Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 04.11.2003, Az.: 1 LB 323/02

Ballfangzaun; Beurteilungspegel; Fussballplatz; Immissionen; Immissionsprognose; Immissionsrichtwert; Immissionsrichtwerte; Lärm; Messung; Nachbarstreitverfahren; Prognose; Spielfeld; Spitzenpegel; Sportlärm; Zumutbarkeit

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
04.11.2003
Aktenzeichen
1 LB 323/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48482
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 24.02.2004 - AZ: BVerwG 4 B 9.04

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Eine VDI-Richtlinie über Immissionskennwerte, die erst nach der Erteilung der Baugenehmigung erschienen ist, kann im Nachbarstreitverfahren berücksichtigt werden, weil damit keine Änderung der Sach- und Rechtslage verbunden ist, sondern nur ein neues Hilfsmittel zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Lärm eingeführt wird.
Zur Zumutbarkeit von Sportlärm.

Tatbestand:

1

Der Kläger, der schwerbehindert ist, wendet sich als Miteigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks H. Straße 38 in E. gegen die Baugenehmigung vom 2. April 1998, die der Beklagte der beigeladenen Gemeinde für den östlich benachbarten Sportplatz erteilt hat.

2

Das in etwa dreieckig geschnittene Grundstück des Klägers, das dieser 1983 zusammen mit seiner Frau erworben hat, liegt auf der Nordwestseite der H. Straße, der Ortsdurchfahrt der Landesstraße 32 (mit einem DTV von ca. 2.100 Kfz/24 h), die in diesem Bereich beidseitig durchgehend bebaut ist. Das Grundstück des Klägers ist mit einem Wohnhaus im Abstand von ca. 3 m vom Sportplatzgelände bebaut. Nach Norden schließen sich ein Anbau und eine Grenzgarage an. Westlich an das Grundstück des Klägers grenzt das Grundstück eines Landmaschinenhandels mit Werkstatt an. Weiter westlich an der nach Norden abzweigenden I. Straße schließen drei Wohnhäuser die Bebauung nach Westen ab. Nördlich des Grundstücks der I. Genossenschaft und nördlich vom Grundstück des Klägers liegt ein weiteres Wohngrundstück. Östlich grenzt an das Grundstück des Klägers und das nördlich benachbarte Wohngrundstück das ca. 9.000 qm große Grundstück Flurstück 206/11 der Beigeladenen, das seit Jahrzehnten als Sportplatz mit einem ca. 100 m x 55 m großen Fußballfeld genutzt wird. Der Platz liegt mit seiner Schmalseite an der Straße und wird von den Jugendmannschaften, die kleinere Felder bespielen, nicht quer bespielt, sondern in der Mitte – mit entsprechenden Abständen zum normalen Feld. Das mit Flutlichtanlage ausgerüstete Sportplatzgelände ist an seiner Südwestseite zum Grundstück des Klägers mit einem Maschendrahtzaun eingefriedet, der von der Straße bis zum Beginn des Spielfeldes 1 m hoch, von dort bis zur nordwestlichen Abschlusswand der Garage 6 m hoch und bis zum Ende des Grundstücks des Klägers 4 m hoch ist. Östlich schließt sich an den Sportplatz nach einem Wohnhaus in ca. 100 m Entfernung das Dorfgemeinschaftshaus als Eckgrundstück an der nach Nordwesten abzweigenden Straße J. an. Hinter dem Dorfgemeinschaftshaus liegen an der Straße J. Parkflächen für etwa 45 Kraftfahrzeuge und ein weiterer etwas kleinerer Sportplatz. Ca. 300 m östlich vom Grundstück des Klägers folgt nach zwei Wohngrundstücken eine Gaststätte mit einem Laden neben Kirche, Pastorat und Jugendheim. Hinter den Wohnhäusern an der H. Straße liegt nordöstlich der Straße J. ein weiterer Sportplatz mit Flutlichtanlage und Zuschauertribünen. Auf der Südostseite der H. Straße liegen dem Landmaschinenhandel, dem Grundstück des Klägers und dem Sportplatz drei Hofstellen landwirtschaftlicher Betriebe gegenüber.

