Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.03.1998, Az.: VII 533/97
Abzugsfähigkeit der Selbstnutzungskosten einer Ferienwohnung; Verfügbarkeit der Ferienwohnung als Teil der Selbstnutzung; Werbungskostenkürzung wegen Selbstnutzung aufgrund von Leerstandszeiten; Verhältnis zwischen tatsächlicher Vermietung und durchschnittlicher Vermietungszeit (Saison)
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 03.03.1998
- Aktenzeichen
- VII 533/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 15951
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:0303.VII533.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 EStG
- § 12 Nr. 1 EStG
- § 21 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG
Fundstelle
- NWB 1999, 972
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Kosten, die durch die Selbstnutzung einer Ferienwohnung ausgelöst werden, sind als Ausgaben der privaten Lebensführung nicht abzugsfähig.
- 2.
Zur Selbstnutzung gehören auch Zeiten der bloßen Verfügbarkeit der Ferienwohnung.
- 3.
Bei einer Ferienwohnung sind die als Werbungskosten abzugsfähigen Aufwendungen grds. im Verhältnis der tatsächlichen Vermietungszeit zur durchschnittlichen Vermietungszeit (Saisonzeiten) zu ermitteln.
Tenor:
Unter Abänderung des Einspruchsbescheids vom 1. September 1997 sowie des Einkommensteuerbescheides 1991 vom 21. Juni 1995 wird die Einkommensteuer von 46.242,00 DM auf 44.942,00 DM herabgesetzt.
Die Kosten des Rechtsstreits hat das beklagte Finanzamt zu 35 v.H. und die Kläger zu 65 v.H. zu tragen.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Das beklagte Finanzamt darf die Zwangsvollstreckung der Kläger wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten abwenden, sofern nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
Streitig ist die Berechnung der Einkünfte aus der Vermietung einer Ferienwohnung auf der Nordseeinsel....
Die Kläger (Kl.) sind Eheleute, Eltern von sieben Kindern sowie u.a. Eigentümer einer Ferienwohnung. Mit Bescheid vom 8. November 1993 veranlagte das beklagte Finanzamt (FA) die Kl. erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zur Einkommensteuer 1991. Danach betrugen die Einnahmen aus der Vermietung der Ferienwohnung für das Streitjahr 9.710,00 DM, die Ausgaben 14.323,00 DM und entsprechend der Verlust 4.613,00 DM. Im Anschluß an eine Außenprüfung änderte das beklagte FA unter Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung den Einkommensteuerbescheid 1991: Bei den Vermietungseinkünften aus der Ferienwohnung wurden die Werbungskosten um 1/3 gekürzt, da - nach Ansicht des beklagten FA - keine ausschließliche Vermietungsabsicht, keine klare Übersicht über die Vermietungseinnahmen sowie eine tatsächliche Vermietungsdauer von lediglich etwa 100 Tagen bestanden habe.
In dem erfolglosen Einspruchsverfahren legten die Kl. Unterlagen (Kalenderblätter, Einspruchsakte Blätter 18, 19) vor, aus denen sich 137 Fremdnutztage, zuzüglich 12 Tage zur unentgeltlichenÜberlassung an einen Arbeitnehmer, zuzüglich 13 stornierte Vermietungstage, ergeben. Mit dem Einspruchsbescheid verböserte das beklagte FA die Steuerfestsetzung. Danach wurden die geltend gemachten Werbungskosten um rund 2/3 gekürzt. Ausgehend von den Angaben der Kl. zu den Fremdnutzungszeiten erkannte das beklagte FA nunmehr die Werbungskosten nur noch in Höhe von 137/365, entsprechend der tatsächlichen Vermietungstage im Vergleich zu den Kalendertagen, an.
Das Vorbringen der Kl. mit ihrer Klage läßt sich wie folgt zusammenfassen: Die Ferienwohnung sei tatsächlich von den Kl. nur selten genutzt worden. Bezüglich der Überlassung der Ferienwohnung an einen Arbeitnehmer sei im Vorverfahren auf eine Erhöhung der Einnahmen von 780,00 DM hingewirkt worden. Stornierte Vermietungszeiten (13 Tage) seien zu berücksichtigen. Nicht nur an Bekannte, sondern auch an wirklich Fremde sei vermietet worden. Die nachhaltige Vermietungsabsicht ergebe sich auch daraus, daß die Vermietungseinnahmen der Folgejahre, in denen die Wohnung bis zu 162 Tagen pro Jahr vermietet wurde, gestiegen seien. Im übrigen sei Textziffer 2.2.2. des Erlasses des Bundesministeriums der Finanzen vom 4. Mai 1994 (BStBl I 1994, 285) einschlägig, mithin die Leerstandszeiten nicht der Selbstnutzung zuzuordnen.
