Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 19.03.1998, Az.: V 53/96
Voraussetzungen der Befreiung von der Umsatzsteuer; Steuerpflichtigkeit der Umsätze einer Musiktherapeutin
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 19.03.1998
- Aktenzeichen
- V 53/96
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 18614
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:0319.V53.96.0A
Rechtsgrundlagen
- § 1 Abs. 1 UStG
- § 4 Nr. 14 UStG
Fundstellen
- DStRE 2000, 312-313 (Volltext mit amtl. LS)
- UStB 2000, 129
Verfahrensgegenstand
Umsatzsteuer 1994
Amtlicher Leitsatz
Umsätze einer Musiktherapeutin sind nicht gemäß § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit.
In dem Rechtsstreit
hat der V. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
ohne mündliche Verhandlung in der Sitzung vom 19. März 1998,
an der mitgewirkt haben:
Vizepräsidentin ... des Finanzgerichts ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ...
ehrenamtliche Richterin ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten.
Tatbestand
Die Klägerin erzielt Umsätze aus einer selbständigen Tätigkeit als Musiktherapeutin. Eine entsprechende Diplomprüfung hatte sie nach vierjährigem Studium an der Fachhochschule der Stiftung Rehabilitation in abgeschlossen. Sie besitzt den Hochschulgrad "Diplom-Musiktherapeutin (FH)".
In ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 1994 hatte sie steuerpflichtige Umsätze i.H.v. 6.471,00 DM erklärt. Diese Umsätze stammten aus Tätigkeiten für die Musikschule, als Leiterin der Musiktherapie in der Tagesklinik der Abteilung für Sozialpsychatrie an der Freien Universität und als Musiktherapeutin an der psychosozialen Kontakt- und Beratungsstelle "Treffpunkt". Der Beklagte folgte der Umsatzsteuererklärung und hob mit Bescheid vom 1. Juni 1995 den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Hiergegen richtet sich nach erfolglosem Vorverfahren die Klage. Die Klägerin vertritt die Ansicht, die von ihr ausgeführten Umsätze seien gemäß § 4 Nr. 14 Umsatzsteuergesetz (UStG) von der Umsatzsteuer befreit. Der von ihr ausgeübte Beruf sei mit dem des Arztes oder Heilpraktikers zu vergleichen. Entscheidend sei für die Steuerbefreiung nicht das Bestehen einer berufsrechtlichen Regelung, sondern die Gewährleistung der Qualitätssicherung im Hinblick auf eine medizinische Behandlung. Letztere sei durch die ärztliche Zuweisung und Aufsicht sowie durch die Überwachung seitens der Gesundheitsämter gewährleistet. Unter diesem Gesichtspunkt sei es auch nicht nachzuvollziehen, daß die von ihr, der Klägerin, ausgeübte Tätigkeit vom Beklagten umsatzsteuerrechtlich anders beurteilt werde als die der Psychotherapeuten und Psychagogen.
Die Klägerin beantragt,
die Umsatzsteuer 1994 auf 0 DM herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er vertritt die Auffassung, der von der Klägerin ausgeübte Beruf sei den in § 4 Nr. 14 UStG genannten Katalogberufen nicht vergleichbar. Es fehle insoweit an der erforderlichen Berufszulassungs- und Berufsausübungsregelung. Im übrigen verweist der Beklagte auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid vom 2. Januar 1996.
