Vergabekammer Lüneburg
Beschl. v. 13.07.2001, Az.: 203-VgK-14/2001
Verstoß gegen das Transparenzgebot durch die Nichterstellung einer Bewertungsmatrix; Notwendigkeit der Erstellung einer Bewertungsmatrix auf Grund des Gleichbehandlungsgrundsatzes; Sinn und Zweck des Transparenzgebots im Vergabeverfahren; Verletzung des Bieters in seinen Rechten durch einen Verstoß gegen das Transparenzgebot; Bestimmung des Ermessensspielraumes der Vergabestelle; Zulässigkeit der Vergabe eines Angebots allein anhand des Kriteriums des Preises
Bibliographie
- Gericht
- VK Lüneburg
- Datum
- 13.07.2001
- Aktenzeichen
- 203-VgK-14/2001
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2001, 28973
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 97 I GWB
- § 8 Nr. 1 II VOL/A
Verfahrensgegenstand
Beschaffung von Büromobiliar für xxx
Die Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg hat
durch
den Vorsitzenden ORR Gause
auf die mündliche Verhandlung
vom 09.07.2001
beschlossen:
Tenor:
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in Ihren Rechten verletzt ist. Der Antragsgegner wird verpflichtet, die Ausschreibung zur Beschaffung von Büromobiliar aufzuheben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin war notwendig.
Im Übrigen wird der Nachprüfungsantrag zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden auf 5.000,-- DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsgegner hat mit Bekanntmachung vom 12.02.2001 die Beschaffung von 100 - 120 Büroeinrichtungen ("Home-Offices") für die xxx europaweit ausgeschrieben.
Mit Schreiben vom 15.02.2001 forderte die Antragstellerin bei dem Antragsgegner die betreffenden Ausschreibungsunterlagen an, die ihm am selben Tag verbunden mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe bis 04.04.01, 15.00 Uhr übersandt wurden.
Ausschreibungsinhalt sind Schreibtische, Rollcontainer, Sideboards, Schränke, Stühle und Bürostühle) in der Holzart "heimische Buche" einschließlich der Prüfung der individuellen Planung und Beratung von xxxbüros, ggf. Anpassung an das Programm des Anbieters und Aufbau des Mobiliars. Vorgesehenes Lieferdatum sind für 65 Büros der Zeitraum von Juli bis August 2001 und für weitere 50 Büros Feb./März 2002.
Nach Position 4.1 des Leistungsverzeichnisses sollen ausschließlich heimische Hölzer (sowohl für Massivholz- als auch für Tischlerplatten, Sperrholz und Furniere) verwendet werden und für die Oberflächen oder Massivhölzer Buche die Holzart sein. Bei Buchenholz sei rotverkerntes gesundes Holz erwünscht, aber nicht Bedingung.
Zur Begründung wird darauf verwiesen, dass die xxx diesen Rohstoff selbst liefere und mit daraus entstehenden Produkten werben wolle. Insbesondere der Wunsch nach rotkerniger Buche entspreche dem Wunsch nach Werbung für dieses besondere Holz. Zum anderen sollten sich die Möbel aber auch durch Robustheit auszeichnen, da sie im täglichen Einsatz eines Ingenieurbüros mit hoher Beanspruchung stünden.
Durch Position 4.2 wird eine umweltfreundliche und schadstoffarme Verarbeitung und die Verwendung umweltfreundlicher Materialien gefordert.
Die Position 4.5 (Mobiliar) gibt u.a. für die Bildschirmarbeitsplätze und Besuchertische "stabverleimte Massivholzplatten in Buche" als Anforderung vor.
Das Leistungsverzeichnis gibt unter Ziffer 3.4 folgende Kriterien in einfacher Aufzählung ohne Gewichtung oder Rangfolge für die Angebotswertung vor:
- Erfüllung der Anforderungen an ergonomische Bildschirmarbeitsplätze
- Eignung des Mobiliars
- Verwendung heimischen Holzes
- Umweltfreundliche Materialien und Produktion
- Grad der Erfüllung der Soll- und Wunschbeschreibung
- Referenzen
- Anpassungs- und Erweiterungsmöglichkeiten
- Längere Garantiezeiten
- Wirtschaftlichkeit
Am 27.03.01 fand zwischen den Beteiligten in xxx ein Gespräch über den Angebotsinhalt statt, im Rahmen dessen der Antragsteller eine fehlende Gewichtung der Wertungskriterien der Position 3.4 des Leistungsverzeichnisses geltend machte. Ihm wurde darauf zumindest mitgeteilt, dass der Antragsgegner die Angebotswertung anhand einer internen Matrix vornehmen werde, die nicht veröffentlicht werde.
