Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 09.01.2008, Az.: 15 WF 293/07

Gesetzlicher Forderungsübergang nach § 33 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für darlehensweise gewährte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
09.01.2008
Aktenzeichen
15 WF 293/07
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2008, 25039
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2008:0109.15WF293.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Peine - 30.07.2007 - AZ: 10 F 194/07

Fundstellen

  • FamRZ 2008, 928-929 (Volltext mit red. LS)
  • OLGReport Gerichtsort 2008, 651-652
  • ZfSH/SGB 2008, 361-362
  • info also 2009, 94

In der Familiensache
...
hat der 15. Zivilsenat - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle
auf die Beschwerde der Antragstellerin vom 4. Oktober 2007
gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Peine vom 30. August 2007
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ...,
den Richter am Oberlandesgericht ... und
den Richter am Amtsgericht ...
am 9. Januar 2008
beschlossen:

Tenor:

Der angefochtene Beschluss wird teilweise geändert.

Der Antragstellerin wird ratenfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin ... in ... bewilligt, soweit sie ab Februar 2008 über freiwillig gezahlte 350 EUR weiteren nachehelichen Unterhalt in Höhe von 178 EUR monatlich begehrt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Gründe

1

Die Beschwerde ist gemäß § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO als sofortige Beschwerde zulässig, jedoch nur teilweise begründet.

2

Ausweislich des Bescheides des Landkreises ... vom 29. August 2006, der den Prozesskostenhilfeunterlagen beigefügt war, bezog die Antragstellerin in der Zeit von Oktober 2006 bis April 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch II. Da diese Leistungen nicht darlehensweise gewährt wurden, erfolgte ein gesetzlicher Forderungsübergang auf den Landkreis ... nach § 33 Abs. 1 SGB II in Höhe von 369,55 EUR monatlich, mithin in Höhe der Klageforderung. Mangels Rückabtretung der Ansprüche durch den Landkreis ..., § 33 Abs. 4 SGB II, ist die Antragstellerin für den vorstehenden Zeitraum nicht klagebefugt.

3

Ab Mai 2007 erhält die Antragstellerin nach ihren Angaben darlehensweise Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch II in Höhe von 369,55 EUR monatlich. Sowohl die Antragsstellerin als auch der Hilfe gewährende Landkreis ... sind der Ansicht, darlehensweise erbrachte Leistungen unterlägen nicht dem gesetzlichen Forderungsübergang nach § 33 Abs. 1 SGB II. Eine Rückabtretung etwaiger Ansprüche vom Landkreis ... auf die Antragstellerin ist daher nicht erfolgt.

4

Der Senat teilt diese Rechtsauffassung nicht. Auch darlehensweise gewährte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unterliegen dem gesetzlichen Forderungsübergang nach § 33 Abs. 1 SGB II.

5

Bereits der Gesetzeswortlaut gebietet diesen Rückschluss. § 33 Abs. 1 SGB II ordnet grundsätzlich einen gesetzlichen Forderungsübergang an, soweit der Empfänger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes erhalten hat. Diese Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes können nach § 23 Abs. 4 SGB II auch als Darlehen gewährt werden. Das Gesetz verwendet somit in beiden Normen denselben Rechtsbegriff, ohne dass eine Ausnahmeregelung getroffen wurde. Es war somit die Intention des Gesetzgebers, dass sämtliche Fälle von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes von § 33 Abs. 1 SGB II erfasst werden sollten (so im Ergebnis auch zur Vorgängervorschrift § 91 BSHG OLG Hamm, FamRZ 2001, 1237 [OLG Hamm 27.06.2000 - 2 WF 225/00] und Wendl/Staudigl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Auflage, § 6 Rdn. 550; zu § 94 SGB XII Streichsbier in Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 38 Rdn. 3). Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Darlehensgewährung nur für einen unabweisbaren und somit zwingenden Bedarf erfolgt, § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB II (vgl. Pfohl/Steymanns, SGB II/SGB XII/AsylbLG,

6

§ 33 SGB II Rdn. 9).

7

Aber auch eine systematische Auslegung des § 33 Abs. 1 SGB II spricht für einen gesetzlichen Forderungsübergang. So wird die nach § 17 Abs. 2 BAföG gewährte Ausbildungsförderung, die ebenfalls eine Sozialleistung ist, hälftig als Darlehen gewährt. Gleichwohl ordnet das Gesetz für entsprechende Vorausleistungen nach

8

§§ 36, 37 BAföG einen gesetzlichen Forderungsübergang an, ohne dabei für den Darlehensanteil eine Einschränkung zu machen.

9

Schließlich gebietet auch der Sinn und Zweck des § 33 Abs. 1 SGB II die Annahme eines gesetzlichen Forderungsübergangs. Denn in § 33 Abs. 4 Satz 2 SGB II findet sich der Grundsatz wieder, dass der Hilfebedürftige auch hinsichtlich des Kostenrisikos nicht benachteiligt werden darf, vgl. auch § 32 SGB I. Würden darlehensweise gewährte Leistungen von § 33 Abs. 1 SGB II ausgenommen, so bedeutete dies, den Hilfebedürftigen im Hinblick auf etwaige Kosten schutzlos zu stellen. Dies widerspricht den allgemeinen Grundsätzen des Rechts über Sozialleistungen.

10

Der Antragstellerin fehlt somit auch für den Zeitraum Mai 2007 bis einschließlich Januar 2008 mangels Rückabtretung die Klagebefugnis in Höhe der erhaltenen Sozialleistungen.

