Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 27.09.2005, Az.: 7 A 139/03

Schadensersatzanspruch des Dienstherrn wegen Verletzung der Pflichten bei der Bedarfsermittlung und der Bewirtschaftung hinsichtlich der Reinigungskosten; Schadenersatzanspruch des Dienstherrn durch Leistungsklage oder durch Aufrechnung oder durch Leistungsbescheid; Ermittlung des Bedarfs an Reinigungs- und Pflegemitteln; Übergang der Zuständigkeit für die Zinspolitik von der Deutschen Bundesbank auf die Europäische Zentralbank; Beamtenrechtliche Drittschadensliquidation; Haftung des Beamten wegen einer Verletzung seiner Dienstpflichten dem Dienstherrn gegenüber; Verletzung der für die Bereiche der Hausverwaltung und der Reinigungsdienste oblegenen Dienstpflichten

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
27.09.2005
Aktenzeichen
7 A 139/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 36431
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2005:0927.7A139.03.0A

Fundstelle

  • ZBR 2006, 278-281

Verfahrensgegenstand

Schadensersatz

In der Verwaltungsrechtssache
...
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 7. Kammer -
auf die mündliche Verhandlung vom 27. September 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht Müller-Fritzsche,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Allner,
den Richter am Verwaltungsgericht Dr. Nagler, sowie
die ehrenamtlichen Richter Herr D. und Herr E.
für Recht erkannt:

Tenor:

Der Leistungsbescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2002 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04. Februar 2003 wird insoweit aufgehoben, als darin für den Zeitraum vom 11. Dezember 2000 bis zum 31. Dezember 2001 Zinsen von mehr als 5% und für den Zeitraum vom01. Januar 2002 an Zinsen von mehr als 5,6244% festgesetzt worden sind.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen den Kläger festzusetzenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen einen Leistungsbescheid, mit dem die Beklagte gegen ihn einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 728.652,45 EUR geltend macht.

2

Der im F. geborene Kläger war vom 01. Januar 1971 an bis zu seiner mit Ablauf des 31. Mai 2000 erfolgten Versetzung in den Ruhestand als Beamter, zuletzt als Regierungsamtsrat, bei der Beklagten tätig. Seit seiner Bestellung zum Leiter der Abteilung G. am 01. Oktober 1984 war er unter anderem für die Bereiche der Hausverwaltung und der Reinigungsdienste zuständig. In dieser Eigenschaft war er Vorgesetzter des Technischen Angestellten H.. Sowohl dem Kläger als auch Herrn H. oblagen die Bedarfsermittlung und die Bewirtschaftung des Titels 51719 ("Reinigungskosten") des Verwaltungshaushalts der Beklagten, welcher in seiner Gesamtheit vom Land Niedersachsen getragen wurde. Im Detail umfasste diese Tätigkeit des Klägers die regelmäßige Ermittlung des Bedarfs an Reinigungs- und Pflegemitteln, die Durchführung von auf den Erwerb dieser Produkte gerichteten Ausschreibungen, die Verhandlungen mit den in Betracht kommenden Firmen, die Vergabe der Beschaffungsaufträge sowie die gesamte Bearbeitung der daraufhin eingehenden Rechnungen, insbesondere die Abnahme der Lieferungen oder anderen Leistungen gemäß der Auftragsvergabe sowie die Überprüfung der Rechnungen einschließlich der Feststellung der rechnerischen und sachlichen Richtigkeit. Zudem war der Kläger befugt, die erforderlichen Auszahlungsanordnungen zu treffen. Im Falle seiner Abwesenheit war der ihm unterstellte Mitarbeiter H. als Vertreter zur Vornahme aller soeben skizzierten Angelegenheiten berechtigt.