Im Rahmen dieses Gesprächs wurden von allen Bietern weitere Positionen im Rahmen des Ausschreibungsverfahrens abgefordert.
Dieser Forderung kamen auch die Antragstellerin und die Beigeladene nach.
Mit Schreiben vom 19.04.01 erbat der Antragsgegner von den Bietern eine Verlängerung der am 23.04.01 ablaufenden Zuschlags- und Bindefrist auf Grund der bis zu diesem Zeitpunkt nicht vollständig durchführbaren Angebotswertung. Die Fristverlängerung wurde von sämtlichen Bietern gewährt.
Mit Datum vom 9.05.01 legte die Antragstellerin eine Bestätigung ihres Lieferanten vor, wonach ausschließlich heimische Hölzer deutscher Herkunft geliefert bzw. verwendet werden.
Am 11.05.01 stellte der Antragsgegner gegenüber den Bietern klar, dass er unter der Bezeichnung "heimische Buche" und "heimische Hölzer" Buchenholz europäischer Herkunft verstehe. Gleichzeitig räumte der Antragsgegner sämtlichen Bietern Gelegenheit ein, bei evtl. engerer Auslegung der Bezeichnung "heimische Hölzer" bei Erarbeitung des Angebots dieses entsprechend abzuändern. Der Antragsgegner setzte den Bietern hierzu eine Frist bis zum 17.05.01 zur Mitteilung über eine Abänderung und bis zum 23.05.01 zur Nachreichung der Angebote und verlängerte die Zuschlagsfrist erneut bis zum 30.05.01.
Die Antragstellerin gewährte in diesem Zusammenhang mit Schreiben vom 21.05.01 zusätzliche Rabatte.
Mit Schreiben vom 30.05.01 informierte der Antragsteller die nicht berücksichtigten Bieter, dass die Beigeladene für die Zuschlagserteilung vorgesehen sei.
Die Antragstellerin macht geltend, die streitgegenständliche Ausschreibung sei bereits deshalb rechts- und vergaberechtswidrig, der zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner geschlossene Rahmenvertrag zur Belieferung mit Büroeinrichtungen eine Laufzeit bis 2002 habe und nicht wirksam gekündigt worden sei. Darüber hinaus sei lediglich eine Auftragsvergabe an sie rechtmäßig, da durch ein auf die Antragsstellerin eingetragenes Geschmacksmuster auf Seiten des Antragsgegners bei der Vergabeentscheidung eine Ermessensreduzierung auf Null vorliege.
Darüber hinaus macht sie geltend, dass eine Zuschlagserteilung an die Firma xxx sie in ihren Rechten aus § 97 VII GWB verletze, da nach dem Schreiben vom 30.05.01 der Zuschlag auf ein "niedrigeres" Hauptangebot erteilt werden solle. Dies beinhalte einen Verstoß gegen § 25 Nr. 3 VOL/A, da hiernach der Zuschlag auf das "wirtschaftlichste" Angebot zu erteilen sei.
Durch die Formulierung "niedrigeres" Hauptangebot sei auch keine ordnungsgemäße Vorabinformation i.S.d. § 13 VgV erfolgt, sodass eine Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen einen nichtigen Vertragsschluss darstellen würde.
Weiter sei das Transparenzgebot aus § 97 I GWB nicht gewahrt worden und das Angebot der Beigeladenen nach § 25 Nr. 1 I VOL/A von der Wertung auszuschließen.