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Der Kläger hat 1993 wegen ständig auf sein Grundstück fliegender Bälle, der Zerstörung seines Zaunes und Beschädigungen auf seinem Grundstück den Rechtsweg beschritten. Mit Urteil vom 31. Juli 1996 verpflichtete der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts die beigeladene Gemeinde, das Sportplatzgelände für Fußballspiele aller Art nicht ohne Baugenehmigung zu nutzen oder nutzen zu lassen.

4

Auf Antrag der Beigeladenen erteilte der Beklagte der Beigeladenen unter dem 23. April 1997 die Baugenehmigung zur Nutzung des Sportplatzes als Trainingsplatz für Bewegungs- und Leibesübungen. Auf den Antrag der Beigeladenen erteilte der Beklagte am 2. April 1998 die Baugenehmigung für die Nutzung des Sportplatzes als Fußballplatz. Nach der Betriebsbeschreibung dient der Platz als Trainingsplatz für alle Mannschaften des örtlichen Fußballvereins an den Wochentagen von 17.00 Uhr beziehungsweise 18.00 Uhr bis 20.00 Uhr beziehungsweise 21.45 Uhr, samstags von 14.30 Uhr bis 16.00 Uhr und für Punktspiele für alle Jugendmannschaften sowie die Damen- und Altherrenmannschaft. Die 1. Herrenmannschaft soll nur ausnahmsweise auf dem Platz spielen, wenn eine Verlegung den Einsatz der Flutlichtanlage erforderlich macht. Der Baugenehmigung ist die Auflage beigefügt, die dem Grundstück des Klägers zugewandte Zaunanlage vor dem Beginn des Spielbetriebes zu sanieren, damit die Anlieger nicht mehr als unvermeidbar gestört oder belästigt werden.

5

Auf den Widerspruch des Klägers legte die Beigeladene das Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen Dipl.-Ing. K. vom 11. Dezember 1998 zu den Lärmauswirkungen des genehmigten Platzes vor. Das Gutachten kommt auf der Grundlage eines Schallleistungspegels von 93 dB(A) für Trainingsspiele und 100 dB(A) für Punktspiele (mit einem Zuschlag von 6 dB(A) für Impulshaltigkeit und/oder Auffälligkeit der Geräusche) zu dem Ergebnis, dass mit Pegeln von 58,1/51,4 dB(A) werktags außerhalb/innerhalb der Ruhezeiten und 59,1 dB(A) sonntags außerhalb der Ruhezeiten auch auf dem Grundstück des Klägers die Immissionsrichtwerte für ein Mischgebiet eingehalten werden.

6

Einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 7. Mai 1999 – 2 B 81/99 – zurückgewiesen. Den Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung L. mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2000, auf dessen Begründung Bezug genommen wird, zurück.

7

Zur Begründung der am 12. April 2000, auch von der Ehefrau des Klägers, erhobenen, von dieser dann zurückgenommenen, Klage hat der Kläger vorgetragen, die Auflage, den Zaun zu sanieren, sei zu unbestimmt. Die Baugenehmigung nehme nicht ausreichend Rücksicht auf seine Belange, denn die Nachbarschaft entspreche nicht einem Mischgebiet, sondern einem Wohngebiet, so dass niedrigere Immissionsrichtwerte einzuhalten seien. Im Übrigen stünden auch drei Sportplätze zur Verfügung, so dass der Sportverein auf andere Plätze ausweichen könne. Das von der Beigeladenen beigebrachte Gutachten gehe von falschen Maßen des Sportplatzes aus. Außerdem berücksichtige es nicht die Vorbelastung seines Grundstücks durch den Straßenverkehrslärm. Dazu hat der Kläger die Stellungnahme des Sachverständigen M. vorgelegt. Die Trainingszeiten der Baubeschreibung seien unzutreffend beziehungsweise würden nicht eingehalten. Es flögen immer wieder Bälle über den Zaun. Außerdem seien die Auswirkungen von "Feierlichkeiten" unter Alkohol nicht berücksichtigt worden.

