Landgericht Lüneburg
Urt. v. 19.11.2009, Az.: 9 O 120/08

Rechtmäßigkeit mehrerer Kündigungen eines Dienstvertrages sowie Anspruch auf ausstehende Entgeltfortzahlungen; Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen im Wege einer Widerklage; Voraussetzungen einer Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Dienstverhältnisses; Anforderungen an einen außerordentlichen Kündigungsgrund; Voraussetzungen einer Verdachtskündigung; Voraussetzungen für eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
19.11.2009
Aktenzeichen
9 O 120/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 30274
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2009:1119.9O120.08.0A

Verfahrensgegenstand

Feststellung des Bestehens eines Dienstverhältnisses u.a.

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs.1 BGB besteht, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dies ist der Fall, wenn die feststehenden Tatsachen generell geeignet sind, einen wichtigen Grund darzustellen und dies auch nach einer umfassenden Interessenabwägung für den konkreten Einzelfall gilt. Beruft sich der Kündigende auf mehrere Gründe zur Rechtfertigung seiner fristlosen Kündigung, so ist zunächst zu prüfen, ob nicht bereits einer der herangezogenen Gründe für sich genommen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar erscheinen lässt. Ist dies nicht der Fall, so ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen.

  2. 2.

    Die fehlerhafte Rechtsauffassung eines als Hauptgeschäftsführer eingesetzten Juristen in einer durch die Rechtsprechung bislang nicht zweifelsfrei geklärten Rechtsfrage stellt keinen wichtigen Grund gemäß § 626 BGB dar, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Die Fortsetzung des Dienstverhältnisses wegen ggfs. fehlender fachlicher Eignung ist nicht unzumutbar. Eine Überprüfung der fachlichen Eignung muss vor der Anstellung erfolgen; eine möglicherweise erst nachträglich ersichtliche fehlende Eignung rechtfertigt allenfalls eine ordentliche Kündigung des Vertrages nach Ablauf der Mindestlaufzeit.

  3. 3.

    Die Abberufung als Hauptgeschäftsführer ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes gemäß § 626 Abs. 1 BGB ist für den Bestand des zivilrechtlichen Dienstvertrages unerheblich.

  4. 4.

    Der durch bestimmte Tatsachen objektiv begründete dringende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen schwerwiegenden Verfehlung (Verletzung einer Interessenwahrungspflicht) kann einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung bilden. Der Verdacht muss immer dringend sein, und zwar nicht nur hinsichtlich des Gewichts, sondern auch hinsichtlich der strafbaren Handlung oder der Vertragswidrigkeit, deren der Arbeitnehmer verdächtig ist.

In dem Rechtsstreit
...
hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 07.10.2009
durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht W. und
die Richter am Landgericht F. und Dr. R.
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. I.

    Es wird festgestellt, dass das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis

    1. 1.

      durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 07.04.2008 nicht aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 07.04.2008 hinaus fortbesteht,

    2. 2.

      durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 07.04.2008 nicht am 30.06.2008 beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.06.2008 hinaus fortbesteht,

    3. 3.

      durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 07.04.2008 nicht am 30.06.2008 beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.06.2008 hinaus fortbesteht,

    4. 4.

      durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 07.04.2008 zum frühestmöglichsten Zeitpunkt nicht aufgelöst werden wird, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,

    5. 5.

      durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 08.05.2008 nicht aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 08.05.2008 hinaus fortbesteht,

    6. 6.

      durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 08.05.2008 nicht am 30.06.2008 beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.06.2008 hinaus fortbesteht,

    7. 7.

      durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 08.05.2008 nicht am 30.06.2008 beendet worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.06.2008 hinaus fortbesteht,

    8. 8.

      durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 08.05.2008 zum frühestmöglichsten Zeitpunkt nicht aufgelöst werden wird, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht,

    9. 9.

      durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 14.11.2008 nicht aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 14.11.2008 hinaus fortbesteht,

    10. 10.

      durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 30.01.2009 nicht aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.01.2009 hinaus fortbesteht.

      Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger

    11. 11.

      9.941,75 EUR brutto zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.05.2008 zu zahlen,

    12. 12.

      weitere 12.300,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.06.2008 zu zahlen,

    13. 13.

      weitere 12.300,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.07.2008 zu zahlen,

    14. 14.

      weitere 12.300,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.08.2008 zu zahlen,

    15. 15.

      weitere 12.300,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2008 zu zahlen,

    16. 16.

      weitere 12.300,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.10.2008 zu zahlen,

    17. 17.

      weitere 11.144,64 EUR brutto zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2008 zu zahlen,

    18. 18.

      weitere 10.133,70 EUR brutto zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen,

    19. 19.

      weitere 12.300,00 EUR brutto zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2008 zu zahlen,

    20. 20.

      weitere 45.583,33 EUR netto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf jeweils 2.500,00 EUR ab dem 01.11.2006, 01.12.2006, 01.01.2007, 01.02.2007, 01.03.2007, 01.04.2007, 01.05.2007, 01.06.2007, 01.07.2007, 01.08.2007, 01.09.2007, 01.10.2007, 01.11.2007, 01.12.2007, 01.01.2008, 01.02.2008, 01.03.2008, 01.04.2008 und auf weitere 583,33 EUR ab dem 01.05.2008 zu zahlen.

      Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  2. II.

    Die Widerklage wird abgewiesen.

  3. III.

    Die Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger zu 7% und die Beklagte zu 93% zu tragen.

  4. IV.

    Gegen den Kläger wird eine Verzögerungsgebühr in Höhe einer Gerichtsgebühr verhängt.

  5. V.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur wegen der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung sowie der Kosten gegen Sicherheitsleistung von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Der Kläger kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung von 110% des gegen ihn aus Ziff. III vollstreckbaren Betrages, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

    Der Kläger darf die Sicherheit durch eine schriftliche, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland zu Geschäftsbetrieb befugten Kreditinstituts bewirken.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit seitens der Beklagten ausgesprochener Kündigungen des Dienstvertrages des Klägers, ausstehende Entgeltfortzahlungsansprüche sowie widerklagend um die Feststellung der Verpflichtung des Klägers zum Schadensersatz gegenüber der Beklagten.

2

Die Parteien schlossen am 15.12.2005 einen Dienstvertrag (klägerische Anlage K1, Bl.7 ff d.A.). Das Dienstverhältnis des Klägers begann vertragsgemäß zum 01.09.2006, die Übernahme des Amtes des Hauptgeschäftsführers der Beklagten erfolgte zum 01.10.2006. Als monatliches Entgelt sah der Dienstvertrag einen Betrag von 12.300,00 EUR brutto, ein 13. Jahresgehaltes, eine steuerfreie Aufwandsentschädigung von 306,78 EUR, einen Dienstwagen sowie eine weitere variable Vergütung vor. Die Parteien schlossen das Dienstverhältnis auf unbestimmte Dauer, wobei eine (ordentliche) Kündigung erstmals nach Ablauf von 5 Jahren seit Inkrafttreten des Vertrages, mithin ab dem 31.08.2011 mit einer Frist von 18 Monaten zum Quartalsende möglich sein sollte gem. § 15 des Vertrages.

3

Die Vollversammlung der Beklagten wählte den Kläger am 12.01.2006 zum Hauptgeschäftsführer. Am 07.04.2008 rief ihn die Vollversammlung von diesem Amt wieder ab. Seine hiergegen gerichtete Klage vor dem Verwaltungsgericht Lüneburg blieb erfolglos (Urteil desVerwaltungsgerichts Lüneburg vom 23.07.2008 - 5a 64/08 -, Anlage B41, Bl. 231 ff d.A.). In zweiter Instanz hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg seinen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt (Beschluss des Nds. Oberverwaltungsgerichts vom 19.11.2008 - 8 ME 51/08 und 5 B 12/08 - Bl. 595 ff d.A.).

4

Mit Schreiben vom 07.04.2008 (Anlage K2, Bl.14 d.A.), dem Kläger zugegangen am selben Tag, kündigte die Beklagte das Dienstverhältnis gegenüber dem Kläger ohne Angabe von Gründen fristlos, hilfsweise außerordentlich mit einer Frist zum 30.06.2008, hilfsweise ordentlich zum 30.06.2008 sowie hilfsweise ordentlich zum frühestmöglichsten Zeitpunkt. Durch Schreiben vom 11.04.2008 forderte der Kläger die Beklagte auf, die Kündigungsgründe unverzüglich mitzuteilen. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 22.04.2008 (Anlage K4, Bl.20 ff d.A.).

5

Die Beklagte kündigte erneut mit Schreiben vom 08.05.2008 (klägerische Anlage K5, Bl.33 d.A.), dem Kläger zugegangen am selben Tag, das Dienstverhältnis gegenüber dem Kläger ohne Angabe von Gründen erneut fristlos, hilfsweise außerordentlich mit einer Frist zum 30.06.2008, hilfsweise ordentlich zum 30.06.2008, hilfsweise ordentlich zum frühestmöglichsten Zeitpunkt. Durch Schreiben vom 13.05.2008 (klägerische Anlage K6, Bl.34 d.A.) forderte der Kläger die Beklagte auf, die Kündigungsgründe unverzüglich mitzuteilen. Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 19.05.2008 (klägerische Anlage K7, Bl.35 d.A.) und verwies hinsichtlich der Kündigungsgründe auf das Schreiben vom 22.04.2008.

6

Weiterhin kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 14.11.2008 (klägerische Anlage K67, Bl.302 d.A.), dem Kläger zugegangen am 17.11.2008, das Dienstverhältnis erneut fristlos.

7

Durch Schreiben vom 30.01.2009 (Anlage B72, Bl.573 d.A.) kündigte die Beklagte dem Kläger unter Aufrechterhaltung der bisher ausgesprochenen Kündigungen erneut fristlos das Dienstverhältnis.

