Landgericht Lüneburg
Urt. v. 16.09.2009, Az.: 6 S 62/09

Rechtmäßigkeit der Räumung eines vermieteten Hauses sowie der Erstattung vorgerichtlicher Anwaltsgebühren; Annahme einer Zahlungsunfähigkeit eines Mieters bei Inanspruchnahme von Sozialleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts; Vorliegen einer nachhaltigen Zahlungsunpünktlichkeit bei wiederholt verspätet gezahlter Miete und Zahlung von Mietnebenkosten erst nach mehreren Aufforderungen des Vermieters

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
16.09.2009
Aktenzeichen
6 S 62/09
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 37812
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LGLUENE:2009:0916.6S62.09.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Lüneburg - 30.04.2009 - AZ: 12 C 636/08
nachfolgend
BGH - 14.07.2010 - AZ: VIII ZR 267/09

In dem Rechtsstreit
...
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg
auf die mündliche Verhandlung vom 29.07.2009
durch
die ..., die Richterin am Landgericht ... und
die Richterin am Landgericht ...
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 30.04.2009, Az.: 12 C 636/08, unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise aufgehoben und insgesamt wie neu gefasst:

  1. 1.

    Der Beklagte wird verurteilt, 83,54 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.12.2008 an die Klägerin zu zahlen.

    Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten des Rechtsstreits 1. Instanz und die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

  3. 3.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch die jeweils andere Partei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn der jeweilige Gläubiger nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

  4. 4.

    Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

1

I:

2

Die Klägerin macht gegenüber dem Beklagten die Räumung eines an diesen vermieteten Hauses sowie die Erstattung vorgerichtlicher Anwaltsgebühren geltend.

3

Mit Vertrag vom 15. November 2005 mietete der Beklagte von der Klägerin das im Klagantrag näher bezeichnete Haus zu einer monatlichen Nettomiete von 530,- Euro an. Die Nebenkostenvorauszahlungen betragen derzeit 50,- Euro. Wegen der weiteren Einzelheiten des Mietvertrages wird auf die Vertragskopie (Anlage K1, Bl. 7 ff. d.A.) Bezug genommen. Der Mietzins wird jedenfalls zurzeit von der ... für den Beklagten bezahlt.

4

Im Dezember 2006 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis wegen eines Mietrückstandes in Höhe von 4.290,- Euro fristlos.

5

Sodann erhob die Klägerin gegen den Beklagten eine Räumungs- und Zahlungsklage vor dem Amtsgericht Lüneburg, die unter dem Aktenzeichen 39 C 648/06 geführt wurde.

6

Innerhalb der 2-Monatsfrist des §569 Abs. 3 Ziffer 2 BGB wurden die Mietrückstände ausgeglichen, mit der Folge, dass die Kündigung unwirksam und der Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt wurde. Die Kosten dieses Rechtsstreits wurden dem Beklagten auferlegt. U.a. waren gemäß Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Lüneburg vom 30.8.2007 1.620,66 Euro von dem Beklagten zu erstatten. Diese Kosten hat der Beklagte bisher nicht bezahlt. Vollstreckungsversuche der Klägerin sind erfolglos geblieben. Der Beklagte hat im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens eine eidesstattliche Versicherung abgegeben.

7

Am 11. August 2008 beauftragte die Klägerin ihren Prozessbevollmächtigten mit der außergerichtlichen Geltendmachung der Augustmiete, die mit Anwaltschreiben vom 13. August 2008 (Anlage K2, Bl. 10 d.A.) erfolgte. Ebenfalls am 11. August 2008 wurde die seitens der ... veranlasste Zahlung der Augustmiete auf dem Konto der Klägerin gutgeschrieben.

8

Mit Rechtsanwaltsschreiben vom 13. November 2008 (Anlage K 3, Bl. 12 f. d.A.) kündigte die Klägerin das Mietverhältnis fristgemäß. Bezüglich der Begründung der Kündigung wird auf das vorgenannte Schreiben Bezug genommen. Der Beklagte hat der Kündigung widersprochen.

9

Die Klägerin macht zum einen die Räumung des von dem Beklagten bewohnten Hauses geltend.

