Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 09.01.2008, Az.: 9 U 117/07

Rückzahlung einer Stammkapitalerhöhung bzw. Einzahlung in die Kapitalrücklage einer insolventen Gesellschaft an einen vormaligen Gesellschafter im Fall einer Verbindung der Zahlung mit einer Kaufpreiszahlung; Verknüpfung einer Einlage und eines Verkehrsgeschäfts als eine Sacheinlage

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
09.01.2008
Aktenzeichen
9 U 117/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 37181
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2008:0109.9U117.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hildesheim - 29.05.2007 - AZ: 10 O 130/06
nachfolgend
BGH - 22.03.2010 - AZ: II ZR 12/08

In dem Rechtsstreit
...
hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 12. Dezember 2007
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ... sowie
die Richter am Oberlandesgericht ... und ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 29. Mai 2007 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Hildesheim wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

1

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten als vormaliger Gesellschafterin der Insolvenzschuldnerin Zahlung von 3.739.241,14 EUR, die diese gemäß Gesellschafterbeschlüssen vom Februar 2003 als Stammkapitalerhöhung bzw. Einzahlung in die Kapitalrücklage (§ 272 Abs. 2 HGB) aufzubringen hatte. Wegen des Sachverhalts und der tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen, mit dem die Kammer die Klage abgewiesen hat.

2

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der sein erstinstanzliches Prozessziel in vollem Umfang weiterverfolgt. Der Stammeinlageerhöhungsbetrag von 739.241,14 EUR sei schon deswegen nicht aufgebracht worden, weil die Zahlung vom 19. Februar 2003 in der freien Verfügung der Geschäftsführer gestanden habe, sondern als Bestandteil einer Kaufpreiszahlung in Höhe von 3.990.000 EUR wenige Tage später, nämlich am 24. Februar 2003, an die Beklagte zurückgeflossen sei. Einlage und Verkehrsgeschäft seien derart miteinander gekoppelt gewesen, dass entgegen der Auffassung der Kammer in Wahrheit eine Sacheinlage (hier in Form der Lizenzen) geleistet werden sollte. Dass dies von der Beklagten auch so beabsichtigt gewesen sei, liege angesichts des zeitlichen Zusammenhangs nahe und ergebe sich im Übrigen aus dem Gutachten der Prüfungsgesellschaft P. ... GmbH (P.), ausweislich dessen zuvor ausdrücklich die Erbringung einer Sacheinlage zwecks Kapitalerhöhung geplant gewesen sei.

3

Hinsichtlich der Einzahlung in die Eigenkapitalrücklage in Höhe von 3.000.000 EUR gelte gleiches, wobei das Landgericht über die Argumentation des Klägers hinweggegangen sei. Dabei habe es sich um ein Umgehungsgeschäft gehandelt; bei wirtschaftlicher Betrachtung sei auch diese Zahlung als verdeckte Sacheinlage statt einer an sich gebotenen Kapitalerhöhung aufzufassen. Darüber hinaus sei die Einzahlung jedenfalls den Regeln über eigenkapitalersetzende Darlehen zu unterwerfen, womit sich das Landgericht nicht auseinandergesetzt habe. Die spätere Insolvenzschuldnerin habe sich schon damals in einer Krise befunden, die vorgelegten Bilanzen seien nämlich erheblich nach unten zu korrigieren. Das gelte zum einen hinsichtlich des Wertes der Lagerbestände, weil das mit rd. 1.300.000 EUR bewertete, später von der Insolvenzschuldnerin an die Beklagte verkaufte Lager schon zum damaligen Zeitpunkt nichts wert gewesen sei. Außerdem hätte wegen der geringen Umsätze bereits Ende 2002, und nicht erst ein Jahr später, eine Abwertung auch des weiteren Lagerbestandes um 700.000 EUR erfolgen müssen. Darüber hinaus sei das Ergebnis um weitere 500.000 EUR wegen nicht nachvollziehbarer, pauschaler Angaben zur Höhe der nicht weiterbelasteten Kosten nach unten zu korrigieren. Demzufolge sei bereits für 2002 von einer Unterdeckung in Höhe von über 1.600.000 EUR auszugehen. Aus diesem Grunde sei die Zahlung von 3.000.000 EUR als letztlich eigenkapitalersetzendes Darlehen anzusehen, welches der Beklagten trotz Krise der Gesellschaft zurückgewährt worden sei, und zwar in Gestalt des Kaufpreises für die Lizenzen. Diese Lizenzen seien als wertlos anzusehen, das Bewertungsgutachten der P. hierzu (Anlage B 5 im gesonderten Hefter) stelle ein unzulängliches Gefälligkeitsgutachten dar. Das Unternehmen der Insolvenzschuldnerin habe entgegen den dortigen Feststellungen keinerlei Ertragswert gehabt. Der Wert der Lizenzen könne nicht hilfsweise an den Reproduktionskosten orientiert werden, weil eine derartige Vorgehensweise nicht nutzenorientiert sei. Im Übrigen sei das Niederstwertprinzip außer Acht gelassen worden.