8

Der Kläger hält sämtliche Kündigungen für unwirksam und verlangt Zahlung von Gehalt für die Zeit von April bis November 2008 zzgl. Weihnachtsgeld für 2008 und einbehaltene Gehaltsanteile in Höhe von 45.583,33 EUR.

9

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Laufzeit seines Dienstvertrages von der Bestellung als Hauptgeschäftsführer der Beklagten unabhängig sei, da es sich um zwei rechtlich selbstständig voneinander zu beurteilende Rechtsbeziehungen handele. Zudem seien der Vollversammlung im Zeitpunkt seiner Bestellung die maßgeblichen Bestandteile des Dienstvertrages bekannt gewesen. Sein Monatsgehalt sei ab September 2007 auf 15.377,00 EUR angehoben worden, so dass Rückstände für die Monate September 2007 bis März 2008 in Höhe von 24.616,00 EUR aufgelaufen seien. Darauf habe er sich in einem Gespräch mit dem Präsidenten der Beklagten am 09.07.2007 geeinigt und man habe vereinbart, die schriftliche Vertragsergänzung solle nach der Genehmigung durch das Präsidium erfolgen. Das Präsidium habe die Vereinbarung am 18.07.2007 genehmigt. Die unstreitig fehlende Einhaltung der Schriftform gem. § 18 des Dienstvertrages stehe der Wirksamkeit nicht entgegen.

10

Auch habe er einen Anspruch auf Auszahlung seiner Altersvorsorge. Unstreitig hat die Beklagte aus dem Gehalt des Klägers monatlich 2.500,00 EUR in den Monaten Oktober 2006 bis April 2008 einbehalten, insgesamt - ohne Zinsen - 45.583,33 EUR für eine Alters-, Invaliden- und Hinterbliebenenversorgung des Klägers.

11

Der Kläger hält darüber hinaus die ausgesprochenen Kündigungen für verfristet.

12

Nach einer teilweisen Klageänderung seitens des Klägers (Ziff. 13 und 14, Bl. 539 d.A. und Ziff. 16, Bl. 534, 535 d.A.) und übereinstimmender Erledigungserklärung des Widerklageantrages zu Ziffer 2 c) (Schadensersatzforderung wegen Kündigung der Mitgliedschaft der Beklagten beim Verband deutscher Wirtschaftsunternehmen) im Termin zur mündlichen Verhandlung beantragt der Kläger nunmehr,

  1. 1.

    festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 07.04.2008 nicht aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 07.04.2008 hinaus fortbesteht;

  2. 2.

    festzustellen dass das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 07.04.2008 nicht am 30.06.2008 beendet werden wird, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.06.2008 hinaus fortbesteht;

  3. 3.

    festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 07.04.2008 nicht am 30.06.2008 beendet werden wird, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.06.2008 hinaus fortbesteht;

  4. 4.

    festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 07.04.2008 zum frühestmöglichsten Zeitpunkt nicht aufgelöst werden wird, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;

  5. 5.

    festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 08.05.2008 nicht aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 08.05.2008 hinaus fortbesteht;

  6. 6.

    festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 08.05.2008 nicht beendet werden wird, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.06.2008 hinaus fortbesteht;

  7. 7.

    festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 08.05.2008 nicht am 30.06.2008 beendet werden wird, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.06.2008 hinaus fortbesteht;

  8. 8.

    festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 08.05.2008 zum frühestmöglichsten Zeitpunkt nicht aufgelöst werden wird, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht;

  9. 5.

    festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 14.11.2008 nicht aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 14.11.2008 hinaus fortbesteht;

  10. 6.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 24.616,00 EUR brutto zuzüglich 5% über dem Basiszinssatz seit dem 15.03.2008 zu zahlen;

  11. 7.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 13.018,75 EUR brutto zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.04.2008 zu zahlen;

  12. 8.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 15.377,00 EUR brutto zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.05.2008 zu zahlen;

  13. 9.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 15.377,00 EUR brutto zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.06.2008 zu zahlen;

  14. 10.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 15.377,00 EUR brutto zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.07.2008 zu zahlen;

  15. 11.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 15.377,00 EUR brutto zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2008 zu zahlen;

  16. 12.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 15.377,00 EUR brutto zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.09.2008 zu zahlen;

  17. 13.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 15.377,00 EUR brutto zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.10.2008 zu zahlen abzüglich von der Agentur für Arbeit gezahltes Arbeitslosengeld i.H.v. 1.155,36 EUR;

  18. 14.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 15.377,00 EUR brutto zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2008 zu zahlen abzüglich von der Agentur für Arbeit gezahltes Arbeitslosengeld i.H.v. 2.166,30 EUR;

  19. 15.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 15.377,00 EUR brutto zuzüglich 5% Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 16.11.2008 zu zahlen;

  20. 16.

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger weitere 45.583,33 EUR netto zuzüglich 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz nach folgender Maßgabe zu zahlen:

    1. a)

      auf 2.500,00 EUR ab dem 01.11.2006,

    2. b)

      auf weitere 2.500,00 EUR ab dem 01.12.2006,

    3. c)

      auf weitere 2.500,00 EUR ab dem 01.01.2007,

    4. d)

      auf weitere 2.500,00 EUR ab dem 01.02.2007,

    5. e)

      auf weitere 2.500,00 EUR ab dem 01.03.2007,

    6. f)

      auf weitere 2.500,00 EUR ab dem 01.04.2007,

    7. g)

      auf weitere 2.500,00 EUR ab dem 01.05.2007,

    8. h)

      auf weitere 2.500,00 EUR ab dem 01.06.2007,

    9. i)

      auf weitere 2.500,00 EUR ab dem 01.07.2007,

    10. j)

      auf weitere 2.500,00 EUR ab dem 01.08.2007,

    11. k)

      auf weitere 2.500,00 EUR ab dem 01.09.2007,

    12. l)

      auf weitere 2.500,00 EUR ab dem 01.10.2007,

    13. m)

      auf weitere 2.500,00 EUR ab dem 01.11.2007,

    14. n)

      auf weitere 2.500,00 EUR ab dem 01.12.2007,

    15. o)

      auf weitere 2.500,00 EUR ab dem 01.01.2008,

    16. p)

      auf weitere 2.500,00 EUR ab dem 01.02.2008,

    17. q)

      auf weitere 2.500,00 EUR ab dem 01.03.2008,

    18. r)

      auf weitere 2.500,00 EUR ab dem 01.04.2008,

    19. s)

      auf weitere 583,33 EUR ab dem 01.05.2008.

  21. 18.

    festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 30.01.2009 nicht aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 30.01.2009 hinaus fortbesteht,

    hilfsweise

    Befugung.

13

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

14

Widerklagend beantragt die Beklagte,

festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten den Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entstanden ist und noch entsteht, dass der Kläger

  1. a)

    der vom Personalrat unterschriebenen zweiseitigen Dienstvereinbarung erst nachträglich die Versorgungssatzung beigeheftet hat,

  2. b)

    die Gehälter der Mitarbeiter der Beklagten ab März 2009 linear um 4% angehoben hat.

15

Der Kläger beantragt,

die Widerklage abzuweisen.

16

Die Beklagte ist der Ansicht, die Laufzeit des Dienstvertrages des Klägers sei abhängig von der Bestellung des Klägers als Hauptgeschäftsführer durch die Hauptversammlung. Soweit der Dienstvertrag darüber hinaus gehe, sei er wegen Verstoßes gegen die Kompetenzverteilung zwischen Präsidium und Vollversammlung unwirksam. Daher komme bereits jetzt eine ordentliche Kündigung in Betracht.

17

Zudem lägen außerordentliche Kündigungsgründe vor, so dass ihr eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses mit dem Kläger nicht mehr zumutbar sei:

18

Der Kläger habe sich unberechtigt und allein auf Grund formaler Einwände geweigert, einen Vorschlag des Präsidiums hinsichtlich der Besetzung eines einzusetzenden Ausschusses der Vollversammlung zu übermitteln. Zudem habe der Kläger vom Präsidenten die Unterschrift unter Anschreiben verlangt, mittels derer gegenüber ausgeschiedenen Mitarbeitern die Kürzung von Pensionszahlung bekannt gegeben werden sollten, habe ihm aber zur Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der Kürzungen die Übersendung der jeweiligen Personalakten bzw. einer Kopie derselben verweigert.

19

Der Kläger habe am 22.12.2006 die Mitgliedschaft der Beklagten im V.d.W. zum 31.12.2007 gekündigt - was ihm unstreitig gestattet war -, aber danach trotz Bitten des Präsidiums der Beklagten die Kündigung nicht rückgängig gemacht oder ausgesetzt, wodurch der Beklagten ein Schaden von jedenfalls 300.000,00 EUR entstanden sei. Inzwischen ist die Mitgliedschaft der Beklagten rückwirkend wieder hergestellt worden.

20

Der Kläger habe sich bei seinen Handlungen auf das im Rahmen der Neuregelung der Altersvorsorge der Mitarbeiter der Beklagten unter Mitwirkung der K. AG eingeholte Gutachten des Rechtsanwalts G. verlassen, obwohl dieses offensichtlich mit handwerklichen Mängeln behaftet sei.

21

Der Kläger habe insbesondere auf einer Veranstaltung am 19.02.2008 den Personalrat der Beklagten über dessen Mitbestimmungsrecht bei der Neuregelung der Altersvorsorgeregelungen getäuscht. Auch habe der Kläger nachträglich an die seitens des Personalrats unterschriebene Dienstvereinbarung eine Versorgungsordnung, die integraler Bestandteil der Dienstvereinbarung sei, angeheftet. Diese habe einen mit dem Personalrat nicht abgesprochenen Inhalt gehabt. Insbesondere seien als Bemessungsgrundlage abredewidrig für die Altersvorsorge nicht 13,5 Monatsgehälter, sondern lediglich 12 Monatsgehälter zu Grunde gelegt worden. Die gesamte Neuregelung der Altersvorsorge sei auch unwirksam, da der Kläger gegen die zwingende Formvorschrift gem. § 78 Abs.2 NPersVG verstoßen habe. Die Dienstvereinbarung sei auch unwirksam, da die nach § 14 Abs. 2 der Satzung der Beklagten erforderliche Unterschrift des Präsidiums der Beklagten fehle. Des weiteren sei die von § 78 Abs. 2 NPersVG geforderte Schriftform nicht eingehalten worden, da die aus einer zweiseitigen Dienstvereinbarung und einer beigefügten Versorgungsordnung bestehende Gesamtvereinbarung bei der Unterschrift nicht vollständig zusammengeheftet vorgelegen habe. Vielmehr habe der Kläger die Urkunde erst nachträglich zusammengefügt und zuvor Änderungen vorgenommen, die mit dem Personalrat nicht abgestimmt gewesen seien.

22

Der Kläger pflege gegenüber dem Präsidium der Beklagten einen unangemessenen Umgangston, der nur auf Konfrontation ausgelegt gewesen sei und eine gedeihliche Zusammenarbeit unmöglich gemacht habe. Insbesondere habe der Kläger mehrfach mit den Präsidiumsmitgliedern über seinen Rechtsanwalt korrespondiert und in diesen Schreiben gedroht, für den Fall der Nichtbefolgung der von ihm geforderten Schritte zu kündigen und Schadensersatzansprüche geltend zu machen.

23

Der Kläger habe das Gehalt der Mitarbeiter der Beklagten trotz der Unwirksamkeit der Dienstvereinbarung linear um 4% erhöht, obwohl die Unwirksamkeit für den Kläger hätte offensichtlich sein müssen und die durch die Dienstvereinbarung erwarteten Einsparungen Grundlage der beschlossenen Gehaltserhöhung gewesen seien.

24

Der Kläger habe als Streitverkündeter in dem arbeitsgerichtlichen Rechtsstreit der Beklagten gegen eine Mitarbeiterin das Gutachten des Rechtsanwalts G. vollumfänglich vorgelegt, obwohl dieses vertrauliche Daten enthalte und der Kläger auch lediglich ein Teilgutachten hätte vorlegen können.

25

Schließlich bestehe der Verdacht, dass der Kläger vertrauliche Informationen an den Sender r. herausgegeben habe.

26

Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 24.02.2009 (Bl. 839 ff d.A.) durch Vernehmung der Zeugen S., W., H., G., H., We., Sc., M., Sc.e und B. sowie durch Vernehmung des Klägers als Partei, wobei hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme Bezug genommen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 07.10.2009 (Bl. 1071 ff d.A.).

27

Der Kläger hat durch Schriftsatz vom 15.04.2009 (Bl. 899 d.A.) beantragt, die Kammer in der Besetzung im Zeitpunkt der Verkündung des Beweisbeschlusses wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen mit der Folge der Aufhebung des Termin zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung und Beweisaufnahme vom 21.04.2009. Die Kammer hat durch Beschluss vom 06.05.2009 (Bl. 922 d.A.) das Befangenheitsgesuch für unbegründet erklärt bzw. als unzulässig verworfen. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss hat das Oberlandesgericht Celle durch Beschluss vom 04.06.2009 (Bl. 989 d.A.) zurückgewiesen.

28

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

29

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 22.10.2009 die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung beantragt und zur Begründung ausgeführt: Nach der mündlichen Verhandlung habe der Personalrat die in seine Akten befindliche Kopie der Dienstvereinbarung überprüft und dabei eine Textabweichung zu dem zusammengehefteten und gesiegelten Dokument, das die Beklagte im Verfahren vorgelegt hatte, festgestellt. Wegen dieser behaupten Fälschung hat sie das Dienstverhältnis mit dem Kläger erneut am 20.10.2009 fristlos gekündigt.

30

Mit Schriftsatz vom 27.10.2009 hat der Kläger beantragt, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Dienstverhältnis durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 20.10.2009 nicht aufgelöst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen über den 20.10.2009 hinaus fortbesteht.

Entscheidungsgründe

31

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet, die Widerklage ist unbegründet.

32

I.

Die Feststellungsanträge des Klägers, dass das Dienstverhältnis zwischen ihm und der Beklagten trotz der ausgesprochenen fristlosen, außerordentlichen und ordentlichen Kündigungen der Beklagten zu unveränderten Bedingungen fortbesteht und die Kündigungen unwirksam sind, haben Erfolg.

33

Eine fristlose oder außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB scheidet aus, da ein wichtiger Grund i.S.v. § 626 Abs.1 BGB nicht zur Überzeugung der Kammer feststeht. Ein Dienstverhältnis kann binnen 2 Wochen nach Kenntnis von den die Kündigung rechtfertigenden Umständen nach § 626 Abs.1 BGB außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zu der vereinbarten Beendigung des Dienstverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Das ist der Fall, wenn die feststehenden Tatsachen generell geeignet sind, einen wichtigen Grund darzustellen und dies auch nach einer umfassenden Interessenabwägung für den konkreten Einzelfall gilt. Dabei ergibt sich aus mehreren Kündigungsgründen grundsätzlich nur ein Kündigungsrecht. Beruft sich der Kündigende auf mehrere Gründe zur Rechtfertigung seiner fristlosen Kündigung, so ist zunächst zu prüfen, ob nicht bereits einer der herangezogenen Gründe für sich genommen die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar erscheinen lässt. Ist dies nicht der Fall, so ist eine Gesamtwürdigung aller Umstände vorzunehmen. Eine außerordentliche Kündigung kommt nur dann in Betracht, wenn alle anderen nach den jeweiligen Umständen möglichen und angemessenen milderen Mittel nicht zumutbar sind und das Arbeits- oder Dienstverhältnis in seiner gegenwärtigen Form nicht mehr, auch nicht befristet, fortgesetzt werden kann ( Henssler in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 626 Rdnr. 86 ff m.w.N.).

34

Diese rechtlichen Ausführungen vorausgeschickt, lassen vorliegend weder einzelne Umstände noch eine Gesamtabwägung des klägerischen Verhaltens, das ihm seitens der Beklagten vorgeworfen wird, eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses für die Beklagte als unzumutbar erscheinen.

35

1.)

Die Kündigungen der Beklagten vom 07.04.2008 und 08.05.2008 sind z.T. verfristet und enthalten im Übrigen keine wichtigen Gründe im Sinne von § 626 Abs.1 BGB.

36

a)

Soweit die Beklagte die Kündigung darauf stützt, dass der Kläger, nachdem das Präsidium per Umlaufverfahren eine Liste mit Ausschussmitgliedern zum Vorschlag für die Vollversammlung erstellt hatte, sich geweigert habe, diese Liste an die Vollversammlung weiterzuleiten, scheitert die Kündigung bereits an der Verfristung der Kündigung. Der gesamte von der Beklagten behauptete Vorgang - von der Kammer als zutreffend unterstellt - fand im Zeitraum 13.11.2007 bis 15.02.2008 statt. An dem zuletzt genannten Datum verweigerte der Kläger letztmalig konkret die kommentarlose Weiterleitung der Vorschlagsliste. Der weitere Vortrag, dass sich der Kläger auch bis zu seiner Abberufung am 07.04.2008 weiterhin geweigert habe, ist unsubstantiiert, da nicht ersichtlich ist wann und wem gegenüber dies erfolgt sei. Daher ist ein etwaiger außerordentlicher Kündigungsgrund bereits nach § 626 Abs.2 BGB ausgeschlossen, da die außerordentliche Kündigung nicht innerhalb der Frist von 14 Tagen nach Kenntnis von der Weigerung gegenüber dem Kläger erklärt worden ist.

37

b)

Die Kündigung kann auch nicht darauf gestützt werden, dass der Kläger die Unterschrift des Präsidenten der Beklagten unter ein Anschreiben forderte, mit dem er ehemaligen Mitarbeitern mitteilte, dass ein bislang gezahltes 13. Ruhegehalt nur noch anteilig gezahlt werde und er sich trotz Aufforderung des Präsidenten weigerte, diesem die Personalunterlagen der betroffenen Mitarbeiter für eine materielle Prüfung der Rechtmäßigkeit der Kürzungen zuzuleiten. Seitens der Kammer bestehen bereits Bedenken wegen der dem Kläger als Dienststellenleiter i.S.d. Personalvertretungsrechts und Vorgesetzten der übrigen Kammermitarbeiter obliegenden Geheimhaltungspflicht nach § 9 Abs.1 NPersVG, ob der Präsident überhaupt zur Einsichtnahme berechtigt war. Gleichwohl kommt es hierauf nicht an, da die Beklagte von der Weigerung des Klägers seit Januar 2008 Kenntnis hatte und das letzte Schreiben in dieser Angelegenheit, auf das sie Bezug nimmt, vom 18.01.2008 datiert. Daher lag dieser Grund, auf den sich die Kündigungen vom 07.04. bzw. 08.05.2008 stützen, bereits mehrere Monate zurück und die Kündigungen sind nicht innerhalb der Frist des§ 626 Abs.2 BGB erfolgt.