Die Kl. beantragen (sinngemäß),
die Einkommensteuer unter Abänderung des Einspruchsbescheids vom 1. September 1997 sowie des Einkommensteuerbescheids 1991 vom 21. Juni 1995 auf 42.432,00 DM herabzusetzen und damit die erklärten Werbungskosten bezüglich der Vermietung der Ferienwohnung vollumfänglich zu berücksichtigen.
Das beklagte FA beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es bleibt bei seiner Ansicht, daß - insgesamt gesehen - lediglich eine bedingte Vermietungsabsicht bestanden habe. Bezogen auf die Leerstandszeiten sei keine Vermietungsabsicht gegeben. Denn zum einen wäre die (begrenzte) Vermietung zumeist an Freunde und Bekannte der Familie erfolgt. Zum anderen würden nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs die Leerstandszeiten schon dann als Zeiten der Selbstnutzung angesehen, wenn allein die Möglichkeit der Selbstnutzung gegeben sei. Der Erlaß des Bundesministeriums der Finanzen vom 4. Mai 1994 finde schon wegen der unentgeltlichen Überlassung an einen Arbeitnehmer keine Anwendung. Imübrigen passe die zitierte Verwaltungsregelung auch deshalb nicht, weil für die Nordseeküste und die Nordseeinseln die durchschnittliche Vermietungszeit einer Ferienwohnung bei etwa 170 bis 200 Tagen pro Jahr liege. Aus den genannten Gründen sei die Kürzung der Werbungskosten um etwa 2/3 gerechtfertigt.
Wegen des Ergebnisses der Befragung der Kl. wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Gründe
Die Klage hat teilweise Erfolg. Der Anteil der abzugsfähigen Aufwendungen ist höher als vom beklagten FA angenommen.
Die Kl. erzielen aus der Vermietung einer Ferienwohnung Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nach §§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6,21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Von den Vermietungseinnahmen sind Werbungskosten, nämlich die Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen, abzuziehen (vgl. § 9 Abs. 1 Sätze 1 und 2 EStG). Dagegen sind Kosten, die durch die Selbstnutzung der Ferienwohnung ausgelöst sind, als Ausgaben der Lebensführung nicht abzugsfähig (vgl. § 12 Nr. 1 EStG).
Zur Selbstnutzung gehören auch Zeiten der bloßen Verfügbarkeit der Wohnung (vgl. BFH BFHE 180, 18 [BFH 12.09.1995 - IX R 117/92], BStBl. II 1996, 355 m.w.N.). Soweit Aufwendungen nicht ausschließlich der Vermietung zuzurechnen sind, sind sie - notfalls im Wege der Schätzung (vgl.§ 162 Abgabenordnung) - aufzuteilen. Die Schätzung muß sachgerecht sein und sich am Prinzip wirtschaftlicher Veranlassung orientieren. Eine derartige Schätzung hat zu berücksichtigen, daß bestimmte Aufwendungen entscheidend durch die tatsächliche Nutzung der Ferienwohnung entstehen, während andere, etwa der Finanzierungsaufwand unabhängig von der Nutzung anfallen. Dieses Veranlassungsprinzip ist auch dann zu berücksichtigen, wenn die Kostenaufteilung nach zeitlichen Kriterien erfolgt. Hieraus folgt, daß die als Werbungskosten abzugsfähigen nutzungsabhängigen Aufwendungen im Verhältnis der Vermietungszeit zur durchschnittlichen Vermietungszeit am Belegenheitsort der Wohnung (Saison) zu ermitteln sind. Denn eine typisierende Betrachtungsweise, die sog. Leerstandszeiten einer Ferienwohnung vorrangig dem einkommensteuerlich nicht relevanten Bereich zurechnet, darf das Typische einer Ferienwohnung, nämlich die auf einen Teil des Jahres beschränkte Nutzungswahrscheinlichkeit, nicht vernachlässigen (i.d.S. BVerfG HFR 1995, 749, 750 vorletzter Absatz - zur Zweitwohnungsteuer). Anders gewendet: Wenn die Finanzverwaltung in einer bestimmten Region von einer durchschnittlichen Vermietungszeit für eine Ferienwohnung ausgeht, und beim Erreichen bzw.Überschreiten dieser Vermietungszeit eine Werbungskostenkürzung wegen Selbstnutzung aufgrund von Leerstandszeiten zu Recht nicht vornimmt, dann muß die Behörde im Hinblick auf die Berechnung der Werbungskostenkappung bei der selben Ausgangsgröße, nämlich durchschnittliche Vermietungszeit für eine Ferienwohnung, bleiben und nicht die Zahl der Kalendertage als Berechnungsgrundlage einführen und damit eine während des ganzen Jahres bestehende Vermietbarkeit der Ferienwohnung annehmen. Eine solche Annahme verbietet sich auch deshalb, weil unter einer Ferienwohnung eine Wohnung verstanden wird, die baurechtlich nicht ganzjährig bewohnt werden darf oder sich aufgrund der Bauweise nicht zum dauernden Bewohnen eignet (vgl. BFH BStBl. II 1990, 815 zu § 10 e EStG).
