Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 08.06.2001, Az.: 203-VgK-07/2001

Ausschreibung von Ingenieur-Leistungen für die Technische Ausrüstung im Rahmen von Baumaßnahmen; Verstoß gegen § 16 Abs. 2 der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) bei der Bewertung durch nachträgliche Veränderung des Leistungsumfangs; Durchführung des VOF-Verfahrens in den systematisch abgrenzbaren Phasen; Grundsatz des Vertraulichkeitsschutzes; Auftragsgespräche gemäß § 24 VOF unter vergaberechtskonformen Bedingungen; Grundsätze der Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Vergabeverfahrens

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
08.06.2001
Aktenzeichen
203-VgK-07/2001
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 28989
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Neu- und Umbau im Rehazentrum xxxxx

In dem Nachprüfungsverfahren
hat die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
durch
den Vorsitzenden ORR Gause,
die hauptamtliche Beisitzerin Dipl.-Ing. Schulte und
den ehrenamtlichen Beisitzer Dipl.-Ing. Lohmöller
auf die mündliche Verhandlung vom 05.06.2001
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, eine erneute Angebotswertung unter Berücksichtigung der sich aus diesem Beschluss ergebenden Rechtsauffassung der Vergabekammer vorzunehmen.

  2. 2.

    Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

  3. 3.

    Die Kosten des Verfahrens werden auf 5.000,-- DM festgesetzt.

  4. 4.

    Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragsteller war notwendig.

Begründung

1

I.

Die Auftraggeberin hat mit Bekanntmachung vom 29.01.2001 die Ing.-Leistungen für die Technischen Ausrüstung im Rahmen von Neubau und Umbau im xxxxx ab dem 07.02.2001 EU-weit ausgeschrieben. Dabei wurden die Bieter darauf hingewiesen, dass es sich um die Planung der technischen Ausrüstung nach § 68 HOAI aus den Anlagengruppen 1 bis 5 unter Ausführung der Leistungsphasen 4 bis 9 nach § 73, Abs. 1 der HOAI und unter Zugrundelegung der bereits bis einschließlich Leistungsphase 3 vorliegenden Vorleistungen handelt.

2

Ferner wurden die Bieter darauf aufmerksam gemacht, dass von den Dienstleistungserbringern 5 zur Angebotsabgabe aufgefordert werden.

3

Änderungsvorschläge als Varianten wurden nicht zugelassen.

4

Die Bieter wurden darüber informiert, dass das Ingenieurbüro xxxxx, für die Anlagengruppen 1, 2 und 5 und das Planungsbüro xxxxx für die Anlagengruppen 3 und 4 bereits zu den ausgewählten Dienstleistungserbringern gehören werden, da von diesen Büros bereits die Leistungsphasen 1-3 erbracht waren.

5

Von 39 Bewerbern erfüllten 17 lt. Vergabevermerk nach VOF § 18 (Akte A 1, Seite 111 ff) die Mindestbedingungen. Mit 5 Bewerbern sollten Verhandlungen geführt werden. Es wurde dabei anhand eines 10 Nummern mit unterschiedlicher Wichtung umfassenden Bewertungskataloges eine Reihenfolge festgelegt. Die Nummer 9, zu erwartende Kosten mit einer Gewichtung von 5%, wurde dabei bei allen Bewerbern ausgespart. Es wurde eine Auswahl in folgender Reihenfolge ermittelt:

( Antragsteller zu 1)270 Punkte
(Antragsteller zu 2)270 Punkte
xxxx245 Punkte
(Beigeladene) 230 Punkte
xxxxx225 Punkte
6

(Siehe Vermerk vom 23.04.2001, Akte A 1, Seite 63)

7

Nachdem die Bewerber einen Vertragsentwurf zur Abgabe eines Angebotes ihrer Honorarleistung der Auftraggeberin übersandt hatten, ergab sich, dass das Büro xxxxx das kostengünstigste Angebot abgegeben hatte. (Siehe Akte A 1, Seite 65 ff)

8

Mit Vermerk vom 23.04.01 (Akte A1, Seite 63) stellte die Auftraggeberin fest, dass nach Einreichen der Honorarangebote eine Verfeinerung der Honorarangebotsbewertung erforderlich ist. "Die Kosten sind daher für den Auftraggeber ein mit entscheidendes Kriterium und werden in der verfeinerten Bewertung unter Punkt 9 der Tabelle - Grundbewertung - mit 3 5% gewertet. ...

9

Bei der Bewertung mit 35% für die Kosten ist folgende Abstufung vorzunehmen:

Höchstes Honorarangebot1 Punkt x 35 %
Zweithöchstes Honorarangebot2 Punkte x 35 %
Dritthöchstes Honorarangebot3 Punkte x 35 %
Vierthöchstes Honorarangebot = Mindestgebot4 Punkte x 35 %
10

Auf Grund dieser Wertung wird folgende Bewertungsreihenfolge erzielt:

Büro (Antragsteller 1 und 2)370 Punkte
Büro xxxxx340 Punkte
Büro xxxxx330 Punkte
Büro xxxxx280 Punkte
11

"

12

Am 23.04.01 stellten die Bewerber sich und ihr Büro nacheinander der Vertreterversammlung der LVA vor. Nach der Präsentation und in Kenntnis der Honorarforderungen beschloss der Ausschuss einstimmig, das Büro xxxxx mit der Ing.-Leistung nach den Leistungsphasen 4-9 für die technischen Gewerke der Baumaßnahme im xxxxx gemäß dem Verhandlungsergebnis zu ihrem Angebot zu beauftragen. (Akte A1, Seite 102)

13

Nachdem der Antragstellerin im Anschluss an dem Vergabegespräch telefonisch mitgeteilt wurde, dass der Zuschlag möglicherweise an einen anderen Bieter erteilt werden wird, bat sie am 25.04.01 mit Fax über die von ihr beauftragte Verfahrensbevollmächtigte um Auskunftserteilung gemäß § 13 VgV und rügte einen Verstoß gegen § 16 Abs. 2, Satz 1 und 2 VOF. (Akte A1, Seite 60 ff). Mit Fax vom 25.04.01 bestätigte die Antragstellerin ein Telefonat und die Zusage, dass auf ihr Schreiben vom 25.04.01 im Laufe der nächsten Woche (30.04. - 06.05.01) geantwortet wird. (Akte A1, Seite 51). Mit Schreiben vom 03.05.01 rügte die Antragstellerin gemäß § 107 GWB den Ablauf des Auftragsgesprächs vom 23.04.01 (Akte A1, Seite 49). Die Rügeschreiben vom 25.04.01 und 03.05.01 konkretisierte die Antragstellerin am 04.05.01 dahingehend, dass sie in der Kürzung der Grundleistungen bei der Bewertung einen Verstoß gegen § 16 Abs. 2 VOF sieht, da damit begriffsnotwendig ein veränderter Leistungsumfang verbunden sei. Ihrer Auffassung nach führt dies dazu, dass auf Grund unterschiedlichen Leistungsumfanges die Angebote nicht mehr miteinander vergleichbar sind.

14

Mit Telefax vom 04.05.01 haben die Antragsteller die Vergabekammer angerufen. Nach Durchführung der Akteneinsicht am 22.05.01 machten die Antragsteller weiterhin geltend, dass die Dauer der Präsentation am 23.04.01 und der Vorträge zum Vertrag zu kurz bemessen seien.

15

Ferner wären sie aufgefordert worden, ihr Honorarangebot zu senken, da ihre Angebotssumme ca. 600.000 DM zu teuer sei. Dieser Aufforderung seien sie gefolgt und hätte unter Berücksichtigung der Mindestsätze der HOAI sämtliche besonderen Leistungen für 0,00 DM angeboten sowie Abstriche bei den Reise- und Vervielfältigungskosten vorgenommen.

16

Die Antragsgegnerin hätte den Antragstellern auf Nachfrage am 24.04.01 mitgeteilt, dass ihre Angebote nicht berücksichtigt werden können, da sie preislich mit ca. 350.000 DM über dem der Mitbewerber liegen. Mitbewerber hätten Grundleistungen aus den jeweiligen Leistungsphasen des Leistungsbildes der HOAI heraus gekürzt. Durch die entsprechenden Verkürzungen sei der preisliche Unterschied zu erklären.