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Der Kläger hat beantragt,

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die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 2. April 1998 und den Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung L. vom 29. März 2000 aufzuheben.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen,

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und an seiner Einschätzung festgehalten, dass die nähere Umgebung als Mischgebiet zu beurteilen sei, so dass der Lärm des Fußballplatzes zumutbar sei.

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Das Verwaltungsgericht hat nach einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen K. die Klage abgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass der umstrittene Sportplatz in einem Mischgebiet liege und nicht in einem allgemeinen Wohngebiet. Der Lärm, der dem Nachbarn einer Sportanlage zuzumuten sei, ergebe sich aus den Immissionsrichtwerten der 18. BImSchV. Diese Werte würden nach den Berechnungen des Sachverständigen K. eingehalten. Der Gewerbe- und Straßenverkehrslärm der Nachbarschaft dürfe nicht in die Beurteilung einbezogen werden. Mit dem Zuschlag von 6 dB(A) würden auch die Aufprallgeräusche von Bällen, Lautsprecheransagen und die Pfiffe des Schiedsrichters berücksichtigt. Bei einer Klage gegen die Baugenehmigung komme es nur auf die genehmigte Nutzung und nicht auf Nutzungsexzesse an. Die Krankheit des Klägers könne im Baurecht nicht berücksichtigt werden. Die Störungen des Eigentums des Klägers durch herüberfliegende Bälle seien als seltene Ereignisse zu vernachlässigen, zumal der Zaun derzeit keine Schlupflöcher habe.

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Der Senat hat die Berufung des Klägers wegen ernsthafter Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zugelassen. Der Kläger trägt vor, das Verwaltungsgericht habe sich mit dem klageabweisenden Urteil in Widerspruch zu dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts vom 31. Juli 1996 gesetzt, mit dem eine unzumutbare Belastung des Klägers durch die Nutzung für Fußballspiele festgestellt werde. Die nähere Umgebung sei als allgemeines Wohngebiet einzuordnen, so dass niedrigere Immissionsrichtwerte einzuhalten seien. Das Verwaltungsgericht stütze sich auf das Gutachten K., ohne der Kritik des von ihm eingeschalteten Sachverständigen M. nachzugehen. Der Sportplatz werde zeitlich sehr viel umfangreicher genutzt, als nach den Angaben in der Baubeschreibung. Schließlich flögen immer wieder Bälle auf sein Grundstück.

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Der Kläger beantragt,

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unter Änderung des angefochtenen Urteils nach dem Klageantrag zu erkennen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

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Er weist darauf hin, dass der Sportplatz seit 1928 betrieben werde. Er liege nicht in einem allgemeinen Wohngebiet; vielmehr sei die vorhandene bauliche Situation als Mischgebiet einzuordnen. Die Einzäunung des Sportplatzes entspreche den Anforderungen der DIN 18035, so dass nicht damit zu rechnen sei, dass Bälle auf das Grundstück des Klägers flögen.

20

Die Beigeladene weist darauf hin, dass auch die Kinder, die in einem kleineren Feld spielen, nicht quer zum Platz, sondern auf einem verkleinerten Feld in Längsrichtung spielten.

21

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren. Der Senat hat das Sportplatzgrundstück und die nähere Umgebung in Augenschein genommen. Auf das Protokoll der Ortsbesichtigung vom 4. November 2003 wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Der Bau eines Sportplatzes kann in einem Dorfgebiet genehmigt werden, wenn der Lärm die Immissionsrichtwerte auf dem Nachbargrundstück nicht überschreitet.

23

Die zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, weil die nähere Umgebung des Sportplatzes als Dorfgebiet einzuordnen ist und der Sportplatzlärm nach den Nutzungszeiten der Betriebsbeschreibung die Immissionsrichtwerte der Sportanlagenlärmschutzverordnung – 18. BImSchV – vom 18. Juli 1991 (BGBl. I S. 1588) auf dem Grundstück des Klägers nicht überschreitet.