Für den Streitfall bedeutet dies: Grundsätzlich sind 137/170 der geltend gemachten Werbungskosten als abzugsfähige Werbungskosten anzuerkennen. Dabei ist der Senat, in Anlehnung an die Ausführungen des beklagten FA, von einer durchschnittlichen Vermietbarkeit der Ferienwohnung auf...von 170 Tagen pro Jahr ausgegangen. Da die Kl. lediglich an 137 Tagen die Wohnung vermietet hatten, stand sie ihnen die restliche Zeit (u.a. 33 Saisontage) zur privaten Nutzung zur Verfügung. Lediglich die Schuldzinsen, die die Kl. saisonunabhängig zu leisten haben, sind auf das gesamte Kalenderjahr zu verteilen; entsprechend sind insoweit nur 137/365 der geltend gemachten Schuldzinsen abzugsfähig.
Demgegenüber konnte der Senat dem Klägervortrag, die Ferienwohnung habe ausschließlich Vermietungszwecken zur Verfügung gestanden, schon deshalb nicht folgen, weil nach eigenen Angaben der Kl. im Streitjahr die Wohnung an mindestens 12 Tagen unentgeltlich überlassen worden ist. Daß später angestrebt wurde, die Einnahmen nachträglich zu erhöhen, kann an dem im Streitjahr verwirklichten Lebenssachverhalt nichts ändern. Des weiteren sind stornierte Vermietungszeiten keine Vermietungszeiten. Daneben geht der Senat mit Blick auf die große Familie der Kl. davon aus, daß die Ferienwohnung gelegentlich der Selbstnutzung diente, wenn auch nicht in dem vom beklagten FA dargestellten Maße. Ob der von den Kl. benannte Erlaß des Bundesministeriums der Finanzen einschlägig ist oder nicht, kann hier dahinstehen, da der Senat an Verwaltungsregelungen nicht gebunden ist.
Im Rahmen seiner Schätzungsbefugnis (vgl. Seer, in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, 16. Auflage, Loseblatt, § 162 Tz. 87, Stand: 1998) hat der Senat die Einkommensteuer wie folgt berechnet und herabgesetzt:
Einnahmen (unverändert) | 9.710,00 DM |
---|---|
abzüglich 137/365 der geltend gemachten Schuldzinsen in Höhe von 7.449,00 DM | 2.796,00 DM |
abzüglich 137/170 der geltend gemachtenübrigen Werbungskosten in Höhe von 6.874,00 DM | 5.540,00 DM |
Überschuß (geltend gemachter Verlust 4.613,00 DM; bisher angesetzter Überschuß 4.333,00 DM) | 1.374,00 DM |
Danach verringert sich das zu versteuernde Einkommen von 175.411,00 DM um 2.959,00 DM auf 172.452,00 DM, entsprechend die festzusetzende Einkommensteuer von 46.242,00 DM auf 44.942,00 DM.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat ist dabei von folgenden Beträgen ausgegangen:
Steuer laut angefochtenem Bescheid | DM | 46.242 |
---|---|---|
Steuer laut Klageantrag | DM | 42.432 |
Streitwert | DM | 3.810 |
Steuer laut neuer Festsetzung | DM | 44.942 |
Kläger obsiegen mit | DM | 1.300 = 35 v.H |
Kläger unterliegen mit | DM | 2.510 = 65 v.H. |
Die Entscheidung über die Zuziehung eines Bevollmächtigten beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit den§§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozeßordnung.