Landgericht Lüneburg
Urt. v. 15.07.2009, Az.: 3 O 275/07

Verrechnung eines Guthabens i.R.e. vereinbarten Kontokorrents mit einer Forderung aus einem Darlehensvertrag; Verjährung einer Forderung nach ihrer Anmeldung zur Insolvenztabelle; Ende der Hemmung nach Ablauf von sechs Monaten ab Rücknahme der Anmeldung

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
15.07.2009
Aktenzeichen
3 O 275/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 35380
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2009:0715.3O275.07.0A

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Die Annahme einer Novation (Schuldersetzung) kommt nur in Betracht, wenn der auf Schuldersetzung gerichtete Wille der Parteien deutlich hervortritt. Übernimmt der Schuldner zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers diesem gegenüber eine neue Verbindlichkeit, so ist nach § 364 Abs. 2 BGB im Zweifel nicht anzunehmen, dass er die Verbindlichkeit an Erfüllungs statt übernimmt.

  2. 2.

    Der Neubeginn der Verjährung der Bürgschaftsforderung führt nicht zum Neubeginn der für die Hauptforderung laufenden Verjährung.

In dem Rechtsstreit
...
hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 24.06.2009
durch
die Richterin am Landgericht Dr. Kxxx als Einzelrichterin
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 64.470,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.10.2007, abzüglich des auf Kreditkonten des Klägers bei der Beklagten mit den Nummern xxx und xxx verrechnenden Betrages von 25.000,00 EUR, zu zahlen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

  3. 3.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist die Rechtsnachfolgerin der Volksbank xxx. Gegenüber dieser übernahm der am 21.02.2008 verstorbene, ursprüngliche Kläger, Lxxx Lxxx(im Folgenden: Erblasser) am 31.03.1999 und am 21.12.2000 zwei selbstschuldnerische Bürgschaften in Höhe von 150.000 DM und in Höhe von 65.000 DM zur Sicherung von Forderungen der Rechtsvorgängerin der Beklagten gegen die Sxxx-GmbH (Bl. 10 u. 11 d.A.). Da die Sxxx-GmbH Zahlungen schuldig blieb, kündigte die Rechtsvorgängerin der Beklagten an, den Erblasser aus der Bürgschaft in Anspruch zu nehmen. Über das Vermögen der Sxxx-GmbH wurde am 26.04.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 11.02.2003 wurden die durch die Bürgschaften gesicherten Forderungen der Rechtsvorgängerin der Beklagten zur Insolvenztabelle festgestellt. Da der Erblasser nicht in der Lage war, die geschuldete Summe von rd. 90.000 EUR aufzubringen, schloss er mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten am 17.12.2002 einen Darlehensvertrag über die Summe von 95.000 EUR. Dieser bestimmte als Verwendungszweck des Darlehens:

"Ablösung der Verbindlichkeiten der Sxxx-GmbH auf Konto-Nr. xxx

(Inanspruchnahme aus Bürgschaften)".

2

Am 31.05.2003 nahm die Rechtsvorgängerin der Beklagten die Anmeldung ihrer Forderungen zur Insolvenztabelle zurück (Auszug aus der Insolvenztabelle, Bl. 61 d.A.). Mit Schreiben vom 08.01.2003 schickte sie die Originalbürgschaftsurkunden an den Erblasser zurück (Bl. 67 d.A.). Das Amtsgerichts Cxxx stellte das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Sxxx-GmbH am 22.06.2006 mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse ein.

3

Der Erblasser zahlte die nach dem Darlehensvertrag geschuldeten Raten lediglich bis Ende des Jahres 2006. Die Beklagte stellte den Restanspruch fällig und forderte den Erblasser zur Zahlung auf. Mit Schreiben vom 23.05.2007 erhob dieser gegenüber der Rechtsvorgängerin der Beklagten die Einrede der Verjährung der Hauptschuld.

4

Im Spätsommer 2007 veräußerte der Erblasser Grundbesitz in Wxxx, worauf zugunsten der Rechtsvorgängerin der Beklagten Grundschulden lasteten. Die Rechtsvorgängerin der Beklagten erteilte eine Löschungsbewilligung gegen Zahlung von EUR 175.000. Von diesem Betrag verrechnete sie 64.470,50 EUR auf die Bürgschaftsschuld. Der Kläger widersprach dem mit Schreiben vom 25.09.2007 (Bl. 23 - 25 d.A.).

5

Der Kläger ist der Auffassung, ihm stünde die Einrede der Verjährung der durch die Bürgschaften gesicherten Hauptschuld gegen die Darlehensforderung zu.

6

Mit Schriftsatz vom 05.05.2009 (Bl. 84 d.A.), der der Beklagten am 15.05.2009 zugestellt wurde, hat der Kläger als Testamentsvollstrecker den Rechtsstreit aufgenommen.

7

Der Kläger beantragt.

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 64.470,50 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abzüglich auf Kreditkonten des Klägers bei der Beklagten mit den Nummern xxx und xxx verrechnenden 25.000,00 EUR zu zahlen.

8

Die Beklagte beantragt

die Klage abzuweisen.