3

Seit 1985 belieferte die Firma I. die Beklagte mit Reinigungsmitteln. Faktischer Geschäftsführer dieses Unternehmens war Herr J.. Die Firma K. wurde in den folgenden Jahren fast alleiniger Lieferant von Reinigungs- und Pflegemitteln. Im Jahre 1988 traten der Kläger sowie Herr H. mit dem Wunsch an Herrn J. heran, zukünftig an den Umsätzen, die die Firma L. mit der Beklagten erzielen würde, "beteiligt zu werden". Der Kläger und Herr H. signalisierten der Firma Brandt im Gegenzug, ihre dienstliche Stellung dahingehend auszunutzen, dass künftig ausschließlich die Firma L. bei der Auftragsvergabe berücksichtigt werde. Der Vertreter der Firma ging auf dieses Ansinnen ein, so dass der Kläger und Herr H. vom 01. September 1988 an als so genannte "Provision" 10% des jeweiligen Rechnungsnettobetrages eines von der Beklagten vergebenen Auftrages bekamen. Als im Jahre 1989 die Firma I. in der Firma M. aufging, blieb diese umsatzabhängige "Provisionsbeteiligung" erhalten. Im Frühsommer 1991 einigten sich der Kläger und Herr H. mit Herrn N. - nunmehr Vertreter der Firma O. - darauf, dass an den Kläger und Herrn H. jeweils 25% des Nettoumsatzes der mit der Beklagten getätigten Geschäfte als "Provision" ausgeschüttet werden sollten. Der faktische Geschäftsführer J. wollte seinerseits bei einem Wareneinsatz von 40% des Nettoumsatzes die verbleibenden 10% als eigenen Gewinn erhalten und die entstehende Mehrwertsteuer nicht an die Finanzbehörden abführen. Die Mehrwert-/Umsatzsteuer sollte der Beklagten demgemäß durchaus in Rechnung gestellt und auf Veranlassung unter anderem des Klägers von der Beklagten an die Lieferfirma gezahlt werden. Um bei den Finanzbehörden keinen Verdacht zu erregen, entschloss sich der Geschäftsführer der M., Lieferungen mit der beschriebenen "Umsatzbeteiligung" des Klägers und des Herrn H. nicht mehr nur über die M., sondern auch über die eigens dafür gegründete Einzelfirma P., Handel mit chemischen und technischen Erzeugnissen (im Folgenden: Firma J.) abzuwickeln. Zu diesem Zweck richtete Herr J. für seine gleichnamige Firma ein Firmenkonto allein zur Abwicklung von Geschäften mit der Beklagten ein. Diese Vereinbarung wurde zu Beginn des Jahres 1992 in die Realität umgesetzt. Der Ablauf stellte sich folgendermaßen dar: Die Bereichshausmeister der Beklagten teilten zunächst Herrn H. den jeweils benötigten Bedarf an Reinigungsmitteln und -materialien mit. Sodann bestellte Herr H. bei Herrn J. die benötigten Reinigungsmittel und -materialien. Bei der Anlieferung dieser Produkte in die Gebäude der Beklagten ließ sich Herr J. den Erhalt der ausgelieferten Waren entweder von den zuständigen Hausmeistern oder von Herrn H. quittieren und erstellte auf dieser Grundlage an die Beklagte gerichtete Rechnungen. Danach verglich Herr H. die Lieferscheine mit den sich auf sie beziehenden Rechnungen und gab den Vorgang an den Kläger weiter. Dieser und Herr H. führten eine (Schein-)Prüfung der rechnerischen und sachlichen Richtigkeit durch und ordneten anschließend die Auszahlung des jeweiligen Rechnungsbetrages über die Anweisungsstelle der Beklagten (Regierungsbezirkskasse in Braunschweig) zur Zahlung an. Zwecks Auszahlung der "Provision" hob Herr N. die vereinbarten Beträge von dem Firmenkonto ab und zahlte sie in bar an den Kläger und Herrn H. aus. Dabei waren der Kläger und Herr H. gehalten, in den Auszahlungsanordnungen die angewiesenen Beträge bestimmten Untertiteln des Haushaltstitels 51719 ("Reinigungskosten") zuzuordnen. Bei korrekter Verbuchung hätte die Bestellung der benötigten Reinigungsmittel jeweils dem Untertitel 11030000 ("Reinigungsmaterial") zugeordnet werden müssen. Um den Haushaltsansatz für diesen Untertitel nicht in einem auffälligen Maße zu überschreiten, verbuchten der Kläger und Herr H. die manipulierten Lieferungen häufig unter anderen, sachfremden Untertiteln des Haushaltstitels 51719. Allein in dem Zeitraum zwischen dem 20. Juni 1995 und dem 07. August 1998 unterzeichneten der Kläger und Herr H. insgesamt 189 Auszahlungsanordnungen, denen Rechnungen über auf diese Weise manipulierte Lieferungen der Firmen J. bzw. O. zugrunde lagen.