Mit Nachprüfungsantrag vom 11.06.01 beantragt die Antragstellerin,
der Vergabestelle zu untersagen, den beabsichtigten Zuschlag in oben genannten Vergabeverfahren (angekündigt für den 13.Juni 2001) auf der Grundlage ihrer bisherigen Wertung an den Wettbewerber (Firma xxx) zu erteilen;
stattdessen die Vergabestelle anzuweisen, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Kammer das Angebot des Antragstellers neu zu werten und hiernach gegebenenfalls den Zuschlag dem Antragsteller als Bieter mit dem wirtschaftlichsten Angebot unter Berücksichtigung aller Zuschlagskriterien zu erteilen;
hilfsweise
die Vergabestelle zu einer ordnungsgemäßen Verfahrensdurchführung, insbesondere nachvollziehbarer Anwendung transparenter Vergabekriterien, zu veranlassen und ebenfalls hilfsweise die Vergabestelle zu einer ordnungsgemäßen Vorabinformation gemäß § 13 VgV unter Angabe der die beabsichtigte Vergabeentscheidung tragenden Gründe zu veranlassen;
hilfsweise
der Vergabestelle aufzugeben, das Vergabeverfahren aufzuheben und den Auftrag freihändig an die Antragstellerin zu vergeben, weil die entsprechenden Voraussetzungen hier vorliegen;
der Vergabestelle die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Antragstellers aufzuerlegen; festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten notwendig war.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag der Antragstellerin zurückzuweisen und möglichst bald die Vergabe zuzulassen, da die Mobiliarbeschaffung einen wichtigen Baustein eines größeren EDV-Beschaffungsprojektes darstellt. Dieses umfasst Verträge mit mehreren Beteiligten, denen aus der Verzögerung durch das Nachprüfungsverfahren kein Schaden entstehen sollte.
Der Antragsgegner hält den Antrag für unbegründet. Er ist der Ansicht, dass die seitens der Antragstellerin vorgetragenen Verstöße nicht vorliegen oder unbegründet sind, sodass sie keine Aufhebung der Ausschreibung rechtfertigen können.
Er vertritt die Auffassung, dass die Zuschlagserteilung an die Beigeladene rechtmäßig sei, da diese das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe.
Die Erstellung einer detaillierten Bewertungsmatrix sei nicht erforderlich, da nach Besichtigung der angebotenen Produkte eine Gleichwertigkeit festgestellt worden sei, die eine Nutzwertanalyse entbehrlich mache. Auf Grund des gleichen Nutzens werde die Wirtschaftlichkeit durch den Preis bestimmt.
Das von der Antragstellerin geltend gemachte Öko-Audit - Zertifikat zur Berechtigung des höheren Preises sei bei der Wertung nicht berücksichtigt worden, da es die gestellten Anforderungen übersteige und nach dem Ermessen des Antraggegners zu werten sei. Das Ermessen sei hier auf Grund des erheblich geringeren Preises der Beigeladenen zu deren Gunsten ausgeübt worden.
Die Vergabekammer hat mit Beschluss vom 26.06.01 das Verfahren dem Vorsitzenden zur alleinigen Entscheidung gem. § 105 III GWB übertragen, da das Verfahren keine wesentlichen Schwierigkeiten in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht aufweist und die Entscheidung nicht von grundsätzlicher Bedeutung sein wird.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Sitzungsprotokoll über die mündliche Verhandlung vom 05.06.2001 Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag der Antragstellerin ist begründet. Die Antragstellerin ist im Sinne der §§ 97 Abs. 7, 114 Abs. 1 GWB in ihren Rechten verletzt, weil der Auftraggeber durch die Nichterstellung einer Bewertungsmatrix und die nicht hinreichende Dokumentierung der Vergabeentscheidung gegen das Transparenzgebot aus § 97 I GWB verstoßen hat.
Der Antrag ist zulässig. Bei dem Auftraggeber handelt es sich um einen öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 98 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftragübersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gem. § 100 Abs. 1 GWB. Danach gilt der 4. Teil des GWB nur für solche Aufträge, die die Auftragswerte erreichen oder überschreiten, die durch Rechtsverordnung nach § 127 GWB festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Lieferauftrag für Büromobiliar für xxx und damit um einen Lieferauftrag i.S.d. § 99 I, II GWB, für den gem. § 2 Nr. 3 der am 01.02.2001 in Kraft getretenen Vergabeverordnung (VgV) vom 09.01.2001 ein Schwellenwert von 200.000,-- EURO gilt. Der Wert des ausgeschriebenen Auftrags überschreitet nach dem Ergebnis der Ausschreibung deutlich den für die Anrufung der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert.
Die Antragstellerin ist auch gem. § 107 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da sie als Bewerberin ein Interesse am Auftrag hat und eine Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem sie behauptet, bei korrekter Angebotswertung das wirtschaftlichste Angebot abgegeben zu haben und daher eine echte Chance auf den Zuschlag gehabt zu haben.