38

c)

Die Beklagte kann die Kündigung auch nicht auf die seitens des Klägers am 22.12.2006 erklärte Kündigung der Mitgliedschaft der Beklagten im V.d.W. stützen. Unstreitig hatte das Präsidium den Kläger zuvor ermächtigt, über eine mögliche Kündigung der Mitgliedschaft im V.d.W. eigenständig zu entscheiden. Der Kläger durfte daher, nachdem die von der Beklagten beauftragte K. AG eine entsprechende Empfehlung, insbesondere vor dem aus ihrer Sicht unsicherem Hintergrund der weiteren Entwicklung des V.d.W., ausgesprochen hatte, die Kündigung erklären. Auch kann dem Kläger nicht vorgeworfen werden, trotz Bitten des Präsidiums diese Kündigung nicht "rückgängig gemacht zu haben". In der Weigerung des Klägers, eine Entscheidung, zu der er ausdrücklich ermächtigt war, rückgängig zu machen, da er die Empfehlung der K. AG für zutreffend hielt, liegt kein Kündigungsgrund gem. § 626 Abs.1 BGB. Eine Kündigung als Gestaltungsrecht kann nicht ohne Weiteres zurückgenommen werden. Allenfalls hätte der Kläger neue Verhandlungen mit dem V.d.W. aufnehmen können, wozu es aber einer konkreten Anweisung der Beklagten bedurft hätte. Zudem war seinerzeit gar nicht ersichtlich, ob der V.d.W. nach der Kündigung der Mitgliedschaft die Beklagte damals wieder aufgenommen hätte. Dies folgt auch nicht aus der zwischenzeitlich erfolgten Wiederaufnahme der Beklagten, da die näheren Umstände des Wiedereintritts nicht vorgetragen sind.

39

Hinzukommt, dass das letzte Schreiben des Klägers in dieser Sache vom 28.12.2007 datiert, so dass die Erklärungsfrist aus§ 626 Abs.2 BGB nicht eingehalten ist.

40

d)

Eine Kündigung kann auch nicht darauf gestützt werden, dass der Kläger die Ergebnisse des Gutachtens des Rechtsanwalts G. zu seiner Leitlinie gemacht hat, obwohl das Gutachten nach der Einschätzung der Beklagten an massiven handwerklichen Mängeln leidet. Offensichtliche handwerkliche Mängel des Gutachtens sind nicht gegeben. Dem Kläger kann nicht vorgeworfen werden, dass er sich auf das Ergebnis des Gutachtens verlassen hat, ohne die dort angegebenen Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts, die die Beklagte für nicht einschlägig hält, zu überprüfen. Selbst wenn sich derartiges bei einer Lektüre der Entscheidungen, die der Gutachter herangezogen hat, ergeben sollte, rechtfertigt das klägerische Unterlassen keine Kündigung, da konkrete, sich aus dem Gutachten selbst ergebende Zweifel, die dem Kläger zwingend Anlass zu einer Lektüre der Entscheidung und Überprüfung der Erheblichkeit hätten geben müssen, von der Beklagten nicht dargelegt worden sind. Sinn und Zweck der Beauftragung der K. AG und der Gutachtenerstattung durch Rechtsanwalt G. war es gerade, sich auf Grund der Komplexität der geplanten Neuordnung der Altersvorsorgeregelungen speziellen Sachverstand von außen einzukaufen. Angesichts der unterschiedlichen Rechtsauffassungen der Parteien, die jeweils rechtlich fundiert unter Bezugnahme auf die Diskussion in Rechtsprechung und Lehre vorgetragen sind, sind offenkundige handwerkliche Mängel des Gutachtens des Rechtsanwalts G. nicht gegeben. Wenn der Kläger sich dessen rechtlicher Beurteilung anschloss, liegt darin jedenfalls keine erhebliche Pflichtverletzung des Dienstvertrages.

41

e)

Die Kündigung ist auch nicht deswegen berechtigt, da der Kläger nach Ansicht der Beklagten gegenüber Mitgliedern des Präsidiums der Beklagten einen unangemessenen Umgangston pflegte und darüber hinaus bereits vor seiner Kündigung einen Rechtsanwalt beauftragte, über den er mit Teilen des Präsidiums der Beklagten korrespondierte. Die Kammer verkennt nicht, dass das Verhalten des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten zu einer Verschärfung des Umgangstons führte und einer vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen ihm und dem Präsidium abträglich war. Gleichwohl ist nicht ersichtlich, dass allein der Kläger die Zerrüttung verursacht hat. Damit billigt die Kammer keineswegs einzelne klägerische Verhaltensweisen. Diese können jedoch eine im Rahmen einer Gesamtabwägung zu treffenden Beurteilung zur Einstufung des klägerischen Verhaltens als Kündigungsgrund nicht genügen. Die Korrespondenz über einen Rechtsanwalt mag ungeschickt gewesen sein und einer Zerrüttung des Verhältnisses des Klägers zu der Beklagten Vorschub geleistet haben. Sie ist aber nicht als eine die fristlose Kündigung rechtfertigende Pflichtverletzung zu werten oder aus sonstigen Gründen als unzulässig zu betrachten, da ein Dienstpflichtiger in einem Rechtsstaat grundsätzlich auch gegenüber dem Dienstherrn mit der Einschaltung eines Rechtsanwaltes zur rechtlichen Beratung und Wahrnehmung seiner Interessen berechtigt ist. In diesem Kontext ist auch die Ankündigung einer möglichen Kündigung des Klägers zur Wahrnehmung berechtigter Interessen keine Pflichtverletzung.

42

f)

Das Verhalten des Klägers im Zusammenhang mit der Neuregelung der Altersversorgung der Mitarbeiter der Beklagten durch Abschluss einer Dienstvereinbarung mit dem Personalrat rechtfertigt keine Kündigung.

43

Die hierauf gestützte Kündigung ist allerdings nicht verfristet, da die Beklagte innerhalb von zwei Wochen ab Kenntniserlangung der sie rechtfertigenden Umstände die Beendigung des Dienstverhältnisses aussprach. § 6 der Satzung der Beklagten sieht vor, dass die Vollversammlung durch den Präsidenten mit einer Frist von "mindestens acht Tagen" einberufen wird. Erst nach Abberufung des Klägers konnte das Präsidium kündigen. Der früheste Termin einer Vollversammlung war somit gerechnet ab der Kenntnis des Präsidenten vom Kündigungsgrund am 17.03.2008 der 25.03.2008. Erst ab diesem Zeitpunkt begann die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen. Auf Grund des Präsidiumsbeschlusses am 07.04.2008 erfolgte die Kündigung daher noch innerhalb der Ausschlussfrist, nachdem der Kläger abberufen war. Daher durfte der Präsident der Beklagten nach Kenntniserlangung der Umstände am 14.03.2008 die Vollversammlung auf den 07.04.2008 einberufen, um über die Abberufung des Klägers zu entscheiden. Es erscheint auch vertretbar, dass ein früherer Termin mit Rücksicht auf die Osterferien ausschied, da es sich für die Beklagte um eine sehr wichtige und ungewöhnliche Entscheidung handelte, an der die Teilnahme möglichst vieler Vollversammlungsmitglieder sichergestellt sein sollte.

44

aa)

Soweit die Beklagte die Kündigung darauf stützt, dass der Kläger vorsätzlich gegen die Satzung der IHK verstoßen habe, indem er eine Dienstvereinbarung über die betriebliche Altersversorgung ohne den erforderlichen Beschluss des Präsidiums abgeschlossen und damit gegen § 14 der Satzung der Beklagten verstoßen habe, kann sie hiermit nicht gehört werden. Nach der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Vizepräsident der Beklagten, der Zeuge M., dem Kläger am 10.03.2008 mitgeteilt hat, dass der Präsident M. der seitens des Klägers vorgeschlagenen Vorgehensweise zustimme und der Kläger die Dienstvereinbarung unterschreiben solle. Der Zeuge, gegen dessen Glaubwürdigkeit die Kammer keine Bedenken hat, hat glaubhaft bekundet, dass er das Schreiben des Klägers, in dem der Kläger eine nach seiner Rechtsauffassung nicht erforderliche Zustimmung des Präsidiums kundtat, mit dem Präsidenten M. erörtert habe und die beiden im Laufe des Gespräches dann zu dem Ergebnis gekommen seien, dass sie die Rechtsansicht des Klägers wohl teilen könnten. Daraufhin habe er den Kläger angerufen und ihm sinngemäß mitgeteilt, dass der Präsident und er sein Schreiben und der darin geäußerten Rechtsauffassung folgten und er allein unterschreiben dürfe. Dann kann die Beklagte aber nicht damit gehört werden, dass sich der Kläger über das ihm erteilte Abschlussmandat hinweggesetzt habe, da Präsident und ein Vizepräsident ihn gerade zum Abschluss der Dienstvereinbarung unter Zustimmung zu der von ihm vertretenen Rechtsauffassung ermutigt hatten.

45

Unerheblich ist, ob die Meinung des Klägers, er habe allein handeln dürfen und nicht der Zustimmung des Präsidiums bedurft, zutreffend ist. Jedenfalls kann keine gravierende Pflichtverletzung des Klägers darin gesehen werden, dass er möglicherweise eine unzutreffende Rechtsauffassung vertrat. Die Rechtsfrage, ob gem. § 14 Satz 2 der Satzung der Beklagten der Kläger als Hauptgeschäftsführer oder das Präsidium zum Abschluss der Dienstvereinbarung befugt waren, bedarf keiner abschließenden Klärung. Zwar bestehen Bedenken der Kammer gegen die Annahme des Klägers, er sei allein zuständig gewesen. Es leuchtet nicht ohne Weiteres ein, dass nach § 14 S. 2 der Satzung der Beklagten über die Vereinbarung von Versorgungsansprüchen einzelner Mitarbeiter das Präsidium entscheidet, für eine Gesamtregelung hingegen der Hauptgeschäftsführer zuständig sein soll. Eine fehlerhafte Rechtsauffassung des Klägers in einer durch die Rechtsprechung bislang nicht zweifelsfrei geklärten Rechtsfrage stellt jedoch - unabhängig davon, dass der Kläger Jurist ist - keinen wichtigen Grund gem. § 626 BGB dar, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt. Es kann offen bleiben, ob eine möglicherweise rechtsirrige Rechtsauffassung des Klägers Zweifel an der fachlichen Eignung des Klägers als Hauptgeschäftsführers aufkommen lassen könnte. Das macht jedoch der Beklagten eine Fortsetzung des Dienstverhältnisses nicht unzumutbar. Eine Überprüfung der fachlichen Eignung des Klägers musste vor Anstellung erfolgen; seine möglicherweise erst nachträglich der Beklagten ersichtliche fehlende Eignung rechtfertigt allenfalls eine ordentliche Kündigung des Vertrages nach Ablauf der Mindestlaufzeit. Die Beklagte verwechselt vorliegend die Pflichten, die an einen Hauptgeschäftsführer gestellt werden, mit denen eines Rechtsanwaltes im Rahmen anwaltlicher Beratung, deren Verletzung ggf. einen Regressanspruch begründen könnte.

46

bb)

Die Kammer vermag nach der Beweisaufnahme keine Täuschung des Personalrats über dessen Mitbestimmungsrecht beim Abschluss der Dienstvereinbarung nach § 66 NPersVG durch den Kläger erkennen.

47

Nach den Aussagen der als Zeugen vernommenen Personalratsmitglieder S., H., W. und B. hat sich die Kammer nicht davon überzeugen können, dass der Kläger den Personalrat über dessen Mitwirkungsbefugnis getäuscht hätte. Zwar haben die Zeugen bekundet, dass der Kläger im Rahmen der Sitzung des Personalrats unter seiner Teilnahme und Vertretern der K. AG am 19.02.2008 mitgeteilt habe, dass der Personalrat nicht mitbestimmungspflichtig sei und er bzw. der Präsident der Beklagten die Änderungen auch alleine ("nach Gutsherrenart") beschließen könne. Gleichwohl ist die Kammer davon überzeugt, dass die Personalratsmitglieder die im Rahmen der Sitzung gefallenen Ausführungen zur Möglichkeit einer Änderungskündigung missverstanden und hieraus falsche Rückschlüsse gezogen haben. Schon auf Grund des erheblichen Zeitablaufs von über eineinhalb Jahren und der Komplexität der Materie ist es naheliegend, dass die Zeugen, die seitdem unzähligen Einflüssen von außen ausgesetzt waren, den tatsachlichen Gesprächsinhalt nicht mehr erinnerlich haben und daher nicht hinreichend zuverlässig wiedergeben konnten. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die Zeugen die hier interessierende Problematik im Laufe der Zeit wiederholt im Kollegenkreis besprochen haben und sich daher eine unbewusste Vermischung von Erinnerung und späterer Erörterung nicht ausschließen lässt. Kennzeichnend für die Aussagen der Zeugen war, dass sie konkrete Einzelheiten oder gar den Wortlaut des Gesprächs nicht bekunden konnten. Vielmehr äußerten die Zeugen weitgehend ihre rein subjektive Vorstellung von dem damaligen Gespräch, woraus die Kammer aber keine konkrete Täuschung durch den Kläger herzuleiten vermag.

48

Der Zeuge W. hat in diesem Zusammenhang bekundet, obgleich er aus dem Umfeld geschlossen haben will, dass eine Regelung auch ohne den Personalrat möglich sei, dass die Vorgehensweise kein Problem dargestellt habe, weil der Personalrat tatsächlich beteiligt wurde und sich in der Praxis einbringen konnte. Er hat ausgeführt, dass der Personalrat wegen der Mitwirkungspflicht nicht nachgefragt hat, da normal konstruktiv über die Sache verhandelt worden sei und nicht das Gefühl bestanden habe, der Personalrat werde über den Tisch gezogen. Seine Angabe, dass nie explizit gesagt wurde, dass der Personalrat nicht zu beteiligen sei, stützt die Annahme der Kammer, dass der Personalrat seine Mitwirkungsbefugnis tatsächlich selbst falsch eingeschätzt hat. Alle diese Zeugen haben geschildert, dass die Mitwirkungsbefugnis des Personalrates letztlich gar kein sonderlich diskutiertes Thema war, weil sie tatsächlich in die Entscheidungsfindung eingebunden waren. Dann waren beiläufige Bemerkungen über mögliche andere Wege der Problemlösung (z.B. Änderungskündigung) aus Sicht der Zeugen leicht fehl zu interpretieren. Jedenfalls hat kein Zeuge überzeugend bestätigt, dass der Kläger eine Mitwirkungsbefugnis des Personalrates ausdrücklich in Abrede genommen hätte.

49

Ferner haben die Zeugen G. und H. bekundet, dass der Kläger ein fehlendes Mitwirkungsrecht des Personalrates gerade nicht in der Sitzung vom 19.02.2008 den Anwesenden mitgeteilt habe. Die Zeugin H., gegen deren Glaubwürdigkeit die Kammer auf Grund des gewonnenen Gesamteindrucks, der Stringenz ihrer Angaben und des Detailreichtums keine Bedenken hat, hat vielmehr ausgesagt, dass nach ihrem Eindruck eher das Gegenteil der Fall gewesen sei und alle eine vernünftige Lösung hätten finden wollen.

50

Diese Angaben hat auch der Zeuge G. bestätigt, der weiterhin bekundet hat, dass die Mitbestimmungsfrage kein Thema gewesen und für ihn selbstverständlich gewesen sei, dass der Personalrat mitbestimmen durfte. Das ist glaubhaft, denn es wäre zu erwarten gewesen, dass der Zeuge G. eingegriffen hätte, wenn der Kläger eine nach Kenntnis des Zeugen falsche Rechtsansicht geäußert hätte. Als beratender Rechtsanwalt, der keiner Seite verpflichtet war, hätte der Zeuge G. keinen Anlass gehabt, eine fehlerhafte Äußerung des Klägers kommentarlos durchgehen zu lassen.

51

Eine Täuschung folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Kläger zu einem späteren Zeitpunkt eine Nachprüfung der Versorgungsregelung mit der Begründung zurückwies, dass bereits drei Anwälte die beabsichtigte Vereinbarung geprüft hätten. Eine Täuschung über die Mitbestimmungsmöglichkeit kann hierin nicht gesehen werden, da diese Aussage erst zu einem späteren Zeitpunkt im Rahmen der gemeinsamen Verhandlung erfolgte und sich lediglich auf den Inhalt der zu treffenden Regelung, jedoch nicht auf eine Mitwirkungsbefugnis bezog. Zudem stand dem Personalrat frei, seinerseits einen eigenen Rechtsanwalt mit der Prüfung zu beauftragen.

52

cc)

Nach der Beweisaufnahme steht auch nicht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Kläger nach der Unterschrift des Personalratsvorsitzenden S. unter die zweiseitige Dienstvereinbarung am 07.03.2008 eine Versorgungsordnung, die integraler Bestandteil der Regelung war, mit einem mit dem Personalrat nicht abgesprochenen Inhalt anheftete und so in unzulässiger Weise die Berechnungsgrundlage zu Lasten der Mitarbeiter der Beklagten nachträglich verändert hätte. Es ist nicht erwiesen, dass der Zeuge S. vorab lediglich die Dienstvereinbarung ohne die dazugehörige Versorgungsordnung unterzeichnet hätte.

53

Der Zeuge S. hat allerdings bekundet, er habe im Beisein weiterer Personalräte die Dienstvereinbarung, die aus zwei Blatt bestanden habe, unterschrieben und dieses Exemplar am selben Tage dem Kläger überbracht. Der Zeuge W. hat diese Schilderung bestätigt. Auch der Zeuge H. hat bekundet, der Zeuge S. habe die Unterschrift am Tisch, an dem die Personalräte saßen, geleistet. Nach Aussage des Zeugen B. habe der Zeuge S. unterschrieben, wobei er sich zur Seite gedreht habe. Diese Zeugen bestätigen also die Behauptung der Beklagten, der Zeuge S. habe nur einen Teil der Urkunde unterschrieben.

54

Die Kammer hat aber durchgreifende Bedenken an der Zuverlässigkeit dieser Zeugenaussagen. Es überzeugt nicht ohne Weiteres, dass der Zeuge S. bereits in der Besprechung der Personalräte die Urkunde unterzeichnete. Es gab keinen Zeitdruck, der eine sofortige Unterschrift erforderlich gemacht hätte. Die Zustimmung der Personalräte lag vor und der Zeuge S. hatte ohnehin vor, anschließend in das Büro des Klägers zu gehen. Dann lag es nahe, dass er erst dort unterschrieb, wo er mit Vorlage der vollständigen Urkunde rechnen konnte. Zudem war das Problem, dass dem Personalrat nur eine unvollständige Urkunde vorlag, bekannt und ist nach Aussage der Zeugen H. und B. ausdrücklich angesprochen worden. War dies aber ein Thema, dann war umso eher zu erwarten, dass die Unterschrift erst später unter der vollständigen Urkunde geleistet wurde, zumal auch der Zeuge S. nach Aussage des Zeugen H. "redaktionelle Änderungen" nicht ausschloss. Es genügte, dass der Personalrat dem Zeugen S. "grünes Licht" für die Unterschrift gegeben hatte, was alle durch ihre Unterschrift unter das Protokoll bestätigt hatten. Es war dann nicht zwingend zu erwarten, dass der Zeuge S. auch sofort in ihrer Anwesenheit unterschrieb.

55

Die Kammer verkennt nicht, dass die Zeugen S., W., H. und B. einen durchaus glaubwürdigen Eindruck gemacht haben und nichts dafür sprach, dass sie etwa den Kläger zu Unrecht belasten wollten. Dennoch vermag die Kammer allein auf ihre Aussagen keine hinreichende Überzeugung zu stützen. Die Zeugen sind im Laufe des Verfahrens mit Sicherheit wiederholt mit der Frage konfrontiert worden, wo die Unterschrift geleistet wurde. Ursprünglich war das aber kein sonderlich herausgehobenes Ereignis und musste den Zeugen daher zunächst nicht nachdrücklich im Gedächtnis bleiben. Vielmehr gewann die Frage, wo die Unterschrift unter welcher Art von Dokument geleistet worden war, erst nach und nach im Laufe der Zeit an Bedeutung. Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass diese Vorgänge innerhalb der IHK große Aufmerksamkeit erregt haben und die Zeugen damit in den Mittelpunkt des Interesses geraten sind. Dass sie in dieser Lage untereinander und im Kollegenkreis über die Beweisfragen gesprochen haben, liegt nahe. Es ist nicht auszuschließen, dass ihre Wahrnehmung unbewusst auch durch eine - unausgesprochene - Erwartungshaltung der Beklagten beeinflusst wurde. Hinzu kommt, dass ein Irrtum insoweit nicht ausgeschlossen ist, dass die Unterschrift des Zeugen S. unter das Protokoll nachträglich in der Erinnerung als Unterschrift unter die Dienstvereinbarung erschien. Bei dieser komplexen Interessenlage vermag die Kammer Wahrnehmungs- und Erinnerungsfehler der Zeugen letztlich nicht auszuschließen.

56

Es ist ebenso möglich, dass der Zeuge S. erst im Büro des Klägers die Dienstvereinbarung mit Versorgungsordnung unterschrieben hat. Ausreichend Zeit dafür hatte er nach Aussage des Zeugen Sc.. Danach haben sich die Zeugen S. und W. jedenfalls so lange im Büro des Klägers aufgehalten, dass eine Unterschriftsleistung möglich war.

57

Nach allem ist nicht erwiesen, dass der Kläger die Urkunde erst nachträglich verbunden hätte.

58

Die Beweisaufnahme hat ferner zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass der Kläger dem Personalrat keine nachträglich von ihm abgeänderte Versorgungsordnung untergeschoben hat. Die Behauptung der Beklagten, dass bei den Verhandlungen und Gesprächen mit dem Personalrat über Änderungen der Versorgungsordnung stets die Gesamtjahresvergütung, also 13,5 Monatsgehälter, zugrunde gelegt wurde, während die der Dienstverordnung beigeheftete Versorgungsordnung lediglich von 12 Monatsgehältern unter Ziff. 4.1.6 ausgeht, mithin der Kläger nachträglich die Berechnungsgrundlage abredewidrig geändert habe, steht nicht zur Überzeugung der Kammer fest. Dem steht nicht entgegen, dass die als Zeugen vernommenen Personalratsmitglieder übereinstimmend bekundeten, dass sie immer vom Jahresbruttogehalt als Berechnungsgrundlage ausgegangen seien und dass in der endgültigen Vereinbarung Regelungen enthalten seien, die im Vorfeld nicht mit ihnen besprochen worden seien. Das Gericht hat erhebliche Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben der Zeugen. Prägend für die Aussagen der Personalratsmitglieder war, dass sie hinsichtlich der früheren Verhandlungsgrundlage mit dem Kläger gerade keine detaillierten Angaben machen konnten. Vielmehr gaben sie ihren Eindruck von den Verhandlungen und ihre rein subjektiven Vorstellungen von der beabsichtigten Regelung wieder. Die Kammer gewann den Eindruck, dass der Personalrat den Inhalt und die Tragweite der beabsichtigten Versorgungsregelung nicht ausreichend erfasste und vielmehr auf Seiten des Personalrats Missverständnisse vorlagen.

59

Die Zweifel der Kammer an einer Täuschung der Personalratsmitglieder durch den Kläger werden insbesondere durch die Aussage des Zeugen B. bestärkt. Der Zeuge hat bekundet, dass der Personalrat unter nicht zu berücksichtigenden Sonderzahlungen z.B. Urlaubsgeld verstanden habe. Auch habe er als Personalrat ein im Sommer des Jahres jeweils ausgezahltes 0,75 Monatsgehalt und ein im Winter des Jahres ausgezahltes 0,75 Monatsgehalt nicht als Urlaubs- und Weihnachtsgeld betrachtet, sondern als reinen, zum Gesamtjahresbrutto hinzuzurechnenden und damit bei der Berechnung zur berücksichtigenden Lohn angesehen. Es ist nach allgemeiner Übung davon auszugehen, dass es sich bei im Sommer und Winter seitens des Arbeitgebers ausgezahlten Beträgen um Sonderzahlungen handelt, worunter Weihnachts- bzw. Urlaubsgeld einzuordnen sind, und dass diese daher von der Anrechnung nicht auszunehmen waren. Diese Aussage des Zeugen B. bestärkt die Einschätzung der Kammer, dass der Personalrat die abzuschließende Regelung nicht ausreichend erfasst hat und nunmehr, nachdem nachträglich der Umfang der Vereinbarung zu Tage tritt, subjektiv eine Täuschung durch den Kläger annimmt.

60

Zur Überzeugung der Kammer steht auf Grund der glaubhaften Aussage der Zeugin H. fest, dass der Kläger keineswegs eigenmächtig eine geänderte Versorgungsordnung dem Personalrat untergeschoben hat. Die Aussage der Zeugin H. überzeugte die Kammer insbesondere wegen des Detailreichtums. Durch die Aussage dieser Zeugin, die an den Änderungen mitgearbeitet und daher profunde Kenntnisse des Verhandlungsverlaufs hat, sowie anhand der durch sie erstellten synoptischen Darstellung der Änderungen der Versorgungsordnung, die als Anlage zum Protokoll genommen worden ist, ist zur Überzeugung des Gerichts die Behauptung der Beklagten widerlegt. Zwar findet sich in der Version der Versorgungsordnung, die der Besprechung vom 19.02.2008 mit dem Personalrat zugrunde lag, keine Ziff. 4.1.6. mit einer Einschränkung der Berechnungsgrundlage auf 12 Monatsgehälter. Nach der Aussage der Zeugin und ihrer synoptischen Darstellung waren jedoch sowohl in dem der Besprechung vom 19.02.2008 zu Grunde liegenden Entwurf der Versorgungsordnung als auch in der endgültigen Vereinbarung unter Punkt 5.2.1 Sonderzahlungen wie z.B. Urlaubs- und Weihnachtsgeld von der Anrechnung ausdrücklich ausgenommen. Daher musste die Einschränkung dem Personalrat bekannt sein, zumindest weckt dieser Umstand erhebliche Zweifel an einer Täuschung durch den Kläger.

61

Es erscheint naheliegend, das die Fehlvorstellung des Personalrats durch die im Rahmen der Verhandlungen zwischenzeitlich überreichte falsche Musterberechnung am Beispiel des Zeugen W. (Anl. B 75), in der die Gesamtvergütung des Jahres 2006 einschließlich aller Leistungen und Zuwendungen zugrunde gelegt war, und der davon abweichenden nach Abschluss der Dienstvereinbarung dem Zeugen W. überreichten Mitteilung über die Auswirkungen auf seine Altersvorsorge (Anl. B 76), die vom Nettogehalt des Monats Dezember ohne Zulagen ausgeht, zumindest verstärkt worden ist. Eine vorsätzliche Täuschung seitens des Klägers ist darin jedoch nicht zu sehen, da, wie die Zeugin H. einräumte, eine fehlerhafte Berechnung wegen seitens der Beklagten unzutreffend übermittelter Daten durch die K. AG vorlag. Die Falschberechnung ist jedoch nicht dem Kläger anzulasten. Die Beklagte verkennt, dass die K. AG für sie tätig geworden ist und deren Handeln gerade nicht dem Kläger zuzurechnen ist.

62

Schließlich hat die Zeugin H. glaubhaft bekundet, dass absprachegemäß bestimmte Absätze auf Wunsch des Personalrats bzw. auf Wunsch der Personalleiterin Frau v. R. aus der Versorgungsordnung herausgenommen und in die Dienstvereinbarung übernommen worden sind. Auch die Verschiebung der Deckelung nach hinten erfolgte auf Wunsch des Personalrats und war aus Sicht der Zeugin für die Mitarbeiter der Beklagten günstiger, weil der höhere Besitzstand gewahrt werden konnte. Zudem hat sie bekundet, dass der Kläger aus einem Gespräch mit dem Personalrat angerufen habe, was ein eigenmächtiges Handeln des Klägers eher fernliegend erscheinen lässt. Eine Täuschung des Personalrats durch den Kläger durch Unterschieben einer abredewidrigen Regelung konnte die Kammer daher in der Beweisaufnahme nicht feststellen.

63

Die Rechtsfrage, ob gem. § 78 Abs. 2 NPersVG eine nachträgliche Anheftung der Versorgungsordnung an die Dienstvereinbarung zwingend deren Unwirksamkeit zur Folge hat, bedarf keiner abschließenden Klärung durch die Kammer. Ein solches nachträgliches Anheften ist - wie o.a. - nicht festzustellen. Vorgeworfen wird dem Kläger zwar auch, dass er an einer - möglicherweise unzutreffenden - Rechtsauffassung festhält. Diese Rechtsauffassung, wonach eine spätere Verbindung zulässig sei, äußerte der Kläger noch im Laufe des Rechtsstreits. Aber selbst wenn das eine unzutreffende Rechtsauffassung wäre, stellt das keine derart gravierende Pflichtverletzung dar, die eine außerordentliche Kündigung des Dienstverhältnisses rechtfertigen könnte. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen, um Wiederholungen zu vermeiden.

