Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 23.01.2008, Az.: 17 UF 190/07
Voraussetzungen und Umfang der Prozesskostenvorschusspflicht des neuen Ehegatten
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 23.01.2008
- Aktenzeichen
- 17 UF 190/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 36974
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2008:0123.17UF190.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Lüneburg - AZ: 29 F 44/05
Rechtsgrundlage
- § 1360a Abs. 4 BGB
Fundstellen
- FamRZ 2008, 2199-2201 (Volltext mit amtl. LS)
- OLGR Celle 2009, 53-54
Amtlicher Leitsatz
1. Prozesskostenvorschusspflicht besteht nicht nur dann, wenn der Vorschusspflichtige für die gesamten Prozesskosten in einer Summe aufkommen kann, sondern auch, wenn er darauf (lediglich) Ratenzahlung zu erbringen vermag.
2. Im Falle der Wiederverheiratung besteht ein Prozesskostenvorschussanspruch gegen den neuen (leistungsfähigen) Gatten für eine Klage auf Zugewinnausgleich.
3. Eine persönliche Angelegenheit im Sinne von § 1360a Abs. 4 BGB betrifft auch der Rechtsstreit, in dem ein Ehegatte die titulierten Unterhaltsansprüche des früheren Ehegatten herabsetzen oder beseitigen will.
Tenor:
1. Der Beklagten wird für die Durchführung des Berufungsverfahrens Prozesskostenhilfe bewilligt. Ihr wird Rechtsanwalt ####### in Celle zur Vertretung in diesem Rechtszug beigeordnet. Ratenzahlungen werden nicht festgesetzt.
2. Dem Kläger wird zur Verteidigung gegen die Berufung der Beklagten notwendige Prozesskostenhilfe bewilligt. Ihm wird Rechtsanwalt ####### in Lüneburg zur Vertretung in diesem Rechtszug beigeordnet.
Dem Kläger wird aufgegeben, Raten in Höhe von 75 € monatlich auf die Prozesskosten aufzubringen. Die Raten sind am 1. jeden Monats, erstmals am 1. Februar 2008, zu zahlen.
Gründe
Dem Kläger kann Prozesskostenhilfe nur gegen Ratenzahlung bewilligt werden, weil er im Umfang der Raten darauf zu verweisen ist, einen Prozesskostenvorschuss von seiner Ehefrau zu erlangen. Eine Prozesskostenvorschusspflicht besteht nicht nur dann, wenn der Vorschusspflichtige für die gesamten Prozesskosten in einer Summe aufkommen kann, sondern auch, wenn er darauf (lediglich) Ratenzahlungen zu erbringen vermag (vgl. BGH Beschluss vom 4. August 2004 - XII ZA 6/04 - FamRZ 2004, 1634 f.). Dieser Ratenzahlungsanspruch stellt für den Hilfesuchenden Vermögen im Sinne von § 115 Abs. 3 ZPO dar und muss von ihm eingesetzt werden.
1. § 1360a Abs. 4 BGB gewährt einem Ehegatten, der nicht in der Lage ist, die Kosten eines erfolgversprechenden Rechtsstreits über eine persönliche Angelegenheit zu tragen, im Rahmen der Billigkeit einen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss. Eine persönliche Angelegenheit im Sinne dieser Vorschrift ist für einen wiederverheirateten Ehegatten auch die Abwehr von Unterhaltsansprüchen, die von Ehegatten und Kindern aus einer geschiedenen Ehe an ihn gestellt werden.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Rechtsverhältnisse auch dann, wenn sie vermögenswerte Leistungen zum Gegenstand haben, zu den persönlichen Angelegenheiten eines Beteiligten gehören. Zu den persönlichen Angelegenheiten eines Ehegatten im Sinne von § 1360a Abs. 4 BGB gehören danach insbesondere diejenigen, auf vermögenswerte Leistungen gerichteten Ansprüche, die ihre Wurzel in der ehelichen Lebensgemeinschaft haben, weil die eheliche Lebensgemeinschaft auch deren wirtschaftliche Existenz umgreife (BGHZ 31, 384, 386; BGHZ 41, 104, 110 f.; BGHZ 156, 92,