10

Die Klägerin hat insoweit die Ansicht vertreten, zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt gewesen zu sein. Sie hat insoweit auf bestehende Zahlungsansprüche in Höhe von insgesamt 2.220,90 Euro verwiesen. Hierzu hat sie behauptet, die aus dem Vorprozess bestehenden Zahlungsansprüche beliefen sich inklusive Zinsen und Vollstreckungskosten per 13.11.2008 bereits auf 2.137,38 Euro. Sie ist der Auffassung, dass auch das Verhalten des Beklagten im Zwangsvollstreckungsverfahren zu berücksichtigen sei. Die Klägerin hat insoweit vorgetragen, der Beklagte habe sich im Zwangsvollstreckungsverfahren (zunächst) der vollständigen Abgabe der eidesstattlichen Versicherung widersetzt. Auch sei der Beklagte nicht bereit, die Kosten selbst durch geringe Ratenzahlungen auszugleichen. Zu den Zahlungsansprüchen aus dem Vorprozess käme noch ein Anspruch auf Erstattung von Anwaltsgebühren in Höhe von 83,54 Euro hinzu, die im Zusammenhang mit der Anmahnung der Augustmiete 2008 entstanden seien. Zum Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwaltes am 11.08.2008 sei für die Klägerin die Gutschreibung der Augustmiete auf ihrem Konto, die unstreitig ebenfalls erst am 11.08.2008 erfolgt ist, noch nicht ersichtlich gewesen.

11

Die Kündigung sei zum anderen auch deshalb gerechtfertigt, weil der Beklagte die Miete wiederholt verspätet gezahlt habe. Neben der Augustmiete 2008 sei auch die Miete für den Monat März 2008 verspätet gezahlt worden. Die Märzmiete sei erst am 14.4.2008 eingegangen. Weiter hat die Klägerin zur Begründung ihrer Kündigung den Umstand angeführt, dass die Nebenkostenabrechnungen für 2006 und 2007 erst verspätet und nach mehrfachen Aufforderungen gezahlt worden seien.

12

Neben der Räumung und der Erstattung der vorgerichtlicher Anwaltsgebühren in Höhe von 83,54 Euro hat die Klägerin auch die Erstattung von Anwaltsgebühren geltend gemacht, die durch das Kündigungsschreiben vom 13. November 2008 entstanden seien. Diese hat sie mit 603,93 Euro beziffert.

13

Die Klägerin hat beantragt,

  1. 1.

    den Beklagten zu verurteilen, das in 2. ... gelegene Haus, bestehend aus drei Zimmern, einer Küche, einem Bad, einer Toilette mit Bad und einem Balkon nebst Grundstück zu räumen und besenrein am 28.02.2009 an die Klägerin herauszugeben,

  2. 2.

    den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 687,47 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 83,54 Euro seit dem 21.08.2008 und aus 603,93 Euro ab dem 28.11.2008 zu zahlen.

14

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

15

Der Beklagte ist der Ansicht, dass die Klägerin durch ihr Verhalten die Anwaltskosten betreffend den Vorprozess in die Höhe getrieben habe. Die Ausführungen der Klägerin zum Zwangsvollstreckungsverfahren seien unerheblich. Im Übrigen könne die Klägerin aus der Nichtzahlung der Kosten aus dem Vorprozess ein Kündigungsrecht nicht herleiten. Zu berücksichtigen sei auch, dass er unverschuldet nicht in der Lage sei, die Zahlungen vorzunehmen. Der Beklagte hat insoweit darauf hingewiesen, dass er - unstreitig - Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beziehe.

16

Auch hinsichtlich der verspäteten Zahlung der Augustmiete träfe ihn kein Verschulden. Die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Anwaltskosten in Höhe von 83,54 Euro könne die Klägerin nicht erstattet verlangen. Zum einen sei die Zahlung der Miete durch die ... erfolgt, was der Klägerin auch bekannt gewesen sei. Zum anderen habe die Klägerin gegen ihre Schadensminderungspflicht verstoßen, weil sie den Eingang des Geldes nicht hinreichend überwacht habe. Auch eine unstreitig im Monat April 2008 verspätet erfolgte Mietzahlung habe der Beklagte angesichts dessen, dass die Zahlung direkt durch die ... erfolgt sei, nicht zu vertreten.

17

Der Nachzahlungsbetrag aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2006 habe mit Auslagen für das Haus verrechnet werden sollen. Hinsichtlich der Nebenkostenabrechnung betreffend das Jahr 2007 habe der Beklagte vor der Bezahlung des Nachforderungsbetrages die Belege einsehen wollen.

18

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung angeführt, für eine fristgemäße Kündigung des Mietverhältnisses lägen keine ausreichenden Gründe vor. Hinsichtlich der Nichtzahlung der Kosten, die anlässlich des Vorprozesses entstanden seien, sei bereits fraglich, ob durch die Nichtzahlung eine Pflicht aus dem Mietverhältnis verletzt worden sei. Jedenfalls habe die Klägerin ein diesbezügliches Verschulden des Beklagten nicht hinreichend dargetan. Gegen ein Verschulden des Beklagten spreche, dass dieser Leistungen der ... erhalte. Soweit Mietzinszahlungen verspätet erfolgt seien, fehle es an einer erheblichen Pflichtverletzung des Beklagten. Weiter sei wiederum ein Verschulden des Beklagten nicht ausreichend dargetan. Ähnliches gelte für die von der Klägerin angeführte verspätete Zahlung der Nebenkostennachzahlungen sowie für die Nichtzahlung der Anwaltsgebühren, die von der Klägerin für die verspätete Zahlung der August-Miete 2008 gefordert werden. Hinsichtlich der geltend gemachten außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren sei ein Schaden der Klägerin nicht dargelegt, da eine Bezahlung der Kosten seitens der Klägerin nicht vorgetragen worden sei.

19

Hinsichtlich der Begründung im Übrigen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.

20

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt.

21

Die Klägerin verfolgt ihre erstinstanzlich geltend gemachten Anträge in vollem Umfang weiter und führt insofern aus, dass die Nichtzahlung der aus dem Vorprozess zu erstattenden Kosten in Höhe von mehr als 2.000,- Euro die Klägerin sowohl zur fristlosen Kündigung gemäß §543 Abs. 1 BGB also auch zur ordentlichen Kündigung gemäß §573 BGB berechtigten, die die Klägerin vorsorglich mit der Berufungsbegründung nochmals erklärt. Sie meint, dass insoweit auch eine Pflichtverletzung des Beklagten anzunehmen sei, deren Ursprung in der Nichtzahlung der Mieten zu sehen sei, die zu dem Vorprozess geführt habe. Zu Unrecht habe das Amtsgericht ein mangelndes Verschulden des Beklagten hinsichtlich der - unstreitig - verspätet erfolgten Mietzahlungen angenommen. Der Entlastungsbeweis obliege insoweit dem Beklagten.

22

Sie beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Lüneburg vom 30. April 2009, Aktenzeichen: 12 C 636/08, aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen,

  1. 1.

    das in ... gelegene Haus, bestehend aus drei Zimmern, einer Küche, einem Bad, einer Toilette mit Bad und einem Balkon nebst Grundstück zu räumen und besenrein an die Klägerin herauszugeben und

  2. 2.

    an die Klägerin 687,47 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 83,54 Euro seit dem 21.08.2008 und aus 603,93 Euro ab dem 28.11.2008 zu zahlen.

23

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

24

Bezüglich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

25

II.

Die Berufung ist zulässig. Sie hat jedoch nur zu einem geringen Teil Erfolg. Der Klägerin steht lediglich ein Anspruch auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 83,54 Euro zu.

26

1.

Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Räumung des von diesem bewohnten Hauses nicht zu.

27

Die von der Klägerin ausgesprochenen Kündigungen sind unwirksam.

28

Es bestand weder ein Grund für eine fristlose Kündigung gemäß §543 BGB noch für eine fristgemäße Kündigung gemäß §573 BGB.

29

a)

Soweit die Klägerin zur Begründung der Kündigung die Nichtzahlung der Kosten anführt, die durch den Vorprozess entstanden sind, rechtfertigt diese Nichtzahlung eine fristlose Kündigung nicht, wobei vorliegend die tatsächliche Höhe des diesbezüglichen Zahlungsanspruchs der Klägerin unerheblich ist.

30

Bei der Verpflichtung zur Erstattung dieser Prozesskosten handelt es sich nicht um Mietschulden im Sinne des §543 Abs. 2 Nr. 3 BGB.

31

Die Nichtzahlung der Prozesskosten stellt auch keinen Kündigungsgrund gemäß §543 Abs. 1 BGB dar.

32

Nach der vorgenannten Vorschrift ist die fristlose Kündigung gerechtfertigt, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Erforderlich ist eine umfassende Interessenabwägung "unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls". Die Vertragsverletzung muss so schwer sein, dass dem Kündigungsberechtigten die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. (Vgl. Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 9. Auflage, §543 Rn. 159.)

33

Ein wichtiger Grund im Sinne des Vorhergesagten liegt nicht vor.

34

Als ausreichender Kündigungssachverhalt wird die Weigerung zur Zahlung von Verbindlichkeiten angesehen (Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., §543 Rn. 177 ff.).

35

Der Tatbestand des §543 Abs. 1 BGB wird bejaht, wenn der Mieter seine Zahlungspflichten endgültig und bestimmt verweigert. In der Literatur wird als Beispiel für diese Fallgruppe die Weigerung der Bezahlung restlicher Betriebskosten nach Erhalt einer Abrechnung angeführt. In diesem Zusammenhang heißt es: "Vergleichbare Grundsätze gelten im Falle der Nichtzahlung von Schadensersatzbeträgen, Prozesskosten und dergleichen" (Schmidt-Futterer/Blank, a.a.O., §543 Rn. 181).

36

Es ist bereits fraglich, ob die Nichtzahlung von Prozesskosten tatsächlich mit der Nichtzahlung restlicher Betriebskosten gleichgesetzt werden kann- so offenbar die Aussage des vorgenannten Zitats. Hiergegen spricht, dass die Bezahlung eines Nachzahlungsbetrages aus einer Nebenkostenabrechnung eine Verpflichtung darstellt, die sich unmittelbar aus dem Mietvertrag ergibt. Demgegenüber lässt sich die Verpflichtung zur Erstattung von Prozesskosten nicht unmittelbar aus dem Mietvertrag herleiten (siehe zur Frage des Vorliegens einer Vertragsverletzung auch unten unter Ziffer 2.).

37

Unabhängig davon kann vorliegend das Verhalten des Beklagten nicht als Weigerung zur Zahlung in dem oben genannten Sinne beurteilt werden. Eine zur Kündigung berechtigende Zahlungsverweigerung kann nur dann angenommen werden, wenn der Mieter trotz Zahlungsfähigkeit auf eine berechtigte Forderung keine Zahlungen leistet. Vorliegend kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Beklagte zahlungsfähig ist. Der Beklagte bezieht unstreitig aktuell Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Die Miete wird von der ARGE direkt an die Klägerin gezahlt. Der Beklagte hat eine eidesstattliche Versicherung abgegeben. Das entsprechende Verfahren ist offensichtlich inzwischen abgeschlossen. Dass der Beklagte im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens Einwendungen erhoben hat, kann nicht zu seinem Nachteil gewertet werden. Zu Einwendungen im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens ist der Beklagte grundsätzlich berechtigt. Ausschlaggebend ist, dass die Vollstreckung letztendlich nicht erfolgreich war und demnach davon auszugehen ist, dass der Beklagte zur Zahlung finanziell nicht in der Lage und nicht nur nicht gewillt ist.

38

Im Übrigen muss nach der gesetzlichen Definition die Pflichtverletzung so schwer sein, dass dem Kündigungsberechtigten die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Die Nichtzahlung der Prozesskosten macht die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zu den vorgenannten Zeitpunkten aber nicht unzumutbar. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass die Nichtzahlung der Prozesskosten nicht gleichzeitig erwarten lässt, dass bei Fortsetzung des Mietverhältnisses in Zukunft mietvertragliche Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllt werden, zumal die Miete von der ... bezahlt wird.

39

Ein Kündigungssachverhalt im Sinne des §543 BGB liegt auch nicht unter dem Gesichtspunkt unpünktlicher Mietzahlungen vor. Unpünktliche Mietzahlungen berechtigten grundsätzlich unabhängig davon zur Kündigung, ob sich die Zahlungsunpünktlichkeit auf die Grundmiete, die Betriebskosten oder auf sonstige Zahlungsverpflichtungen bezieht (Schmidt-Futterer/Blank a.a.O. §543 Rn. 166).

40

Die Erstattung der Prozesskosten ist jedoch nicht zu den (periodisch wiederkehrenden) Zahlungsverpflichtungen im vorgenannten Sinne zu zählen.

41

Auch soweit die Klägerin weiter zur Begründung der Kündigung angeführt hat, dass die Mieten für März und August 2008 verspätet gezahlt und darüber hinaus die Mietnebenkostennachzahlungen für die Jahre 2006 und 2007 erst nach mehreren Aufforderungen ausgeglichen worden seien, ist ein Kündigungsgrund im Sinne des §543 BGB nicht gegeben.

42

Die unpünktliche Mietzahlung erfüllt nur dann den Tatbestand des §543 Abs. 1 BGB, wenn sie nachhaltig ist. Eine lediglich gelegentliche Zahlungsunpünktlichkeit führt nicht zur Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung. Dies bedeutet, dass die Zahlungs-unpünktlichkeit einen längeren Zeitraum umfassen muss, wobei das Merkmal der Nachhaltigkeit für gegeben erachtet wird, wenn der Mieter innerhalb eines Jahres 6 Zahlungstermine oder mehr überschreitet (Schmidt-Futterer/Blank a.a.O. §543 Rn. 168).

43

Die Zahlungsunpünktlichkeit berechtigt allerdings nur dann zur Kündigung, wenn weitere Umstände hinzutreten, aus denen sich ergibt, dass die Rechte und Interessen des Vermieters so schwer beeinträchtigt werden, dass diesem die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht mehr zugemutet werden kann. Bei der Prüfung der Unzumutbarkeit der Vertragsfortsetzung spielt auch die Dauer der Fristüberschreitung eine Rolle (vgl. Schmidt/Futterer/Blank a.a.O. §543 Rn. 168).

44

Unstreitig ging eine monatliche Mietzahlung erst am 15.4.2008 auf dem Konto der Klägerin ein. Diese betraf aber offensichtlich - so der handschriftliche Vermerk auf der von der Klägerin eingereichten Fotokopie des Kontoauszuges (Anlage K6, Bl. 53 d.A.) - nicht die Miete für den Monat März sondern die Aprilmiete. Die Augustmiete wurde unstreitig am 11.08.2008 auf dem Konto der Klägerin gutgeschrieben.

45

Gemäß §4 des Mietvertrages vom 15.11.2005 hat der Beklagte die Miete monatlich im Voraus bis zum dritten Werktag eines jeden Monats zu bezahlen.

46

Die Mietzahlungen in den vorgenannten zwei Monaten sind also jeweils ca. 1 Woche bis 10 Tage verspätet erfolgt.

47

Weiter führt die Klägerin die verspätete Bezahlung der Nebenkostenachforderungen betreffend die Jahre 2006 und 2007 an. Nach dem Vortrag der Klägerin ergab sich für das Jahr 2006 ein Nachzahlungsbetrag in Höhe von 52,34 Euro. Über diese Kosten wurde mit Schreiben vom 09.04.2007 abgerechnet. Hinzu kommt der Nachzahlungsbetrag in Höhe von 47,35 Euro aus der Nebenkostenabrechnung für 2007 vom 18.09.2009. Die Nachzahlungen wurden am 21.10.2008 geleistet.

48

Hinsichtlich der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2007 beträgt die Zeit zwischen Abrechnung und Zahlung lediglich ca. 1 Monat, wobei zusätzlich zu berücksichtigen ist, dass der Beklagte zwischenzeitlich noch die Einsicht in Belege gefordert und erhalten hatte.