4

Ende 1995 versuchte Herr J. den Verkauf der Q. teilte seine Verkaufsabsichten dem Kläger und Herrn H. mit, wickelte im Februar 1996 die insoweit letzte Lieferung über die Firma J. ab und schloss sodann deren Firmenkonto bei der Postbank Hannover. Nachdem der Verkauf der M. gescheitert war, vereinbarte Herr J. mit dem Kläger und Herrn H., diese sollten künftig wieder gemäß der im Jahr 1991 getroffenen Abrede an den Umsätzen der O. mit der Beklagten beteiligt werden. Die manipulierten Lieferungen sollten nunmehr ausschließlich über die O. abgewickelt werden. Ende September 1996 nahm die O. die manipulierten Lieferungen an die Beklagte wieder auf. Nachdem Herr H. im September 1998 in eine andere Abteilung der Beklagten versetzt worden war, endeten die manipulierten Lieferungen, während reguläre Lieferaufträge der Beklagten noch bis Juni 2000 an die O. vergeben wurden.

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Durch Urteil des Landgerichts Hildesheim vom 02. März 2005 (Az.: 25 KLs 4262 (996c) Js 157/00 Staatsanwaltschaft Hannover) wurde der Kläger wegen Bestechlichkeit in 124 Fällen und wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und 10 Monaten verurteilt. Der Verurteilung liegt ein umfassendes, nicht auf einem so genannten Deal beruhendes Geständnis des Klägers zugrunde. Das Urteil ist gegenüber dem Kläger seit dem 02. März 2005 rechtskräftig.

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Mit dem hier verfahrensgegenständlichen Leistungsbescheid - ohne Datum, dem Kläger zugestellt am 25. Oktober 2002 - forderte die Beklagte den Kläger auf, gemäß § 86 Niedersächsisches Beamtengesetz (NBG) an das Land Niedersachsen Schadensersatz in Höhe von 728.652,45 EUR zuzüglich Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Dezember 2000 zu zahlen. Zur Begründung führte die Beklagte darin aus, der Kläger habe durch langjährige Untreuehandlungen und Betrügereien zum Nachteil der Beklagten bzw. des Landes Niedersachsen Schmiergelder in Höhe des festgesetzten Zahlungsbetrages erhalten. Diese spiegelbildlich dem verursachten Schaden entsprechenden Schmiergelder habe er aus dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes an die Beklagte zu leisten. Der Kläger habe die ihm obliegenden Dienstpflichten über einen langen Zeitraum vorsätzlich verletzt, sich selbst bereichert und dadurch dem Land Niedersachsen einen Schaden zugefügt, indem er entweder Waren überteuert eingekauft - und aus Mitteln des Landes bezahlt - oder aber Rechnungsbeträge für Waren angewiesen habe, die objektiv überhaupt nicht geliefert worden seien. Mangels eigener Haushaltshoheit werde die Beklagte wirtschaftlich vom Land Niedersachsen unterhalten; dieses sei daher auch geschädigt worden. Da - was insoweit unstreitig ist - in der Zeit von Februar 1992 bis einschließlich Februar 1996 über das bei der Postbank Hannover geführte Konto mit der Nummer 3711115 Zahlungen in Höhe von insgesamt 2.994.903,20 DM abgewickelt wurden und davon dem Kläger und Herrn H. zusammen 50% des Nettowarenwertes als Schmiergelder ausgezahlt worden seien, ergäbe sich insoweit ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 1.497.451,60 DM (50% von 2.994.903,20 DM) sowie bei gleicher Berechnung der von der Beklagten geleisteten Zahlungen sowie bei unveränderter "Provisionsbeteiligung" für die Zeit von September 1996 bis einschließlich September 1998 ein weiterer Rückforderungsbetrag in Höhe von 1.354.289,06 DM (50% von 2.705.578,11 DM). Zusammenfassend - so im Ausgangsbescheid auf Bl. 4, Bl. 19 der GA - betrugen die Gesamtumsätze von 1992 bis 1998 5.700.481,31 DM, wovon dem Kläger und Herrn H. in der Zeit von Februar 1992 bis September 1998 Schmiergelder in Höhe von 50% der Gesamtsumme, demnach in Höhe von 2.476.731,72 DM ausgezahlt worden seien. Weiter ging die Beklagte hinsichtlich der Schadensberechnung davon aus, es sei derjenige Betrag anzusetzen, der ohne Berücksichtigung der an den Kläger und an Herrn H. erfolgten Schmiergeldzahlungen hätte entrichtet werden müssen. Dies seien die Nettobeträge abzüglich der geleisteten, soeben genannten Schmiergelder, zuzüglich des auf den dann verbleibenden Restbetrag entfallenden Mehrwertsteueranteils. Unter Berücksichtigung dieses Mehrwertsteueranteils (die Mehrwert-/Umsatzsteuer betrug bis zum 31. August 1998 15%, vom 01. September 1998 an 16%) erhöhe sich der Schaden auf 2.850.240,74 DM.

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Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger unter dem 30. Oktober 2002 Widerspruch mit der Begründung, die Beklagte habe den Schadensersatzanspruch nicht im Wege eines Leistungsbescheides geltend machen dürfen. Zudem sei der Leistungsbescheid rechtswidrig, weil er die lediglich gesamtschuldnerische Haftung des Klägers nicht hinreichend kennzeichne, auf die unzulässige Geltendmachung einer Teilforderung hinauslaufe und weil darin insbesondere die Höhe des Schadens nicht hinreichend substantiiert worden sei. Es werde sowohl der Gesamtumsatz für die Zeiträume Februar 1992 bis März 1996 sowie September 1996 bis September 1998 als auch der ermittelte Gesamtumsatz in Höhe von 5.700.481,31 DM bestritten. Ferner seien Warenlieferungen als Gegenleistung erfolgt. Daher könnten nicht 50% des Gesamtumsatzes als Schadenshöhe angesetzt werden. Es werde jeweils bestritten, dass die von den Lieferfirmen in Rechnung gestellten Preise überteuert gewesen seien, die Beklagte die gelieferten Artikel hätte günstiger erwerben können und dass dem Land Niedersachsen im Falle der Durchführung einer regulären Ausschreibung kein Schaden entstanden wäre.

8

Mit Widerspruchsbescheid vom 04. Februar 2003 (Zustellung: 07. Februar 2003) wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte darin u.a. aus: Nicht sie selbst, sondern das Land Niedersachsen sei finanziell geschädigt worden. Denn ihre haushaltsrechtliche Organisation sei keine universitäre Selbstverwaltungsangelegenheit, sondern eine staatliche Angelegenheit. Lediglich die Anmeldung des Haushaltsbedarfs einer Hochschule für den Haushaltsplan sei eine Angelegenheit der Selbstverwaltung. Demgegenüber gehöre die Wirtschafts- und Personalverwaltung zu den staatlichen Angelegenheiten. Da der somit von dem Land erlittene Schaden 1.457.304,86 EUR betrage, habe sie trotz der prinzipiell gesamtschuldnerischen Verpflichtung des Klägers mit dem Leistungsbescheid lediglich die Hälfte des Betrages geltend gemacht. Im Leistungsbescheid sei der Gesamtschuldnerausgleich zwischen dem Kläger und Herrn H. gleichsam vorweggenommen worden. Der dem Land Niedersachsen zugefügte Schaden im Wege einer Gegenüberstellung zweier Vermögenssituationen (Bl. 10 des Widerspruchsbescheides, Bl. 37 der GA) sei zutreffend ermittelt worden. Wegen der weiteren Details der Schadensberechnung wird auf Bl. 26 f. des Widerspruchsbescheides (Bl. 53 f. der GA) Bezug genommen.

9

Daraufhin hat der Kläger am 05. März 2003 vor dem erkennenden Gericht Klage erhoben, zu deren Begründung er unter Aufrechterhaltung seines Vorbringens im Widerspruchsverfahren ergänzend vorträgt: Die Beklagte habe noch immer nicht hinreichend substantiiert, was er konkret erlangt habe. Insbesondere bleibe bestritten, dass es Scheinlieferungen gegeben habe. Um die Preise bzw. die Preisbildung überhaupt sachgerecht beurteilen zu können, sei die Einholung eines betriebswirtschaftlichen Sachverständigengutachtens erforderlich. Darüber hinaus hätten sowohl Herr J. als auch Herr H. schon aus Gründen der Strafminderung ein Interesse daran gehabt, den Kläger dieses Verfahrens in unzutreffender Weise vor der Strafkammer zu belasten. Ferner seien von dem Kläger und dessen Angehörigen mittlerweile "Schadenswiedergutmachungen" in Höhe von insgesamt 138.804,40 EUR erbracht worden, die zu Gunsten des Klägers abzuziehen seien.

