Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 21.02.2008, Az.: 1 B 1/08
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 21.02.2008
- Aktenzeichen
- 1 B 1/08
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 45917
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2008:0221.1B1.08.0A
Rechtsgrundlagen
- 80 V VwGO
- Mikrozensusgesetz 2005
- 7 MZG 2005
- 15 VI BStatG
- 17 BStatG
- 2 I GG
- 3 I GG
Fundstelle
- NVwZ-RR 2008, 746-747 (Volltext mit red. LS)
Gründe
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen eine Haushaltsbefragung mit Auskunftspflichten nach dem Mikrozensusgesetz.
Er wohnt in einem Auswahlbezirk, in dem mittels eines mathematischen Zufallsverfahrens Haushalte in die amtliche Stichprobenerhebung (Mikrozensus), die repräsentativ bei 1 % der Bevölkerung jährlich durchgeführt wird, über einen Zeitraum von 4 aufeinander folgenden Jahren einbezogen sind. Die Auskunftspflicht umfasst eine Reihe von Tatbeständen, die in den Erhebungsvordrucken näher umrissen sind.
Der Antragsteller, der bereits im Jahre 2006 in die Mikrozensuserhebung einbezogen und damals als sog. "Selbstausfüller" mit entsprd. Unterlagen eingestuft war und die erforderlichen Auskünfte ordnungsgemäß erteilt hatte, wurde im Jahre 2007 vom Interviewer der Antragsgegnerin mit einem sog. "Besuchsankündigungsschreiben" nebst Termin angeschrieben, wobei ihm der Gesetzestext des Mikrozensusgesetzes 2005, die EG-Verordnung 577/98 des Rates v. 9.3.1998 (ABl. EG Nr. L 77 S. 3) sowie Kurz- und Ergänzungsinformationen nebst einer "Unterrichtung nach § 17 Bundesstatistikgesetz" übersandt wurden. Durch sein Schreiben vom 30. Oktober 2007 forderte der Antragsteller den Interviewer auf, von "etwaigen weiteren Anfragen abzusehen". Hierauf wurde der Antragsteller durch die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 6. November 2007 nochmals gebeten, einen beigefügten Erhebungsbogen auszufüllen und zurückzusenden. Da der Antragsteller nicht reagierte, wurde er durch den angefochtenen Bescheid des beklagten Landesamtes vom 28. November 2007 aufgefordert, die entsprechenden Auskünfte binnen 2 Wochen zu erteilen; andernfalls werde ein Zwangsgeld von 100,- EUR festgesetzt.
Mit Schreiben vom 12. Dezember 2007 beantragte er hierauf - mit Blick auf § 15 Abs. 6 BStatG (Ausschluss der aufschiebenden Wirkung) - beim Beklagten die Aussetzung der sofortigen Vollziehung, was dieser mit seinem Schreiben vom 9. Januar 2008, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, jedoch ablehnte.
Zur Begründung seines am 29. Dezember 2007 gemeinsam mit der Klage 1 A 1/08 gestellten Rechtsschutzantrages - in der Form der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage - trägt der Antragsteller vor, der Bescheid vom 28. November 2007 verletze ihn in seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG. Denn die Heranziehung verstoße gegen sein informationelles Recht auf Selbstbestimmung und gegen den Gleichheitssatz. Die sofortige Vollziehbarkeit seiner Heranziehung verstoße gegen Art. 19 Abs. 4 GG. Ihm sei es auch nicht - wie gefordert - möglich, Auskünfte über Mitbewohner zu erteilen; hierzu bedürfe es entsprechender Duldungsverfügungen. Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen,
hilfsweise festzustellen, dass der Antragsteller zur Auskunftserteilung über dritte Personen nur ohne deren namentliche Nennung und nur insofern verpflichtet ist, als ihm die über die namentlich nicht zu benennenden Dritten zu erteilenden Auskünfte sicher bekannt sind.
Die Antragsgegnerin tritt dem Antrag entgegen und bezieht sich zur Begründung auf ihre ergangenen Bescheide.
