Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.11.1995, Az.: I 134/91
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 28.11.1995
- Aktenzeichen
- I 134/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 34217
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1995:1128.I134.91.0A
Fundstelle
- EFG 1996, 482 (Volltext mit amtl. LS)
In dem Rechtsstreit
wegen Einheitsbewertung und Grundsteuermeßbetrags auf den 1. Januar 1990 für Stückländereien in W.
hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 28. November 1995, an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter . am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
ehrenamtlicher Richter .
ehrenamtliche Richterin .
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Parteien streiten über die Frage, ob für diverse Flurstücke des Klägers (Kl.) in W. ein Einheitswert festzustellen ist.
Der Kl. erwarb am 10. Oktober 1986 zum Zwecke des Naturschutzes das bis dahin land- und forstwirtschaftlich genutzte ca. 5,4 ha große Flurstück 82/1 der Flur 2 der Gemarkung B. in W. Mit Einheitswertbescheid -; Nachfeststellung -; auf den 1. Januar 1987 vom 8. August 1990 stellte das Finanzamt (FA) für dieses Grundstück die Vermögensart land- und forstwirtschaftliches Vermögen (Stückländerei) fest und ermittelte den Einheitswert mit 3. 300 DM. Dieser Bescheid erwuchs in Bestandskraft.
Mit Verträgen vom 25. September 1989 und 7. Dezember 1989 erwarb der Kl. weitere seinerzeit land- und forstwirtschaftlich genutzte Flurstücke in W., darunter das Flurstück 49/7 in einer Größe von 2.7 ha, ebenfalls zum Zwecke des Naturschutzes. Dazu überließ er die Flächen unentgeltlich verschiedenen Landwirten und verpflichtete sie, darauf bestimmte naturschutzfördernde Maßnahmen durchzuführen. So war im Nutzungsvertrag über das Flurstück 49/7 u. a. vereinbart, daß der Landwirt die Fläche nur als Dauergrünland nutzen durfte, daß er das Bodenrelief nicht verändern durfte, daß er Entwässerungsmaßnahmen zu unterlassen habe, daß ihm die Düngung und der Einsatz von Pflanzenbehandlungsmitteln nicht gestattet sei, daß die Wiese bis zum 1. August nur als Mähwiese genutzt werden dürfe und danach eine Nachbeweidung nur mit 3 Rindern zulässig sei. Das FA ordnete die in den Jahren 1989 zugekauften Flurstücke dem bereits bewerteten Flurstück 82/1 zu und führte mit Bescheid vom 19. September 1990 eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 1990 durch und stellte darin den Einheitswert für das land- und forstwirtschaftliche Vermögen des Kl. in W. auf nunmehr 12. 900 DM fest. Der Bescheid enthält Vergleichswerte für landwirtschaftliche Nutzung, forstwirtschaftliche Nutzung und für Geringstland. Entsprechend dieser Bewertung erließ es mit Datum vom selben Tage einen Grundsteuermeßbetragsbescheid Neuveranlagung -; auf den 1. Januar 1990 und einen Landwirtschaftskammerbeitragsbescheid, mit dem der Jahresbeitrag auf 97 DM festgesetzt wurde.