49

Der Nachzahlungsbetrag aus der Abrechnung für das Jahr 2006 wurde zwar erst 1 Jahr nach Abrechnung ausgeglichen. Aber auch wenn es die von dem Beklagten behauptete Verrechnungsabrede hinsichtlich dieser Abrechnung nicht gab, führt diese späte Zahlung auch unter Berücksichtigung der weiteren Zahlungsunpünktlichkeiten nicht zur Annahme einer nachhaltigen Zahlungsunpünktlichkeit.

50

Insgesamt sind nach dem Vorstehenden innerhalb eines Zeitraumes von über einem Jahr 4 mal Zahlungsverpflichtungen des Mieters unpünktlich erfüllt worden, davon in 3 Fällen nur mit geringen Fristüberschreitungen.

51

Danach kann insgesamt weder von einer nachhaltigen (einen längeren Zeitraum umfassenden) Zahlungsunpünktlich ausgegangen werden noch ist angesichts der relativ geringen Dauer der Fristüberschreitung die Vertragsfortsetzung unzumutbar. Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass sich die Nachzahlungsbeträge jeweils auf lediglich ca. 50 Euro beliefen.

52

Weiter spricht im Rahmen der Unzumutbarkeitsüberprüfung zugunsten des Beklagten, dass dieser sich in schlechten finanziellen Verhältnissen befindet und die unpünktlichen Mietzahlungen durch die ... erfolgt sind (vgl. hierzu Schmidt-Futterer/Blank a.a.O. Rn. 169: Zahlungen über das Sozialamt)

53

Schließlich fehlt es aber auch an der gemäß §543 Abs. 3 BGB erforderlichen Abmahnung vor Ausspruch der Kündigung.

54

b)

Die dargestellten Sachverhalte rechtfertigen auch keine ordentliche Kündigung gemäß §573 BGB.

55

Diese setzt ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses voraus.

56

Gemäß §573 Abs. 2 Nr. 1 BGB hat der Vermieter ein berechtigtes Interesse, wenn der Mieter seine vertraglichen Pflichten schuldhaft nicht unerheblich verletzt hat.

57

Das Gesetz stellt insoweit ausdrücklich auf die Verletzung "vertraglicher Pflichten" ab.

58

Die Verpflichtung zur Erstattung der Prozesskosten stellt aber keine Vertragspflicht aus dem Mietverhältnis dar (so auch LG Duisburg, Beschluss vom 28.05.1991, Az.: 7 S 616/90).

59

Soweit die Klägerin als entsprechende vertragliche Verpflichtung den damals aufgelaufenen Zahlungsrückstand anführt, kann auf diese Pflichtverletzung nicht mehr abgestellt werden. Diese Vertragsverletzung ist mit der Begleichung der Miete innerhalb der Frist des§569 Abs. 3 Nr. 2 BGB abgeschlossen und wirkt nicht mehr fort.

60

Es wäre auch mit dem Nachholrecht des §569 Abs. 3 Nr. 2 BGB nicht vereinbar, wenn man die Nichtzahlung der Prozesskosten als ausreichenden Kündigungsgrund annehmen würde.

61

Nach der vorgenannten Vorschrift wird die Kündigung unwirksam, wenn der Vermieter innerhalb der genannten Fristhinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach §546 a Abs. 1 BGB befriedigt wird. Die Befriedigung hinsichtlich der Prozesskosten ist danach nicht erforderlich.

62

Die Regelung unter §569 Abs. 3 Nr. 2 BGB soll dem Schutz des Mieters von Wohnraum vor der außerordentlichen fristlosen Kündigung gemäß §543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 dienen (Palandt/Weidenkaff, Bürgerliches Gesetzbuch, 67. Aufl., §569 Rn. 15). Diesem Schutzzweck würde nicht ausreichend genüge getan, wenn allein die Nichtbezahlung der Prozesskosten, die nicht erforderlich ist, um die Kündigung unwirksam zu machen, wiederum einen Grund für eine neue Kündigung darstellt. Hierbei kann auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass die fällige Forderung im Sinne des §569 Abs. 3 Nr. 2 BGB zum Schutz des Wohnungsmieters oftmals durch Dritte (die ...) ausgeglichen wird.

