Landgericht Lüneburg
Urt. v. 02.02.2009, Az.: 1 O 125/08

Widerruf eines Verbraucherdarlehensvertrages durch einen Insolvenzverwalter; Wirksamkeit einer Widerrufsbelehrung

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
02.02.2009
Aktenzeichen
1 O 125/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 36260
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2009:0202.1O125.08.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
OLG Celle - 17.06.2009 - AZ: 3 U 53/09

In dem Rechtsstreit
...
hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 01.12.2008
durch
den Richter am Landgericht Wolfer als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.275,40 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.04.2008 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 125 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger ist durch Beschluss des Amtsgerichts Celle vom 23.11.2007 (44 IK 151/07) zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Melanie Becker bestellt worden.

2

Am 19.07.2002 schlossen Melanie Becker (damals Osmers) und Bernd Osmers mit der Citibank Privatkundenbank AG einen Darlehensvertrag über 45.484,24 € (Nettokreditsumme 23.423,25 €; Versicherungsbeitrag 5.275,40 €; Bearbeitungsgebühr und Umschuldungssumme Rest). Vereinbart war der Abschluss einer Restschuldversicherung (eine Kreditlebensversicherung vereinbarten die beiden Darlehensnehmer; eine Arbeitsunfähigkeitszusatzversicherung und Arbeitslosigkeitsversicherung nur der Darlehensnehmer Bernd Osmers), wofür Kosten von 5.275,40 € entstanden, wobei der Versicherungsbetrag geleistet wurde. Der Kreditvertrag beinhaltete keine Widerrufsbelehrung zur Restschuldversicherung. Die Citibank Privatkunden AG firmiert seit ihrer Umwandlung im Jahre 2003 unter der Beklagten.

3

Das Versicherungsverhältnis wurde am 26.01.2005 aufgelöst und der Rückkaufwert dem Kreditkonto gutgeschrieben. Die Forderung aus dem Kreditvertrag verkaufte die Beklagte am 28.04.2006 an die Firma Aktiv Kapital Deutschland GmbH. Dieser Verkauf wurde der Insolvenzschuldnerin angezeigt.

4

Mit Schreiben vom 17.03.2008 widerrief der Kläger die Restschuldversicherung und nach seiner Behauptung den Kreditvertrag. Der Insolvenzverwalter über das Vermögen des Mitdarlehensnehmers Bernd Osmers trat seine Forderungen gegen die Beklagte an den Kläger ab.

5

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.275,40 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.04.2008 zu zahlen.

6

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

7

Sie meint, auf Grund der Abtretung sei sie nicht (mehr) passivlegitimiert.

8

Der Widerruf des Kreditvertrages liege nicht vor.

9

Der Widerruf der Versicherung gehe ins Leere, denn das Versicherungsverhältnis sei bereits am 26.01.2005 aufgelöst und der Rückkaufwert der Versicherung dem Kreditkonto der Insolvenzschuldnerin gutgeschrieben worden.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der (Mit-) Darlehensnehmerin kann die von dieser gezahlten Einmal-Versicherungsprämie in Höhe der Klagforderung nach den §§358 Abs. 3 u. 4, 357, 346 ff. BGB von der Beklagten als Darlehensgeberin zurückverlangen.

11

1.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist diese passivlegitimiert, weil die Abtretung der Forderung aus dem Darlehensvertrag zwar den Anspruch der Darlehensgeberin gegenüber den Darlehensnehmern berührt, den Darlehensnehmern jedoch ihren Vertragspartner nicht nimmt.

12

2.

Der vom Kläger mit Schreiben vom 17.03.2008 erklärte Widerruf des Kreditvertrags erfasst auch die hier streitgegenständliche Restschuldversicherung. Dieser Widerruf ist wirksam.

13

a)

Weil es sich bei dem am 19.07.2002 begründeten Darlehen unstreitig um ein Verbraucherdarlehen handelt, ist den Darlehensnehmern nach den §§495, 355 BGB ein Widerrufsrecht nach §355 BGB eingeräumt.

14

b)

Der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der (Mit-) Darlehensnehmerin Melanie Becker hat mit Schreiben vom 17.03.2008 den Vertrag in Textform (vgl. §355 Abs. 1 Satz 1 BGB) widerrufen.

15

c)

Der Widerruf des Klägers vom 17.03.2008 ist fristgemäß.

