Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 20.03.1996, Az.: 2 U 12/96
Grob fahrlässige Herbeiführung eines Einbruchdiebstahls durch Belassen eines Fensters in Kippstellung für elf Stunden während der Abwesenheit der Bewohner
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 20.03.1996
- Aktenzeichen
- 2 U 12/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1996, 21388
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1996:0320.2U12.96.0A
Rechtsgrundlage
- § 61 VGG
Fundstelle
- VersR 1997, 999-1000 (Volltext mit red. LS)
Amtlicher Leitsatz
Grob fahrlässige Herbeiführung eines Einbruchdiebstahls durch Belassen eines Fensters in Kippstellung während elfstündiger - nächtlicher - Abwesenheit der Bewohner.
Gründe
Die Beklagte ist von der Verpflichtung zur Leistung frei; denn die Klägerin und ihr Ehemann haben den Versicherungsfall am 5./06.11.1994 durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt (§ 61 VVG).
Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt gröblich, in hohem Maße, außer acht lässt, wer nicht beachtet, was jedem einleuchten müsste (vgl. Prölss-Martin, VVG, 25. Aufl., § 6 Anm. 12; m.w.N.). Das setzt für die Anwendung des § 61 VGG ein Verhalten des Versicherungsnehmers voraus, von dem er wusste oder wissen musste, dass es geeignet war, den Eintritt des Versicherungsfalls oder die Vergrößerung des Schadens zu fördern. Und zwar muss die Schadenswahrscheinlichkeit offenkundig so groß sein, dass es ohne weiteres nahelag, zur Vermeidung des Versicherungsfalls ein anderes Verhalten als das tatsächlich geübte in Betracht zu ziehen. Außerdem muss der Eintritt des Versicherungsfalls mit einem Aufwand an Kosten und Unbequemlichkeiten zu vermeiden gewesen sein, den eine nicht versicherte Person angesichts der Schadensgefahr normalerweise ohne weiteres in Kauf genommen hätte (vgl. Prölss-Martin, a.a.O., § 61 Anm. 4 B, m.w.N.).
Diese Maßstäbe gebieten die Feststellung einer grob fahrlässigen Herbeiführung des Versicherungsfalls durch die Klägerin und ihren Ehemann in objektiver und subjektiver Hinsicht. Beiden Eheleuten fällt als Versicherungsnehmern objektiv als grobes Fehlverhalten zur Last, dass sie nachts für ca. 11 Stunden das sonst unbewohnte Haus verlassen haben und dabei das Fenster des Abstellraums auf "Kipp" haben stehen lassen. Dieses Verhalten war geeignet, einen Diebstahl zu fördern, da ein derart ungesichertes Fenster einem Dieb wenig Schwierigkeiten zum Eindringen bereitet. Wie unstreitig ist - und sich im Übrigen auch aus der Ermittlungsakte ergibt - ließ sich in dieser Stellung das Fenster ohne weiteres von außen aufhebeln; so ist es auch vorliegend geöffnet worden. Angesichts dieser Möglichkeit war die Schadenswahrscheinlichkeit auch offen- kundig so groß, dass es nahelag, das Fenster zu (ver-)schließen.
Das wäre für die Klägerin und ihren Ehemann zudem ohne Aufwand oder Unbequemlichkeit zu bewerkstelligen gewesen. - Daneben trifft beide Versicherungsnehmer auch in subjektiver Hinsicht ein grober Vorwurf. dass ein nachts über Stunden auf "Kipp" stehendes Fenster einem Dieb Anreiz und Gelegenheit zum Eindringen und Stehlen gibt, muss jedem einleuchten und musste darum auch ohne weiteres der Klägerin und ihrem Ehemann einsichtig sein. Daran ändert sich nichts dadurch, dass das Fenster an der der Straße abgewandten Hausseite lag; denn die Rückseite des Hauses ist ohne Überwindung von Hindernissen zugänglich. Hinzu kommt, dass die Klägerin und ihr Ehemann nachts beide in der Diskothek "L..." tätig waren, sodass einem möglichen Täterkreis ihre Abwesenheit von ihrer Wohnung ohne weiteres erkennbar war. Die Versicherungsnehmer hätten daher die von dem auf "Kipp" stehenden Fenster offenkundig ausgehende Gefährdung vermeiden und dieses vor dem Verlassen des Hauses schließen müssen. Irgendwelche Entschuldigungsgründe sind nicht aufgezeigt.
Da beide Eheleute Versicherungsnehmer sind, ist es unerheblich, ob sich bezüglich des Schließens der Fenster der eine "auf den anderen verlassen" hat. Vielmehr fällt der vorstehend aufgezeigte objektive und subjektive grobe Pflichtverstoß beiden Versicherungsnehmern in gleicher Weise zur Last, ohne dass es auf die Bestimmung des §·9 Nr. 1 a VHB 84 ankommt.