Landgericht Lüneburg
Urt. v. 20.03.2009, Az.: 6 S 115/08

Erstreckung einer Beschlagnahme i.R.e. Zwangsverwaltung auch auf die sich unmittelbar aus einem Mietverhältnis ergebenden Schadensersatzansprüche; Wirksamkeit eines Forderungskaufvertrages trotz eines groben Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung und einer Zielsetzung zur Erschwerung der Forderungsdurchsetzung; Wirksamkeit einer Abtretung von Mietdifferenzforderungen nach einer bereits erfolgten Beschlagnahme durch einen Zwangsverwalter

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
20.03.2009
Aktenzeichen
6 S 115/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 37854
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2009:0320.6S115.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Celle - 06.08.2008 - AZ: 13a C 83/08
nachfolgend
BGH - 08.12.2010 - AZ: XII ZR 86/09

In dem Rechtsstreit
...
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 ZPO
mit einer Erklärungsfrist bis zum 12.03.2009
am 20.03.2009
durch
XXX, XXX und XXX
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.)

    Die Berufung wird zurückgewiesen.

  2. 2.)

    Die Kosten der Berufung trägt die Klägerin.

  3. 3.)

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Freigabe eines beim Amtsgericht ... hinterlegten Geldbetrages in Anspruch.

2

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen.

3

Wegen des Sachverhalts wird gemäß § 540 ZPO auf die Feststellungen des Amtsgerichts ... vom 06.08.2008 Bezug genommen.

4

Die Klägerin hat gegen das Urteil Berufung eingelegt und verfolgt ihr ursprüngliches Begehren weiter.

5

Sie behauptet, dass mit dem Forderungskaufvertrag zwar eine Forderung der Frau ... gegen Herrn ... gekauft worden sei, zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses jedoch noch keine Forderung in Höhe von 17.907,47 EUR bestanden habe. Insoweit - meint die Klägerin - sei die Auslegung des Forderungskaufvertrages durch das Amtsgericht dahingehend, dass nur die bis zum Dezember 2005 entstandenen Forderungen an die Klägerin verkauft worden seien, unzutreffend. Die Parteien seien sich einig, dass der Betrag von 17.907,47 EUR erst im Laufe der Zahlungen bis zum März 2013 auflaufen würde und die Forderungen vorher nur dem Grunde nach bestanden hätten. Weiterhin könne die Beklagte in ihrer Funktion als Zwangsverwalterin die streitgegenständlichen Forderungen nicht geltend machen, da diese Forderungen zum einen keine Mietforderungen, sondern Schadensersatzforderungen seien, und zum anderen das diesen Forderungen zu Grunde liegende Mietverhältnis mehr als ein Jahr vor der Beschlagnahme des Grundstückes beendet worden sei.

6

Die Klägerin beantragt daher,

das Urteil des Amtsgerichts ... vom 06.08.2008, Az.: 13a C 83/08 (8a), zugestellt am 29.08.2008, abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, die Freigabe des beim Amtsgericht ... zum Az.: HL 07340073 hinterlegten Betrages in Höhe von 3.634,47 EUR gegenüber der Klägerin zu erklären.

7

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

8

Sie schließt sich - unter Aufrechterhaltung ihres erstinstanzlichen Vortrags - den Ausführungen des Amtsgerichts an. Sie stimmt insbesondere der Auslegung des Amtsgerichts, dass von dem Forderungskaufvertrag lediglich Forderungen bis Dezember 2005 umfasst worden seien, zu. Darüber hinaus sei es unerheblich, ob es sich bei den verkauften Forderungen um Mietzinsforderungen oder Schadensersatzansprüche handele, da nach der gesetzlichen Systematik davon auszugehen sei, dass die Beschlagnahme sich auch auf sich unmittelbar aus dem Mietverhältnis ergebende Schadensersatzansprüche erstrecke. Zuletzt sei der Forderungskaufvertrag ein Scheinvertrag und deshalb nichtig.

9

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt sämtlicher Schriftsätze nebst Anlagen und sonstigen Aktenteilen Bezug genommen.

