Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 28.11.1995, Az.: I 34/92
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 28.11.1995
- Aktenzeichen
- I 34/92
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1995, 34222
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1995:1128.I34.92.0A
In dem Rechtsstreit
wegen Einkommensteuer 1989
hat der I. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 28. November 1995, an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
Richter am Finanzgericht .
ehrenamtlicher Richter .
ehrenamtliche Richterin .
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten,
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist der erhöhte Freibetrag nach § 16 Abs. 4 Satz 3 Einkommensteuergesetz (EStG) wegen dauernder Berufsunfähigkeit beim Veräußerungsgewinn einer Arztpraxis.
Der Kläger (Kl.) hatte im Streitjahr Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als praktischer Arzt aus einer Praxis in W. Am 04.01.1989 hatte der Kl. einen schweren Skiunfall, bei dem er eine Fraktur an der Wirbelsäule erlitt. Der Facharzt für Orthopädie Dr. . bescheinigte ihm zunächst für die Zeit vom 04.01.1989 bis 31.03.1989, im Anschluß daran mit mehreren Attesten für das ganze Jahr 1989 Arbeitsunfähigkeit zu 100 . Mit Vertrag vom 14.04.1989 veräußerte der Kl. seine Arztpraxis an den Kollegen Dr. . Die Übergabe erfolgte zum 01.10.1989, weil Dr. . die Kassenarztzulassung erst zum 01.10.1989 erwarten konnte. Zu diesem Stichtag hat der Kl. auf seine Kassenzulassung verzichtet. Den Antrag des Kl. vom 29.09.1989 auf Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente hat die Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte mit Bescheid vom 20.02.1990 abgelehnt. Der von der Versorgungsanstalt beauftragte Gutachter war in seinem Gutachten vom 11.01.1990 zu dem Ergebnis gekommen, daß der Kl. zwar in seiner statischen Belastbarkeit eingeschränkt sei, jedoch bis ca. 4 Std. täglich die Tätigkeit des Arztes ausüben könnte. Auf den Bescheid der Versorgungsanstalt vom 20.02.1990 -; Bl. 39 der ESt-Akten 1989 -; wird Bezug genommen. Mehr als ein Jahr später, am 01.04.1991, hat der Kl. eine Tätigkeit als Kassenarzt in eigener Praxis -; Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe -; in G. wieder aufgenommen.
Der Verkaufserlös der Praxis betrug 330. 000 DM. Den Veräußerungsgewinn hat das Finanzamt W. nach § 18 Abs. 3, § 16 Abs. 1 EStG als Einkünfte aus selbständiger Arbeit mit dem ermäßigten Steuersatz nach § 34 Abs. 2 Nr. 1 EStG besteuert. Ein Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG wurde nicht gewährt, weil der Veräußerungsgewinn die Freibetragsgrenze nach § 16 Abs. 4 Satz 2 EStG überschritten hat und nach Auffassung des Finanzamts die Voraussetzungen für die Gewährung des erhöhten Freibetrages nach § 16 Abs. 4 Satz 3 EStG nicht vorlagen, weil keine dauernde Berufsunfähigkeit angenommen werden könne. Gegen diesen Bescheid des Finanzamts W. vom 26.04.1991 richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage, zu deren Begründung die Kl. ausführen:
Zur Gewährung des erhöhten Freibetrags wegen dauernder Berufsunfähigkeit nach § 16 Abs. 4 Satz 3 EStG sei allgemeine Erwerbsunfähigkeit nicht Voraussetzung. Die dauernde Berufsunfähigkeit im Sinne des Einkommensteuergesetzes bestimme sich unabhängig vom Sozialversicherungsrecht. Allein maßgebend sei, ob der Kl. aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr in der Lage gewesen sei, seinen Betrieb wie bisher fortzuführen. Im Zeitpunkt der Praxisveräußerung am 15.04.1989 sei er aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage gewesen, seine Patienten, so wie diese es gewohnt waren, zu behandeln. Dies sei durch die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Facharztes Dr. . belegt. Wenn Monate später ein vom Rentenversicherungsträger berufener Gutachter, zumindest im Sinne des Satzungsrechts des Versicherungsträgers, keine Berufsunfähigkeit feststelle, sei dies ohne Belang. Der Kl. habe im April 1989 vor der Alternative gestanden, entweder die Praxis mit Arztvertretern fortzuführen mit dem Risiko, den Patientenstamm zu verlieren, oder die Praxis sofort zu veräußern. Im April 1991 habe er nicht wieder eine Allgemeinpraxis, sondern eine Facharztpraxis eröffnet. Die Belastung in einer solchen Facharztpraxis sei wesentlich geringer.
Die Kl. beantragen,
unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1989 vom 26.04.1991 des Finanzamts W. und des Einspruchsbescheids vom 10.01.1992 des Beklagten (Bekl.) die Einkommensteuer für 1989 auf 20. 125 DM festzusetzen.
Der Bekl. beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Bekl. nimmt auf die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt vor: Der Kl. habe seine Arztpraxis nicht wegen dauernder Berufsunfähigkeit veräußert. Er sei zwar für längere Zeit arbeitsunfähig gewesen. Es genüge aber nicht, daß er sich aus gesundheitlichen Gründen gezwungen gesehen habe, seine Praxis zu veräußern. Nach dem Bescheid des Sozialversicherungsträgers vom 20.02.1990 habe der Kl. den Beruf des Arztes eingeschränkt bis ca. 4 Std. täglich weiter ausüben können. Er habe ferner am 02.04.1991 eine neue Arztpraxis eröffnet.
Im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Einkommensteuerakten 1989 der Finanzämter W. und A. Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist nicht begründet.
Das Gericht stellt fest, daß es der Begründung der Einspruchsentscheidung folgt. Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird nach § 105 Abs. 5 Finanzgerichtsordnung (FGO) abgesehen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Das Gericht hat die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.