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Letztlich sei der Verkauf der Lizenzen auch wegen Gläubigerbenachteiligung anfechtbar; darüber hinaus hafte die Beklagte wegen der Verletzung der gesellschaftlichen Treuepflicht.

5

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags.

6

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

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II.

Die Berufung erweist sich als unbegründet. Das Landgericht hat mit zutreffenden Erwägungen die Klage abgewiesen, weil entgegen der Auffassung des Klägers weder der Kapitalerhöhungsbetrag von knapp 740.000 EUR nicht aufgebracht worden ist noch im Hinblick auf die Einzahlung von 3.000.000 EUR in die Kapitalrücklage Ansprüche bestehen.

8

1.

Dem Kläger stehen keine Ansprüche im Zusammenhang mit der von der Beklagten als damaliger Gesellschafterin übernommenen Verpflichtung zur Einzahlung der beschlossenen erhöhten Stammeinlage in Höhe von 739.241,14 EUR zu. Unstreitig ist die beschlossene Erhöhung zunächst durchgeführt worden, die Beklagte hat den geschuldeten Betrag mit Wertstellung vom 19. Februar 2003 auf das Konto der Gesellschaft überwiesen (vgl. Kontoauszug Bl. 49 d.A.). Dem steht, wie das Landgericht zutreffend angenommen hat, nicht entgegen, dass die Beklagte wenige Tage später, nämlich am 24. Februar 2002, eine Zahlung von 3.990.000 EUR als Kaufpreis für Lizenzen (vgl. Auszug Bl. 50 d.A.) angewiesen bekommen hat. Diese Zahlung macht entgegen der Auffassung des Klägers die vorangegangene Einzahlung der Beklagten nicht zu einer verdeckten Sacheinlage, und zwar unabhängig davon, ob die Lizenzen den Kaufpreis wert gewesen sind oder nicht. Entgegen der Annahme des Klägers ist nicht davon auszugehen, dass der Gesellschaft die (erhöhte) Bareinlage nicht endgültig zur freien Verfügung gestanden habe, weil sie umgehend zur Befriedigung einer gegen sie gerichteten Forderung der Beklagten zurückgezahlt worden sei. Ein solcher Eindruck, der bei Betrachtung nur der genannten Zahlungen für sich gesehen zunächst nahe liegen könnte, wird hier dadurch widerlegt, dass die Beklagte in engem zeitlichen und - durch die verabredete Vorgehensweise im Rahmen des durchgeführten "

