Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 19.03.1996, Az.: 12 U 72/95

Tantiemenforderungen von Vorstandsmitgliedern einer Aktiengesellschaft (AG); Abgrenzung von Masseschulden und bevorrechtigten Konkursforderungen; Entstehungszeitpunkt von vom Gewinn abhängigen Tantiemen; Feststellung von Tantiemenforderungen durch die Hauptversammlung einer Aktiengesellschaft (AG)Anerkennung einer Vergütungsforderung als bevorrechtigte Forderung im Konkursverfahren einer Aktiengesellschaft (AG)

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
19.03.1996
Aktenzeichen
12 U 72/95
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1996, 21395
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1996:0319.12U72.95.0A

Amtlicher Leitsatz

Für die Frage, ob Tantiemeforderungen von Vorstandsmitgliedern einer AG Masseschulden oder bevorrechtigte Konkursforderungen sind, kommt es auf den Entstehungszeitraum, nicht auf die Feststellung durch die HV an

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Anerkennung einer restlichen Vergütungsforderung als bevorrechtigte Forderung im Konkursverfahren der AG.

2

Der Beklagte ist deren Konkursverwalter.

3

Am 24.08.1990 schloss der Kläger mit dem Vorsitzenden des Aufsichtsrats der jetzigen Gemeinschuldnerin einen Dienstvertrag. Er wurde mit Wirkung vom 01.10.1990 bis zum 30.09.1993 zum Mitglied des Vorstands der Gesellschaft bestellt. Der Dienstvertrag wurde für die Dauer der Bestellung des Klägers geschlossen. Mit Ablauf des30.09.1993 schied er aus der Gesellschaft aus. Der Kläger erhielt ab 01.10.1990 ein festes Jahresgehalt von 360.000,00 DM, zahlbarnachträglich in zwölf gleichen monatlichen Raten. Weiter heißt es in § 3 Nr. 2:"Daneben erhält Herr K. eine vom Gewinn abhängige jährliche Tantieme von 24.000,00 DM für jeden Prozentpunkt in der jeweils an die Aktionäre der Gesellschaft ausgeschütteten Dividende.

4

Bis einschließlich des Geschäftsjahres 1993/94 wird Herrn K. eine Tantieme von 160.000,00 DM (in Worten Deutsche Mark: einhundert-sechzigtausend) garantiert.

5

Der Anspruch auf die vom Gewinn abhängige Tantieme entsteht jeweils mit Feststellung des Jahresabschlusses für das vorausgegangene Geschäftsjahr und wird jeweils am Tage nach der entsprechenden Hauptversammlung ausgezahlt.

6

Soweit sich die Tätigkeit von Herr K. nicht über das volle Geschäftsjahr erstreckt, erhält er auch die gewinnabhängige Tantieme pro rata temporis."Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Vertragsurkunde Bezug genommen.

7

Die garantierte Tantieme von 80.000,00 DM für die Zeit vom 1.4. bis 30.09.1993 hat der Kläger infolge der Zahlungsschwierigkeiten der Gemeinschuldnerin nicht mehr erhalten. Das zunächst eingeleitete Vergleichsverfahren ist durch Beschluss vom 22.09.1994 eingestellt und das Anschlusskonkursverfahren über das Vermögen der AG eröffnet worden. Am 04.10.1994 ist dessen Rechtskraft und Wirksamkeit auf den 01.10.1994 0.00 Uhr festgestellt worden. Der Beklagte hat es abgelehnt, diese Forderung des Klägers und eine weitere in erster Instanz verfolgte wegen eines Ruhegehaltsanspruchs als bevorrechtigt in die Konkurstabelle aufzunehmen.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, bei seiner Forderung handele es sich um Gehaltsansprüche als Rückstände für das letzte Jahr vor der Eröffnung des Konkursverfahrens im Sinne von § 61Abs. 1 Nr. 1 KO.

9

Er hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen,1. die Forderung des Klägers in Höhe von 80.000,00 DM gegen die Gemeinschuldnerin zur Konkurstabelle des Amtsgerichts... als bevorrechtigte Forderung im Sinne von § 61 Abs. 1Ziffer 1 a KO anzuerkennen,2. die Forderung des Klägers auf Gewährung eines Ruhegeldes mit einem Jahresbetrag von 25.200,00 DM zur Konkurstabelle des Amtsgerichts ... als bevorrechtigte Forderung im Sinne von § 61 Abs. 1 Ziffer 1d in Verbindung mit § 65 Konkursordnung anzuerkennen,

10

hilfsweise,

diese Forderungen als Konkursforderung anzuerkennen.

