Landgericht Lüneburg
Urt. v. 16.04.2009, Az.: 1 O 69/09

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
16.04.2009
Aktenzeichen
1 O 69/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 43101
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2009:0416.1O69.09.0A

In dem Rechtsstreit

...

hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 26.03.2009 durch den Richter am Landgericht Wolfer als Einzelrichter für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Verfügungsbeklagte wird verurteilt, es zu unterlassen, den Schacht ‚Mariaglück‘ in Höfer weiter mit Salzlösungen aus den Werken

    1. a.

      Müllheizkraftwerk E.... 45128 Essen,

    2. b.

      Gemeinschafts-Müllverbrennungsanlage N.... 46049 Oberhausen,

    3. c.

      Müllverwertung R.... 21129 Hamburg,

    4. d.

      Müllverwertung B.... 22113 Hamburg,

    5. e.

      Abfall-Wirtschaftsbetrieb des Landkreises N.... 86264 Weißenhorn,

  2. dergestalt zu befüllen, dass Salzlösungen aus diesen Werken oder Teile davon auf das Grundstück der Verfügungsklägerin ..., (Amtsgericht Celle, Grundbuch von H.... Blatt ..., Flur ..., Flurstück ...) gelangen. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.

  3. Der Verfügungsbeklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen diese Verpflichtung ein Ordnungsgeld bis zu 250 000,00 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

  4. Die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.

Tatbestand

1

Die Verfügungskläger sind je zur ideellen Hälfte Eigentümer des Grundstücks "Am ..." in H.... (eingetragen im Grundbuch von H...., Blatt ..., Flur ..., Flurstück ..., Amtsgericht Celle). Dieses Grundstück ist mit einem Einfamilienhaus bebaut, das die Verfügungskläger bewohnen. Im Grundbuch ist in Abteilung II zur lfd.Nr. 1 mit einem Schürfrecht zu Gunsten der Verfügungsbeklagten eingetragen.

2

Die Verfügungsbeklagte bzw. deren Rechtsvorgängerinnen betrieben zwischen 1916 und 1977 in Höfer ein Kali-Bergwerk und brachten dabei u.a. den Schacht "Mariaglück" nieder. Dieser Schacht wurde 1958 bis auf 911 m vertieft. Die wesentlichen Abbausohlen befinden sich auf 626 m und 710 m. Die Hauptsohlen auf diesem Niveau sind weit verzweigt und führen u.a. auch durch das Grundstück der Verfügungskläger.

3

Die Verfügungsbeklagte ist gem. § 7 Abs. 3 ABVO zur Flutung der Sohlen verpflichtet. Die Verfügungsbeklagte hat mit dem Fluten im Jahre 2001 begonnen; die 626 m-Sohle ist jedoch noch nicht geflutet. Als Flutungsmedium benutzt die Verfügungsbeklagte u.a. Salzlösungen aus Müllverbrennungsanlagen und -deponien. Diese Lösungen enthalten u.a. flüchtige und hochtoxische Schwermetalle. Das Erdreich kann, sollte es mit Schwermetallen kontaminiert werden, nachträglich nicht mehr vollumfänglich entfernt werden, ohne die Standsicherheit des Bergwerks zu gefährden.

4

Am 09.05.2005 führte die Verfügungsbeklagte in Höfer zu der Frage der Flutung eine Bürgerinformation durch. Die Öffentlichkeit wird über die Flutung und die Verwendung von Salzlösungen ferner durch die örtliche Zeitung - Cellesche Zeitung - informiert. Mit Schreiben vom 27.02.2009 forderten die Verfügungskläger die Verfügungsbeklagte zur Unterlassung auf. Die Verfügungsbeklagte lehnte dies mit Schreiben vom 09.03.2009 ab.