17

Mit Schreiben vom 24.04.01 rügten die Antragsteller die Missachtung der VOF und forderten eine Auskunftserteilung zur Vergabe des Zuschlages an einen der Mitbewerber. Obwohl die Antragsgegnerin durch die Schriftsätze der Antragsteller mehrere Anhaltspunkte hatte, wie sie nach Auffassung der Antragsteller die Vergabeverstöße hätte abhelfen können, unterließ sie dies, so dass sich die Antragsteller gezwungen sahen, das Nachprüfungsverfahren zu beantragen. Die Antragsteller hätten auch die ihnen bekannten Vergabeverstöße unverzüglich und damit rechtzeitig im Sinne des § 107 Abs. 3 Satz 1 und 2 GWB gerügt.

18

Nach Auffassung der Antragsteller hat es die Antraggegnerin unterlassen, das VOF-Verfahren in den systematisch abgrenzbaren Phasen durchzuführen. Für die vertieften Verhandlungen gem. § 10 VOF reichten 15 Minuten nicht aus, um sich ein genaueres Bild darüber zu machen, welcher Bewerber eine am meisten sachgerechte, qualitätsvolle Leistungserbringung bietet. Ferner hätte die Antragsgegnerin bei dem Gespräch am 23.04.01 vielmehr eine "Bewerberpräsentation" nach Kriterien des Auswahlverfahrens vorgenommen, dies stelle ein Verstoß gegen § 24 Abs. 1 VOF dar.

19

Die Antragsgegnerin habe ferner nicht einzeln mit den Bewerbern Gespräche über die Vertragsbedingungen geführt und damit gegen den Grundsatz des Vertraulichkeitsschutzes verstoßen.

20

Auch habe die Antragsgegnerin im Rahmen der Auftragsgespräche gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz gem. § 4 Abs. 2 VOF verstoßen, indem sie einen oder bestimmte Bieter willkürlich besser gestellt habe. Die Antragsgegnerin hätte nicht alle Bieter darüber unterrichtet, dass sie von ihrer ursprünglichen Leistungsbeschreibung abweichen wolle und Mitbieter eine niedrigere Bewertung der Prozentsätze der Grundleistungen vornehmen konnten.

21

Durch die von der Antragsgegnerin zugelassenen Änderungen an den Leistungsumfang ohne Information der anderen Mitbieter sei nicht mehr gewährleistet, dass die Angebote vergleichbar sind.

22

Durch die Wertung von Angeboten, die einen anderen Leistungsumfang beinhalten, verstoße die Antragsgegnerin gegen § 8 Abs. 1 VOF. Aus der Vergabebekanntmachung ginge unmissverständlich hervor, dass sämtliche Grundleistungen sowie die erforderlichen besonderen Leistungen zu erbringen sind. Die Herausnahme von Grundleistungen habe unmittelbar zur Folge, dass sich der Leistungsumfang verringert.

23

Nach Auffassung der Antragsteller beabsichtigt die Antragsgegnerin auch ein Honorarangebot zu berücksichtigen, das in unzulässiger Weise von den Vorgaben der HOAI abweicht, dies stelle ein Verstoß gegen § 16 Abs. 2 VOF dar. Die von Mitbietern vorgenommene Reduzierung der Vomhundertsätze für die Grundleistungen der einzelnen Leistungsphasenstelle eine unzulässige Unterschreitung der HOAI-Mindestsätze dar. Weder aus dem am 30.03.01 übersandten Vertragsentwurf noch aus dem Text der Vergabebekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft ergebe sich die objektive Entbehrlichkeit einzelner Grundleistungen.

24

Ferner sei die Antraggegnerin nicht ihrer Überprüfungspflicht hinsichtlich der Dumpingangebote der Mitbewerber der Antragsteller nachgekommen. Auf Grund der erheblichen Diskrepanz zwischen den Angeboten wäre die Antragsgegnerin verpflichtet gewesen, aufzuklären, ob der in der Vergabebekanntmachung angegebene Leistungsumfang zu den angebotenen Preisen im rechtlich zulässigem Rahmen erbracht werden kann. Ein Ermessen, ob eine entsprechende Sachverhaltsaufklärung überhaupt notwendig und sinnvoll ist, habe die Antragsgegnerin nicht.