64

Da bereits ein wichtiger Grund gem. § 626 Abs. 1 BGB zur Überzeugung der Kammer nicht bewiesen ist, kommt es auf eine Kenntniserlangung der Beklagten der Umstände vor dem 15.05.2008 nicht an.

65

g)

Die lineare Gehaltsanhebung der Mitarbeiter der Beklagten um 4% durch den Kläger stellt keinen Kündigungsgrund gem. § 626 Abs. 1 BGB dar. Eine Urkundenfälschung des Klägers steht zur Überzeugung der Kammer nicht fest, wobei zur Vermeidung von Wiederholungen auf die obigen Ausführungen Bezug genommen wird.

66

h)

Eine ordentliche Kündigung des Dienstvertrages kommt nicht in Betracht, da gem. § 15 des Vertrages innerhalb der ersten 5 Jahre nach dem 01.09.2006 eine Kündigung ausgeschlossen ist. Auch eine hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung des Klägers zum 30.06.2008 scheidet aus. Zutreffend führt die Beklagte zwar aus, dass der Dienstvertrag den Fall der Abberufung des Klägers als Hauptgeschäftsführer hätte berücksichtigen müssen. Allerdings regelt der Dienstvertrag eine Abberufung gerade nicht. Eine Regelungslücke, die durch Auslegung von § 18 Abs. 3 des Dienstvertrages zu schließen ist, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Vielmehr trägt die Vertragsgestaltung dem Umstand Rechnung, dass nach dem öffentlichen Recht eine Abberufung des Hauptgeschäftsführers grundsätzlich wegen des Fehlens einer Mindestlaufzeit jederzeit möglich sein kann. Nach der Entscheidung der Verwaltungsgerichte genügt für eine Abberufung bereits eine Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses. Der zivilrechtliche Dienstvertrag trägt diesem Umstand insofern Rechnung, als er gerade dem Schutz des Hauptgeschäftsführers vor den Folgen einer von ihm nicht zu vertretenden Abberufung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes gem. § 626 Abs. 1 BGB dient und ihm eine Weiterzahlung der Entgeltansprüche gem. § 611 BGB gewährleistet. Vor dem Hintergrund dieser Interessenlage scheidet auch ein Rückgriff auf das Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) aus.

67

Die sich nach dem öffentlichen Recht richtende Abberufung des Klägers als Hauptgeschäftsführer der Beklagten und der Ausgang der Verfahren der Parteien vor den Verwaltungsgerichten ist daher für den Bestand des zivilrechtlichen Dienstvertrages unerheblich.

68

Lediglich in Hinblick auf eine Anrechnung gem. § 615 BGB könnte die Abberufung möglicherweise von Relevanz sein. Für den hier streitigen Zeitraum hat die Beklagte aber ersparte Aufwendungen bzw. anderweitigen Erwerb für das Jahr 2008 - über die bereits vom Kläger berücksichtigten Beträge hinaus - nicht vorgetragen. Für die Feststellungsanträge kommt es auf solche Anrechnungen ohnehin nicht an.

69

Eine Kündigung zum frühest möglichen Zeitpunkt (31.03.2013) scheitert derzeit an § 15 Abs. 2 des Dienstvertrages. Das Dienstverhältnis kann danach erstmals nach Ablauf von 5 Jahren seit In-Kraft-Treten (31.08.2011) ordentlich gekündigt werden. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.

70

2.

Die Kündigung der Beklagten vom 14.11.2008 ist ebenfalls unwirksam, da die Vorlage des Gutachtens G. in dem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Lüneburg zwischen der Beklagten und einer Mitarbeiterin keinen Kündigungsgrund gem. 626 Abs. 1 BGB darstellt. Der Kläger als Streitverkündeter in dem Arbeitsgerichtsprozess war zu einer Vorlage berechtigt, um seinen Vortrag in dem Verfahren zu untermauern, da anderenfalls im Falle eines Prozessverlustes der Beklagten gegebenenfalls ein Rückgriff auf ihn möglich erscheint.

71

Der Kläger war auch nicht gehalten, aus Gründen der Geheimhaltung nur einen Teil des Gutachtens dem Gericht vorzulegen. Eine unvollständige Urkunde hätte u.U. nur eine eingeschränkte Beweiskraft gehabt (§ 419 ZPO).

72

3.

Auch die Kündigung der Beklagten vom 30.01.2009 ist unwirksam, denn die Voraussetzungen einer Verdachtskündigung liegen nicht vor. Nach ständiger Rechtsprechung (BAG, NZA 1995, 269 m.w.N.) kann der durch bestimmte Tatsachen objektiv begründete dringende Verdacht einer strafbaren Handlung oder einer sonstigen schwerwiegenden Verfehlung (Verletzung einer Interessenwahrungspflicht) einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung bilden. Der Verdacht muss immer dringend sein, und zwar nicht nur hinsichtlich des Gewichts, sondern auch hinsichtlich der strafbaren Handlung oder der Vertragswidrigkeit, deren der Arbeitnehmer verdächtig ist. Dringend ist der Verdacht, wenn er einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber tatsächlich zum Ausspruch einer Kündigung veranlassen kann. Erforderlich ist die zumindest überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitnehmer die ihm vorgeworfene Pflichtverletzung oder Straftat begangen hat (Hennsler in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 626 Rn. 240 ff. m.w.N.).

73

Zur Überzeugung der Kammer besteht kein hinreichender Verdacht, dass es gerade der Kläger war, der vertrauliche Unterlagen der Beklagten, insbesondere das Gutachten des Rechtsanwalts G., bei r. vorgelegt hat. Vielmehr kommen diesbezüglich diverse Dritte in Betracht, denn das Gutachten lag nicht allein dem Kläger vor. Es ist nicht auszuschließen, dass Journalisten auf anderem Wege Einsicht in die Unterlagen erlangt haben. Nach der weitgehend ins Blaue hinein getätigten Annahme, die der Kläger in seiner Parteivernehmung abgestritten hat, besteht allenfalls eine ganz geringe Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit des Vorwurfs. Dann aber ist kein Raum für eine Verdachtskündigung.

74

4.

a)

Dem Antrag der Beklagten vom 22.10.2009 auf Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung war nicht zu entsprechen.

75

Vortrag nach Schluss der mündlichen Verhandlung ist grundsätzlich gem. § 296a ZPO nicht zu berücksichtigen.

76

Es besteht auch kein Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß § 156 Abs. 1 Ziffer 2 ZPO, denn es sind keine Tatsachen vorgetragen, die eine Restitutionsklage gem. §§ 579, 580 ZPO begründen könnten. Die Beklagte kann ihr Begehren nicht auf § 580 Ziff. 2 ZPO mit der Begründung stützen, dass dem Personalrat erst im Rahmen einer Überprüfung seiner Unterlagen am 08.10.2009 nach Schluss der mündlichen Verhandlung Abweichungen zwischen der Kopie der Dienstvereinbarung aus den Akten des Personalrates (Anl. B 85) und der gehefteten und gesiegelten Gesamturkunde (Anl. B 34) aufgefallen seien. Daraus ergebe sich, dass der Kläger auf der ersten Seite in Ziffer 2 Abs. 2 die inhaltlich wesentliche Einschränkung "jedoch ohne Sonderzahlung wie z.B. Urlaubs- und Weihnachtsgeld" entgegen der gehefteten und gesiegelten Gesamturkunde geändert habe.

77

Einer Wiederaufnahme stünde aber § 582 ZPO entgegen, da es die Beklagte schuldhaft unterlassen hat, die Urkunde frühzeitig zu den Akten zu reichen und entsprechend vorzutragen. Ein Verschulden im Sinne des § 582 ZPO liegt regelmäßig vor, wenn eine Prozesspartei eine während des Rechtsstreits in ihrem Gewahrsam befindliche, aber in Folge ungenügender Ordnung in ihren Geschäftsunterlagen oder in Folge mangelhafter Nachforschung unbemerkt gebliebene Urkunde erst nachträglich vorlegt (BGH NJW 1974, 557). Die Beklagte hatte die gesiegelte Urkunde (B 34) bereits mit ihrer Klageerwiderung vom 10.06.2008 vorgelegt. Seither hatte sie ausreichend Zeit und Gelegenheit, die Übereinstimmung dieser Urkunde mit den Unterlagen des Personalrates zu vergleichen. Dazu bestand durchweg Anlass, weil die Frage der unzulässigen Abänderung der Urkunde von Anfang an eines der zentralen Themen des Verfahrens war. Daher hätte die Beklagte bei den unstreitig seitens ihres Prozessbevollmächtigten mit Personalratsmitgliedern durchgeführten Besprechungen die Unterlagen des Personalrats frühzeitig sichten und rechtzeitig vortragen können.

78

Aus denselben Gründen kommt auch eine gem. § 156 Abs. 1 ZPO im Ermessen der Kammer stehende Wiedereröffnung nicht in Betracht.

79

b)

Die Klageerweiterung durch Schriftsatz des Klägers vom 27.10.2009 ist, wie sich aus §§ 261 Abs. 2, 297 ZPO ergibt, unzulässig (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 27. Aufl. § 296a Rdnr. 2a) und findet daher keine Berücksichtigung.

80

5.

Die Zahlungsklage auf 45.583,33 EUR ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Auszahlung der seitens der Beklagten vom seinem monatlichen Gehalt im Zeitraum Oktober 2006 bis April 2008 einbehaltenen insgesamt 45.583,33 EUR.