63

Auch die zweimalige unpünktliche Zahlung sowie die verspätete Bezahlung der Nebenkostennachforderung erst nach Mahnung reichen zur Annahme eines berechtigten Interesses im o.g. Sinne nicht aus. Im Übrigen fehlt es insoweit wiederum an einer Abmahnung.

64

2.

Mangels wirksamer Kündigung kann die Klägerin auch nicht die hierdurch veranlassten Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 603,93 Euro erstattet verlangen.

65

3.

Der Klägerin steht allerdings gegen den Beklagten aus §§280, 286 BGB ein Schadensersatzanspruch auf Erstattung der ihr entstandenen Kosten für die außergerichtliche Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten im Zusammenhang mit der Geltendmachung der Augustmiete 2008 in Höhe von 83,54 Euro zu, denn der Beklagte befand sich mit der Mietzahlung für den Monat August im Verzug.

66

Unstreitig ist die Augustmiete nicht bis zum 3. Werktag an die Klägerin gezahlt worden, sondern erst am 11. August auf dem Konto der Klägerin gutgeschrieben worden.

67

Die Klägerin hatte den Rechtsanwalt am 11. August 2008 mit der Geltendmachung der Augustmiete beauftragt. Dass die Mietzahlung am selben Tag auf dem Konto der Klägerin eingegangen ist, steht dem Zahlungsanspruch der Klägerin nicht entgegen. Die Klägerin hat angegeben, dass ihr der Zahlungseingang zum Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwaltes nicht bekannt gewesen sei. Es kann dahin stehen, ob der Klägerin per Online-Banking möglich gewesen wäre, bereits vor dem 11. August 2008 den (zukünftigen) Zahlungseingang auf ihrem Konto festzustellen. Der im Mietvertrag vereinbarte Zahlungstermin war zum Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwaltes bereits mehrere Tage überschritten. Der Klägerin kann nicht unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht zugemutet werden, nach Ablauf des vertraglich geregelten Zahlungstermins immer wieder mit allen möglichen Mitteln kurzfristig zu überprüfen, ob die Zahlung doch noch eingegangen ist. Das Risiko der Überschneidung der Beauftragung des Anwaltes mit dem Eingang des Geldes auf dem Konto der Klägerin geht zu Lasten des Beklagten, der sich mit der Bezahlung der Augustmiete im Verzug befand. Dass die Zahlung der Miete durch die ... erfolgte, ist insoweit unerheblich.

68

Der der Klägerin insoweit entstandene Schaden besteht in der anwaltlichen Vergütung, die der Klägerin für die vorgerichtliche Tätigkeit im Hinblick auf die Geltendmachung der Augustmiete 2008 in Rechnung gestellt und von ihr auch ausgeglichen worden ist.

69

Mit dem entsprechenden, erstmals in der Berufungsinstanz erfolgten Vortrag, die Klägerin habe die Rechtsanwaltsgebühren an ihren Prozessbevollmächtigten bezahlt, ist die Klägerin nicht ausgeschlossen. Nicht ersichtlich ist, dass dieser Vortrag von der Beklagtenseite bestritten wird. Im Übrigen hatte das Amtsgericht auf die Erforderlichkeit des entsprechenden Vortrages nicht hingewiesen.

70

Die geltend gemachten Gebühren sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden.

71

4.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§286 Abs. 1, 288, 291 BGB. Zinsen können erst ab Rechtshängigkeit beansprucht werden. Mit Schreiben vom 13.08.2008 wurden die Rechtsanwaltsgebühren erstmals geltend gemacht. Die in dem Schreiben enthaltene, einseitige Bestimmung der Zahlungsfrist begründet noch keinen Verzug.

72

Die Kostenentscheidung folgt aus §§92 Abs. 2 Nr. 1, 97 ZPO.

73

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§708 Nr. 7., Nr. 10, 711 ZPO.

74

Die Revision war gemäß §543 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Soweit die Nichtzahlung der Prozesskosten aus dem Vorprozess nicht als Kündigungsgrund angesehen worden ist, liegen die Voraussetzunge für die Zulassung der Revision vor.