9

Management-Buy-Outs" (vgl. Letter of Intent, Bl. 21 d.A.) - auch inhaltlichen Zusammenhang diverse Leistungen für die Gesellschaft erbracht hat, deren Volumen die ausgezahlten knapp 4.000.000 EUR bei weitem überstiegen hat. So hat die Beklagte nicht nur die erwähnte Zahlung auf die Kapitalerhöhung und die Einzahlung von 3.000.000 EUR in die Kapitalrücklage vorgenommen, sondern bisherige Bankdarlehen der Gesellschaft in Höhe von 2.556.000 EUR abgelöst und durch eigene Kredite ersetzt und anschließend ersatzlos auf letztgenannte verzichtet, laufende Kosten für die beiden Monate Januar und Februar 2003 in Höhe von bis 700.000 EUR übernommen, einen Kaufpreis in Höhe von 1.100.000 EUR für Handelswaren entrichtet sowie weitere 700.000 EUR Gesellschafterdarlehen und knapp 400.000 EUR bestehende Forderungen erlassen. Selbst wenn, wie der Kläger meint, die übertragenen Lizenzen nichts wert gewesen seien, übersteigen die genannten Leistungen von zusammengenommen knapp 9.200.000 EUR die der Gesellschaft an die Beklagte, nämlich Kaufpreiszahlung von 3.990.000 EUR und Verzicht auf Forderungen von etwa 460.000 EUR, bei weitem, zumal das darüber hinaus an die Beklagte übereignete Warenlager, wie der Kläger selbst geltend macht, nichts, schon gar nicht den von der Beklagten dafür entrichteten Kaufpreis von 1.100.000 EUR wert gewesen sein soll.

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Diese Vorgänge in ihrer aufeinander bezogenen Gesamtheit und nicht etwa nur die vom Kläger isoliert herausgehobenen wechselseitigen Zahlungsvorgänge, die sich der Höhe nach in etwa entsprechen, sind für die Beurteilung der Frage heranzuziehen, ob die Zahlung der Beklagten auf die Kapitalerhöhung nur pro forma geleistet, in Wahrheit jedoch sogleich zurückgezahlt worden ist und deshalb von einer verdeckten Sacheinlage auszugehen ist, für deren Nachweis im Übrigen der Kläger beweispflichtig wäre. Nach den geschilderten und vom Landgericht zutreffend gewürdigten Umständen bestehen für eine solche Annahme hier keine tragfähigen Anhaltspunkte, und zwar auch dann nicht, wenn die bei der geschilderten Gegenüberstellung der Leistungen noch gar nicht berücksichtigten Lizenzen, die die Beklagte zusätzlich auf die spätere Insolvenzschuldnerin übertragen hat, entgegen dem Gutachten der P. (Anlage B 5 im gesonderten Hefter) nichts wert gewesen wären.

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Die eingezahlte Stammeinlage stand der Gesellschaft zur freien Verfügung, wobei auch insoweit entgegen der vom Kläger mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2007 dargestellten Auffassung nicht (nur) die die von ihm fokussierten Zahlungen betreffenden Kontoauszüge 9 und 10 (Bl. 49 f. d.A.) maßgeblich sind, sondern auch die folgenden (vgl. Bl. 51 ff. d.A.).

12

2.

Schon aus den eben geschilderten Erwägungen kann der Kläger auch wegen der in die Kapitalrücklage eingezahlten weiteren 3.000.000 EUR keine Ansprüche herleiten.

13

Darüber hinaus ist diese Zahlung ohnehin nicht mit der Einzahlung auf eine Stammeinlage, also auf geschütztes Kapital der Gesellschaft, gleichzusetzen. Bei der beschlossenen und durchgeführten Einzahlung in die Kapitalrücklage gemäß § 272 Abs. 2 HGB handelt es sich nicht, wie der Kläger meint, um ein Umgehungsgeschäft. Es ist nicht zu erkennen, dass und warum die Beklagte verpflichtet gewesen sein sollte, auch diese Mittel in Form einer Erhöhung des Stammkapitals einzubringen. Als Gesellschafterin stand es ihr vielmehr frei, die Gesellschaft stattdessen in der von ihr gewählten Form einer Kapitalrücklage mit weiteren Mitteln zu versehen. Sogar wenn, wie der Kläger meint, die Zahlung der 3.000.000 EUR in die Kapitalrücklage als Sacheinlage anzusehen wäre, wäre das in dieser, nicht das Stammkapital betreffenden Hinsicht nicht zu beanstanden.