81

Zwischen den Parteien ist die Tatsache unstreitig, dass die Beklagte diesen Betrag einbehalten hat. Die Kammer teilt die klägerische Rechtsauffassung, dass mit dem Dienstvertrag keine wirksame Umwandlungsvereinbarung getroffen worden ist. Auf Grund einer fehlenden klaren Regelung in § 8 Abs. 3 des Dienstvertrages ermangelt es der Vereinbarung der notwendigen Bestimmtheit. Dieser Vergütungsanteil war als Investition in eine Versorgung des Klägers gedacht, so dass für einen Einbehalt durch die Beklagte zunächst kein Raum war. Allenfalls hätte die Beklagte den Betrag in eine Versicherung o.ä. investieren können, was aber unstreitig im streitigen Zeitraum unterblieb. Auch § 3 Abs. 3 des Dienstvertrages kann nicht als Blankettzusage gewertet werden, da kein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten als Arbeitgeberin vorliegt. Vielmehr geht die Kammer davon aus, dass ein Inklusivgehalt des Klägers vereinbart war, aus dem er letztlich seine Altersvorsorge selbst bestreiten sollte. Auch aus der Vereinbarung vom 25.09.2006 folgt keine Umwandlungsvereinbarung. Bedenken bestehen bereits gegen deren Bestimmtheit. Zudem ist die Vereinbarung wegen § 17 Abs. 3 S. 3 BetrAVG unwirksam. Die Kammer folgt dem klägerischen Vortrag, dass zumindest mit der Rückabwicklung des Vertrages der Beklagten bei der Nürnberger überbetriebliche Versorgungskasse e.V. auch der Entgeltvereinbarung vom 25.09.2006 der Boden entzogen war. Schließlich kann sich die Beklagte auch nicht auf § 3 BetrAVG berufen, da das in der Vorschrift geregelte Abfindungsverbot lediglich bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses greift, vorliegend mangels Wirksamkeit der Kündigungen der Beklagten hingegen das Arbeitsverhältnis unverändert fortbesteht.

82

Die Zinsforderung ist gem. §§ 286 Abs. 2 Ziff. 1, 288 Abs. 1 BGB begründet, wobei die Kammer das klägerische Begehren von fünf Prozent Zinsen in eine Zinsforderung i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auslegt (zutreffend OLG Hamm, NJW 2005, 2238; a.A. Hartmann, NJW 2004, 1358).

83

6.

Die Klage auf Zahlung von vertraglich vereinbartem Gehalt ist auf Grund der Unwirksamkeit der Kündigungen dem Grunde nach gem.§ 611 Abs. 1 BGB i.V.m. § 8 des Vertrages begründet.

84

Der Höhe nach hat der Kläger ab Mai 2008 lediglich einen Anspruch auf Monatslohn in Höhe der im Dienstvertrag ursprünglich vereinbarten 12.300,00 EUR brutto abzgl. der Leistungen der Agentur für Arbeit in Höhe von 1.155,36 EUR im Oktober 2008 und 2.166,30 EUR im November 2008 sowie Weihnachtsgeld für das Jahr 2008 gem. § 8 des Dienstvertrages. Weiterhin ist die Klage begründet wegen des restlichen Lohns für den Monat April 2008 i.H.v. 9.941,75 EUR, da das Dienstverhältnis seitens der Beklagten nur bis zum Tag der fristlosen Kündigung mit 2.358,25 EUR abgerechnet worden ist.

85

Eine Änderung des Dienstvertrages wegen einer Anhebung des Monatsgehaltes auf 15.377,00 EUR ab September 2007 ist nicht erfolgt. Nach § 18 Ziff. 1 des Vertrages bedarf dessen Änderung der Schriftform. Eine mündliche Einigung zwischen den Parteien in Berlin im Juli 2007 oder in der Folgezeit genügte daher unbeschadet seitens der Beklagten diesbezüglich getroffener Beschlüsse nicht. Zwar sind Inhalt und Tragweite von Formvereinbarungen durch Auslegung zu ermitteln, so dass, sofern einer vertraglichen vorausgesetzten Form lediglich deklaratorische Bedeutung zukommt, ein Rechtsgeschäft auch bei Nichteinhaltung der Form wirksam sein kann (Palandt/Ellenberger, BGB, 67. Auflage, § 125 Rn 12). Derartiges vermag die Kammer aber nicht zu erkennen, da nach Sinn und Zweck von § 18 Ziff. 1 des Dienstvertrages der vertraglichen Regelung nicht nur eine Klarstellungsfunktion zukommt, sondern auch einen Übereilungsschutz gewährleisten soll. Daher ist gem. § 125 Satz 2 BGB davon auszugehen, dass die gem. § 18 Ziff. 1 des Vertrages vereinbarte Schriftformerfordernis konstitutive Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Vertragsänderung ist.

86

Es liegt auch kein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten vor, so dass auch aus diesem Grund eine Berufung auf den Formmangel nicht ausscheidet. Sinn und Zweck einer Gehaltserhöhung ist für gewöhnlich unter anderem die Abgeltung besonderer Leistungen eines Arbeitnehmers und/oder die Absicht des Arbeitgebers, einen Mitarbeiter langfristig an ein Unternehmen zu binden. Vorliegend durfte daher die Beklagte auf Grund des offensichtlichen Zerwürfnisses zwischen ihr und dem Kläger davon absehen, dessen Gehalt trotz einer früheren mündlichen Vereinbarung anzuheben und die ursprünglich nach der Absprache vorgesehene schriftliche Vereinbarung abzulehnen.

87

Die Zinsforderung ist gem. §§ 286 Abs. 2 Ziff. 1, 288 Abs. 1 BGB wegen Verzuges ab dem jeweiligen Ersten des Folgemonats begründet, da gem. § 8 des Vertrages die Vergütung zum Monatsende auszuzahlen und daher kalendermäßig bestimmt fällig war. Unerheblich ist, ob das Gehalt üblicherweise früher ausgezahlt worden war. Auch hier hätte eine Fälligkeitsänderung wegen der Schriftformklausel im Vertrag schriftlich vereinbart werden müssen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte sich allein durch eine tatsächliche Übung auf Dauer zu vorzeitiger Fälligkeit verpflichten wollte.

88

II.

Die Widerklage der Beklagten ist nicht begründet. Das Feststellungsbegehren der Beklagten scheitert bereits daran, dass Pflichtverletzungen des Klägers, die einen Rückgriff zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen möglich erscheinen lassen, zur Überzeugung der Kammer nicht vorliegen. Soweit die Beklagte ihr Feststellungsbegehren darauf stützt, dass der Kläger der Dienstvereinbarung erst nachträglich die Versorgungsordnung angeheftet habe, konnte diese Behauptung durch die Beweisaufnahme nicht bewiesen werden, wobei auf die obigen Ausführungen Bezug genommen wird, um Wiederholungen zu vermeiden.

89

Das Feststellungsbegehren wegen der Anhebung der Bezüge der Mitarbeiter linear um 4% ab März 2009 scheitert daran, dass in der Gehaltsanhebung als solcher eine Pflichtverletzung des Klägers nicht zu erkennen ist.

90

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91a, 92 ZPO und richtet sich nach dem Verhältnis des Unterliegens und Obsiegens der Parteien. Soweit die Parteien übereinstimmend den Widerklageantrag zu Ziff. 2c) für erledigt erklärt haben, hat die Beklagte den hierauf entfallenden Teil der Verfahrenskosten zu tragen, da sie aller Voraussicht nach wegen einer fehlenden Verpflichtung des Klägers zum Schadensersatz wegen des von ihm erklärten Austritts aus dem V.d.W. mit dem Feststellungsbegehren unterlegen wäre. Auf die o.a. Ausführungen (S. 15) wird Bezug genommen. Ist keine Pflichtverletzung bewiesen, dann kann der Kläger auch nicht persönlich für die finanziellen Folgen seiner Entscheidungen haftbar gemacht werden.

91

IV.

Gegen den Kläger war nach § 38 GKG eine Gerichtsgebühr nach dem Streitwert des Rechtsstreits festzusetzen, da er mit der Stellung eines offensichtlich unbegründeten Befangenheitsantrages den Rechtsstreit schuldhaft erheblich verzögert hat. Die Stellung eines unbegründeten Ablehnungsgesuchs mit dem Ziel der Verzögerung eines Rechtsstreits rechtfertigt die Verhängung einer Gerichtsgebühr als Verzögerungsgebühr (OLG Celle, Beschluss vom 30.07.2007, Az.: 8 W 52/07). Der Kläger stellte das Befangenheitsgesuch am 15.04.2009, sechs Tage vor dem seitens der Kammer anberaumten Termin zur Beweisaufnahme. Ausweislich der Begründung des Befangenheitsgesuches war Ziel des Antrages, die Beweisaufnahme zu verhindern, wobei dem Kläger bewusst sein musste, dass sein Gesuch zu einer erheblichen Verzögerung des Rechtsstreits wegen der Wartepflicht gemäß § 47 ZPO führen würde. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers und der Kläger konnten und mussten jedoch von vornherein erkennen, dass das jeglicher Grundlage entbehrende und lediglich auf ihre (unzutreffende) Rechtsauffassung gestützte Ablehnungsgesuch mit dem einzigen Ziel, eine Entscheidung des Rechtsstreits durch eine Kammer mit einer dem Kläger genehmeren Rechtsauffassung zu erreichen, offensichtlich keinen Erfolg haben konnte. Darauf hat das OLG Celle in seiner Beschwerdeentscheidung vom 04.06.2009 bereits hingewiesen.

92

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der dem Kläger zu erstattenden Verfahrenskosten sowie der Verurteilung der Beklagten zur Zahlung folgt aus § 709 S. 2 ZPO. Zum Feststellungsausspruch bedurfte es keiner Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hinsichtlich der der Beklagten zu erstattenden Verfahrenskosten folgt aus §§ 708 Ziff. 11, 711 ZPO.

93

Die Entscheidung zur Sicherheitsleistung folgt aus § 108 ZPO.