Oberlandesgericht Oldenburg
Urt. v. 21.01.1997, Az.: 5 U 120/96

Umfang der Beratungspflichten einer Bank bei Kauforder von spekulativen Optionsscheinen; Schadensersatzanspruch des Klägers wegen eines von der Beklagten ausgeführten für ihn mit Verlust ausgegangenen Wertpapiergeschäftes; Schuldhafte Pflichtverletzung im Zusammenhang mit einer unzureichenden Beachtung der Klägerinteressen bezüglich der Endfälligkeit von Optionsscheinen

Bibliographie

Gericht
OLG Oldenburg
Datum
21.01.1997
Aktenzeichen
5 U 120/96
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1997, 21730
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGOL:1997:0121.5U120.96.0A

Fundstelle

  • BB 1997, 1275-1276 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Umfang der Beratungspflichten einer Bank bei Kauforder von spekulativen Optionsscheinen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen eines von der Beklagten ausgeführten für ihn mit Verlust ausgegangenen Wertpapiergeschäftes.

2

Am 16.10.1995 orderte der Kläger, der seit mehreren Jahren Kunde auch im Wertpapierhandel bei der Beklagten war, über seine Ehefrau fernmündlich Optionsscheine der Wertpapier zum Gegenwert von ca. 3.000,-- DM. Auf der Basis des Vortagskurses bestellte die Beklagte 55.000 Stück. Bei einem Kurs von 0,25 DM betrug die Endabrechnung 13.903,50 DM. Das Endfälligkeitsdatum der Papiere war 18.12.1995 und nicht 18.12.1996, wovon beide Parteien auf Grund der Angaben in der Börsenzeitung ausgegangen waren. Bei Mitteilung der Auftragsausführung beanstandete der Kläger diesen Wertpapiererwerb nicht.

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Der Kläger hat behauptet, seine Ehefrau habe bei dem Ordergespräch - von dem Zeugen bestätigt- den Erwerb der Optionsscheine von der Endfälligkeit 1996 abhängig gemacht. Die Optionsscheine seien bei Laufzeitende wertlos gewesen.

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Die Beklagte hat eine Absprache über die Fälligkeit bestritten und behauptet, lediglich die exakten Anweisungen unter Angabe der Wertpapierkennnummer ausgeführt zu haben.

5

Das Landgericht hat nach Vernehmung der Ehefrau des Klägers und des Zeugen die auf Zahlung von 13.903,50 DM gerichtete Klage abgewiesen, da ein schuldhaftes Verhalten der Beklagten nicht festzustellen sei, sie sich insbesondere auf die Fälligkeitsangaben in der Börsenzeitung habe verlassen dürfen.

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Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren insgesamt weiter.

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In Ergänzung seines erstinstanzlichen Vorbringens rügt er insbesondere, dass er über die Risiken nicht entsprechend den seit 1.1.1995 geltenden gesetzlichen Vorgaben gemäß § 31 Abs. 2 WpHG aufgeklärt worden sei. Vor allem wirft er der Beklagten vor, sie habe den Auftrag nicht unlimitiert, ohne den Börsenbeginn abzuwarten und die aktuellen Kurse zu ermitteln, ausführen dürfen.

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Als erst 1990 aus Russland gekommener Arbeiter bei der Post verfüge er zudem auch für die Beklagte erkennbar nur über mangelhafte Sprachkenntnisse. Seine offensichtlich kenntnislose Ehefrau habe dem Wertpapierspezialisten nur das durchgegeben, was er ihr aufgeschrieben habe.

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Die Beklagte rügt das Berufungsvorbringen als verspätet und behauptet, der Kläger sei ausweislich der früher bereits unterschriebenen Erklärungen zu § 31 WpHG und Börsentermingeschäften umfassend über die Anlagerisiken aufgeklärt worden. Bereits in der Vergangenheit habe er hochspekulative Aufträge erteilt. Die Ehefrau sei bei der Order ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass sich eine Limitierung empfehle.