Gegen die Bescheide über den Einheitswert und den Grundsteuermeßbetrag auf den 1. Januar 1990 hat der Kl. nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben, mit der er -; mit Ausnahme des Flurstücks 49/7 -; die Befreiung der Flächen von der Grundsteuer erstrebt. Zur Begründung verweist er auf § 3 Abs. 1 Nr. 3 des Grundsteuergesetzes (GrStG), wonach Grundbesitz einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts, der für gemeinnützige Zwecke benutzt werde, von der Grundsteuer befreit sei. Er nutze seinen streitigen Grundbesitz für gemeinnützige Zwecke, nämlich zur Förderung des Naturschutzes. Die Förderung des Naturschutzes sei in der Anlage 7 zu den Einkommensteuerrichtlinien (EStR) als besonders förderungswürdig anerkannt. Diese Einordnung als besonders förderungswürdig sei nach Abschnitt (A) 12 Abs. 3 der Grundsteuerrichtlinien (GrStR) gleichzusetzen mit einem gemeinnützigen Zweck in § 3 Abs. 1 Nr. 3 GrStG. Der Regelungsgehalt der Norm erstrecke sich nicht nur auf Flächen in einem Naturschutzgebiet. Der Naturschutz dürfe sich sinnvollerweise nicht auf Naturschutzgebiete beschränken. Auch stehe § 6 GrStG der begehrten Befreiung nicht entgegen. Jene Norm schließe die Grundsteuerbefreiung nur für Grundstücke aus, die zugleich land- und forstwirtschaftlich genutzt würden. Im Streitfall liege eine derartige land- und forstwirtschaftliche Nutzung nicht vor. Der Boden auf den streitigen Flurstücken werde weder planmäßig noch nachhaltig landwirtschaftlich bewirtschaftet. So sei der Einsatz von Düngemitteln nicht erlaubt. Wenn das Weideland gleichwohl gemäht oder nach dem 1. August geringfügig mit etwa 1 Tier pro ha beweidet werde, so geschehe das als Pflegemaßnahme, damit aus den Flächen kein Brachland werde. Die Umwandlung zu Brachland sei nicht im Sinne des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Da die Mahd nur einmal im Jahr stattfinde, sei das abgemähte Gras für die Landwirtschaft nicht oder nur eingeschränkt verwendbar. Es enthalte zu viele Binsen und ähnliche Pflanzen und sei damit als Tierfutter nicht geeignet. Die Waldflächen der Flurstücke würden forstwirtschaftlich nicht genutzt. Es sei weder eine Durchforstung noch eine Abholzung beabsichtigt. Folglich seien sowohl der Grundsteuermeßbetragsbescheid als auch der Einheitswertbescheid insoweit aufzuheben, als ihr Regelungsgehalt über das Flurstück 49/7 hinausgehe.
Der Kl. beantragt,
den Einheitswertbescheid und den Grundsteuermeßbetragsbescheid -; jeweils auf den 1. Januar 1990 -; vom 19. September 1990 und den Einspruchsbescheid vom 11. März 1991 insoweit aufzuheben, als sie nicht nur das Flurstück 49/7 der Flur 2 betreffen.
Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte (Bekl.) ist der Auffassung, daß die Grundstücke nicht für gemeinnützige Zwecke genutzt würden. Die Nutzung zum Zwecke des Naturschutzes sei nur dann ein gemeinnütziger Zweck im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 3 GrStG, wenn die Fläche in einem ausgewiesenen Naturschutzgebiet liege. Das sei bei den streitigen Grundstücken nicht der Fall. Außerdem scheitere die beabsichtigte Befreiung von der Grundsteuer auch daran, daß die Grundstücke zugleich land- und forstwirtschaftlich genutzt würden. So sei das Grünland an Landwirte verpachtet und werde von ihnen landwirtschaftlich genutzt. Die Pflege des Forstes zum Zwecke des Naturschutzes schließe seine gleichzeitige Nutzung zu forstwirtschaftlichen Zwecken nicht aus. Das gelte auch deshalb, weil beim Forst erst nach Ablauf längerer Zeiträume mit einer Holzgewinnung zu rechnen sei. Die bis zum Erwerb durch den Kl. land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen hätte seither keine andere Zweckbestimmung erhalten.
Wegen des Vortrags der Parteien im übrigen wird auf den Inhalt ihrer Schriftsätze im Klageverfahren sowie im Vorverfahren verwiesen.
Die Parteien haben durch Schriftsätze des Kl. vom 9. Oktober 1991 und des Bekl. vom 9. Juli 1991 auf eine mündliche Verhandlung vor dem Senat verzichtet.