9

Sie ist der Auffassung, in dem Darlehensvertrag liege eine Schuldersetzung (Novation), die Einwendungen aus der Bürgschaft ausschließe. Der Erblasser habe zumindest die Bürgschaftsschuld anerkannt, jedenfalls aber konkludent auf die Einrede der Verjährung verzichtet.

Entscheidungsgründe

10

I.

Die Klage ist begründet.

11

Der Kläger kann von der Beklagten Zahlung von 64.470,50 EUR - abzüglich des auf Kreditkonten des Klägers bei der Beklagten zu verrechnenden Betrages von 25.000,00 EUR - aus ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 S. 1, 2. Alt BGB verlangen.

12

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten durfte das Guthaben auf dem Konto des Erblassers nicht im Rahmen des vereinbarten Kontokorrents nach§ 355 HGB mit ihrer Forderung aus dem Darlehensvertrag verrechnen, da ihr eine solche nicht zustand. Der Erblasser hat zu Recht die Einrede der Verjährung der Hauptschuld nach § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. § 214 Abs. 1 BGB erhoben.

13

1.

Die Hauptforderung ist verjährt. Sie verjährte nach Ablauf der am 01.01.2002 nach Art 229 § 6 Abs. 4 EGBGB beginnenden dreijährigen Verjährungsfrist nach § 195 BGB. Mit ihrer Anmeldung zur Insolvenztabelle am 15.05.2002 wurde die Verjährung der Forderung nach § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB gehemmt. Die Hemmung endete nach Ablauf von sechs Monaten ab Rücknahme der Anmeldung am 11.02.2003 gemäß § 204 Abs. 2 BGB. Bei der Rücknahme der Anmeldung handelt es sich um eine anderweitige Beendigung des Verfahrens nach § 204 Abs. 2 BGB (Palandt/Heinrichs, 68. Aufl. 2009, § 204 Rn. 42.). Die Verjährung ist damit bereits im Jahr 2006, also vor der Erhebung der Einrede und vor der Verrechnung im Jahr 2007 eingetreten.

14

Es gilt nicht die 30-jährige Verjährungsfrist nach Feststellung der Forderung zur Insolvenztabelle nach § 178 Abs. 3 InsO, § 197 Abs. 1 Nr. 5 BGB. Zum einen wurde die Forderung von der Rechtsvorgängerin der Beklagten am 11.02.2003 zurückgenommen und war damit nicht vollstreckbar festgestellt. Zum anderen entfaltet die Feststellung der Hauptforderung zur Tabelle keine Rechtskraft gegenüber Dritten wie dem Bürgen (BGH NJW 1980, S. 1461; BGH NJW 1984, S. 794; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., 2008, § 197 Rn 13). Die 30-jährige Verjährungsfrist wirkt nur gegenüber den Insolvenzgläubigern (Münchener Kommentar/Grothe, BGB, 5. Auflage 2006, § 197 Rn. 22).

15

2.

Die Berufung auf die Einrede der Verjährung der Hauptschuld nach § 768 Abs. 1 Satz 1 BGB ist nicht durch den Abschluss des Darlehensvertrages ausgeschlossen, da hierin keine Novation (Schuldersetzung) der Bürgschaftsschuld liegt. Eine Novation setzt voraus, dass ein Rechtsverhältnis zwischen den Vertragspartnern neu begründet und an die Stelle des alten gesetzt wird, das erlischt (RG 134, 155; 162 245; Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., 2008 § 311 Rn 8). Dies hat zur Folge, dass Einwendungen aus dem ursprünglichen Schuldverhältnis nicht mehr geltend gemacht werden können (Leistung an Erfüllungs statt). Ob eine Novation vorliegt, ist Auslegungsfrage (a.a.O.). Sie darf wegen ihrer weit reichenden Folgen nur bejaht werden, wenn der auf Schuldersetzung gerichtete Wille der Parteien deutlich hervortritt (BGH NJW 1986, S. 1490 [BGH 14.11.1985 - III ZR 80/84]). Wenn der Schuldner zum Zwecke der Befriedigung des Gläubigers diesem gegenüber eine neue Verbindlichkeit übernimmt, so ist nach § 364 Abs. 2 BGB im Zweifel nicht anzunehmen, dass er die Verbindlichkeit an Erfüllungs statt übernimmt.

16

So sollte auch hier nicht im Wege einer Schuldersetzung die ursprüngliche Bürgschaftsvereinbarung durch den Darlehensvertrag ersetzt werden. Bei dem Darlehensvertrag handelt es sich nur formal um einen von dem ursprünglichen Bürgschaftsvertrag losgelösten Vertrag (vgl. OLG Celle, Urt. v. 02.11.1988 - 3 U 191/87). Für das Vorliegen einer Novation wäre ein hierauf gerichteter eindeutiger Wille beider Parteien bei Vertragsschluss Voraussetzung. Ein solcher ist nicht erkennbar. Der Darlehensvertrag wurde ersichtlich mit dem Zweck geschlossen, die Darlehensschuld zu kreditieren, also eine Ratenzahlungsvereinbarung mit Zinsen zu treffen, weil der Kläger nicht in der Lage war, die Forderung in einer Summe zu begleichen. Dies ergibt sich aus dem Schriftverkehr der Vertragsparteien. Bei dem Darlehensbetrag handelte es sich genau um die Restforderung aus der Bürgschaftsschuld. Auch spricht der in dem Darlehensvertrag benannte Zweck nicht für eine Novation: "Ablösung der Verbindlichkeiten der Firma Sxxx-GmbH (Inanspruchnahme aus Bürgschaften)." - und nicht Ablösung der Bürgschaft selbst.