25

Die Antragsgegnerin verstoße auch gegen die zwingenden Vorgaben der §§ 16 und 24 VOF, das der Preis nicht das entscheidende Zuschlagskriterium darstelle. In ihrer Vergabeentscheidung habe die Antragsgegnerin lediglich die Endpreise und nicht die sonstigen in der Vergabebekanntmachung angegebenen Zuschlagskriterien rechtswidrig zu Grunde gelegt.

26

Die Antragstellerin beantragt,

  • die Antragsgegnerin anzuweisen, Bieter auszuschließen, deren Angebote nicht den Vorgaben des § 16 Abs. 2 VOF entsprechen
  • die Antragsgegnerin anzuweisen, die Auftragsgespräche gemäß § 24 VOF unter vergaberechtskonformen Bedingungen zu wiederholen
  • hilfsweise das Vergabeverfahren aufzuheben
  • Einsicht in die Vergabeakten gem. § 111 Abs. 1 GWB zu gewähren
  • Die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes durch die Antragstellerin für notwendig zu erklären
  • die Kosten des Verfahrens der Antragsgegnerin aufzuerlegen.

27

Die Auftraggeberin beantragt,

den Antrag des Ingenieurbüros xxxxx und des Planungsbüros xxxxx zurückzuweisen und ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

28

Die Auftraggeberin hält den Antrag für unbegründet. Sie vertritt die Auffassung, dass gleichwohl intensive und vertiefte Verhandlungen mit den einzelnen Bietern geführt worden sind. Die Verhandlungen erfolgten nach ihrer Auffassung sowohl im Austausch schriftlicher Unterlagen als auch in persönlichen Verhandlungen und telefonischen Gesprächen. Soweit die Antragsgegner den Zusammenhang von Mindestbedingungen und Zuschlagskriterien mit Schriftsatz vom 07.05.01 rügen, ist dies verspätet, da diese Informationen bereits dem am 30.03.01 übersandten Vertragsentwurf zu entnehmen gewesen war.

29

Entgegen der Auffassung der Antragsteller habe die Antragsgegnerin sehr wohl mit den Antragstellerin zu 1 und 2 getrennt verhandelt. Beide Antragstellerinnen seien damit einverstanden gewesen, dass sie gemeinsam in die mündliche Verhandlung gingen. Im Übrigen hätten die Antragsteller auch das von der Antragsgegnerin gewählte Vorgehen ursprünglich nicht gerügt, sondern wären vielmehr mit der Verhandlung so einverstanden gewesen.

30

Ferner sei auch der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden, da auch den anderen Bietern eine Änderung des Leistungsbildes nicht gestattet worden sei. Insoweit hätten die Antragsteller die Antragsgegnerin falsch verstanden oder die Aussage fehlinterpretiert. Dass andere Bieter die Prozentsätze für die Genehmigungsplanung nicht eingetragen haben, läge daran, dass diese die Genehmigungsplanung für die Anlagengruppen 2 bis 5 nicht für nötig erachtet hätten. Üblicherweise fiele für diese Anlagengruppen auch keine Genehmigungsplanung an. Da sie allen Bietern den gleichen Gestaltungsspielraum eingeräumt habe, stehe ihrer Meinung nach fest, dass die Bieter nicht ungleich behandelt worden sind. Im Übrigen habe die Nutzung des Gestaltungsspielraumes durch die anderen Bieter keinen Einfluss auf das preisliche Angebotsgefüge gehabt. Rechne man das Angebot des günstigsten Bieters auf 71 % hoch, so liege es dennoch um xxxxx DM günstiger als die Angebote der Antragsteller zusammen. Daraus ergebe sich auch, dass die Angebote uneingeschränkt vergleichbar seien. Objektivität und Transparenz der Vergabeentscheidung seien damit gewahrt.