96). Von diesem gedanklichen Ausgangspunkt hat die obergerichtliche Rechtsprechung hergeleitet, dass auch vermögensrechtliche Streitigkeiten mit einem geschiedenen Ehepartner - sofern sie einen familienrechtlichen Bezug zu der aufgelösten ehelichen Lebensgemeinschaft aufwiesen - zu den persönlichen Angelegenheiten eines Ehegatten zählen, so dass dieser im Falle der Wiederverheiratung gegen seinen neuen (leistungsfähigen) Gatten einen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss für eine Klage auf Zugewinnausgleich (OLG Düsseldorf FamRZ 1975, 102; OLG Frankfurt FamRZ 1983, 588, 589) sowie umgekehrt für die Rechtsverteidigung gegen die Zugewinnausgleichsklage des früheren Ehepartners (OLG Koblenz FamRZ 1986, 486) besitzt. Gleiches wurde auch für die Abwehr von Unterhaltsansprüchen der aus geschiedener Ehe hervorgegangenen Kinder (OLG Karlsruhe FamRZ 2005, 1744 [OLG Karlsruhe 08.10.2004 - 16 WF 118/04] f; zustimmend Palandt/Brudermüller BGB 66. Aufl. § 1360a Rdn. 14; Prütting/Wegen/Weinreich/Kleffmann BGB 2. Aufl. § 1360a Rdn. 16) sowie für die Klage gegen den früheren Ehegatten auf Erstattung des durch die Zustimmung zur gemeinsamen Veranlagung entstandenen Steuernachteils (OLG Hamm FamRZ 1989, 277, 278) angenommen.
b) Gegen die Inanspruchnahme des neuen Ehegatten für einen Prozesskostenvorschuss zur Finanzierung von Auseinandersetzungen mit einem früheren Ehepartner sind indessen verschiedene Bedenken geltend gemacht worden. Zum einen wurde eingewendet, dass die engen familienrechtlichen Beziehungen zum früheren Ehepartner, welche die mit ihm geführten vermögensrechtlichen Streitigkeiten zu einer persönlichen Angelegenheit erhoben haben, mit der Wiederverheiratung entfallen sind (OLG Nürnberg FamRZ 1986, 697, 698). Zum anderen wird angenommen, dass vermögensrechtliche Streitigkeiten mit einem familienrechtlichen Hintergrund nur dann persönliche Angelegenheiten seien, wenn sie ihre Wurzel gerade in der ehelichen Lebensgemeinschaft mit dem vorschusspflichtigen Ehegatten hätten (MünchKomm/Wacke 4. Aufl. § 1360a Rdn. 27; Staudinger/Hübner/Voppel BGB [2000] § 1360a Rdn. 69; BGB-RGRK/Wanz 12. Aufl. § 1360a Rdn. 29).
c) Diesen Ansätzen vermag der Senat - jedenfalls für den hier vorliegenden Fall der Abwehr von Unterhaltsansprüchen eines früheren Ehegatten - nicht zu folgen.
aa) Der nacheheliche Unterhaltsanspruch findet seine Rechtfertigung in der fortwirkenden Verantwortung, die der unterhaltspflichtige Ehegatte für die Erfüllung der Lebensbedürfnisse des früheren Ehegatten trägt, weil die Verflechtung der beiderseitigen Lebensdispositionen aus der Ehezeit noch nicht in einem Maße aufgelöst werden konnte, das dem bedürftigen Ehegatten die Erlangung einer wirtschaftlich unabhängigen Lebensstellung ermöglicht. Schon diese engen persönlich-ehelichen Beziehungen, auf denen der Unterhaltsanspruch beruht, verleiht den Streitigkeiten über die Zahlung von Unterhalt an einen geschiedenen Ehegatten gegenüber sonstigen, auf rein vertraglicher Grundlage ausgetragenen vermögensrechtlichen Auseinandersetzungen einen besonderen Charakter, der ihn zu einer persönlichen Angelegenheit des unterhaltspflichtigen Ehegatten erhebt (vgl. auch BGHZ 31, 384, 387); nichts anderes gilt im Übrigen auch für die auf dem Verwandtschaftsverhältnis beruhende Verpflichtung zur Zahlung von Kindesunterhalt. Da die besondere eheliche oder verwandtschaftliche Grundlage auch nach der Wiederverheiratung des unterhaltspflichtigen Ehegatten fortbesteht, kann die Eingehung einer neuen Ehe den unterhaltsrechtlichen Streitigkeiten mit Ehegatten und Kindern aus einer aufgelösten Ehe nicht den Charakter einer persönlichen Angelegenheit des Unterhaltspflichtigen nehmen.
