerliche Berücksichtigung einer Versorgungsausgleichszahlung des Klägers an seine von ihm geschiedene Ehefrau.

2

Der Kläger bezog im Streitjahr 1991 als Angestellter einer Bank Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Rahmen dieser Einkünfte machte er eine im Streitjahr an seine geschiedene Ehefrau geleistete Zahlung von 32.595,94 DM als Werbungskosten geltend.

3

Die Ehe des Klägers wurde aufgrund eines Urteils des Familiengerichts B. vom 6. November 1991 geschieden. Zum Versorgungsausgleich stellte das Gericht fest, der Kläger habe in der Ehezeit höhere Rentenanwartschaften erlangt und sei deshalb nach § 1587 a Abs. 1 Satz 1 BGB ausgleichsverpflichtet. Es wurden deshalb 504,80 DM vom Versicherungskonto des Klägers auf ein Versicherungskonto der Ehefrau übertragen.

4

Nach dem Gesetz über weitere Maßnahmen auf dem Gebiet des Versorgungsausgleichs vom 8. Dezember 1986 VAHRG (BGBl I 1986, 2317) wurde auch die betriebliche Altersversorgung des Klägers in den Versorgungsausgleich einbezogen. Eine Realteilung dieser Ansprüche war nicht möglich, so daß ein anderes vor oder in der Ehe erworbenes Anrecht des Klägers, welches nach seiner Art durch Übertragung oder Begründung von Anrechten ausgeglichen werden konnte, zum Ausgleich herangezogen werden mußte (§ 3 b VAHRG). Daraus ergab sich, daß der Kläger einen Betrag von 32.595,94 DM zugunsten des Versicherungskontos der Ehefrau bei der Bundesanstalt für Angestellte (BfA) hätte einzahlen müssen.

5

Der Kläger vereinbarte mit seiner Ehefrau in einer Scheidungsfolgevereinbarung vom 6. November 1991, daß diese anstelle der Ausgleichszahlung einen entsprechend höheren Anteil am Verkaufserlös des gemeinsamen Einfamilienhauses erhalten solle. Das Haus wurde 1991 für ca. 620. 000 DM veräußert. Nach Abzug von Verbindlichkeiten in Höhe von ca. 240. 000 DM sollte der Kläger 140. 000 DM, seine Ehefrau den Restbetrag erhalten. Von dem Anteil des Klägers wurde der an die Ehefrau zu zahlende Betrag von 32. 595 DM abgezogen. Der Anteil der Ehefrau also um diesen Betrag erhöht. Die Ehefrau zahlte den Betrag jedoch nicht bei der BfA ein. Das Familiengericht genehmigte im Urteil vom 6. November 1991 diese Art der Verrechnung.

6

Der Beklagte (das Finanzamt FA ...) ließ mit Steuerbescheid vom 15. Februar 1993 den Werbungskostenabzug nicht zu, weil die Zahlung nicht durch die Betriebsrente des Klägers veranlaßt gewesen sei. Diese werde ungekürzt ausgezahlt.

7

Der dagegen erhobene Einspruch, mit dem der Kläger hilfsweise beantragte, die Zahlung an seine geschiedene Ehefrau als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, blieb erfolglos.

8

Dagegen richtet sich die Klage.

9

Der Kläger ist der Auffassung, die streitbefangene Zahlung sei trotz des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Oktober 1983 VI R 198/79 (BStBl II 1984, 106) als Werbungskosten abziehbar. Die Zahlung an die Ehefrau müsse rechtlich behandelt werden wie eine Wiederauffüllung des Pensionsanspruchs eines geschiedenen Beamten. Sowohl in diesem Fall, als auch im Streitfan sei ein Realsplitting nicht möglich, weshalb es zu Ausgleichszahlungen kommen müsse. Somit sei die Zahlung durch das Arbeitsverhältnis veranlaßt und diene der Aufrechterhaltung der späteren, steuerpflichtigen Betriebsrente. Er könne nicht deshalb anders behandelt werden, weil sein Arbeitgeber eine Betriebsrentenform gewählt habe, bei der ein Realsplitting ausgeschlossen sei.

10

Hilfsweise vertritt der Kläger unter Berufung auf Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG, Anm. 153, die Ansicht, die Zahlung sei nach § 33 Abs. 1 EStG als außergewöhnliche Belastung (Unterhalt) abziehbar.

11

Der Kläger beantragt,

  1. den Einkommensteuerbescheid 1991 vom ... Februar 1993 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... Januar 1993 zu ändern und die Einkommensteuer auf 43. 384 DM herabzusetzen.

12

Das FA beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

13

Es bleibt bei seiner im Rechtsbehelfsverfahren unter Berufung auf das BMF-Schreiben vom 20. Juli 1981 (BStBl I 1981, 567) vertretenen Rechtsauffassung, daß die Zahlung des Klägers dem Vermögensbereich zuzuordnen sei. Ein steuermindernder Abzug sei deshalb nicht möglich.

14

Der Senat hat den Rechtsstreit durch Beschluß vom 4. August 1995 dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Gründe

15

II.

Die Klage ist unbegründet.

16

Der angefochtene Steuerbescheid ist rechtmäßig. Der Kläger wird durch ihn nicht in seinen Rechten verletzt, weil das FA die streitige Zahlung zutreffend weder als Werbungskosten, noch als außergewöhnliche Belastung steuermindernd berücksichtigt hat.

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1. Werbungskostenabzug

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Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit liegen nicht vor, weil die Zahlung an die Ehefrau nicht durch diese Einkunftsart veranlaßt ist. Die Voraussetzungen des § 9 Abs. 1 Satz 1 liegen nicht vor. Es fehlt bereits an einem objektiven, steuerrechtlich relevanten Zusammenhang der Ausgleichszahlung sowohl mit den laufenden Einkünften aus § 19 EStG als auch mit der späteren Betriebsrente.