10

II.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

11

Im Ergebnis zutreffend hat das Amtsgericht die Klage abgewiesen.

12

Zwar ist die Klägerin Inhaberin der streitgegenständlichen Forderungen geworden (1.). Jedoch war zu deren Einzug vorliegend allein die Beklagte in ihrer Funktion als Zwangsverwalterin berechtigt (2.).

13

1.

Die Klägerin ist Inhaberin der hier streitgegenständlichen Mietdifferenz-Forderungen für den Zeitraum September 2006 bis April 2007 geworden, da sie diese rechtswirksam auf Grund des Forderungskaufvertrages vom 15.12.2005 erworben hat.

14

Nach der in jenem Vertrag getroffenen Regelung verkaufte Frau ... an die Klägerin unter anderem eine Forderung gegenüber Herrn ... aus dem Gewerbemietvertrag vom 22.01.2003 sowie eine Forderung gegenüber Herrn ... aus der Vereinbarung aus Januar 2005 (Anlage K 1, Bl. 5 f. d.A.) über Differenz-Mietzahlungen wegen vorzeitiger Beendigung eines Zeitmietvertrages (Anlage K 2, Bl. 7 ff. d.A.). Die Forderungshöhe wurde im Dezember 2005 mit 17.907,47 EUR betitelt. Diese Forderungen trat Frau ... an die Klägerin ab (§ 398 BGB).

15

Die Abtretung umfasste grundsätzlich auch die hier streitgegenständlichen Forderungen.

16

Denn entgegen der Auffassung der Beklagten, erstreckt sich der Forderungskauf der Klägerin auch auf Forderungen, die erst nach Dezember 2005 fällig geworden sind. Dies ergibt sich aus den Erklärungen in dem besagten Kaufvertrag. Mit diesem wurden sämtliche Differenz-Mietzahlungen, die Herr ... bis zum ursprünglich vereinbarten Ablauf des Zeitmietvertrages im Jahre 2013 an Frau ... zu leisten hatte, erfasst. Eine Einschränkung dahingehend, dass nur Forderungen bis Ende Dezember 2005 verkauft werden sollten, lässt sich dem Vertrag nicht entnehmen und ist von den Parteien erstinstanzlich auch nicht vorgetragen worden. Eine Einschränkung des Schuldgrundes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Forderungshöhe mit "Stand Dezember 2005: 17.907,47EUR" bezeichnet wurde. Mit dieser Formulierung wird allein der Stand der Forderung im Dezember 2005 festgehalten. Ob damit - wie die Klägerin meint - erklärt werden sollte, dass bis 2013 Forderungen von insgesamt 17.907,47 EUR anfallen werden, oder ob damit festgehalten werden sollte, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zwischen Frau ... und der Klägerin Forderungen in dieser Höhe gegenüber Herrn ... angelaufen waren, lässt sich nicht eindeutig feststellen. Für die Entscheidung ist dies jedoch unerheblich, da in beiden Fällen die hier streitgegenständlichen Forderungen mit umfasst sind.

17

Etwas anderes würde nur gelten, wenn in dem Vertrag explizit angeführt worden wäre, dass aus der Vereinbarung aus Januar 2005 über Differenz-Mietzahlungen wegen vorzeitiger Beendigung des Mietverhältnisses nur ganz konkrete, einen bestimmten Zeitraum betreffende Forderungen gegenüber Herrn ... an die Klägerin verkauft werden sollten. Dies ist jedoch nicht der Fall.

18

Der Forderungskaufvertrag scheitert zudem nicht an mangelnder Bestimmtheit der Forderungen. Auch künftige Forderungen können abgetreten werden, wenn sie hinreichend bestimmt sind. Dies ist vorliegend der Fall. Denn sowohl der Grund als auch die Höhe der künftigen Forderungen waren festgelegt. Der Schuldgrund war die Vereinbarung der Frau ... mit Herrn ..., die Höhe ergibt sich aus der Mietdifferenz zwischen dem mit Herrn ... geschlossenen und dem mit der neuen Mieterin, Frau ..., geschlossenen Mietverhältnis.