31

Soweit die Antragsteller rügen, dass nicht alle vom Auftraggeber festzulegenden Honorarfaktoren in dem übersandten Vertragsentwurf als Verhandlungsgrundlage festgelegt gewesen seien, sei diese Rüge mit Schriftsatz vom 07.05.01 als verspätet anzusehen, denn der Vertragsentwurf wurde am 30.03.01 übersandt. Die gerügten Differenzen zur Veröffentlichung im Amtsblatt der EG waren zu diesem Zeitpunkt zu erkennen. Inwieweit alle Grundleistungen vom Planer zu erbringen seien, ist nach Auffassung der Antragsgegnerin sehr wohl zu beeinflussen. Genehmigungsplanungen seien üblicherweise nicht zu erbringen. Diesen Umstand habe die Antragsgegnerin im Vertragsentwurf mit den Worten "nur für genehmigungsbedürftige Anlagen" gekennzeichnet. Hier sei Platz für die persönliche Einschätzung der Büros zur Ausgestaltung der Planung gewesen. Die objektiven Kriterien für die Honorarberechnung seien, soweit es der Antragsgegnerin möglich war, festgelegt worden. Eine Unterschreitung der Mindestsätze der HOAI liege nicht vor.

32

Die Wertung des Angebotes des preisgünstigsten Bieters stelle keinen Verstoß gegen § 16 Abs. 2 VOF dar. Im Ergebnis scheitere das Angebot der Antragsteller im Kriterium Kosten vor allem an den gegenüber den anderen Beteiligten höheren Nebenkosten. Eine Honorarreduzierung nach § 5 Abs. 2 HOAI sei im vorliegenden Fall nicht durchgeführt worden.

33

Ferner sei anhand der Vergabeakten nachvollziehbar, dass die Differenz zwischen den Angeboten hinterfragt und aufgeklärt worden sei (Akte A1, Seite 110, 68ff). Die Antragsteller hätten im Gegensatz zu den anderen Bietern den Verhandlungsspielraum, den die HOAI für die Anrechenbarkeit der Nebenkosten lasse, nicht genutzt.

34

Nach Auffassung der Antragsgegnerin hätten die Antragsteller sehr wohl die Möglichkeit gehabt, ihr Angebot kostengünstiger zu gestalten. Die Kosten des Auftrages stellen auch nach dem Wortlaut der §§ 16 und 24 VOF ein Zuschlagskriterium dar. Als Zuschlagskriterium seien sie auch in der Vergabebekanntmachung veröffentlicht worden. Eine hiergegen gerichtete Rüge sei verspätet. Für die Antragsgegnerin gelte im Übrigen der Haushaltsgrundsatz von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit im Umgang mit Haushaltsmitteln. Eine Reduzierung allein auf den Maßstab der Qualität komme daher nicht in Betracht. Aus diesem Grund waren die Auftragskosten für die Vergabeentscheidung mit heranzuziehen. Die Bewertung der Auftragskriterien liege allein im Ermessen der Antragsgegnerin. Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit sei der Preis eine entscheidende Wertungskomponente, die 30 % nicht unterschreiten solle.

35

Da die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 04.05.01 zugesagt habe, die geltend gemachten Vergabeverstöße zu prüfen, bestehe derzeit kein Anlass für einen Nachprüfungsantrag.

36

Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Sitzungsprotokoll über die mündliche Verhandlung vom 05.06.2001 Bezug genommen.

37

II.

Der zulässige Antrag der Antragsteller ist begründet. Die Antragsteller sind im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt, weil die Auftraggeberin die im Rahmen der Ausschreibung veröffentlichte Bewertungsmatrix bei der Angebotswertung das Gewicht des Faktors "Preis" in unzulässiger Weise von 5 % auf 35 % heraufgesetzt hat.

38

1.

Der Antrag ist zulässig. Bei der Auftraggeberin handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 2 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um geistig-schöpferische Dienstleistungen für die Planung einer technischen Gebäudeausrüstung sowie deren Umsetzung und damit um einen Dienstleistungsauftrag, für den gem. § 2 Nr. 3 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 somit ein Schwellenwert von 200.000,-- EURO gilt. Der Wert des ausgeschriebenen Auftrags überschreitet nach dem Ergebnis der Ausschreibung deutlich den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert.

