Landgericht Hildesheim
Urt. v. 29.05.2007, Az.: 10 O 130/06
Voraussetzung der Erbringung einer vertraglich geschuldeten Erhöhung der Stammeinlage und der Bildung einer Kapitalrückeinlage i.R. eines Insolvenzverfahrens
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 29.05.2007
- Aktenzeichen
- 10 O 130/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2007, 56315
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHILDE:2007:0529.10O130.06.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OLG Celle - 09.01.2008 - AZ: 9 U 117/07
- BGH - 22.03.2010 - AZ: II ZR 12/08
Rechtsgrundlage
- § 133 InsO
In dem Rechtsstreit
...
hat die 1. Kammer für Handelssachen
durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht ... und
die Handelsrichter ...
in der mündlichen Verhandlung vom 06.03.2007
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- 3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger macht Ansprüche im Rahmen einer Insolvenz geltend.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... Die Beklagte war Alleingesellschafterin der damals unter ... firmierenden Schuldnerin.
Am 4.3.2003 schloss die Beklagte vor dem Notar ... einen Kauf- und Abtretungsvertrag über die Geschäftsanteile der Schuldnerin ab.
Vertragsinhalt war ein eingezahltes Stammkapital von 1.000.000,00 EUR, der Kaufpreis von 1,00 EUR und der Verzicht der Beklagten auf Forderung gegen die Gemeinschuldnerin in Höhe von insgesamt 3.193.999,30 EUR.
Unter dem 14.2.2003 verpflichtete sich die Beklagte, das Stammkapital durch Zahlung von 739.241,14 EUR auf 1.000.000,00 EUR aufzustocken, 3.000.000,00 EUR in die Kapitalrücklage einzuzahlen, das Warenlager für 1.113.092,03 EUR zu übernehmen und die Rechte an Lizenzen an die Gemeinschuldnerin für 3.990.000,00 EUR zu verkaufen.
Die Transaktionen wurden sämtlich durchgeführt.
Der Kläger meint, die Zahlungen über 3.739.241,14 EUR seien verdeckte Sacheinlagen und die Rückzahlung nicht zur Gemeinschuldnerin gelangt.
Hilfsweise ficht der Kläger die Zahlung von 3,99 Mio. EUR bezüglich der Lizenzen nach den Voraussetzungen der Insolvenzordnung an.
Der Kläger fordert die Zahlung von 739.241,14 EUR als Stammeinlage und 3.000.000,00 EUR als Kapitalrücklage entsprechend den getroffenen Vereinbarungen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.739.241,14 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 25.2.2003 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie widerspricht der Rechtsansicht des Klägers. Bezüglich etwaiger Ansprüche aufgrund der Anfechtung sei das Gericht nicht zuständig. Die Voraussetzungen seien zudem nicht dargetan.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat nicht dargetan, dass die Beklagte die vertraglich geschuldete Erhöhung der Stammeinlage und die Bildung einer Kapitalrückeinlage nicht wirksam erbracht hat. Die hilfsweise Anfechtungserklärung greift nicht.
I.
Stammeinlage
Der Kläger verpflichtete sich, im Letter of Intend vom 17.2.2003 das Stammkapital der Gemeinschuldnerin auf 1.000.000,00 EUR, d.h. um 739.241,14 EUR zu erhöhen. Diesen Betrag leistete sie am 19.2.2003.
Soweit der Kläger meint, durch eine Zahlung der Gemeinschuldnerin vom 24.2.2003 sei diese Zahlung faktisch nicht erbracht, ist dem nicht zu folgen.
Die Zahlung vom 24.2.2003 leistete die Gemeinschuldnerin für den Erwerb von Lizenzen. Die Gemeinschuldnerin hat insoweit eine Gegenleistung erhalten. Dieser Zahlungsvorgang stellt insoweit zudem nicht die einzige Vermögensverschiebung im damaligen Zeitpunkt dar. Die Beklagte verzichtete zudem auf Kreditforderungen gegenüber der Gemeinschuldnerin in Höhe von ca. 3,2 Mio. EUR. Die kaufte das Warenlager im Werte von ca. 1,1 Mio. EUR und erbrachte die hier streitigen Zahlungen von 3.793.241,14 EUR. Bei der Frage, ob die Zahlung auf die Erfüllung der Stammeinlage Einfluss hat, d.h. die Einzahlungen nur eine verdeckte Einlage darstellt, ist nicht nur der reine Zahlungsfluss zu berücksichtigen. Es sind die Gesamtumstände zu berücksichtigen und zu werten. Hier wurden der Gemeinschuldnerin im Rahmen der Gesamtabwicklung erheblich Liquiditätsmittel zugeführt. Die Beklagte hat auf Darlehen und Forderungen verzichtet. Sie hat das Warenlager - über deren Wert zwischen den Parteien Streit besteht - mit Teilen, für die die Gemeinschuldnerin keine Verwendung hatte, übernommen und den vereinbarten Preis bezahlt. Sie hat eine Kapitalrücklage zur Verfügung gestellt. Gleichzeitig hat die Beklagte der Gemeinschuldnerin als Gegenleistung für die erhaltenen Zahlungen auch die ihr zustehenden Lizenzen - auch hier ist der Wert umstritten - übertragen. Die Gemeinschuldnerin hat bzw. konnte diese in der Folgezeit uneingeschränkt nutzen. Dieses Gesamtpaket ist ausdrücklich im Letter of Intend vom 17.2.2003 aufgeführt. Die gesamten zwischen der Beklagten und der Gemeinschuldnerin getroffenen vertraglichen Vereinbarungen führten dazu, dass der Gemeinschuldnerin erhebliche Liquiditätsmittel zugeführt wurden. Die Zahlung vom 24.2.2003, die keine rechtsgrundlose Rückzahlung darstellt, sondern einen Kaufpreis für eine Ware, kann so nicht die erfolgte Einlage berühren. Der Kläger hat seine Verpflichtung erfüllt.