Sie ist mit ihrem Vorbringen dazu auch nicht präkludiert, da ausweislich der Vergabeakten und dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung die entsprechenden Rügen unverzüglich gemäß § 107 Abs. 3 GWB erfolgt sind. Insbesondere erfolgte, wie der Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung einräumte, in Rahmen des Aufklärungsgesprächs vom 27.03.01 eine mündliche Rüge hinsichtlich der nicht ersichtlichen Gewichtung der Bewertungskriterien.
Der Nachprüfungsantrag ist begründet, da der Auftraggeber keine Bewertungsmatrix für die Angebotswertung erstellt hat (nachfolgend a) ), die Angebotswertung nicht anhand der Vergabeakten nachvollziehbar vorgenommen hat (nachfolgend b) ) und damit gegen das Transparenzgebot aus § 97 I GWB verstoßen hat. Die Antragstellerin ist dadurch in ihren Rechten aus § 97 VII GWB verletzt.
Es kann daher dahingestellt bleiben, ob darüber hinaus der Auftraggeber im Rahmen seiner Angebotsaufklärungsverhandlung i.S.d. § 24 Nr. 1 Abs. 1 VOL/A mit der Beigeladenen in unzulässiger Weise nachverhandelt und damit gegen § 24 Nr. 2 Abs. 1 VOL/A verstoßen hat oder ob das Angebot der Beigeladenen im Rahmen der Angebotswertung nach § 25 Nr. 1 VOL/A auszuschließen war, weil ihr Hauptangebot von den Vorgaben im Leistungsverzeichnis abweicht.
Die Nichterstellung einer Bewertungsmatrix bzw. der bewusste Verzicht auf deren Erstellung vor der Angebotswertung verletzt das Transparenzgebot aus § 97 I GWB.
Nach § 8 Nr. 1 II VOL/A hat die Vergabestelle, um dem Bieter eine einwandfreie Preisermittlung zu ermöglichen, alle sie beeinflussenden Umstände festzustellen und in den Verdingungsunterlagen anzugeben.
Die Regelung des § 8 Nr. 1 II VOL/A geht davon aus, dass ein Bieter den Preis für die Leistung nur dann einwandfrei ermitteln kann, wenn er alle den Preis beeinflussenden Umstände kennt. Aus diesem Grund muss die Vergabestelle die genannten Umstände feststellen und in den Verdingungsunterlagen angeben (vgl. Zdzieblo, in: Daub-Eberstein, VOL/A § 8 Rn. 33).
Demnach sind grundsätzlich nicht nur die zur Wertung durch den Auftraggeber herangezogenen Kriterien in den Verdingungsunterlagen zu benennen, sondern auch deren Gewichtung.
Dies bedeutet zwar nicht, dass die Vergabestelle zwingend die Wertungskriterien in den Verdingungsunterlagen mit exakter prozentualer Gewichtung festgelegt angeben muss.
Es verstößt nicht gegen § 8 Nr. 1 II VOL/A, wenn der Auftraggeber eine Gewichtung der Auftragskriterien spätestens bis zum Zeitpunkt der ersten Angebotseröffnung vornimmt und diese bei eineröffentlichen Stelle beispielsweise in versiegelter Form so hinterlegt, dass ein Missbrauch in Form einer nachträglichen Veränderung der Gewichtung der Kriterien in nachvollziehbarer Weise ausgeschlossen wird.
Verfährt die Vergabestelle in dieser Weise, hat sie jedoch zumindest eine Reihenfolge entsprechend ihrer Wertung festzulegen und diese in den Verdingungsunterlagen als solche erkennbar anzugeben, damit die Bieter bei ihrer Angebotskalkulation die Wünsche der Vergabestelle hinreichend berücksichtigen können.
Ein derartiges Erfordernis gebietet bereits der Grundsatz einer transparenten Vergabe aus § 97 I GWB i.V.m. dem Recht der Bieter auf Einhaltung der Vergaberegelungen aus § 97 VII GWB.
Dagegen hat der Antragsgegner verstoßen.
Er hat in den streitgegenständlichen Verdingungsunterlagen ausweislich Ziffer 3.4 zwar eine Reihe von Wertungskriterien angegeben. Jedoch sind diese nur in einer reinen Auflistung mit Spiegelstrichen und ohne jeglichen Hinweis auf eine Gewichtung oder Reihenfolge dargestellt.