19

Weiter ist der Forderungskaufvertrag vorliegend auch nicht wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) unwirksam. Der Beklagten ist zwar zuzustimmen, dass die Umstände des Kaufvertrages, insbesondere das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung, auffällig sind und die Annahme, dass durch diesen Vertrag den Gläubigerin der Frau ... die Durchsetzung ihrer Forderungen erschwert werden sollte, nahe liegt. Allerdings erfüllt nicht jede rechtsgeschäftliche Vermögensdisposition eines Schuldners, die den Zweck verfolgt, Gläubigerrechte zu vereiteln, die Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB. Solche Sachverhalte werden im allgemeinen vom Institut der Gläubigeranfechtung erfasst (§§ 1 ff. AnfG; §§ 129 ff. InsO), welches die Wirksamkeit der anfechtbaren Rechtshandlung gerade voraussetzt. Eine Anfechtung nach den Vorschriften des Anfechtungsgesetzes wegen Gläubigerbenachteiligung ist indes nicht erfolgt. Zudem reichen die Gesamtumstände vorliegend für die Annahme der Sittenwidrigkeit wegen Vereitelung der Gläubigerrechte nicht aus. Voraussetzung hierfür ist nämlich neben dem krassen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung zudem ein planmäßiges Zusammenarbeiten mit eingeweihten Helfern, um das wesentliche pfändbare Vermögen vor dem Zugriff der Gläubiger zu retten (BGHZ 130, 314, 331 m.w.N.). Bereits die Annahme eines krassen Missverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung ist vorliegend zweifelhaft. Denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass zum einen schon der Bestand diverser Forderungen streitig war bzw. ist und zum anderen ein Großteil der von der Klägerin gekauften Forderungen nicht durchsetzbar war bzw. ist (vgl. Anlage K 8, Bl. 133 ff. d.A.). Ferner ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass Frau ... als Schuldnerin unter aktiver und bewusster Mithilfe der Klägerin planmäßig ihren gesamten Vermögensbestand durch den Forderungskaufvertrag auf die Klägerin übertragen hat, um diesen für die Gläubiger unverwertbar zu machen.

20

Schließlich ist in dem Forderungskaufvertragvertrag auch kein Scheingeschäft im Sinne des § 117 BGB - mit der Folge der Nichtigkeit des Vertrages - zu sehen. Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Vertragspartner nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäftes hervorrufen, die mit dem Rechtsgeschäft verbundenen Rechtsfolgen aber nicht eintreten lassen wollen. Dies war hier nicht der Fall. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin durch die Abtretung nicht Inhaberin der Forderungen werden sollte bzw. der Kaufpreis nicht gezahlt wurde, sind nicht ersichtlich. Der diesbezügliche Vortrag der insoweit darlegungspflichtigen Beklagten beruht auf reinen Vermutungen, ist unsubstantiiert und damit unbeachtlich.

21

Nach alledem ist die Klägerin Inhaberin der streitgegenständlichen Forderungen geworden.

22

2.

Die Abtretung der streitgegenständlichen Mietdifferenzforderungen war jedoch gegenüber der Beklagten unwirksam,§§ 1123, 1124 Abs. 2 BGB, 23 Abs. 1 S. 1, 146 ZVG.

23

Nach § 1124 Abs. 2 BGB ist die Verfügung dem Zwangsverwalter gegenüber unwirksam, soweit sie sich auf Miete für eine spätere Zeit als den zur Zeit der Beschlagnahme laufenden Kalendermonat bezieht.

24

Dies war vorliegend der Fall. Die Beschlagnahme des Grundstückes wurde mit Zustellung des Zwangsverwaltungsbeschlusses an Frau ... am 07.07.2006 wirksam (§§ 146, 22 Abs. 1 S. 1 ZVG). Die streitgegenständlichen Forderungen wurden in der Zeit von September 2006 bis April 2007 jeweils zum 3. Werktag eines jeden Monats fällig.