17

Ein eindeutiger Wille der Parteien lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass die Bürgschaftsurkunde von der Rechtsvorgängerin der Beklagten an den Erblasser zurückgeschickt wurde. Dieses ist eine einseitige Handlung der Rechtsvorgängerin der Beklagten. Allein die rügelose Annahme durch den Erblasser reicht nicht aus, um hieraus dessen Zustimmung des Erblassers zur Novation zu folgern. Zudem sind die Urkunden dem Erblasser erst am 08.01.2003, also deutlich nach Abschluss des Darlehensvertrages am 17.12.2002 übersandt worden, so dass darin der Parteiwille bei Abschluss des Vertrages ohnehin nicht zum Ausdruck kommt. Aus denselben Gründen kann auch die Rücknahme der Anmeldung zur Insolvenztabelle durch die Rechtsvorgängerin der Beklagten nicht als ausreichendes Indiz für einen entsprechenden Willen des Erblassers gewertet werden.

18

Schließlich ist die Zweifelsregelung zur Anwendung zu bringen, wonach bei Unsicherheiten nicht von einer Novation auszugehen ist (BGH, Urt. v. 01.10.2002, NJW2003, 59, 59 [BGH 01.10.2002 - IX ZR 443/00]).

19

Die Einrede der Verjährung kann auch dann noch erhoben werden, wenn der Hauptschuldner, wie hier die Sxxx-GmbH nach Insolvenz durch Löschung im Handelsregister weggefallen ist und damit auch die Forderung gegen sie untergegangen ist. Zum einen hat der Wegfall der Hauptschuld nicht zur Folge, dass die Bürgschaftsforderung ebenfalls erlischt, denn diese besteht seit dem Untergang der Hauptschuldnerin als selbständige Forderung fort (BGH, Urt. v. 28.01.2003-XI ZR 243/02). Zum anderen kann sich der Bürge weiterhin auf die Einrede der Verjährung der Hauptforderung berufen (BGH, Urt. v. 28.01.2003 - XI ZR 243/02).

20

Der Kläger hat auch nicht konkludent auf die Einrede der Verjährung verzichtet. Ein entsprechender Erklärungswille kann seinem Verhalten vor und bei Vertragsschluss nicht beigelegt werden. Allein der Abschluss des Darlehensvertrages reicht nicht aus, um von einem konkludenten Verzicht auszugehen (vgl. OLG Bamberg, Urt. v. 14.01.1998 - 3 U 60/97).

21

In dem Abschluss des Darlehensvertrages kann aus den gleichen Gründen auch kein Schuldanerkenntnis nach §§ 780, 781 BGB gesehen werden. Ein hierauf gerichteter Wille kann dem Kläger nicht unterstellt werden. Auch spricht dagegen nicht, dass nach § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB jede Ratenzahlung als eine Annerkennung der Schuld gilt. Denn hierbei ist zwischen Bürgschaftsschuld und Hauptschuld zu unterscheiden. Der Neubeginn der Verjährung der Bürgschaftsforderung führt nicht zum Neubeginn der für die Hauptforderung laufenden Verjährung (Münchener Kommentar/Grothe, BGB, 4. Aufl., 2006, § 212 Rn. 4).

22

Ein rechtsmissbräuchliches oder treuwidriges Verhalten des Klägers entgegen § 242 BGB liegt nicht vor. Ihm ist die Berufung auf die Verjährung der Hauptschuld auch nicht verwehrt, weil er eine ratenweise Tilgung der Bürgschaftsschuld begehrt hat. Es ist nicht ersichtlich, warum der Kläger hierdurch nach objektiven Maßstäben das Vertrauen darauf erweckt haben soll, er werde die Ansprüche der Beklagten unabhängig von ihm zustehenden Einreden nach§ 768 BGB, insbesondere die der Verjährung der Hauptschuld auf jeden Fall erfüllen (vgl. OLG Bamberg, Urt. v. 14.01.1998 - 3 U 60/97). Der Rechtsvorgängerin der Beklagten stand es offen, Verjährungs hemmende Maßnahmen zunächst gegen den Hauptschuldner und nach dessen Wegfall gegen den Bürgen selbst einzuleiten (vgl. BGH, Urt. v. 12.03.1980, NJW 1980, 1460, 1461 [BGH 12.03.1980 - VIII ZR 115/79]; BGH NJW 2003, 1250, 1252). Da sie dieses unterlassen hat, ist sie auch nicht in besonderem Maße schutzwürdig.

23

II.

Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB seit Rechtshängigkeit am 19.10.2007.

24

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, S. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 2 ZPO.

Dr. Kxxx