Aus dieser reinen Auflistung lässt sich für einen Bieter die Vorgabe einer - wie auch immer gearteten Gewichtung oder Reihenfolge- ohne die ausdrückliche Vorgabe oder Kenntlichmachung als Reihenfolge nicht einmal ansatzweise entnehmen.
Um den Anforderungen des § 8 Nr. 1 II VOL/A zu entsprechen, hätte zumindest der Hinweis "in nachfolgender Reihenfolge" o.ä. enthalten sein müssen.
Darüber hinaus hat Antragsgegner gegen § 8 Nr. 1 II VOL/A verstoßen, in dem er, was er in seinen Schriftsätzen und auch in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, unstreitig überhaupt keine Bewertungsmatrix erstellt hat.
Die Nichterstellung der Matrix korreliert mit der in den Verdingungsunterlagen fehlenden Angabe einer Gewichtungsreihenfolge und stellt für sich genommen einen schwer wiegenden Verstoß gegen § 8 Nr. 1 II VOL/A dar.
Diesen Verstoß hätte der Antragsgegner zumindest nach der unstreitig erfolgten mündlichen Rüge der Antragstellerin vom 27.03.01 noch korrigieren können, indem er, wie er es auch in Bezug auf die Holzart "heimische Buche" getan hat, sämtlichen Bietern eine Mitteilung zukommen lassen und die Möglichkeit einer Angebotskorrektur eingeräumt hätte.
Es kann offen bleiben, ob die Benennung des Kriteriums "Referenzen" an dieser Stelle zulässig ist, da dieses Kriterium im Gegensatz zu denübrigen genannten Kriterien nicht produktbezogen, sondern unternehmensbezogen ist und es sich damit um ein Eignungskriterium und nicht um ein Zuschlagskriterium handelt.
Der Antragsgegner hat es weiterhin entgegen § 30 Nr. 1 VOL/A versäumt, wichtige Verfahrensschritte zu dokumentieren, sodass die Berücksichtigung der von ihm vorgegebenen Bewertungskriterien bei der Angebotswertung und die Auswahlentscheidung unter den Vorgaben des Transparenzgebotes aus § 97 I GWB nicht hinreichend nachvollziehbar sind.
An einem Vergabeverfahren beteiligte Bieter haben gem. § 97 VII GWB ein subjektives Recht auf ausreichende Dokumentation des Vergabeverfahrens und insbesondere der wesentlichen Entscheidungen im Vergabeverfahren (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss v. 3.8.99, NZBau 2000, 44 f.).
Gem. § 30 Nr. 1 VOL/A ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellung sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält.
Der Anwendungsbereich des § 30 Nr. 1 VOL/A erstreckt sich dabei sowohl auf den formalen Verfahrensablauf als auch materiell auf die Maßnahmen, Feststellung und Begründung der einzelnen Entscheidungen (vgl. Zdzieblo, in: Daub-Eberstein, VOL/A, § 8 Rn. 33).
Zu den materiellen Entscheidungen zählen insbesondere die Entscheidungen, bei denen der Vergabestelle eine Ermessensentscheidung zu treffen hat wie bei der das Ergebnis der Prüfung der Angebote, Angaben über die Verhandlungen mit den Bietern und deren Ergebnis sowie das Ergebnis der Wertung der Angebote (ebenso VK Sachsen, Beschluss v. 30.04.01; Az.: 1/SVK/23-01).
Ebenfalls sind im Vergabevermerk die Gründe für die Erteilung des Zuschlags auf das betreffende Angebot anzugeben.
Es ist eine nach § 30 Nr. 1 VOL/A die Vergabestelle treffende, zwingende Pflicht der Vergabestelle, die Auswahlentscheidung als wesentliche Entscheidung in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren, um für den Bewerber die erforderliche Überprüfbarkeit zu gewährleisten (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss v. 8.03.99, a.a.O.). Eine fehlende Dokumentation wesentlicher Schritte bis zur Vergabeentscheidung ist daher rechtsfehlerhaft und führt zu einer Nichtnachvollziehbarkeit der getroffenen Entscheidung (ebenso VK Sachsen, Beschluss v. 30.04.01; Az.: 1/SVK/23-01).
Dies bedeutet, dass dabei die Gründe so dezidiert festzuhalten sind, dass auch einem Außenstehenden bei Kenntnis der Angebotsinhalte deutlich erkennbar und nachvollziehbar wird, warum gerade auf das betreffende Angebot der Zuschlag erteilt werden soll.
