Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 21.01.1997, Az.: 5 U 144/96

Zulässigkeit der Darlehnsaufstockung bei Absicherung durch künftige Lohnansprüche; Begehren der Freigabe einer abgetretenen Lohnforderung; Vorgehen des Klägers aus einem immer noch wirksamen Pfändungsbeschluss und Überweisungsbeschluss; Beziehen einer Lohnvorausabtretung auf Kontokorrentkredite oder sonstige variable Kreditabhebungen; Vorausabtretung künftiger Lohnansprüche bei Verträgen mit variablem Kreditrahmen

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
21.01.1997
Aktenzeichen
5 U 144/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 21735
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1997:0121.5U144.96.0A

Fundstellen

  • BB 1997, 1175-1176 (Volltext mit amtl. LS)
  • WM 1997, 1383-1385 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Zulässigkeit der Darlehnsaufstockung bei Absicherung durch Voraussetzung künftiger Lohnansprüche.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt Freigabe einer der Beklagten abgetretenen Lohnforderung.

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Aus dem Konkurs des früher selbstständigen Viehkaufmanns ..., heute bei der Firma angestellt, erwarb der Kläger zur Konkurstabelle titulierte Forderungen in Höhe von über 50.000,-- DM und pfändete insoweit dessen Gehaltsforderungen gegen die ... (Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse vom 21.10. und 01.12.1992 -. Die Arbeitgeberin verweigerte unter Hinweis auf vorrangige Lohnabtretungen an die Beklagte jede Zahlung. Durch zwei Formularerklärungen vom 28.02.1991 in Verbindung mit der Zweckerklärung vom 21.06.1991 hatte ... den pfändbaren Teil seiner Lohn- und Gehaltsforderungen - begrenzt auf monatlich 3.400,-- DM und 1.500,-- DM - zur Sicherung sämtlicher Forderungen gegen ihn selbst und seine Ehefrau aus der Geschäftsbeziehung mit der Beklagten abgetreten. Ziffer 5 dieser Erklärungen verpflichtet die Bank, nach ihrer Wahl Sicherheiten auf Verlangen des Sicherungsgebers freizugeben, soweit deren Wert die Deckungsgrenze nicht nur vorübergehend übersteigt.

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Nach Offenlegung dieser Abtretungen mit Schreiben vom 30.07.1991 zahlte die ... der Beklagten bis heute etwa 200.000,-- DM. Aus dem Verkauf eines Hausgrundstückes in ... , das über entsprechende Grundschulden die Verbindlichkeiten der Eheleute ... absicherte, erhielt die Beklagte am 31.03.1994 276.839,83 DM, wodurch die Schulden des Ehemannes getilgt wurden. Während der bis heute andauernden Geschäftsbeziehungen stockte die Beklagte die den Eheleuten gewährten Kredite mehrfach auf.

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Das Landgericht hat nach Vernehmung von Zeugen zu der Kreditentwicklung und den Zahlungen der die Klage abgewiesen, weil die Beklagte wegen ihrer Ansprüche aus dem Bankgeschäft weiterhin vorrangige Gläubigerin aus den Lohnabtretungen und ein sittenwidriges Verhalten gegenüber anderen Gläubigern nicht festzustellen sei.

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Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

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Auf die von der Beklagten erstmals in der Berufungsinstanz bezweifelte Wirksamkeit des Forderungserwerbs des Klägers kommt es nicht an. Der Senat war nicht gehalten, dem nachzugehen. Abgesehen davon, dass der Kläger aus einem immer noch wirksamen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vorgeht und damit sein Freigabebegehren stützt, sind die Gehaltsabtretungen an die Beklagte nach wie vor wirksam und damit auf jeden Fall etwaigen Ansprüchen des Klägers vorrangig.

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Die Abtretungs- und Sicherungszweckerklärungen sind aus sich heraus verständlich und bezeichnen Umfang und Zweck der Sicherstellung hinreichend deutlich. Die fehlende zeitliche Begrenzung und der Bezug auf alle gegenwärtigen und künftigen Forderungen aus den gesamten Geschäftsbeziehungen sind zulässig und verstoßen insbesondere nicht gegen die Gebote der Klarheit und Übersichtlichkeit.

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Der Kläger scheint der unzutreffenden Ansicht zu sein - worauf auch der Hinweis auf die Entscheidung des BGH WM 1989, 1086 ff hindeutet -, die Abtretung künftiger Forderungen wie die der Gehaltsabtretung müsse sich wie beispielsweise bei einem Anschaffungsratenkredit stets auf einen genauen Kreditbetrag beziehen,

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der durch Tilgungsleistungen kontinuierlich zu vermindern ist. Eine Lohnvorausabtretung kann sich aber - wie hier - genauso auf Kontokorrentkredite oder sonstige variable Kreditabhebungen beziehen und gilt dann für alle Kredite, die im vereinbarten Rahmen abgehoben werden (vgl. BGH WM 1976, 151 ff.; Reifner, Handbuch des Kreditrechts, 1991, § 48 Rdnr. 9).