5

Die Verfügungskläger behaupten, der Schacht "Mariaglück" sei nicht intakt. Die vorhandenen Horizontal- und Vertikaldurchbrüche, die zum Teil den Salzstock verlassen hätten, seien nicht ordnungsgemäß verschlossen. Durch die Einbringung der Salzlösungen aus den im Tenor näher bezeichneten Anlagen vermischten sich die Schwermetalle aus diesen Salzlösungen mit dem Grund und Boden der Verfügungskläger, dünsteten bei hohen Temperaturen im Schacht aus und würden sich mit dem Grundwasser vermengen.

6

Die Verfügungskläger beantragen,

  1. die Verfügungsbeklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, den Schacht "Mariaglück" in Höfer und das Grundstück der Antragsteller am B.... in 29361 H.... weiter mit Salzlösungen aus den Werken

    1. 1.

      Müllheizkraftwerk E...., 45128 Essen,

    2. 2.

      Gemeinschafts-Müllverbrennungsanlage N.... 21129 Hamburg,

    3. 3.

      Müllvertwertung R.... 21129 Hamburg,

    4. 4.

      Müllvertwertung B...., 22113 Hamburg,

    5. 5.

      Abfall-Wirtschaftsbetrieb des Landkreises N.... 86264 Weißenhorn,

  2. zu befüllen

  3. und eine Sanktionsklausel zu erlassen.

7

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

  1. den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

8

Die Verfügungsbeklagten behaupten, die Einleitung der Salzlösungen erfolge auf Grundlage bergrechtlich zugelassener Sonderbetriebspläne, die die Einleitung der von den Verfügungsklägern genannten Salzlösungen umfassten. Für alle Flutungsmedien unterschreite sie die im Abschlussbetriebsplan festgesetzten Grenzwerte, u.a. auch bei den Schwermetallen.

9

Sie meint, es fehle sowohl an einem Verfügungsanspruch, als auch an einem Verfügungsgrund.

10

Sie erhebt die Einrede der Verjährung hilfsweise Verwirkung.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

12

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung der Verfügungskläger ist zulässig und im Wesentlichen begründet. Die Verfügungskläger haben gegenüber der Verfügungsbeklagten den im Tenor näher bezeichneten Unterlassungsanspruch (nachfolgend 1). Einen darüber hinausgehenden Anspruch haben sie nicht; insoweit war der Erlass der einstweiligen Verfügung deshalb zurückzuweisen (nachfolgend 2.).

  1. 1.

    Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig und im Wesentlichen begründet.

    1. a)

      Der Verfügungsanspruch basiert auf den §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 903 BGB.

      1. aa)

        Durch die Einbringung von Salzlösungen aus Müllverbrennungs- und Abfallbeseitigungsanlagen, in denen sich u.a. Schwermetallen befinden, wird das Eigentum der Kläger beeinträchtigt.

        Die Kläger sind Eigentümer des im Tenor näher bezeichneten Grundstücks in Höfer, wobei sich ihre aus § 903 BGB abgeleiteten Rechte auch auf das Erdreich unter der Oberfläche, mithin auf das Erdreich unter dem in Rede stehenden, näher bezeichneten Grundstück auf den beiden Sohlen des Bergwerks "Mariaglück" erstreckt (vgl. § 905 Satz 1 BGB).

        Die Verfügungsbeklagte ist Verhaltensstörerin. Durch das Einbringen der Salzlösungen aus den in Rede stehenden Werken wird die sich im Bergwerk befindliche Salzlösung derart vermischt, dass über die jeweiligen Sohlen Schwermetalle auf das Grundstück der Verfügungskläger gelangen.

      2. bb)

        Es besteht keine Duldungspflicht der Verfügungskläger nach § 1004 Abs. 2 BGB.

        (1.) Eine Duldungspflicht folgt insbesondere nicht aus dem in Abtl. II des Grundbuches unter lfd.Nr. 1 zu Gunsten der Verfügungsbeklagten eingetragenen Schürfrechtes. Dieses Schürfrecht berechtigt die Verfügungsbeklagte nicht, mit Schwermetallen versetzte Salzlösungen in den Boden zu pumpen, mit der Folge, dass diese auf das Grundstück der Verfügungskläger gelangen. Dieses Schürfrecht verhält sich nur zur Gewinnung der Bodenschätze und zur Verpflichtung der Verfügungskläger, eine solche hinzunehmen.