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Ebenso wenig kann der Kläger damit durchdringen, dass es sich bei den eingezahlten 3.000.000 EUR in Wahrheit um ein Eigenkapital ersetzendes Darlehen gehandelt habe, welches in Form der Zahlung des Kaufpreises für die Lizenzen - in einer Zeit der Krise - zurückgezahlt worden sei. Abgesehen davon, dass auch diese Argumentation die genannten weiteren Leistungen der Beklagten für die Gesellschaft ausblendet und nur die eingezahlten 3.000.000 EUR und die als Kaufpreis gezahlten 3.990.000 EUR gegenüberstellt, entkräftet gerade der (vom Kläger für seine alternative Argumentation der verdeckten Sacheinlage herangezogene) Umstand, dass die Zahlungen in einem engen (auch zeitlichen) Zusammenhang stehen, die Annahme, die Beklagte habe der Gesellschaft zunächst ein Darlehen gewährt, welches, als Kaufpreis deklariert, sodann zurückgezahlt worden sei.

15

Im Übrigen wären die Ausführungen des Klägers zu der in diesem Zusammenhang im Berufungsverfahren erstmals eingeführten und erläuterten Behauptung, dass und warum die Gesellschaft bereits Ende 2002 überschuldet gewesen, insbesondere der schon im ersten Rechtszug vorliegende Abschluss für das Jahr 2002 (Anlage K 8 im gesonderten Hefter) nach unten zu korrigieren sei, als neues Angriffsmittel nach § 531 Abs. 2 ZPO nicht zuzulassen. Entgegen der vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat verfochtenen Auffassung wäre derartiges Vorbringen, käme es auf seinen Inhalt an, nicht deswegen zuzulassen, weil es im ersten Rechtszug infolge eines Verfahrensmangels (hier: unterbliebener Hinweis des Landgerichts) nicht geltend gemacht wurde. Vor der Kammer hat der Kläger seine Ansprüche nicht auf den (nach dem oben Gesagten angesichts des Streitstoffes auch nicht naheliegenden) Grund der Gewährung eines (eigenkapitalersetzenden) Darlehens gestützt, weshalb die Kammer keinen Anlass haben konnte, Hinweise etwa zu fehlendem Vortrag zu einer Überschuldung per Ende 2002 zu erteilen.

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3.

Schließlich kann der Kläger auch keine Ansprüche wegen hilfsweise erklärter Konkursanfechtung geltend machen. Bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der wechselseitigen Leistungen im Zusammenhang mit dem durchgeführten Management-Buy-Out ist weder von einer unentgeltlichen Leistung der Insolvenzschuldnerin an die Beklagte auszugehen noch anzunehmen, dass die Beklagte mit dem Abschluss des Kaufvertrages über die Lizenzen Gläubiger - und das auch noch vorsätzlich - benachteiligt haben könnte. Durch die Umsetzung des geplanten und im Letter of Intent vom 17. Februar 2003 (Bl. 21 ff. d.A.) festgehaltenen Vorgehens sind Gläubiger der Gesellschaft jedenfalls nicht erkennbar schlechter gestellt worden. Darüber hinaus sind auch tragfähige Anhaltspunkte für die zur Anfechtung hier erforderliche Schuldform des Vorsatzes nicht ersichtlich. Vielmehr spricht gegen einen solchen, dass das von der Beklagten vor dem Verkauf eingeholte Gutachten der P. (Anlage B 5 im gesonderten Hefter) den veräußerten Lizenzen eben den Betrag als Wert zumisst, der als Kaufpreis vereinbart wurde.

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Aus denselben Erwägungen scheidet ein Anspruch wegen Verletzung der gesellschaftlichen Treuepflicht aus, der zudem daran scheitern würde, dass die Beklagte zum Zeitpunkt der fraglichen Vorgänge alleinige Gesellschafterin der späteren Insolvenzschuldnerin gewesen ist.

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4.

Die Kostenentscheidung folgt § 97 Abs. 1 ZPO, diejenige über die vorläufige Vollstreckbarkeit §§ 708 Nr. 10, 711, 108 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 ZPO) liegen nicht vor.