Im Hinblick auf das Vorbringen der Beteiligten im übrigen wird auf die Steuerakten zu Steuernummer sowie die Gerichtsakten verwiesen.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Zu Recht hat der Beklagte die Umsätze der Klägerin der Umsatzsteuer unterworfen, weil die von ihr ausgeführten Leistungennicht von der Umsatzsteuer befreit sind. Die Tatbestandsvoraussetzungen der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG sind nicht erfüllt. Nach dieser Bestimmung sind die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Zahnarzt, Heilpraktiker, Dentist, Krankengymnast, Hebamme oder aus einer ähnlichen heilberuflichen Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG) steuerfrei. Die Klägerin übt keine ähnliche heilberufliche Tätigkeit in diesem Sinne aus. Der Umstand, daß die Klägerin sich der Behandlung kranker Menschen widmet, reicht insoweit nicht aus. Die Anerkennung der Ähnlichkeit eines Berufes mit anderen Heilberufen setzt neben der Vergleichbarkeit der Tätigkeiten die Erfüllung weiterer Voraussetzungen voraus. Es reicht nicht aus, daß die zu beurteilende Tätigkeit als Ausübung der Heilkunde angesehen werden kann. Erforderlich ist vielmehr, daß ein ähnlicher Beruf in wesentlichen Punkten einem der im Gesetz genannten Heilberufe entsprechen muß. Zu diesen wesentlichen Berufsmerkmalen gehörenu.a. auch die Bedingungen, an die das Gesetz die Ausübung des zu vergleichenden Berufes knüpft. Hierzu gehört bei Heilberufen auch, daß deren Ausübung einer Erlaubnis bedarf (Urteile des BFH vom 21. Juni 1990 V R 97/84, BStBl II 1990, 804, 805; vom 21. September 1989 IV R 117/87, BStBl II 1990, 153, 154; vom 25. März 1977 V R 144/74, BStBl II 1977, 579, 580; vom 7. Juli 1976 I R 218/74, BStBl II 1976, 621). Andere, im Gesetz nicht genannte Heilberufe können daher erst in den Genuß der Umsatzsteuerbefreiung kommen, wenn der Gesetzgeber sie entweder in den Katalog des § 4 Nr. 14 UStG aufnimmt oder ihnen durch eine Berufsregelung die Ähnlichkeit mit den Katalogberufen verleiht (Urteil des BFH vom 21. Juni 1990 V R 97/84, BStBl II 1990, 804, 805).
Es bestehen für den Beruf des Musiktherapeuten keine berufsrechtlichen Regelungen, die den für die Katalogberufe ergangenen Gesetzen ähnlich wären (vgl. hierzu Bundesärzteordnung vom 2. Oktober 1961, BGBl I 1961, 1857; Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde vom 31. März 1952, BGBl I 1952, 221; Heilpraktikergesetz vom 17. Februar 1939, RGBl I 1939, 251; Gesetz über die Ausübung des Berufes des Krankengymnasten vom 21. Dezember 1958, BGBl I 1958, 985; Hebammengesetz vom 21. Dezember 1938, RGBl I 1938, 1893). Die Zulassung und Überwachung durch die Gesundheitsämter kann die erforderliche gesetzliche Regelung nicht ersetzen. Der Senat hält an diesem Erfordernis fest, weil § 4 Nr. 14 UStG nicht jede heilberufliche Tätigkeit schlechthin begünstigen soll. Begünstigt werden sollen vielmehr nur Heilberufe, bei denen im Interesse der Patienten die Qualität durch gesetzliche Regelungen über den Berufszugang und die Berufsausübung sichergestellt ist.
Der von der Klägerin angestellte Vergleich mit den Berufen des Psychotherapeuten und des Psychagogen führt zu keinem anderen Ergebnis. Abgesehen davon, daß es keinen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht gibt, fehlt es insoweit an der von der Klägerin behaupteten gesetzlichen Ungleichbehandlung. Die Verwaltungsanweisung in Abschnitt 90 Abs. 3 Umsatzsteuer-Richtlinien (UStR) steht im Widerspruch zu den Tatbestandsmerkmalen des § 4 Nr. 14 UStG in Gestalt der Auslegung durch die o.g. Rechtsprechung (Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 20. Juni 1996 V 181/95 nv; Bunjes/Geist, UStG, 5. Aufl., § 4 Nr. 14 Anm. 5 A "Psychotherapeuten"). Abschnitt 90 Abs. 3 UStR hat weder für die Gerichte bindenden Charakter noch führt die Regelung zu einer Selbstbindung der Verwaltung, weil es sich um eine gesetzesauslegende Verwaltungsanordnung handelt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).