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Da der Kläger die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung anficht, kommt es ausschließlich darauf an, dass die genehmigte Nutzung Rechte des Klägers nicht verletzt. Der Behauptung des Klägers, dass der Sportplatz an der H. Straße länger genutzt wird als nach der Betriebsbeschreibung der Baugenehmigung erlaubt, brauchte der Senat daher nicht nachzugehen. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob auf dem Sportplatz "private Fußballspiele" außerhalb der Trainingszeiten unter Alkoholgenuss stattfinden.

25

Entgegen der Ansicht des Klägers hat sich der Beklagte mit der Erteilung der Baugenehmigung nicht in Widerspruch zu dem Urteil des 6. Senats vom 31. Juli 1996 - 6 L 7158/94 – gesetzt. In jenem Verfahren hatte der Kläger zunächst die Verpflichtung der Gemeinde erstrebt, den Maschendrahtzaun zwischen dem Sportplatz der Gemeinde und seinem Hausgrundstück auf 6 m beziehungsweise 7 m zu erhöhen und dann in der Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht – offensichtlich auf dessen Anregung – beantragt,

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die Beklagte zu verpflichten, das nordöstlich an das Grundstück des Klägers angrenzende Flurstück 206/11 der Flur 2 der Gemarkung E. nicht ohne Baugenehmigung als Fußballplatz und für Fußballspiele aller Art zu nutzen oder nutzen zu lassen.

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Das Oberverwaltungsgericht hat diesem Antrag entsprochen. Damit ist aber nur rechtskräftig entschieden, dass die Beigeladene den Platz nicht ohne Baugenehmigung als Fußballplatz nutzen oder nutzen lassen darf. Die Erteilung einer Baugenehmigung durch die Bauaufsichtsbehörde ist damit nicht ausgeschlossen. Vielmehr geht das Urteil (Seite 10) ausdrücklich davon aus, dass "in dem dafür gesetzlich vorgesehenen Baugenehmigungsverfahren (§ 68 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 10 NBauO) eine Möglichkeit gefunden wird, eine Nutzung des angegriffenen Geländes als Sportplatz in genehmigungsfähiger Form herbeizuführen". Die Rechtskraft des Urteils des 6. Senats hinderte den Beklagten daher nicht, eine Baugenehmigung für den Fußballplatz zu erteilen.

28

Die nähere Umgebung des Sportplatzes wird durch Wohnbebauung, landwirtschaftliche Betriebe, das Dorfgemeinschaftshaus und einen Landmaschinenhandel geprägt. Gegenüber dem Grundstück des Klägers liegen mit einer Frontbreite von ca. 200 m die Hofstellen von drei landwirtschaftlichen Betrieben, die den Charakter des Gebietes als Dorfgebiet wesentlich mitbestimmen. Die H. Straße ist zwar eine Landesstraße, nach Ausbauzustand und Verkehrsbelastung kommt ihr aber keine trennende Wirkung in dem Sinne zu, dass die landwirtschaftliche Nutzung auf der Südostseite der Straße die bodenrechtliche Situation auf der gegenüberliegenden Seite nicht mitbestimmen würde. Alle anderen Nutzungen der näheren Umgebung fallen nicht aus dem Rahmen eines Dorfgebietes.

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Die Richtwerte der BImSchV konkretisieren die Zumutbarkeit von Sportlärm bei bestimmungsgemäßer Nutzung des Sportplatzes und schließen eine tatrichterliche Beurteilung aus.

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Bei der Nutzung des Sportplatzes sind daher nach § 2 Abs. 2 der 18. BImSchV Immissionsrichtwerte von außerhalb der Ruhezeiten 60 dB(A) und innerhalb der Ruhezeiten 55 dB(A) einzuhalten. Das Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen K. vom 11. Dezember 1998 mit seinen Ergänzungen vom 7. Juni 2002, 20. Oktober 2003 und 31. Oktober 2003 belegt, dass die genehmigte Nutzung des Sportplatzes die Immissionsrichtwerte der 18. BImSchV einhält. Die Richtwerte der 18. BImSchV konkretisieren nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschl. v. 8.11.1994 – 7 B 73/94 -, NVwZ 1995, 393 [BVerwG 11.07.1994 - BVerwG 9 B 288.94]) die Zumutbarkeit von Sportlärm verbindlich und schließen eine tatrichterliche Beurteilung aus, dass auch niedrigere Lärmimmissionen im Einzelfall als erheblich eingestuft werden. Der Sachverständige hat zu Recht seinem Gutachten eine Prognose zugrunde gelegt und keine Messungen einzelner Spiele durchgeführt. Da der Kläger die Baugenehmigung für den Sportplatz anficht und nicht ein Einschreiten der Bauaufsichtsbehörde beansprucht, ist zu untersuchen, von welchen Immissionen bei einer bestimmungsgemäßen Nutzung des Sportplatzes auszugehen ist. Der Beklagte musste als Bauaufsichtsbehörde bei der Genehmigung des Sportplatzes auch von einer Prognose der Immissionen ausgehen und konnte keine Messungen zugrunde legen.

31

Auf der Grundlage der neuen VDI-Richtlinie 3770 errechnet der Sachverständige Beurteilungspegel von werktags 59,1/53,4 dB(A) außerhalb/innerhalb der Ruhezeiten und 58,2 dB(A) sonntags außerhalb der Ruhezeiten.

32

Die neue VDI-Richtlinie ist im Baunachbarstreit auch dann anwendbar, wenn die Baugenehmigung vor deren Erscheinen erteilt wurde, denn es handelt sich nicht um eine Änderung der Rechtslage, sondern um ein neues Hilfsmittel zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Sportlärm.

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Die VDI-Richtlinie 3770, Immissionskennwerte von Schallquellen, Sport- und Freizeitanlagen, die seit April 2002 als Weißdruck vorliegt, ist im Nachbarstreitverfahren anwendbar, auch wenn die umstrittene Baugenehmigung vor dem Erscheinen der VDI-Richtlinie erteilt worden ist. Zwar ist anerkannt, dass der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Vereinbarkeit eines Vorhabens mit dem öffentlichen Baurecht der Zeitpunkt der Baugenehmigung ist. Nachträgliche "rechtsverschärfende" Änderungen der Rechtslage äußern in dem vom Nachbarn angestrengten Widerspruchs- oder Klageverfahren keine Wirkung, weil es nicht angängig ist, einem Bauherrn die mit der Baugenehmigung zuerkannte Rechtsposition aufgrund späterer Rechtsänderungen zu entziehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 14.4.1978 – 4 C 96.76 -, DVBl. 1978, 614). Bei der Anwendung der VDI-Richtlinie geht es aber nicht um eine Änderung der Rechtslage, sondern nur um ein neues Hilfsmittel zur Beurteilung der Zumutbarkeit von Sportlärm, das heißt um Fragen der zutreffenden Subsumtion. Insoweit hat der Senat alle Hilfsmittel, die ihm im Zeitpunkt seiner Entscheidung zur Verfügung stehen, zu berücksichtigen, auch wenn sie im Zeitpunkt der Erteilung der angefochtenen Baugenehmigung noch nicht verfügbar waren.

34

Die Einwände des Klägers gegen das Gutachten K. greifen nicht durch. Der vom Kläger beauftragte Gutachter M. hat zutreffend darauf aufmerksam gemacht, dass im Ausgangsgutachten einige VDI-Richtlinien zitiert sind, die nicht mehr oder nicht in der zitierten Fassung anzuwenden sind. Dieser Fehler der Ausgangsdaten beruht – wie der Sachverständige K. erläutert hat - auf "mitgeschleppten Bausteinen", ist aber wegen des zutreffenden Softwareprogramms ohne Folgen geblieben.

35

Auf die Daten der beiden anderen Sportplätze an der Straße J. kommt es wegen ihrer Entfernung nicht entscheidend an. Der kleine Platz zwischen dem Sportplatz H. Straße und der Straße J. ist mehr als 70 m vom Haus des Klägers entfernt und wird nicht planmäßig genutzt. Der große Sportplatz an der Straße J., der inzwischen mit Flutlichtanlage ausgestattet ist, ist mehr als 150 m vom Grundstück des Klägers entfernt. Das Spielfeld wird zudem durch die Tribüne akustisch abgeschirmt. Wie der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung erläutert hat, sind von diesen Sportplätzen keine beachtlichen Lärm-Beiträge zu erwarten.