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Auf Grund der vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme steht fest, dass die Beklagte per 28. Juli 1991 Darlehensforderungen gegen die Eheleute jedenfalls in Höhe von über 350.000,-- DM hatte, wobei der Schwerpunkt auf den Konten mit den Endziffern 261 (146.365,-- DM) und 262 (188.259,-- DM ) lag. Das wird auch von dem Kläger nicht mehr ernsthaft angegriffen. Dem standen insgesamt Sicherheiten lediglich durch 4 Grundschulden à 50.000,-- DM an dem später verwerteten Hausgrundstück und durch die Sicherheiten an dem Mietobjekt gegenüber. Letztere sind in ihrer Werthaltigkeit völlig offen und geben keine erkennbare die gesamte Darlehenshöhe abdeckende Sicherheit, da die Vereinbarung lediglich eine "erstrangige Sicherstellung an dem Mietobjekt in ... (möglicherweise Abtretung der derzeit erstrangig für die eingetragene Grundschuld über 111.000,-- DM)" und eine "Abtretung der Gewähransprüche aus Grundschulden über 35.200,-- DM + 8.700,-- DM nach Vorlasten über 111.000,-- DM, derzeitige Darlehensvaluta bei ca. 6.000,-- DM" vorsieht. Einer sachverständigen Begutachtung ist dies nicht zugänglich. Angesichts dieses Kreditengagements der Beklagten, der nur teilweise grundpfandrechtlichen Absicherung und der bestehenden monatlichen Zins- und Tilgungslasten kann von einer Übersicherung der Beklagten bei den Lohn- und Gehaltsabtretungen nicht gesprochen werden. Bei den offenkundigen Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Eheleute kann mit der Berufungserwiderung festgestellt werden, dass diese Verbindlichkeiten ohne die Abtretungen nicht bedient worden wären.

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Dass der 1991 vorgesehene Abschluss eines Darlehensvertrages in Höhe von 230.000,-- DM, für die die Abtretungserklärungen vom 28.02.1991 zunächst bestimmt waren, nicht zustande gekommen ist, vermag die Wirksamkeit der Sicherungsabtretungen einschließlich der Zweckerklärung vom 21.06.1991 nicht in Frage zu stellen. Entscheidend ist, dass bei der Vornahme dieser Rechtshandlungen ein entsprechendes Sicherungsbedürfnis bestand, was - wie ausgeführt der Fall war. Damit entfällt auch die Grundlage für die vom Kläger erklärte Gläubigeranfechtung. Aus dem gleichen Grunde trifft auch der von ihm erhobene Vorwurf sittenwidriger Geschäftsabschlüsse nicht zu.

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Die Abtretungen sind auch nicht infolge Tilgung gegenstandslos und damit vom Abtretenden zurückforderbar geworden, da nach wie vor ein Schuldsaldo von über 100.000,-- DM besteht und etwaige Freigabeverlangen des Sicherungsgebers an die Beklagte nicht herangetragen worden sind.

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Auch die letztlich entscheidende Frage, ob die Beklagte die Darlehen der Eheleute wieder aufstocken durfte und darf, vermag den Vorwurf sittenwidriger Gläubigergefährdung nicht zu untermauern. Im Gegensatz zu Kreditverträgen mit fester Laufzeit und Schuld begegnet die Vorausabtretung künftiger Lohnansprüche bei Verträgen mit variablem Kreditrahmen nicht dem Vorwurf der übermäßigen, die Belange sonstiger Gläubiger missachtender Sicherung, wenn ein Arbeitnehmer dieses Kreditsicherungsmittel, das oftmals seine einzige Möglichkeit ist, sich vom Stempel der völligen Kreditunwürdigkeit zu befreien, einer Bank in einem sachlich begrenzten Umfang aber zeitlich unbefristet zur Verfügung stellt (vgl. BGH a.a.O.; zustimmend BGH NJW 1989, 2383; OLG Nürnberg, NJW 1988, 122; Reifner a.a.O.). Das ist mit der Gehaltsabtretung offensichtlich geschehen. Die Höhe der Abtretung, der umfassende Sicherungsrahmen bezüglich aller Forderungen aus den Geschäftsbeziehungen mit der Beklagten sowie der insoweit unbefristete zeitliche Rahmen nach dem gegebenen Sicherungsbedürfnis mit entsprechenden Freigabeansprüchen des Sicherungsgebers erfüllen diese Voraussetzungen.

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Bis zur Abwicklung der gesamten Geschäftsverbindung, die hier wie gezeigt - keineswegs erfolgt ist, ist der Kunde an seine Geschäftsbank gebunden. Eine Grundlage, der kreditgebenden Bank diese banküblichen Geschäfte zu untersagen, ist - worauf das Landgericht völlig zu Recht hinweist - nicht ersichtlich. Worauf andere Gläubiger, die ihre Forderungen später oder früher begründet haben mögen, einen Anspruch auf Abbruch dieser Geschäfte glauben stützen zu können, und zwar zu ihren Gunsten, bleibt offen. Sie haben wenigstens die Möglichkeit, den Anspruch des Schuldners auf Rückabtretung der sicherungshalber gegebenen Forderung zu pfänden und sich zur Einziehung überweisen zu lassen (BGH a.a.O. S. 152).

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Mehr Einfluss auf die Vertragsbeziehungen zwischensicherungsgebenden Schuldnern und den Gläubigerbanken haben sie hingegen nicht.

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Solange deren Sicherungsbedürfnis - wie hier - aus ihren Geschäftsbeziehungen fortbesteht, müssen sich (zeitlich) nachrangige Gläubiger wie bei allen anderen Sicherungsmitteln gedulden und sich mit ihrem Rang zufrieden geben. Soweit die gesetzlichen Gläubigerschutzrechte wie insbesondere gemäß §§ 138, 826 BGB und den Regeln des Anfechtungsgesetzes nicht eingreifen, hat der Arbeitnehmer die Möglichkeit, sein oftmals einziges Kreditsicherungsmittel - seine Arbeitskraft - auch zur Kreditziehung zu nutzen.

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