bb) Richtig ist zwar im Weiteren, dass den auf Ehe und Verwandtschaft beruhenden vermögensrechtlichen Streitigkeiten aus geschiedener Ehe bei einer Wiederverheiratung im Verhältnis zum neuen Ehegatten der persönliche Bezug fehlt und sich diese Streitigkeiten aus Sicht des neuen Ehegatten daher wie gewöhnliche Auseinandersetzungen vermögensrechtlicher Art mit Dritten darstellen. Auf einen persönlichen Bezug zu der neuen ehelichen Lebensgemeinschaft kommt es indessen nicht an, weil das Gesetz auf die persönlichen Verhältnisse des vorschussberechtigten Ehegatten abstellt und deshalb allein die genügend enge Verbindung zu seiner Person ausschlaggebend ist (vgl. BGHZ
41, 104, 112; OLG Koblenz aaO.; OLG Hamm aaO.; OLG Karlsruhe aaO.; vgl. auch BSG NJW 1960, 502). Im Übrigen entspringt die Verpflichtung, dem wirtschaftlich schwächeren Ehegatten die Kosten eines Rechtsstreits in persönlichen Angelegenheiten vorzuschießen, dem Gedanken der ehelichen Solidarität, die zunächst in zumutbarer Weise abzurufen ist, bevor auf eine staatliche Prozessfinanzierung zurückgegriffen werden kann. Durch das Ansinnen, dem Ehegatten die Kosten der gerichtlichen Abwehr von Unterhaltsansprüchen aus geschiedener Ehe vorzuschießen, wird schon angesichts des - zumindest mittelbaren - Eigeninteresses des vorschusspflichtigen Ehegatten am günstigen Ausgang eines solchen Rechtsstreits die eheliche Solidarität im weitaus geringeren Maße in Anspruch genommen als in den Trennungsfällen, in denen der wirtschaftlich stärkere Ehegatte im Rahmen einer (noch) bestehenden Ehe durch Leistung eines Prozesskostenvorschusses eine gegen ihn selbst gerichtete Unterhaltsklage vorfinanzieren muss.
c) Die Zahlung eines Prozesskostenvorschusses entspricht unter den obwaltenden Umständen auch der Billigkeit, und zwar schon allein deshalb, weil die Ehefrau des Klägers ihre zur Leistungsfähigkeit führenden Einkünfte letztlich aus dem Gewerbebetrieb bezieht, der ihr vom Beklagten übertragen worden ist.
2. Die Ehefrau des Klägers ist zur Vorschusszahlung auf Raten imstande, wie sich aus nachstehender Berechnung ergibt:
Einkünfte aus Gewerbebetrieb | 2745 |
---|---|
Kindergeld | 154 |
./. Steuervorauszahlungen | -220 |
./. Sonderausgaben | -534 |
./. Wohnkosten | -881 |
./. Leasing VW Fox | -195 |
./. Erwerbstätigenfreibetrag | -174 |
./. Freibetrag Ehefrau | -382 |
./. Freibetrag Carolina | -267 |
Einzusetzendes Einkommen | 246 |
Die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des Klägers sowie dessen eigener Freibetrag bleiben unberücksichtigt, weil diese durch die Eigeneinkünfte des Klägers (400 € Pachteinkünfte und 592 € Altersrente) vollständig gedeckt werden. Die Leasingraten für den Opel Zafira können ebenfalls nicht zusätzlich abgesetzt werden, weil es sich dabei ausweislich des Leasingvertrages um ein Firmenfahrzeug handelt und die Raten deshalb offensichtlich schon bei der Ermittlung des Betriebsergebnisses Berücksichtigung finden. Der Abzug von Sonderausgaben (Versicherungsbeiträge) erfolgt in der steuerlich geltend gemachten Höhe (ohne die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des Klägers) vorbehaltlich einer Überprüfung ihrer sozialhilferechtlichen Relevanz.
Bei einem einzusetzenden Einkommen in Höhe von monatlich 246 € ergibt sich nach der Tabelle zu § 115 Abs. 2 ZPO eine monatliche Rate in Höhe von 75 €.