36

Die zunächst nicht zutreffend erfasste Größe des Spielfeldes hat der Sachverständige in seiner Ergänzung vom 7. Juni 2002 gegenüber dem Verwaltungsgericht korrigiert. Das vergrößerte Spielfeld führt zu etwas geringeren Beurteilungspegeln, weil sich der Lärm auf einen größeren Platz verteilt. Soweit die Jugendmannschaften auf kleineren Spielfeldern spielen, wirkt sich dies nicht zu Lasten des Klägers aus, weil das Spielfeld von der Mitte aus reduziert wird, so dass das Spielfeld einen größeren Abstand vom Grundstück des Klägers einhält.

37

Bei der Ermittlung von Sportplatzlärm werden die Immissionen anhand einer Immissionsprognose berechnet.

38

Da der Baugenehmigung eine Betriebsbeschreibung mit Nutzungszeiten zugrunde liegt, ist von diesen Nutzungszeiten auszugehen. Der Sachverständige K. hat bei der Berechnung der Immissionen (Gutachten vom 11. Dezember 1998, Seite 8) zugrunde gelegt, dass werktags bis zu zwei Punktspiele ausgetragen werden und von 17.00 Uhr bis 21.30 Uhr trainiert wird, während an Sonn- und Feiertagen nur ein Punktspiel ausgetragen wird. Die von der Beigeladenen vorgelegte Übersicht über den Vereinsspielplan vom 21. August 2003 bis 6. Juni 2004 bestätigt die zeitlichen Annahmen des Sachverständigen. Der vom Kläger zu Rate gezogene Sachverständige hat lediglich darauf hingewiesen, dass veränderte Nutzungszeiten zu abweichenden Beurteilungspegeln führen, die Richtigkeit der vom Sachverständigen K. errechneten Beurteilungspegel aber nicht konkret in Zweifel gezogen.

39

Entgegen der Annahme des Klägers ist es nicht zu beanstanden, dass der Sachverständige den Platz für Zuschauer an der nordöstlichen Längsseite des Sportplatzes angenommen hat. Zwar liegen die Zuschauerbereiche nach der VDI-Richtlinie 3770 längs des Spielfeldes mit einer Breite von 2 m. Das Spielfeld liegt hier aber so nahe an der Grenze zum Grundstück des Klägers, dass in diesem Bereich ausgesprochen wenig Platz für Zuschauer bleibt, während auf der Nordostseite des Spielfeldes viel Platz vorhanden ist. Da der Parkplatz an der Nordostseite des Sportplatzes liegt und auf der Nordostseite des Spielfeldes ein kleiner Unterstand steht, liegt es nahe, dass etwaige Zuschauer die Spiele von dieser Seite aus verfolgen. Der Sachverständige K. ist von 25 Zuschauern je Spiel ausgegangen, hat aber berücksichtigt, dass bei Spielen insbesondere der Jugendmannschaften die Zuschauer, die sich meist aus Eltern der Spieler rekrutieren, nicht nur das Spiel ihrer "Sprösslinge" ansehen, so dass bis zu 75 Zuschauer zusammenkommen. Dementsprechend hat er insgesamt 75 Zuschauer bei seiner Immissionsprognose zugrunde gelegt.

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Zu dem Hinweis des Sachverständigen M., dass Parkplätze von Sportanlagen nach den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen (RLS 90) und nicht nach der Parkplatzlärmstudie des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz zu beurteilen seien, hat der Sachverständige K. erläutert, dass sich der Parkplatzlärm wegen der großen Entfernung nicht spürbar auf den Beurteilungspegel auswirke.