        (2.) Eine Duldungspflicht ergibt sich auch nicht aus dem Bundesberggesetz, denn dieses entzieht den Verfügungsklägern lediglich ihr Dispositionsrecht hinsichtlich der Bodenschätze und verpflichtet sie nicht zur Hinnahme von Ablagerungen von mit Schwermetallen versetzter Sole auf ihrem Grundstück.

        (3.) Eine Duldungspflicht folgt ferner nicht aus der - öffentlich rechtlichen - Verpflichtung der Verfügungsbeklagten zur Flutung des Schachtes, denn diese schreibt (schon) nicht vor, dass die Flutung mit Salzlösungen aus den in Rede stehenden Werken erfolgen soll.

        (4.) Eine Duldungspflicht ergibt sich außerdem nicht aus der - öffentlich rechtlichen - Genehmigung der Einleitung der Salzlösungen aus den in Rede stehenden Werken, denn diese verhält sich nur zu der Frage der Zulässigkeit der Einleitung aus öffentlich rechtlicher Sicht und nicht zu der hier in Rede stehenden Beeinträchtigung des Eigentums der Verfügungskläger.

      3. cc)

        Die Verfügungsbeklagte beruft sich auf § 905 Satz 2 BGB und meint, die Einwirkungen auf das Grundstück der Verfügungskläger würden in einer solchen Tiefe vorgenommen, dass diese an der Beeinträchtigung ihres Eigentums kein Interesse hätten. Insoweit führt die Verfügungsbeklagte aus, die Verfügungskläger würden diesen Bereich des Bodens nicht aktiv nutzen. Diese würde nur über ein sehr kleines Grundstück mit einfacher Bebauung und einfacher Gartennutzung innerhalb eines dörflich geprägten Wohngebietes verfügen; ihr Garten diene allein Erholungszwecken und dem Anbau von Obst und Gemüse; die Nutzung des Bodens sei rein oberflächlich.

        Wie der Bundesgerichtshof wiederholt (eingehend BGH MDR 1981, 567) dargelegt hat, trägt der Störer die Beweislast, dass der Eigentümer an der Ausschließung kein Interesse hat. Insoweit hat der Bundesgerichtshof in der angegebenen Entscheidung u.a. ausgeführt, dass sich das Verbietungsinteresse des Eigentümers auf jedes schutzwürdige, auch künftige Interesse stützen könne, wobei das Interesse kein vermögensrechtliches sein müsse. Auch ein ästhetisches sei ausreichend, wobei das Interesse sich jedoch auch auf eine Beziehung zur Benutzung des Grundstücks gründen müsse. Das Ausschließungsinteresse sei nicht nach abstrakten Grundsätzen zu beurteilen; vielmehr seien die konkreten Verhältnisse maßgebend. Bei Einwirkung in der Tiefe sei ein strenger Maßstab an den Nachweis, dass der Eigentümer kein Verbietungsinteresse habe, anzulegen.

        Diesen Nachweis hat die Verfügungsbeklagte im Rahmen des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht geführt.

        Die Verfügungskläger haben dargelegt, dass dadurch, dass nach ihrer Ansicht der Schacht "Mariaglück" nicht mehr intakt sei und Kontakt mit dem sonstigen Gestein und Grundwasser bestehe, durch Diffusion die Schwermetalle, die über die eingebrachte Salzlösung auf ihr Grundstück gelangten, an die Oberfläche kommen. Die Verfügungsbeklagte ist diesem Vorbringen zwar entgegengetreten, jedoch im einstweiligen Verfügungsverfahren nicht in ausreichendem Maße. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verfügungsbeklagte hinsichtlich der maßgeblichen technischen und naturwissenschaftlichen Sachverhalte keine Gutachten vorgelegt, sondern lediglich eidesstattliche Versicherungen eines ihrer Mitarbeiters bzw. eines Mitarbeiters eines Tochterunternehmens und eine Bewertung eines ihrer Mitarbeiter vorgelegt hat. Diese eidesstattlichen Versicherungen und diese Bewertung reichen nicht aus anzunehmen, dass die Verfügungskläger kein Interesse an der Beeinträchtigung ihres Eigentums haben.