II.
Kapitalrücklage
Im gleichen Zusammenhang (siehe oben Ziff. I) verpflichtete sich die Beklagte, eine Kapitalrücklage von 3.000.000,00 EUR an die Gemeinschuldnerin zu leisten. Der Betrag wurde am 19.2.2003 an die Gemeinschuldnerin gezahlt.
Es kann dahinstehen, wie die Verpflichtung der Leistung rechtlich einzuordnen ist (Eigenkapital, freies Kapital, Quasi-Kapital). Die Beklagte hat den Betrag geleistet. Sie hat damit ihre Verpflichtung - die grundsätzlich unwiderruflich ist - erfüllte. Die weitere Verwendung obliegt grundsätzlich der Gesellschaft, d.h. der Gemeinschuldnerin. Sie ist nicht in ihrer Verfügung eingeschränkt.
Der im zeitlichen Zusammenhang erfolgte Kauf der Lizenzen, der auch im Letter of Intend vom 17.2.2003 bereits vereinbart war, berührt diese Zahlungspflicht daher nicht. Der Kauf führt auch nicht dazu, die Einzahlung als "Scheinzahlung bzw. Quasi-Zahlung". zu werten. Zum einen liegt ihr ein Rechtsgrund zugrunde, zum anderen führt die Beklagte der Klägerin erhebliche weitere Liquiditätsmittel zu (s.o. Ziff. I).
III.
Hilfsbegründung
Soweit der Kläger die Klage hilfsweise auf eine hilfsweise Anfechtung des Vertrages über den Kauf der Lizenzen nach §133 Insolvenzordnung stützt, hat er einen solchen Anspruch nicht dargetan, worauf im Termin ausdrücklich hingewiesen wurde.
1.
Zwar sieht sich das Gericht auch für diesen hilfsweise geltend gemachten Anspruch als zuständig an. Der Schwerpunkt im Insolvenzverfahren liegt am Sitz der Gemeinschuldnerin. Die Ansprüche beziehen sich auf ein Geschehen, zu deren Zeitpunkt die Beklagte noch Gesellschafterin der Gemeinschuldnerin war.
2.
Es kann dahinstehen, ob die von dem Kläger erklärte hilfsweise Anfechtung möglich ist. Wenn sie durchgreift, sind die Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte aus der Hauptbegründung gegenstandslos. Die Anfechtung einer Rechtshandlung dürfte zudem bedingungsfeindlich sein.
In jedem Fall hat der Kläger keine Anfechtungsgründe dargetan. Der Kläger meint, er könne das Geschäft gemäß §133 Insolvenzordnung anfechten. Dies erfordert, dass die Gemeinschuldnerin das Geschäft mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat und die Beklagte hiervon Kenntnis hatte. Hierzu fehlt jeder Vortrag. Es fehlt insbesondere jeder Vortrag zu finanziellen Situationen der Gemeinschuldnerin. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Gemeinschuldnerin die Verträge abgeschlossen bzw. es lag ein Letter of Intend vor, der ihr erhebliche Liquiditätsmittel durch Verzicht auf Darlehen und Zuführung von neuen Mitteln verschafft hat. Die Vermutung einer positiven Kenntnis seitens der Beklagten kann nicht festgestellt werden. Im Übrigen ist zu sehen, dass der gesamten Abwicklung eine gutachtliche Stellung einer neutralen Stelle zugrunde lag, sodass die Beklagte grundsätzlich in diesem Zusammenhang davon ausgehen konnte, dass die Gesamtabwicklung ordnungsgemäß erfolgt.
IV.
Die Klage ist daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §91 ZPO, über die vorläufige Vollstreckbarkeit wurde gemäß §709 ZPO entschieden.