11

Der Beklagte hat die Forderungen als gewöhnliche Konkursforderung anerkannt.

12

Die 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts hat in dem am17.11.1995 verkündeten Urteil den Hilfsanträgen stattgegeben und die Klage im übrigen abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die ebenso wie auf den Tatbestand Bezug genommen wird, ist unter anderem ausgeführt: Die Tantiemeforderung sei spätestens am30.09.1993 entstanden und erfülle somit nicht die zeitlichen Eingangsvoraussetzungen des § 61 Abs. 1 KO, weil die Rechtskraft des Eröffnungsbeschlusses erst am 01.10.1994 0.00 Uhr eingetreten sei. Den Hilfsantrag habe der Kläger unverzüglich anerkannt.

13

Gegen diese ihm am 23.11.1995 zugestellte Entscheidung wendet sich der Kläger mit seiner am 22.12.1995 eingelegten und am 22.01.1996begründeten Berufung.

14

Er verfolgt sein Anliegen bezüglich der Ruhegehaltsforderung nichtweiter und vertritt nunmehr die Auffassung, die Tantiemeforderung sei Masseschuld. Aus dem Dienstvertrag folge, dass der Anspruch erst entstehe mit Feststellung des Jahresabschlusses und begrifflich den Jahresgewinn der Gesellschaft voraussetze. Für das Geschäftsjahr 1993/94 habe die AG aber keinen Jahresabschluss mehr aufgestellt. In den Vorjahren sei ihm die Tantieme auch immer erst nach der Hauptversammlung im August des Folgejahres ausgezahlt worden. Deshalb sei seine Forderung erst im August 1994 und damit innerhalb des 6-Monats-Zeitraums des § 59 Abs. 1 KO entstanden und fällig geworden. In der jetzigen Geltendmachung liege keine Klageänderung, hilfsweise bleibe der Hauptantrag erster Instanz aufrechterhalten.

15

Der Kläger beantragt,

1.

  1. a)

    festzustellen, dass ihm ein Masseanspruch in Höhe von80.000,00 DM zusteht,

  2. b)

    den Beklagten zu verurteilen, an ihn die auf seinen festgestellten Masseanspruch entfallende Quote zu bezahlen,

2.

hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, seine Forderung in Höhe von 80.0.000,00 DM gegen die Gemeinschuldnerin zur Konkurstabelle des Amtsgerichts als bevorrechtigte Forderung im Sinne von § 61 Abs. 1 Ziffer 1 a KO anzuerkennen.

16

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

17

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung und weist darauf hin, dass ausweislich einer Veröffentlichung im Niedersächsischen Staatsanzeiger vom 30.10.1995 die Masseunzulänglichkeit, zu der erweitert ausführt, bereits angezeigt worden sei.

18

Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den Inhalt ihrer in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Dem Kläger steht die geltend gemachte Tantiemeforderung weder als Masseschuld gemäß §59 Abs. 1 Nr. 3 a KO noch als Konkursforderung nach § 61 Abs. 1Nr. 1 a KO zu.

20

Soweit der Kläger in der Berufungsinstanz seinen Anspruch gegen den Beklagten erstmals als Masseschuld gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 3 aKO gefordert hat, handelt es sich nicht um eine unzulässige Klageänderung. Zwar kann im Rahmen einer Feststellungsklage nach § 146 KO ein Sachurteil nur über eine Forderung ergehen, die im Konkursverfahren vorschriftsmäßig angemeldet und geprüft und diese dann vom Konkursverwalter bestritten ist, weil die Klage nur auf den Grund gestützt und nur auf den Betrag gerichtet werden kann, der in der Anmeldung angegeben ist (vgl. RGZ 130, 334; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 146 Anm. 20). Da aber ein Masseschuldanspruch nicht zur Tabelle anzumelden, sondern vorab vom Konkursverwalter zu erfüllen ist (vgl.§ 138 KO i. V. m. § 61 Abs. 1 KO), hindert die vom Kläger mit dem Vorrang nach § 61 Nr. 1 a KO vorgenommene Anmeldung seiner Forderung nicht die Verfolgung seines Anspruchs als Masseschuldanspruch (vgl. BGH LM § 146 KO Nr. 14/15).