II.
Der zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 28. November 2007 anzuordnen, bleibt ohne Erfolg.
Die Auskunftspflicht des Antragsteller ist gesetzlich geregelt (§§ 7 MZG, 17 BStatG), so dass der diese Pflicht umsetzende Bescheid der Beklagten nicht zu beanstanden ist.
Rechtsgrundlage für das Auskunftsverlangen ist § 7 des Mikrozensusgesetzes - MZG 2005 - vom 24. Juni 2004 (BGBl I 2004, 1350) i.V.m. § 15 BStatG vom 22. Januar 1987 (BGBl I S. 462 mit späteren Änderungen). Danach ist der Antragsteller verpflichtet, die von ihm verlangten Auskünfte dem Niedersächsischen Landesamt für Statistik und Datenverarbeitung zu erteilen. Diese Auskunftspflicht ist verfassungsgemäß: Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Grundsatzentscheidung ( BVerfGE 65, 1/51 ff [BVerfG 15.12.1983 - 1 BvR 209/83] ) festgestellt, dass der Staat, um seinen Aufgaben nachkommen zu können, Informationen über die Bürger benötigt, die er im Wege einer Befragung erheben kann. In dieser Entscheidung ist in Übereinstimmung mit einer früheren, zum MZG ergangenen Entscheidung ( BVerfGE 27, 1/7 [BVerfG 16.07.1969 - 1 BvL 19/63] ) festgestellt, dass bei solchen Befragungen eine Auskunftspflicht des Bürgers im Gesetz vorgesehen werden kann, um eine lückenlose Erfassung der Daten, die der Staat zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt, sicherzustellen. Das Bundesverfassungsgericht hat ferner ins Einzelne gehende Anforderungen dazu aufgestellt, in welcher Weise sicherzustellen sei, dass die Daten des Einzelnen anonymisiert werden, um dadurch den Schutz der Privatsphäre der Befragten zu sichern. § 16 BStatG und § 9 MZG tragen diesen Anforderungen durch die dort vorgeschriebene Trennung und Löschung bestimmter Merkmale über persönliche und sachliche Verhältnisse der Befragten Rechnung. Nach § 1 MZG, §§ 20, 21 BStatG ist die Zusammenführung von Merkmalen, die aufgrund des MZG erhoben wurden, mit Daten aus anderen statistischen Erhebungen zum Zweck der Herstellung eines Personenbezugs außerhalb der statistischen Aufgabenstellung des BStatG ausdrücklich verboten und ein Verstoß dagegen unter Strafe gestellt. Die Verwendung der von den Befragten erhobenen Angaben ist daher den Anforderungen der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entsprechend geregelt.
Der Antragsteller ist durch die ihm überlassenen Unterlagen hinreichend iSv § 17 BStatG unterrichtet worden, u.zw. in einer Form, die vor allem für ihn als Rechtsanwalt durchaus verständlich ist.
Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Befragung. Wie der Antragsgegner bereits in seinem Schreiben vom 9. Januar 2008 ausgeführt hat, ist zwar eine stellvertretende Beantwortung durch ein Haushaltsmitglied aus organisatorischen Gründen vorgesehen, aber nicht etwa im Sinne eines Zwanges, so zu verfahren. Auch die eigenständige Auskunftserteilung für Einzelpersonen ist in Mehrpersonenhaushalten möglich. Deshalb ist der Ehefrau des Antragstellers gesondert ein Heranziehungsbescheid vom 20. Dezember 2007 zugegangen, was den Antragsteller der Pflicht enthebt, für Dritte Angaben machen zu müssen.
Schließlich entspricht die Art der Auskunftserteilung den Anforderungen des § 8 Abs. 1, 2 MZG, da es dem Antragsteller möglich ist, die Fragen schriftlich oder mündlich zu beantworten, wie dies in § 8 Abs. 1 MZG vorgesehen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Streitwertbeschluss:
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 und 2 GKG.