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Entscheidungsgründe

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Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

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Die vom Landgericht zu Recht verneinte Ersatzpflicht der Beklagten wegen schuldhafter Pflichtverletzung im Zusammenhang mit einer unzureichenden Beachtung der Klägerinteressen bezüglich der Endfälligkeit der Optionsscheine wird von der Berufung nicht ausdrücklich wieder aufgegriffen. Insoweit ist auch im Übrigen nichts zu erinnern. Die Verwendung des Informationsdienstes der Börsenzeitung, der sich auch der Kläger bedient hat, ist nicht zu beanstanden. Weitere Nachprüfungspflichten trafen die Beklagten ohne jeglichen Anhalt für eine evtl. Unrichtigkeit nicht.

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Aber auch hinsichtlich der von der Berufung in den Vordergrund gestellten Haftung wegen fehlerhafter anlagegerechter Beratung ergibt sich keine Einstandspflicht der Beklagten. Sicherlich war sie aus der (lang andauernden) Anlagebeziehung verpflichtet, entsprechend den Grundsätzen des WpHG den ihr gegenüber bestehenden Beratungs- und Aufklärungspflichten nachzukommen (vgl. OLG Braunschweig, ZIP 1996, 1242). Dem hat sie jedoch genügt.

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Verspätet ist dieses Vorbringen allerdings nicht, da es nur einen zusätzlichen rechtlichen Aspekt bei dem bereits erstinstanzlich erörterten Beratungspflichtenkreis anspricht.

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Die Beklagte hat indes ausweislich der von ihr vorgelegten, vom Kläger sowie seiner Frau nach einem - wenn auch kurzem erläuternden Gespräch , wie er selbst einräumt, unterschriebenen Dokumentation der Beratung vom 11.8.1995 hinreichend über die Risiken auch des hier zu beurteilenden Wertpapiergeschäftes unterrichtet. Zusätzlich hat der Beklagte zuvor am 6.12.1993 und 6.12.1994 die Informationen über die Verlustrisiken bei Börsentermingeschäften schriftlich bestätigt. Zu einer weiter gehenden Unterrichtung war die Beklagte allgemein auch nach den Maßstäben des WpHG nicht verpflichtet.

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In Bezug auf das konkret in Rede stehende Wertpapiergeschäft hat die Beklagte ihre Pflichtenstellung ebenfalls ausreichend beachtet. Der Kläger hat unwidersprochen zuvor schon nicht gerade risikoarme, spekulative Order gegeben und vollzogen. Wie die Zeugenvernehmung bestätigt, hat er über seine Ehefrau der Beklagten einen genauen Kaufauftrag über bestimmte nach der Kennnummer bezeichnete Optionsscheine gegeben. Die Ehefrau des Klägers hat insoweit ausdrücklich versichert, dass ihr Ehemann diese Papiere unbedingt erwerben wollte. Insofern genügt der Anlageberater der Beklagten seinen Beratungsaufgaben, wenn er ihr gegenüber auf seine -tatsächlich auch zutreffende - Ansicht hinwies, dass ihm eine Limitierung geboten erscheine. Soweit sie dem nach der klaren auf einem Zettel schriftlich vorgegebenen Anweisung ihres Ehemannes keine weitere Beachtung schenkte, kann das der Bank nicht angelastet werden. Sie hatte keinen erkennbaren Anhalt, der es rechtfertigen könnte, den Kaufauftrag so wie ihr eröffnet, nicht ausführen zu dürfen. Soweit die Ehefrau des Klägers selbst nicht über ausreichende Kenntnisse der Risiken verfügt haben sollte, ist das allein dem Kläger zuzurechnen, der diesen Weg der Auftragserteilung gewählt hatte.

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Insoweit ist auf die Fähigkeit des Vertretenden abzustellen (vgl. BGH, Urt. vom 11.6.1996 - XI ZR 172,95 - nachgewiesen im Handelsblatt 1996, 48).

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Nach Umfang sowie Art und Weise der bisher erfolgten Aufklärung und Beratung unter Berücksichtigung der langjährigen Geschäftsbeziehungen bei Wertpapierordern im spekulativen Bereich war von dem Anlageberater nicht mehr zu verlangen. Im Gegenteil hätte er sich Ersatzansprüche aussetzen können, wenn das Papier Gewinne erbracht hätte, die dem Kläger bei Nichtbefolgung entgangen wären. Die Orientierung an den Vortagskurs war nach Ablehnung der Limitierungsempfehlung die einzige Möglichkeit, die Optionsscheine so wie verlangt zu erwerben.

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