21

Darin liegt keine Klageänderung, weil der Klagegrund -·offene Tantiemeforderung aus dem Dienstvertrag für die Zeit vom 1.4. bis30.09.1993·- vom Kläger beibehalten und die Klage lediglich erweitert wird (§ 264 Nr. 2 ZPO), so dass es einer Zustimmung des Beklagten nicht bedarf.

22

Die Feststellungsklage ist zulässig. Nachdem der Beklagte die Masseunzulänglichkeit öffentlich bekannt gemacht hat und nicht abzusehen ist, in welchem Umfang gemäß § 60 KO die Masse auf die einzelnen Massegläubiger zu verteilen ist, kommt der Erlass eines Leistungsurteils nicht mehr in Betracht (vgl. OLG Düsseldorf, WM 96,319, 320 m. w. N.). Allerdings kannüber den Betrag der Forderung ohne Rücksicht auf Rang und Quote des § 60 KO durch Feststellungs-urteil entschieden werden.

23

Der Kläger ist anspruchsberechtigt. Nach nunmehr herrschender Meinung sind Arbeitnehmer im Sinne von § 59 Abs. 1 Nr. 3 a KO bzw. §61 Abs. 1 Nr. 1 a KO auch Organmitglieder juristischer Personen, wenn sie an dem Vermögen der Gesellschaft nicht oder nicht wesentlich beteiligt sind, nicht in einem irgendwie gearteten Abhängigkeitsverhältnis zu dieser stehen und keinen beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft ausüben (vgl. Kuhn/Uhlenbruck, a.a.O., § 59Anm. 15 b m. w. N.). Anhaltspunkte für eine derartige Einflussnahme des Klägers auf die AG ergeben sich aus dem Vorbringen der Parteien nicht und sind auch sonst nicht ersichtlich. Die vom Kläger für sich in Anspruch genommene Tantieme gehört darüber hinaus zu den Bezügen aus einem Arbeitsverhältnis, weil sich aus dem Vertragstext ergibt, dass sich die Tantieme als (teilweiser) Gegenwert für die Arbeitsleistung des Klägers darstellt. Eine feste, garantierte Tantieme zu vereinbaren, ist zulässig, auf sie findet lediglich die Berechnungsvorschrift des § 86 Abs. 2 AktG keine Anwendung(Nirk, Handbuch des Aktienrechts, I Anm. 660, 662).

24

Die nach Grund und Höhe unstreitige Forderung des Klägers ist jedoch weder Masseschuld noch eine bevorrechtigte Konkursforderung, weil sie für einen Zeitraum zu zahlen ist, der außerhalb der Zeiträume der§§ 59 Abs. 1 Nr. 3, 61 Abs. 1 Nr. 1 KO liegt. Für die rechtliche Zuordnung kommt es ausschließlich darauf an, für welche Zeit vor der Eröffnung des Konkursverfahrens der Anspruch auf Tantieme rückständig ist. Entscheidend ist dabei nicht der Stichtag der Feststellung der Höhe der Forderung, sondern sind die Zeiträume, in denen die zu vergütenden Dienste geleistet worden sind. Die Anerkennung der Höhe der Vergütung konkretisiert den bereits entstandenen Anspruch lediglich der Höhe nach und löst seine Fälligkeit aus. Anders als in § 61 Abs. 1 Nr. 2 KO kommt es dabei für die Beurteilung des konkursmäßigen Ranges nicht auf die Fälligkeit an (BAG, NJW 81, 77; Kuhn/Uhlenbruck, a.a.O., § 59 Anm. 12 i; § 61Anm. 47 a; Kilger, KO, § 59 Anm. 5 B; Hess, KO, 5. Aufl., § 59,Rdnr. 162 ff.). Eine Masseschuld liegt deshalb dann vor, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung noch innerhalb von sechs Monaten vor Konkurseröffnung erbracht hat, eine bevorrechtigte Konkursforderung, wenn das innerhalb eines Jahres geschehen ist. Beides ist hier nicht gegeben. Zutreffend hat das Landgericht den Zeitpunkt der Eröffnung des Konkursverfahrens auf den 1. Oktober1994, 0.00 Uhr, festgelegt (§§ 80 Abs. 3, 101 Satz 2 VglO). Der für die Zubilligung der Tantieme maßgebende Zeitraum ist der vom01.04.1993 bis zum 30.09.1993. Dieser liegt außerhalb der 6-Monats