25

Die streitgegenständlichen Forderungen waren zudem von der Beschlagnahme umfasst. Der Umfang der mit der Anordnung der Zwangsverwaltung erfolgten Beschlagnahme ergibt sich aus §§ 146 Abs. 1, 148 Abs. 1, 20 Abs. 2, 21 Abs. 1 u. 2 ZVG. Nach diesen Vorschriften erstreckt sich die Beschlagnahme auf alle Gegenstände, die von der Hypothekenforderung umfasst sind. Die streitgegenständlichen Forderungen auf Ersatz des Mietausfallschadens sind zwar in den§§ 1123, 1124 BGB, in denen die vom Haftungsverband erfassten Forderungen aufgezählt sind, nicht genannt. Die Kammer hält jedoch eine entsprechende Anwendung der für Miet- und Pachtzinsforderungen geltenden Vorschriften der §§ 1123 ff. BGB insoweit für geboten.

26

Sinn und Zweck der Zwangsverwaltung ist die Befriedigung der Gläubiger aus den Nutzungen des Grundstückes zu erreichen. Dementsprechend werden alle laufenden Erträge und Einkünfte des Grundstückes von der Beschlagnahme umfasst. Da ein vertraglich vereinbarter Mietausfallanspruch in Form eines Schadensersatzanspruches an die Stelle des Teils der Mieteinkünfte tritt, um den der nunmehr erzielbare Mietzins im Verhältnis zu dem bisherigen Mietpreis geringer ist und er dementsprechend auch auf den Monat bezogen fällig und gezahlt wird, erscheint es sachgerecht, den Mietausfallanspruch Mietzinsforderungen gleichzustellen. Dafür spricht auch, dass der Vermieter durch die Vereinbarung eines derartigen Mietausfalls sicherstellen will, dass er die ursprünglich vereinbarte Miete bis zum Ablauf des ursprünglichen Mietverhältnisses weiterhin erhält; unabhängig davon, ob bzw. wie viel der neue Mieter zahlt. Der Vermieter möchte mit einer derartigen Vereinbarung einem Mietverlust entgegenwirken. Die Mietdifferenzzahlungen dienen deshalb der Erhaltung der (ursprünglichen) Ertragslage und stellen aus diesem Grund Mietersatz dar, welcher der Miete gleichzustellen ist.

27

Für diese Auslegung spricht weiterhin, dass das Gesetz mit der Beschlagnahme der Mietzinsforderung dem Zwangsverwalter die voraussichtlich aus dem bestehenden Mietvertrag zu erwartenden Einnahmen zur Verwertung zuweisen will. Diese Einnahmen sollten in dem konkreten Fall genauso hoch sein, wie in dem zuvor mit Herrn ... bestehenden Mietverhältnis. Deswegen verpflichtete jener sich, Ersatz für den teilweisen Ausfall der Mietzinsen zu zahlen, soweit das Mietobjekt nicht bzw. nicht in vollem Umfang anderweitig vermietet werden konnte. Sollten die als Mietersatz gedachten Leistungen des Herrn ... nunmehr weiterhin der Vermieterin und Schuldnerin, Frau ..., zukommen, würde dies dem Sinn der gesetzlichen Regelung, nämlich den Gläubigern der Zwangsverwaltung Befriedigung aus den Nutzungen des Grundstücks zu verschaffen, widersprechen. Nur wenn die Mietausfallleistungen den Mietzinsforderungen gleichgestellt werden, wird eine nicht beabsichtigte Gläubigerbenachteiligung vermieden.

28

Nach alledem ist die Erstreckung der Beschlagnahme in der Zwangsverwaltung auf die hier streitgegenständlichen Forderungen durch die entsprechende Anwendung der §§ 1123 BGB gerechtfertigt, da sie Mietersatz darstellen.

29

3.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

30

Die Ausführungen der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 17.03.2009 geben keine Veranlassung zu einer Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.

31

Die Revision wird zugelassen, § 543 ZPO.

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