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Der allenfalls als lose und entfernt zu bezeichnende wirtschaftliche Zusammenhang wird lediglich über das Scheidungsverfahren und die Unmöglichkeit des Realsplittings der Betriebsrente hergestellt. Dieser Zusammenhang reicht nach Ansicht des Gerichts, das insoweit der Rechtsprechung des BFH folgt (Urteil vom 21. Oktober 1983 VI R 198/79, BStBl II 1984, 106), nicht aus. Darüber hinaus fehlt es am subjektiven Merkmal des Werbungskostenbegriffs, denn der Kläger hat die Ausgleichszahlung nicht zum Erhalt seiner laufenden oder späteren Einkünfte (Betriebsrente) geleistet. Die Zahlung hat ihre Ursache allein in der gesetzlichen Ausgleichsverpflichtung im Rahmen des Versorgungsausgleichs.

20

Der Streitfall ist nicht vergleichbar mit dem Sachverhalt, der dem Urteil des BFH vom 5. Mai 1993 X R 128/90 (BStBl II 1993, 867) zugrunde lag. Der Kläger hat die Ausgleichszahlung nicht erbracht, um den wirtschaftlichen Nachteil der durch die Übertragung von Renten- oder Pensionsansprüchen auf den Ehepartner entsteht, auszugleichen. Er erhält sowohl seine laufenden Einkünfte als auch seine spätere Betriebsrente in voller Höhe ausgezahlt, ohne daß das Scheidungsverfahren und die Zahlung an die Ehefrau darauf einen Einfluß haben.

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2. Außergewöhnliche Belastungen

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Die Ausgleichszahlung ist auch nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33 EStG abziehbar. Die Abziehbarkeit scheitert allerdings nicht bereits daran, daß möglicherweise keine Einkommensbelastung des Klägers vorliegt. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hält an dieser Voraussetzung für eine außergewöhnliche Belastung nicht mehr fest (BFH-Urteil vom 6. Mai 1994 III R 27/92, BStBl II 1995, 104). Das Gericht schließt sich dieser Rechtsprechung an.

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Gleichwohl kann die Ausgleichszahlung nicht steuermindernd berücksichtigt werden, weil beim Kläger als dem Ausgleichsverpflichteten keine Vermögensminderung eingetreten ist. Nach der gesetzgeberischen Motivation zum Versorgungsausgleich muß davon ausgegangen werden, daß die während einer Ehe von den Eheleute erworbenen Versorgungsansprüche unabhängig vom zivilrechtlichen oder sozialrechtlichen Entstehungsgrund wirtschaftlich von beiden Ehegatten erworben werden (BT-Drucksache 7/650 S. 155; Palandt/Diederichsen, 54. Aufl., Einf. vor § 1587, Rz. 6) und dem Zugewinnausgleich unterliegen. Ausgleichszahlungen im Rahmen des Versorgungsausgleichs stellen dann als eine Form des Zugewinnausgleichs lediglich das Surrogat für die nicht durchgeführte oder nicht durchführbare Realteilung dar.

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Das bedeutet für den Streitfall, daß die geschiedene Ehefrau des Klägers während der Ehezelt aus der betrieblichen Altersversorgung des Klägers wirtschaftlich bereits ("eigene") Versorgungsansprüche in Höhe der streitbefangenen Zahlung erworben hat. Mit der Ausgleichszahlung hat der Kläger lediglich eine bereits während der Ehezelt eingetretene Vermögensminderung (niedrigere, eigene Versorgungsansprüche) durch einen Barausgleich ersetzt. Seine Vermögenssituation hat sich folglich trotz der Zahlung nicht geändert. Wegen dieser fehlenden Belastung kommt eine Anwendung des § 33 EStG nicht in Betracht (BFH-Urteil vom 7. Februar 1990 X R 204/87, BFH/NV 1990, 762; Urteil vom 21. Februar 1992 III R 2/91, BFH/NV 1993, 356; im Ergebnis gl. A.: Arndt in Kirchhof/Söhn, § 33, Rz. 65, Stichwort: Versorgungsausgleich; Sunder-Plassmann in Littmann/Bitz/Meincke, § 33, Rz. 57 c; Blümich/Oepen, § 33, Rz. 150, Stichwort: Versorgungsausgleich; Schmidt/Heinicke, § 22, Rz. 26 b).

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Das Gericht vermag nicht der abweichenden Auffassung von Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33 EStG, Rz. 153 und 155 zu folgen, wonach Zahlungen zur Begründung von Rentenanwartschaften außergewöhnliche Belastungen darstellen sollen. Begründet wird diese Meinung damit, daß es sich bei den Ausgleichszahlungen nicht um eine Vermögensumschichtung im Rahmen des Zugewinns, sondern um eine Ergänzung des nachehelichen Unterhalts handelt, da der Ausgleichsverpflichtete keine Gegenleistung erhalte. Diese Einordnung des Versorgungsausgleichs widerspricht der gesetzgeberischen Intention. Versorgungsausgleichszahlungen sind anders als Unterhaltsleistungen unabhängig von der Bedürftigkeit des Ausgleichsberechtigten und der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten. Dieser wird vielmehr durch die Ausgleichszahlung wie beim übrigen Zugewinnausgleich von einer Verbindlichkeit gegenüber dem Ehepartner befreit.

26

3. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Streitfrage (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) hält das Gericht eine Zulassung der Revision für angebracht, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, die Rechtsprechung zur Abziehbarkeit der Versorgungsleistungen überprüfen zu lassen.

27

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 153 Abs. 1 FGO.