11

Der gesetzliche Forderungsübergang erfolgt nach § 33 Abs. 1 SGB II jedoch erst im Zeitpunkt der Leistung durch den Hilfeträger. Folglich ist die Antragstellerin für die Zukunft, mithin ab Februar 2008, weiterhin uneingeschränkt klagebefugt.

12

Soweit Unterhaltsansprüche im weiteren Verlauf des rechtshängigen Verfahrens auf den Landkreis ... übergehen sollten, verliert die Antragstellerin jedoch nicht ihre Klagebefugnis, § 265 Abs. 2 ZPO.

13

Die begehrte Rechtsverfolgung hat allerdings der Höhe nach nicht im vollen Umfang hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 114 ZPO, so dass neben den künftigen Unterhaltsansprüchen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen, die Sozialleistungen übersteigenden Betrag nicht in Betracht kommt.

14

Der Unterhaltsbedarf der Antragstellerin richtet sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen, § 1578 Abs. 1 BGB.

15

Folgt man dem Vortrag der Antragstellerin, so errechnet sich nach Abzug des Arbeitsanreizes in Höhe von einem Siebtel ein bereinigtes Nettoeinkommen des Antragsgegners in Höhe von 1098 EUR. Diesem Einkommen ist ein Wohnwert in Höhe von 221 EUR (= 4,25 EUR x 52) für das Haus ... hinzuzurechnen. Der Antragsgegner hat lediglich eine Wohnungsgröße von 52 Quadratmetern zugestanden. Der Nachweis einer größeren Wohnungsfläche seitens der Antragstellerin erfolgte bislang nicht. Zudem ergibt sich im Rahmen der Bedarfsberechnung ein Wohnwert für die Immobilie ... in Höhe von rund 298 EUR (= 4,25 x 70). Ferner ist die Anrechnung eines Nutzungsvorteils in Höhe von 25 EUR für die im Eigentum des Antragsgegners stehende Garage nicht zu beanstanden. Es errechnet sich somit ein Gesamtbetrag in Höhe von 1642 EUR, mithin ein hälftiger Bedarf der Antragstellerin in Höhe von 821 EUR.

16

Der Antragsgegner ist jedoch hinsichtlich dieses Bedarfes nicht uneingeschränkt leistungsfähig. Er verfügt nach Vortrag der Antragstellerin über ein bereinigtes Nettoeinkommen in Höhe von 1282 EUR. Diesem Betrag sind der Wohnwert für die Wohnung ... in Höhe von 221 EUR sowie der Nutzungsvorteil der Garage in Höhe von 25 EUR hinzuzusetzen, so dass sich ein Betrag in Höhe von 1528 EUR errechnet.

17

Entgegen der Auffassung der Antragstellerin muss sich der Antragsgegner im Rahmen der Leistungsfähigkeit keinen fiktiven Mietwert in Höhe von monatlich 332 EUR für die Immobilie ... anrechnen lassen. Die Anrechnung eines

18

fiktiven Mietwertes käme nur dann in Betracht, wenn die Immobilie einerseits vermietbar und andererseits die Vermietung dem Antragsgegner zumutbar wäre. Bereits nach Vortrag der Antragstellerin befindet sich die Immobilie in einem nicht renovierten Zustand. Zudem blieb es durch die Antragstellerin unbestritten, dass sich in der Immobilie immer noch Hausrat der Antragstellerin befindet und diese somit nicht vollständig geräumt ist. Es bestehen daher erhebliche Zweifel an der Vermietbarkeit der Immobilie. Die Antragstellerin hat ferner vorgetragen, zeitgleich das Zugewinnausgleichsverfahren eingeleitet zu haben. Folglich besteht die Möglichkeit, dass die Immobilie ..., die im hälftigen Eigentum der Parteien steht, zur Befriedigung etwaiger Ansprüche veräußert werden könnte. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Forderungen des Landkreises ... an die Antragstellerin wegen darlehensweise gewährter Sozialleistungen. Dem Antragsgegner ist es daher im gegenwärtigen Zeitpunkt nicht zumutbar, die Immobilie ... zu vermieten. Denn es steht zu erwarten, dass er diesen Wohnraum zur Deckung seines Eigenbedarfs in Anspruch nehmen muss. Im Übrigen kommt eine doppelte Berücksichtigung der Immobilie ... sowohl im Unterhaltsverfahren als auch im Güterrechtsverfahren nicht in Betracht.

19

Im Hinblick auf den Selbstbehalt des Antragsgegners in Höhe von 1000 EUR, verbleibt ein verteilungsfähiges Einkommen in Höhe von 528 EUR. Es ist zwischen den Parteien unstreitig, dass ein monatlicher Unterhalt in Höhe von 350 EUR gezahlt wird, so dass ein weitergehender Unterhaltsanspruch in Höhe von 178 EUR verbleibt.

20

Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf §§ 1, 3 Abs. 2 (Nr. 1812 Kostenverzeichnis), 22 Abs. 1 S. 1 GKG nicht veranlasst, wobei die Gebühr im Hinblick auf den Teilerfolg der Beschwerde auf die Hälfte zu ermäßigen ist.

21

Im Beschwerdeverfahren entstandene Anwaltsgebühren, die gemäß § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet werden, berechnen sich nach dem Wert der Hauptsache, § 2 Abs. 2 (Nr. 3335 Vergütungsverzeichnis) RVG.