41

Auf den entsprechenden Einwand des Sachverständigen M. hat der Sachverständige K. in seiner Ergänzung vom 31. Oktober 2003 die Berechnung der Spitzenpegel nachgeholt. Er hat die Schiedsrichterpfiffe auf das gesamte Spielfeld verteilt und ist von drei Spielen pro Tag mit insgesamt 105 Pfiffen ausgegangen. Angesichts der Tatsache, dass nach dem Vereinsspielplan in aller Regel nur ein oder zwei Spiele pro Tag stattfinden und beim Training der Trainer in der Regel durch Zuruf "dirigiert" und nicht per Pfiff, decken diese Annahmen auch das Training mit ab. Das erscheint angemessen. Bei der entsprechenden Prognose hat der Sachverständige Spitzenpegel von 87,1/82,4 dB(A) außerhalb/innerhalb der Ruhezeiten errechnet. Damit bleiben auch die Spitzenpegel unter dem nach § 2 Abs. 4 der 18. BImSchV zulässigen Wert von 90/85 dB(A) außerhalb/innerhalb der Ruhezeiten.

42

Lärmimmissionen für die Zeit nach 22.00 Uhr brauchte der Sachverständige nicht zu berechnen, weil die durch die Baugenehmigung erlaubte Nutzung vor 22.00 Uhr endet.

43

Nachdem der Sportplatz J. eine Flutlichtanlage erhalten hat, hat sich die nach der Betriebsbeschreibung ausnahmsweise vorbehaltene Nutzung des Sportplatzes an der H. Straße durch die 1. Herrenmannschaft erledigt. Eine Nutzung des Sportplatzes an der H. Straße durch die 1. Herrenmannschaft war nach der Betriebsbeschreibung nur vorbehalten, wenn infolge einer zeitlichen Verlegung eines Spieles der Einsatz einer Flutlichtanlage nötig war, weil seinerzeit der Sportplatz N. noch nicht über eine Flutlichtanlage verfügte.

44

Dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers bei einer baurechtlichen Nachbarklage nicht berücksichtigt werden können, hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt. Auch wegen der Vorbelastung durch den Straßenverkehrslärm kann auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts Bezug genommen werden.

45

Ist ein Sportplatz mit einem Ballfangzaun nach DIN eingefriedet, können Nachbarrechte wegen überfliegenden Bällen nicht verletzt sein.

46

Die Baugenehmigung verletzt den Kläger auch insofern nicht in seinen Rechten, als ausreichende Vorkehrungen gegen überfliegende Bälle auf das Grundstück des Klägers getroffen worden sind. Zum Grundstück des Klägers ist der Sportplatz im Bereich der Bebauung mit einem 6 m hohen Ballfangzaun eingefriedet. Von der H. Straße aus gesehen auf den ersten 5 m ist der Ballfangzaun 3 m hoch, hinter der Bebauung auf dem Grundstück des Klägers 4 m hoch. Die von der Beigeladenen geplante – und genehmigte - Erhöhung des 5 m langen "ersten Stückes" des Ballfangzaunes auf 5 m ist nach den Erläuterungen der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung nur mit Rücksicht auf diesen Prozess zurückgestellt worden, weil die Gemeinde verhindern wollte, dass sie eine Investition tätigt, die bei einem Erfolg des Klägers nutzlos wäre. Mit diesen Vorkehrungen wird die Baugenehmigung den Anforderungen der DIN 18035 Teil 1 gerecht, die Ballfangzäune von mindestens 4 m Höhe an den Längsseiten und mindestens 6 m Höhe an den Stirnseiten vorschreibt. Da die Jugendmannschaften nach den vom Kläger nicht in Abrede gestellten Angaben der Beigeladenen nicht quer zum Platz spielen, sondern das Spielfeld in Längsrichtung reduziert bespielen, gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ballfangzäune nicht ausreichen, um das Grundstück des Klägers vor überfliegenden Bällen zu schützen. Der Beklagte hat der Beigeladenen die Sanierung des Zaunes aufgegeben. Die Ortsbesichtigung des Senats hat ergeben, dass der Zaun keine Löcher aufweist oder Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Zaun überstiegen wird.

47

Anzumerken bleibt, dass mit der Baugenehmigung der Gemeinde kein Freibrief ausgestellt worden ist, den Sportplatz zu nutzen wie sie will. Sie ist weder aus der Verantwortung entlassen, für die Einhaltung der Trainings- und Spielzeiten zu sorgen, noch dafür, dass der Ballfangzaun in Ordnung gehalten wird und keine Bälle auf das Grundstück des Klägers "gebolzt" werden.