Gründe
I.
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Der angefochtenen Einheitswertbescheid kann nicht aufgehoben werden. Soweit darin das im Jahre 1986 erworbene Flurstück 82/1 der Flur 2 der Gemarkung B. in W. bewertet worden ist, das das FA mit den in 1989 hinzuerworbenen Flächen zu einer wirtschaftlichen Einheit verbunden hat, kann die begehrte Aufhebung schon deshalb nicht durchdringen, weil die Bewertung dieses Flurstücks durch Bescheid vom 8. August 1990 bereits bestandskräftig ist. Aber auch hinsichtlich der weiteren Flurstücke muß der Einheitswertbescheid Bestand haben, weil die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Bescheides nach § 24 Abs. 1 Nr. 2 Bewertungsgesetz (BewG) nicht erfüllt sind.
2. Nach dieser Norm wird ein Einheitswert aufgehoben, wenn dem FA bekannt wird, daß der Einheitswert der wirtschaftlichen Einheit infolge von Befreiungsgründen der Besteuerung nicht mehr zugrunde gelegt wird. Als Befreiungsgrund kommt im Streitfall lediglich § 3 Abs. 1 Nr. 3 a GrStG in Betracht. Danach tritt eine Grundsteuerbefreiung für Grundbesitz ein, der von einer inländischen juristischen Person des öffentlichen Rechts für gemeinnützige oder mildtätige Zwecke benutzt wird. Ob diese Voraussetzung im Streitfall erfüllt ist, mag dahinstehen. Insbesondere ist die von den Parteien unterschiedlich beurteilte Frage, ob eine Verfolgung naturschutzlicher Belange nur für solche Grundstücke ein gemeinnütziger Zweck ist, die innerhalb eines dafür ausgewiesenen Naturschutzgebietes liegen, nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn man mit dem Kl. auf das Erfordernis eines Naturschutzgebietes für den zu befreienden Grundbesitz verzichten wollte, träte gleichwohl keine Grundsteuerbefreiung ein, weil die streitigen Grundstücke zugleich auch land- und forstwirtschaftlich genutzt werden.
Nach § 6 GrStG wird Grundbesitz, der für steuerbegünstigte Zwecke benutzt wird, gleichwohl nicht von der Grundsteuer befreit, wenn er zugleich auch land- und forstwirtschaftlich genutzt wird, es sei denn, er gehört -; was für den Streitfall nicht zutrifft -; zu den in dieser Norm ausdrücklich aufgeführten besonderen Grundstücken. Der Grundbesitz des Kl. wird in diesem Sinne auch land- und forstwirtschaftlich genutzt. Wie der Senat bereits mit seinem in EFG 1994, 847 veröffentlichten Urteil vom 8. Februar 1994 I 342/90 erkannt hat, kommt es für den Ausschluß der Grundsteuerbefreiung entscheidend darauf, ob der Grundbesitz tatsächlich land- und forstwirtschaftlich genutzt wird. Maßgeblich ist, ob auf dem Grundbesitz Tätigkeiten ausgeführt werden, die sich nach ihrem objektiven Erscheinungsbild als Ausübung der Land- und Forstwirtschaft darstellen. Die subjektive Absicht, die mit dieser Tätigkeit verfolgt wird, insbesondere die Gewinnerzielungsabsicht, ist unerheblich. Sie mag für die ertragsteuerliche Qualifikation bedeutsam sein, für die Grundsteuerbefreiung ist sie es nicht. Es spielt auch keine Rolle, ob die Nutzung durch den Eigentümer oder durch andere erfolgt. Auch das Ausmaß der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung ist nicht entscheidend, § 6 GrStG hat insoweit Vorrang vor der Regelung des § 8 GrStG. Selbst eine land- und forstwirtschaftliche Nutzung in geringem Umfang ist für die Grundsteuerbefreiung schädlich.