39

Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bieterin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, ihr zunächst an 1. Stelle liegendes Angebothabe sich nur auf Grund der Veränderung der Bewertungsmatrix auf eine in der Rangfolge zurückliegende Stelle verschlechtert.

40

2.

Der Nachprüfungsantrag ist begründet, da die von der Auftraggeberin vorgenommene Veränderung der Bewertungsmatrix unzulässig ist. Sie widerspricht § 16 III VOF, wodurch die Antragsteller in ihren Rechten aus § 97 Abs. 1 Satz 1 GWB verletzt sind.

41

a)

Die seitens der Auftraggeberin im Rahmen der Angebotswertung erfolgte Aufwertung des Bewertungskriteriums "Kosten" von 5 % auf 35 % verstößt gegen die Grundsätze des § 16 III VOF.

42

§ 16 II VOF gibt eine Reihe von Bewertungskriterien vor, die der Auftraggeber bei der Entscheidung über die Auftragsvergabe zu berücksichtigen hat. Eines der Kriterien des § 16 II VOF sind die Kosten.

43

§ 16 II gibt damit zwingend vor, dass die Kosten bei der Entscheidung über die Auftragsvergabe zu berücksichtigen sind.

44

Er stellt jedoch die Gewichtung der einzelnen Kriterien ausschließlich in das Ermessen des Auftraggebers.

45

Darüber hinaus hat der Auftraggeber nach § 16 III VOF in der Auftragsbeschreibung oder der Vergabebekanntmachung alle Auftragskriterien anzugeben, deren Anwendung vorgesehen ist, möglichst in der Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung.

46

Daraus ergibt sich, dass der Auftraggeber durch die VOF verpflichtet ist, seine sämtlichen Kriterien für die Auftragsvergabe bzw. Angebotswertung bereits in der Vergabebekanntmachung anzugeben.

47

Die Auftraggeberin hat in ihrer Vergabebekanntmachung unter Punkt 12 u.a. die Kosten der zu erbringenden Leistung i.S.d. § 16 II VOF als anzuwendendes Auftragskriterium ausdrücklich angegeben.

48

Nach § 16 III VOF soll der Auftraggeber möglichst die gewählten Kriterien entsprechend der von ihm im Rahmen einer Ermessensentscheidung gewichteten Kriterien entsprechend der von ihm gewählten Gewichtung in einer Rangfolge oder Matrix angeben.

49

Die vor Angebotseröffnung erfolgende Erstellung einer Angebotsmatrix, in der die nach Ermessen des Auftraggebers erfolgende Gewichtung der einzelnen Kriterien zur Bewertung angegeben werden, dient dem Auftraggeber zur Erleichterung seiner Vergabeentscheidung, der Dokumentation der Transparenz der Vergabeentscheidung im Vergabeverfahren und zu einer besser an die Anforderungen und Bedürfnisse des Auftraggebers angepassten Angebotserstellung durch die Bewerber/Bieter.

50

Damit stellt es gewissermaßen den Idealfall der sich aus den o.a. Grundsätzen ergebenden Transparenz dar, wenn der Auftraggeber vor der Ausschreibung bereits eine Bewertungsmatrix erstellt und die diese im Rahmen der Ausschreibung öffentlich macht.

51

Von dem ihr eingeräumten Ermessen in Bezug auf die Gewichtung der einzelnen Kriterien hat die Auftraggeberin im Rahmen der Vergabe entsprechend den dargestellten Kriterien Gebrauch gemacht, indem sie ausweislich des Vergabevermerks gem. § 18 VOF die zu erwartenden Kosten wobei einer Gewichtung von 5 % bei allen Bietern ausgespart worden sind.

52

Die Grundsätze der Transparenz und Nachvollziehbarkeit des Vergabeverfahrens erfordern es jedoch auch, dass diese Grundsätze nach ihrer Veröffentlichung nicht mehr grundlegend verändert werden.