16

Die Widerrufsfrist beträgt zwar nach §355 Abs. 1 Satz 2 BGB grundsätzlich zwei Wochen. Das Widerrufsrecht der Darlehensnehmer bzw. des Klägers ist hier jedoch nicht erloschen, weil die Darlehensnehmer über ihr Widerrufsrecht nicht ordnungsgemäß belehrt worden sind (vgl. §355 Abs. 3 BGB).

17

In dem Vertrag vom 19.07.2002 ist zwar eine Belehrung der Darlehensnehmer erfolgt. Diese Belehrung genügt jedoch nicht den Anforderungen des §14 Abs. 1 BGB-InfoV, weil insbesondere ist die Anlage 2 zu §14 BGB-InfoV nicht verwandt worden ist. Der eigene Text der Belehrung genügt jedoch nicht den Anforderungen des§355 Abs. 2 BGB, weil eine Belehrung der Darlehensnehmer darüber unterblieb, dass diese im Falle des Widerrufs des Darlehensgeschäfts auch an den Versicherungsvertrag nicht gebunden sind.

18

Dass der Widerruf diese Folge hat, ergibt sich daraus, dass der streitgegenständliche Versicherungsvertrag mit dem Darlehensgeschäft eine wirtschaftliche Einheit bildet, es sich mithin um ein verbundenes Geschäft handelt. Die Verbundenheit folgt daraus, dass sich zum Abschluss einer solchen Versicherung die Parteien in dem Ratenkreditvertrag mit der Maßgabe verständigten, dass die einmalige Versicherungsprämie in Höhe der Klagforderung durch die Darlehenssumme von der Klägerin mitfinanziert wird. Durch die über die Klägerin als Versicherungsnehmerin bei der Beklagten abgeschlossene Versicherung soll bei Eintritt des Versicherungsfalles die Erfüllung der Ansprüche der Darlehensgeberin aus dem Kreditvertrag durch Zahlung des noch offenen Rests der Kreditschuld durch den Versicherer (§267 BGB) gesichert und die Darlehensnehmer von einer entsprechenden Zahlungspflicht befreit werden. Die beiden rechtlich selbständigen Verträge stehen somit in solch einem engen Zusammenhang, dass diese sich jeweils als Teilstück einer rechtlichen oder wenigstens wirtschaftlich-tatsächlichen Einheit darstellen und sich ergänzen. Der Kredit wird einerseits (auch) zu dem Zweck gewährt, die Versicherungsprämie zu begleichen und andererseits wirken Darlehensgeber und Versicherer bei Abschluss der Verträge eng zusammen.

19

Die Widerrufsmöglichkeit des §8 VVG schließt den Widerruf nicht aus, denn diese Norm ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht abschließend, weil sie die verbraucherschützenden Vorschriften der §§355 ff. BGB; die Ausprägung der Richtlinien 94/47/EG und 97/7/EG sind, nicht einschränken.

20

d)

Zum Widerruf ist der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der (Mit-) Darlehensnehmerin Melanie Becker berechtigt, denn die Insolvenzschuldnerin ist eigenständige Versicherungsnehmerin, weil diese beide Verträge unterzeichnet hat. Im Übrigen heißt es in der Widerrufsbelehrung der Beklagten, jeder Kreditnehmer könne den Vertrag widerrufen.

21

e)

Der Widerruf des Klägers vom 17.03.2008 ist seinem Sinn und Zweck nach, insbesondere aufgrund des Verweises auf die Entscheidung des Landgerichts Hamburg vom 11.07.2007 dahin auszulegen, dass dieser sich gegen das verbunden Geschäfts in Gesamtheit richtet.

22

3.

Der Widerruf führt dazu, dass der Versicherungsvertrag nach Maßgabe der genannten Vorschriften rückabzuwickeln ist, wobei dem Kläger der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens und die Verrechnung der Versicherungssumme mit der Darlehenssumme nicht entgegengehalten werden kann.

23

4.

Die Zinsforderung folgt aus §§286, 288 BGB, denn durch Schreiben des Klägers vom 17.03.2008 bestand ab 16.04.2008 Verzug der Beklagten.

24

Die prozessualen Nebenentscheidungen haben ihren Rechtsgrund in den §§91, 709 ZPO.

Wolfer