Im Streitfall wird das Grünland Landwirten überlassen. Es wird von ihnen gemäht und beweidet. Gemessen an objektiven Maßstäben ist das eine typische landwirtschaftliche Betätigung.
Bei den Forstflächen besteht insofern eine Besonderheit, als sie am Bewertungsstichtag nicht bearbeitet wurden. Der Kl. hat darauf verwiesen, daß eine forstwirtschaftliche Nutzung nicht stattfinde, es sei weder eine Durchforstung noch eine Abholzung beabsichtigt. Nun hat der BFH bereits in seiner -; grundlegenden -; Entscheidung vom 18. März 1976 IV R 52/72, BFHE 118, 441, BStBl. II 1976, 482, erkannt, daß entsprechend der Eigenart der Forstwirtschaft bei der Einordnung forstwirtschaftlicher Betriebe eine langfristige Betrachtung anzustellen ist. Erforderlich ist das deshalb, weil zwischen der Aufforstung einer Waldfläche und der Holzernte je nach Umtriebszeit der Holzarten viele Jahrzehnte, ja sogar mehr als 100 Jahre vergehen können. Für das Steuerrecht muß die Einordnung eines Waldbestandes jedoch schon dann möglich sein, wenn er noch nicht schlagreif ist und noch keine Erträge abwirft (sog. aussetzender Forstbetrieb, § 53 BewG). Der BFH hat dabei auf die Beschaffenheit des Waldes als solcher abgestellt. So ist ertragsteuerlich ein forstwirtschaftlicher Betrieb schon dann angenommen worden, wenn ein Forstareal mit räumlich zusammenhängender Waldfläche von bestimmter Mindestgröße vorhanden ist. Unerheblich ist, ob darin Bewirtschaftungsmaßnahmen betrieben werden. Die notwendige Bearbeitung und Bestandspflege können jahrelang völlig zurücktreten (vgl. BFH-Urteile vom 5. November 1981 IV R 180/77, BFHE 134, 426, BStBl II 1982, 158 [BFH 05.11.1981 - IV R 180/77]; 17. Januar 1991 IV R 12/89, BFHE 164, 24, BStBl II 1991, 566 [BFH 17.01.1991 - IV R 12/89]). Wird ein derartiger Forst erworben, so wird er beim Erwerber schon deshalb zum forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen, weil er ihn "mit der Eigenschaft als Betriebsvermögen behaftet" erworben hat. (vgl. BFH, BFHE 118, 441, [BFH 18.03.1976 - IV R 52/72] BStBl. II 1976, 482).
Diese Grundsätze sind auf den Streitfall übertragbar. Von der bewerteten wirtschaftlichen Einheit (11,8 ha) entfallen 6,5 ha auf Forstflächen. Damit ist die Mindestgröße für die Annahme eines forstwirtschaftlichen Betriebes im Ertragsteuerrecht überschritten (vgl. BFH, BFHE 164, 24, [BFH 17.01.1991 - IV R 12/89] BStBl II 1991, 566 [BFH 17.01.1991 - IV R 12/89]). Für die Grundsteuerbefreiung kann nichts anderes gelten. Der bislang forstwirtschaftlich genutzte Grundbesitz ist daher auch nach Übergang auf den Kl. weiterhin im Sinne von § 6 GrStG als forstwirtschaftlich genutzt anzusehen.
Eine Entscheidung über die Frage, ob für Grundbesitz, der Zwecken des Naturschutzes zugeführt wird, letztlich Grundsteuer zu entrichten ist, ist damit nicht verbunden. Dem Kl. bleibt die Möglichkeit, den Erlaß der Grundsteuer nach § 32 GrStG zu beantragen.
3. Da der Einheitswertbescheid weiterhin Bestand hat, kann auch der Grundsteuermeßbetragsbescheid nicht aufgehoben werden.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).
Der Senat hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).