Landgericht Lüneburg
Beschl. v. 21.10.2009, Az.: 9 T 99/09
Bibliographie
- Gericht
- LG Lüneburg
- Datum
- 21.10.2009
- Aktenzeichen
- 9 T 99/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 43103
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGLUENE:2009:1021.9T99.09.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Celle - 03.04.2009 - AZ: 24a II 3/09
- OLG Celle - 07.10.2008 - AZ: 4 W 354/93
Fundstellen
- GRUR-RR 2010, 128 "Dokumentenpauschale"
- JurBüro 2010, 148-149
- NJW 2010, 881
In der Beschwerdesache
Kostensache Dr. Werner Kalb, Ohrdrufer Weg 4, 28329 Bremen
- Beschwerdeführer -
hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Warnecke, die Richterin am Landgericht Küster und den Richter am Landgericht Dr. Rüdebusch am 21.10.2009 beschlossen:
Tenor:
Die Kostenentscheidung des Oberlandesgerichts Celle vom 07.10.2008 - Geschäfts-Nr. 4 W 354/93 - und der Beschluss des Amtsgerichts Celle vom 03.04.2009 - Geschäfts-Nr. : 24a II 3/09 werden aufgehoben.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Beschwerdewert: 12,50 €
Gründe
Die Beschwerde des Beschwerdeführers vom 03.06.2009 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Celle vom 03.04.2009 ist zulässig. Das Amtsgericht hatte gemäß § 14 Abs. 3 S. 2 KostO, der gem. § 13 Abs. 1 Satz 2 JVKostO Anwendung findet, die Beschwerde wegen der grundsätzlichen Bedeutung zugelassen. Das Beschwerdegericht ist an diese Entscheidung gem. § 14 Abs. 4 Satz 4 KostO gebunden.
In der Sache hat die Beschwerde Erfolg. Die Erhebung der Dokumentenpauschale für die Entscheidungsübersendung nach GV Nr. 5 zu § 1 Abs. 1 Satz 2 LJVerwKG verstößt gegen die gem. § 1 Abs. 2 LJVerwKG Anwendung findende Regelung in § 4 Abs 6 JVKostO. wonach die Behörde vom Ansatz der Dokumenten- und Datenträgerpauschale ganz oder teilweise absehen kann, wenn gerichtliche Entscheidungen für Zwecke verlangt werden, deren Verfolgung überwiegend im öffentlichen Interesse liegt.
Ein überwiegendes öffentliches Interesse ist vorliegend zu bejahen. Zutreffend führt das Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung zwar zunächst aus, dass das Gesetz eine Definition des überwiegenden öffentlichen Interesses nicht enthält. Der Beschluss verkennt jedoch die Bedeutung der Entscheidungsübersendung zum Zwecke der Auswertung im wissenschaftlichen Interesse. Im demokratischen Rechtsstaat sind die Gerichte verpflichtet, ihre Entscheidung in angemessener Weise zu veröffentlichen. Diese Verpflichtung hat ihren materiellen Grund im Publizitätsgebot für jegliches staatliches Handeln. Die Veröffentlichung von obergerichtlichen Entscheidungen in Fachzeitschriften leistet auch einen wichtigen Beitrag zur Funktionsfähigkeit der Rechtspflege. Sie dokumentiert das Recht so, wie es - über den Gesetzeswortlaut hinaus - in der Rechtsprechung Gestalt annimmt. Dadurch wird die in einer rechtsstaatlichen Demokratie unerlässliche Information der Bürger ermöglicht. Daneben hat die Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen in Fachzeitschriften zusätzlich die Funktion, die wissenschaftliche Diskussion und Kritik zu ermöglichen, die ihrerseits wieder zur Rechtsfortbildung beitragen können. In vielen Fällen dient die Veröffentlichung auch der Information der Gerichte untereinander so dass etwa die Oberlandesgerichte auf diese Weise ihrer Vorlagepflicht gem. § 121 GVG genügen können (so OLG Celle NStZ 1990, 553 [OLG Celle 12.06.1990 - 1 VAs 4/90] m.w.N.; vgl. auch OVG Bremen, NJW 1989, 926).
Die grundsätzliche Bedeutung der Veröffentlichung von Gerichtsentscheidungen vorausgeschickt, muss daher vorliegend das Interesse des Beschwerdeführers als Mitautor eines baurechtlichen Standardwerkes an der Auswertung der angeforderten Entscheidung zur Aktualisierung des von ihm kommentierten Werkes als überwiegendes öffentliches Interesse eingestuft werden. Dem steht nicht entgegen, dass der Beschwerdeführer als Autor und der Fachveriag auch ein wirtschaftliches Interesse an der Publikation besitzen, da ein solches aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Veröffentlichung gerichtlicher Entscheidung und deren Auswertung durch die Literatur zurücktreten muss. Vor diesem Hintergrund ist auch das der Behörde nach § 4 Abs. 6 JVKostO zustehende Ermessen auf Null reduziert. § 261 Abs 3 SGB III findet auf den vorliegenden Sachverhalt keine Anwendung.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 14 Abs. 9 KostO i.V.m. § 13 Abs. 1 JVKostO.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen, weil die zu entscheidende Frage grundsätzliche Bedeutung hat ( § 14 Abs. 5 KostO i.V.m. § 13 Abs. 1 JVKostO ).