      4. dd)

        Die Verfügungsbeklagte dringt mit der Verjährungseinrede nicht durch, weil Streitgegenstand nicht die Beseitigung von Beeinträchtigungen in der Vergangenheit ist sondern drohende Beeinträchtigungen.

        Auch Verwirkung greift nicht ein. Die Verfügungsbeklagten hat weder konkret zum Zeit- noch zum Umstandsmoment vorgetragen. Zwar hat sie - allgemein - darauf hingewiesen, dass die Flutung seit 2001 genehmigt ist und dass insoweit insbesondere seit 2005 eine Information der Öffentlichkeit stattgefunden hat. Ob insoweit die Verfügungskläger informiert waren, hat die Verfügungsbeklagte jedoch nicht konkret vorgetragen.

    2. b)

      Der Verfügungsgrund basiert darauf, dass die bevorstehende (weitere) Einleitung von Salzlösungen aus den in Rede stehenden Werken die Verwirklichung der aus § 903 BGB folgenden Rechte der Verfügungskläger konkret gefährden würde. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass, sollte die mit Schwermetallen versetzte Sole eingeleitet werden, die Schwermetalle sich so mit dem erdreich verbinden werden, dass eine spätere Entfernung ohne Gefährdung der Standsicherheit nicht mehr möglich ist, mithin dass faktisch ein unumkehrbarer Zustand geschaffen würde.

      Der Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch nicht durch Zeitablaufausgeschlossen. Die Verfügungskläger haben insoweit vorgetragen, durch die Berichterstattung im Zusammenhang mit dem Bergwerk "Asse" von den in Rede stehenden Einleitungen erfahren zu haben. Sie hätten sich daraufhin mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 27.02.2009 an die Verfügungsbeklagte gewandt, die mit Schreiben vom 09.03.2009 eine Unterlassung abgelehnt habe. Die Verfügungskläger sind mithin im unmittelbarem Zusammenhang mit dem bekanntwerden der Eigentumsbeeinträchtigung tätig geworden und haben in unmittelbarem Zusammenhang mit der Kenntnis der Ablehnung der Unterlassung der Beeinträchtigung durch die Verfügungsbeklagte mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 18.03.2009 gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen und den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt.

      Die Verfügungsbeklagte führt insoweit aus, die Einleitung von Salzlösungen erfolge seit dem Jahre 2001 wobei seit 2005 die Öffentlichkeit durch eine Versammlung und durch Presseveröffentlichungen informiert sei. Die Verfügungsbeklagte behauptet jedoch selbst nicht, dass die Verfügungskläger seit 2001 bzw. 2005 Kenntnis von der Einleitung hatten.

      Weil durch die Einleitung der Salzlösungen aus den in Rede stehenden Werken quasi ein unumkehrbarer Zustand hinsichtlich des Grundstücks der Verfügungskläger geschaffen würde, ist ausnahmsweise auch der Erlass einer sog. Leistungsverfügung (vgl. § 940 ZPO) zulässig.

  2. 2.

    Die Verfügungskläger können jedoch nicht generell die Einbringung von Salzlösungen aus den in Rede stehenden Werken verbieten, denn, soweit diese nicht auf ihr Grundstück gelangt, sind die Verfügungskläger in ihrem Eigentumsrecht nicht betroffen. Der darüber hinausgehende Antrag war somit zurückzuweisen.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 ZPO, weil das Unterliegen der Verfügungskläger verhältnismäßig gering ist und nur gering höhere Kosten verursacht hat.

Wolfer