Mängel der Erkennbarkeit und Nachvollziehbarkeit in diesem Bereich gehen daher zu Lasten der Vergabestelle.
Zwar hat der Antragsgegner ausweislich der Vergabeakten eine Prüfung und Auswertung der Angebote vorgenommen und einen Vergabevermerk gefertigt.
Dieser Vermerk genügt jedoch nicht den Anforderungen des § 30 Nr. 1 VOL/A, da es nicht möglich ist, anhand der Angebotsauswertung und des Vergabevermerks die Entscheidung nachzuvollziehen.
Insbesondere ist der Kammer anhand der Auswertung nicht möglich, eine Gleichwertigkeit der Angebote festzustellen, da die Beigeladene unstreitig diverse Vorgaben Verdingungsunterlagen und die daraus ersichtlichen "Wünsche" des Antragsgegners in ihrem Hauptangebot abweichend angeboten hat. Dies hatte der Antragsgegner ausweislich seiner handschriftlichen Anmerkungen in der in den Vergabeakten enthaltenen "1. Analyse" auch durchaus erkannt und für relevant befunden hatte. Der Antragsgegner hat in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, dass das Hauptangebot der Beigeladenen erst bei dem der 1. Analyse folgenden zweiten Prüfungsdurchgang, unter Berücksichtigung der Nebenangebote, als vollständig und den Vorgaben in den Verdingungsunterlagen entsprechend akzeptiert werden konnte.
Weiter ist nicht nachzuvollziehen, wie der Antragsgegner, eine Gleichwertigkeit der Produkte unterstellt, das wirtschaftlichste Angebot ausschließlich am Angebotspreis festmachen will, da andere Wirtschaftlichkeitskriterien wie beispielsweise Service- und Garantiezeiten, Reparaturzeiten und -kosten - zumindest nach Aktenlage - nicht berücksichtigt worden sind. Richtig ist, dass die einschlägigen Auftragsvergaberichtlinien fast übereinstimmend festlegen, dass für die Auftragsvergabe grundsätzlich zwei Kriterien maßgebend sein dürfen. Der öffentliche Auftraggeber darf entweder den Anbieter auswählen, der den niedrigsten Preis anbietet, oder denjenigen Anbieter, der das wirtschaftlich günstigste Angebot abgegeben hat (vgl. Art. 36 der Dienstleistungskoordinierungsrichtlinie RL 92/50/EWG, ABl. EG Nr. 1 209/1; Art. 34 der Baukoordinierungsrichtlinie RL 93/37/EWG, ABl. EG Nr. 1 199/54; Art. 26 der Lieferkoordinierungsrichtlinie RL 93/36/EWG, ABl. EG Nr. 1 199/1).
Der deutsche Gesetzgeber hat sich in § 97 Abs. 5 GWB jedoch zulässigerweise ausdrücklich dafür entschieden, dem Kriterium "wirtschaftlichstes Angebot" den Vorzug vor dem ebenfalls zulässigen Kriterium "niedrigster Preis" zu geben. Das deutsche Recht schließt damit nicht aus, dass die preisliche Beurteilung des Angebots im Rahmen der Prüfung des wirtschaftlich günstigsten Angebots eine maßgebliche Rolle spielt. Der Preis ist nach deutschem Vergaberecht vielmehr zwar regelmäßig das wichtigste, aber eben nicht das allein entscheidende Kriterium (vgl. Boesen, Vergaberecht, § 97 Rdnr. 144) Der Angebotspreis kann daher nur dann für das "wirtschaftlichste Angebot" entscheidend sein, wenn sämtliche anderen Wirtschaftlichkeitskriterien nachvollziehbar erwogen und verglichen worden sind und selbst dann eine Gleichwertigkeit der Angebote besteht und positiv festgestellt worden ist.
Der Antragsgegner hat die von ihm behauptete Gleichwertigkeit der Angebote auch nicht durch seinen schriftsätzlichen und mündlichen Vortrag schlüssig belegt, was allerdings auch einen dem Transparenzgebot des § 97 Abs. 1 GWB genügenden Vergabevermerk nicht entbehrlich machen würde.
Die Vergabeentscheidung ist somit nicht hinreichend nachvollziehbar und verletzt damit die Vorgaben des § 30 Nr. 1 I VOL/A.
Da bereits jeder der o.a. Verstöße eine Vergaberechtswidrigkeit begründet, kann es letztendlich dahingestellt bleiben, ob noch gegen das Nachverhandlungsverbot des § 24 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A verstoßen wurde und das Angebot der Beigeladenen zumindest bei der Wertung gemäß § 25 VOL/A hätte ausgeschlossen werden müssen, weil das Hauptangebot unstreitig in einigen Positionen, insbesondere hinsichtlich der Aufführung in Massivholz, von den Vorgaben in den Verdingungsunterlagen abwich und erst unter Berücksichtigung der Nebenangebote als vollständig von dem Antragsgegner akzeptiert werden konnte. Grundsätzlich ist jedenfalls zu fordern, das ein Hauptangebot den Vorgaben in den Verdingungsunterlagen vollständig zu entsprechen hat und Änderungsvorschläge nur in den Nebenangeboten erfolgen dürfen.
Die Antragstellerin kann sich im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens hingegen nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der bisherige Rahmenvertrag zwischen Ihr und dem Antragsgegner nicht wirksam gekündigt worden sei.
Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens ist ausschließlich ein durch Absendung der Vergabebekanntmachung eingeleitetes Vergabeverfahren, das nicht durch Zuschlagserteilung abgeschlossen worden ist (Vgl. BGH, Urteil v. 19.12.2000, in: NZBau 2001, 49 ff.).
Ein derartiges Vergabeverfahren liegt auf Seiten des Auftraggebers vor. Gegenstand der Nachprüfung ist damit ausschließlich die Vergaberechtskonformität dieses Verfahrens. Hingegen kann nie eine mögliche Verletzung privatrechtlicher Verträge durch ein eingeleitetes Vergabeverfahren Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens sein. Die rechtliche Überprüfung der Wirksamkeit der Kündigung des Rahmenvertrages fällt nicht in den Zuständigkeitsbereich der Vergabekammer, sondern in den Bereich der Zivilgerichte.
Ebenfalls kann sich die Antragstellerin im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nicht auf die Verletzung eines auf sie beim Deutschen Patentamt eingetragenen Geschmacksmusters berufen, da einerseits ausweislich der Urkunde über die Eintragung in das Musterregister des Deutschen Patentamtes die Schutzfähigkeit des Geschmacksmusters durch das Patentamt bei Eintragung nicht geprüft worden ist und andererseits das Vergabenachprüfungsverfahren gem. dem IV. Teil des GWB nicht dazu geeignet ist, die Beseitigung einer Geschmacksmusterverletzung zu erreichen. . Gegenstand eines Vergabenachprüfungsverfahrens kann nach § 107 II, III GWB nur die Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften sein, nicht hingegen die Verletzung marken- oder geschmacksmusterrechtlicher Vorschriften.
Gemäß § 114 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern.
Wegen der unter II.2. festgestellten Verstöße gegen vergaberechtliche Bestimmungen ist es erforderlich, die Ausschreibung durch Beschluss der Vergabekammer aufzuheben, da eine Verpflichtung zur Neuvornahme der Angebotswertung nicht geeignet wäre sämtliche Vergabeverstöße zu beseitigen. Insbesondere ließe sich durch eine Neubewertung nicht der Verstoß gegen § 8 Nr. 1 II VOL/A beseitigen. Ebenfalls ließe sich durch eine Verpflichtung zur Neubewertung nicht der Verstoß gegen das Transparenzgebot mit völliger Sicherheit ausräumen.
Soweit die Antragstellerin hilfsweise beantragt hat, den Antragsgegner im Falle einer Aufhebung des Vergabeverfahrens zu verpflichten, den Auftrag freihändig an die Antragstellerin zu vergeben, war der Antrag als unbegründet zurückzuweisen. Die Verpflichtung eines Auftraggebers durch die Vergabekammer zur Erteilung eines konkreten Zuschlags ist überhaupt nur denkbar, wenn ein Antragsteller zweifelsfrei das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat. Dies ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Erst recht ist nicht ersichtlich, dass hier die Voraussetzungen für eine freihändige Vergabe vorliegen.
III.
Kosten
Die Kostenentscheidung erfolgt nach § 128 GWB. Es wird die Mindestgebühr von DM 5.000,00.- bzw. EUR 2.556,46.- gem.§ 128 II GWB festgesetzt.
Die Auftraggeberin wird aufgefordert, den Betrag von DM 5.000,00.- bzw. EUR 2.556,46 unter Angabe des Kassenzeichens xxx auf folgendes Konto zu überweisen: xxx.