53

Dies ergibt sich bereits aus dem Gedanken, dass sich die Bewerber bei Erstellung des Angebots auf die seitens des Auftraggebers genannten Bewertungskriterien einstellen, um ein möglichst den Anforderungen und Wünschen des Auftraggebers entsprechendes Angebot abzugeben. Dies kommt insbesondere dem Auftraggeber zugute.

54

Dementsprechend ergibt sich bereits zwingend aus dem Transparenzgebot, dass mit der Ausschreibung einmal bekannt gemachte Kriterien nachträglich dann nicht mehr verändert werden können und dürfen, wenn die Bewerber auf Grund erfolgter Angebotsabgabe nicht mehr in der Lage sind, ein entsprechend der Veränderung der Wertungskriterien geändertes Angebot abzugeben.

55

Zwar ist der Auftraggeber nach § 16 III VOF nicht verpflichtet, eine genaue prozentuale Gewichtung anzugeben, sondern lediglich eine Gewichtung entsprechend der gewählten Reihenfolge.

56

Dies bedeutet jedoch auch, dass eine detailliertere Gewichtung in Form der Prozentangabe nicht nur zulässig ist, sondern darüber hinaus noch der vergaberechtlich gewollten Erhöhung der Transparenz und Verbesserung der Angebotserstellung dient.

57

Damit steht auch die seitens der Auftraggeberin zitierte Entscheidung des OLG Dresden vom 5.01.01 (Az. Wverg 0011/00 u. 0012/00) im Einklang, auch wenn diese zur VOL ergangen und damit im Rahmen eines Verfahrens nach VOF nur bedingt anwendbar ist.

58

Soweit sich der Auftraggeber bei der Bekanntgabe der Wertungskriterien nicht an den durch den von der VOF vorgegebenen Mindeststandard der Angabe der Reihenfolge hält und darüber hinaus eine prozentuale Gewichtungsangabe macht, bedeutet dies zwar nicht, dass diese Prozentsätze selbst im Falle unerwarteter Ergebnisse völlig unveränderbar sind.

59

Der Auftraggeber kann vor der Angebotseröffnung im Bereich eines VOF-Verfahrens, dessen Auftragsgegenstand eine kreative Planungsleistung ist, nie vorab wissen, welches Ergebnis (in jeder Hinsicht) das Verfahren bringt. Daher kann auch eine Änderung der Gewichtung im Anwendungsbereich nicht gänzlich ausgeschlossen sein, wofür schon die Verwendung des Wortes "möglichst" in der "Reihenfolge der ihnen zuerkannten Bedeutung" spricht.

60

Es muss dem Auftraggeber möglich sein, zumindest in Maßen auf unerwartete Ausschreibungsergebnisse zu reagieren.

61

Dies hat jedoch zur Folge, dass eine derartige "Anpassung" lediglich in engen Grenzen in maßvoller Weise möglich ist. Eine Anpassung der Gewichtung eines Kriteriums findet dort seine (natürliche) Grenze, wo ein vor Änderung der Gewichtung auf Grund der sonstigen Kriterien vorne liegender Bieter allein auf Grund der Änderung dieser einzelnen Gewichtung deutlich in der Reihenfolge der Bewertung verschoben wird.

62

Eine derartige Einschränkung der Veränderungsmöglichkeiten belastet den Auftraggeber auch in Bezug auf das Kriterium "Kosten" nicht über Gebühr.

63

Insbesondere die Kosten stellen ein auf Seiten des Auftraggebers bereits in den ersten Zügen der Auftrags- bzw. Projektplanung zu beachtendes Kriterium dar. Dieses ist auch über die geplante Auftragssumme mit einer für die Einstufung und Gewichtung des Kriteriums zu diesem Stadium hinreichend genauen Größe einschätzbar. Damit kann dem Auftraggeber zugemutet werden, sich vor Erstellung der Matrix entsprechende Gedanken über sein Budget und dem daraus resultierenden Gewicht des Kostenfaktors zu machen.

64

Eine grundsätzliche Gewichtung des Kostenfaktors ist dem Auftraggeber grundsätzlich vorab möglich und zumutbar.

65

Die Auftraggeberin hat geltend gemacht, hinsichtlich der Kosten ein unerwartetes Ergebnis erhalten zu haben und daher eine Änderung der Gewichtung des Kriteriums "Kosten" vorgenommen.

66

Die Antragsteller lagen vor der seitens der Antragsgegnerin vorgenommenen Änderung des Kriteriums "Preis" mit 270 Punkten und somit einem Vorsprung von 25 Punkten gegenüber dem nachfolgenden Bieter und sogar 40 Punkten vor der Beigeladenen an erster Stelle.

67

Die durch die Auftraggeberin vorgenommene Änderung der Vergabeunterlagen in Form einer 30 %igen Erhöhung des Kriteriums "Kosten" führte nicht nur dazu, dass die deutlich in Führung liegende Antragstellerin mit 340 Punkten nun 30 Punkte hinter der mit 370 Punkten vorne liegenden Beigeladenen liegt, sondern auch dass die bisher mit eher geringem Rückstand von 25 Punkten an zweiter Stelle liegende xxxxx nunmehr mit 280 Punkten und damit einem Rückstand von 90 Punkten auf die letzte Stelle zurückgefallen ist.

68

Soweit eine 30 %ige Erhöhung des Kostenfaktors mit einer derartigen "Umverteilung" der Rangfolge der Bieter verbunden ist, kann diese Erhöhung nicht mehr als eine nach § 16 III VOF zulässige "Korrektur" angesehen werden und ist daher auf Grund ihrer Unverhältnismäßigkeit als unzulässig anzusehen.

69

b)

Bereits dieser Verstoß führt zu einer Vergaberechtswidrigkeit der Auftragsvergabe und macht eine Neubewertung erforderlich, wobei die Auftraggeberin ihre ursprüngliche Bewertungsmatrix zu Grunde legen muss.

70

Die Kammer weist ferner darauf hin, dass die sich aus dem Vermerk vom 23.04.01 beiliegenden Kostenspiegel (Übersicht 2) der Auftraggeberin, der in der Vergabeakte enthalten ist, ergebende Berechnung der anrechenbaren Kosten bei Heranziehung der Berechnungssätze der HOAI nicht mit § 76 I HOAI vereinbar ist.

71

Die Berechnung der anrechenbaren Kosten nach HOAI sieht vor, dass die prozentualen Ansätze für die Umbau- und Unterhaltungskosten lediglich nach den jeweils darauf entfallenden Kostenansätzen vorgenommen werden können.

72

Dies ergibt sich nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit aus dem Kostenspiegel für die anrechenbaren Kosten oder den anderen die Angebotsbewertung betreffenden Vergabeunterlagen.

73

Im Hinblick auf die sich daraus ergebenden Kostenunterschiede ist die Auftraggeberin gehalten, die der HOAI entsprechende Berechnung vorzunehmen und auch dementsprechend in den Vergabeakten nachvollziehbar kenntlich zu machen.

74

Im Übrigen ist das Vergabeverfahren nicht zu beanstanden. Insbesondere war die Auftraggeberin nicht gehalten, die Angebote der Beigeladenen wegen Preisdumpings von der Wertung auszuschließen. Das Angebot der Beigeladenen bewegte sich innerhalb der von der HOAI vorgegebenen Honorarzone.

75

Gemäß § 114 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern.

76

Wegen des unter II.2.a) festgestellten Verstoßes gegen vergaberechtliche Bestimmungen ist es geboten, die Auftraggeberin zu verpflichten, erneut in die Wertung einzutreten und diese unter Beachtung der aus den Entscheidungsgründen ersichtlichen Rechtsauffassung der Vergabekammer neu durchzuführen.

77

Eine Aufhebung des Vergabeverfahrens war im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hingegen nicht erforderlich.

78

III.

Kosten

79

Die Kostenentscheidung erfolgt nach § 128 GWB. Es wir die Mindestgebühr von DM 5.000,00.- bzw. EUR 2.556,46.- gem. § 128 II GWB festgesetzt.

80

Die Auftraggeberin wird aufgefordert, den Betrag von DM 5.000,00.- bzw. EUR 2.556,46 unter Angabe des Kassenzeichens xxxxxxxx auf folgendes Konto zu überweisen:

81

XCXCCCX

Gause
Schulte
Lohmöller