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Der Kläger beantragt,

den Leistungsbescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04. Februar 2003 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung beruft sie sich auf den angegriffenen Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides und führt ergänzend aus: Aufgrund des beamtenrechtlichen Subordinationsverhältnisses sei die Verwaltungsaktbefugnis gegeben. Die gesamtschuldnerische Haftung des Klägers sei in der Begründung des Widerspruchsbescheides hinreichend deutlich gemacht worden. Der verfahrensgegenständliche Bescheid enthalte eine sachlich und rechnerisch eindeutig nachvollziehbare Herleitung der Gesamtforderung. Nach dem von der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz des Beweises des ersten Anscheins sei davon auszugehen, dass Schmiergeldzahlungen durch eine Benachteiligung des Dienstherrn amortisiert würden. Diese Amortisation erfolge erfahrungsgemäß entweder durch eine überteuerte Belieferung oder aber durch reine Scheinlieferungen. Jedenfalls sei die tatsächliche Vermutung inhaltlich darauf gerichtet, dass die Schmiergeldzahlungen zum Nachteil des Vertragspartners ausgeglichen würden, um so den Gesamtertrag aus der Geschäftsbeziehung zumindest beizubehalten. Als deutliches Indiz für überteuerte Lieferungen wie auch für Scheinlieferungen seien zahlreiche falsche Buchungen in den Haushaltsüberwachungslisten sowie ein eklatanter "Umsatzeinbruch" in der Zeit zwischen März und August 1996, als ordnungsgemäß abgerechnet wurde, anzusehen. Trotz des Amtsermittlungsgrundsatzes treffe den Kläger die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die von ihm erhaltenen Schmiergelder nicht zu einem spiegelbildlichen Nachteil auf Seiten des Landes Niedersachsen geführt hätten.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen. Sämtliche Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist lediglich im Hinblick auf die Höhe der festgesetzten Zinsen begründet, ansonsten durchweg unbegründet.

15

Der angegriffene Bescheid ist lediglich insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger insofern auch in seinen Rechten, als in ihm Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 11. Dezember 2000 festgesetzt worden sind. Die Beklagte hat dabei verkannt, dass ein Basiszinssatz (der EZB) wie auch eine gesetzlich normierte Anknüpfung an diesen Basiszinssatz (vgl. §§ 247, 288 BGB) erst seit dem 01. Januar 2002 existiert. Zum einen ging an diesem Tag die Zuständigkeit für die Zinspolitik von der Deutschen Bundesbank auf die Europäische Zentralbank über; zum anderen trat mit diesem Tag das reformierte Schuldrecht in Kraft. Da demnach in der und für die Zeit zwischen dem 11. Dezember 2000 und dem 31. Dezember 2001 kein Basiszinssatz zu bestimmen gewesen ist, kann der angegriffene Bescheid insoweit nur mit der Maßgabe aufrechterhalten werden, dass für diesen Zeitraum ein Zinssatz von 5% anzuerkennen ist. Sowohl in der Höhe des Betrages der Hauptforderung als auch zu (mindestens) diesem Zinssatz hat das Land Niedersachsen am Tage der Fälligkeit der Gesamtforderung (11. Dezember 2000), an welchem es das Geld im Falle seiner Verfügbarkeit zur Schuldentilgung hätte einsetzen können, Kredite in Anspruch genommen. Dabei ist die generelle Inanspruchnahme von Krediten durch das Land Niedersachsen als allgemein bekannte Tatsache und damit auch als gerichtsbekannt vorauszusetzen. Im Hinblick auf die Zinshöhe haben die - in der mündlichen Verhandlung den Vertretern der Beteiligten mitgeteilten - Ermittlungen des Gerichts ergeben, dass das Land Niedersachsen am 11. Dezember 2000 für aufgenommene Kreditmarktschulden einen (Höchst-)Zinssatz von 5,6244% gezahlt hat. Dies ist von den Beteiligten weder angezweifelt noch ausdrücklich bestritten worden.

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Im Hinblick auf den Zeitraum vom 01. Januar 2002 an ist die im angegriffenen Bescheid vorgenommene Anknüpfung an den Basiszinssatz rechtlich nicht zu beanstanden, insbesondere hinreichend bestimmt. Allerdings scheitert die Zuerkennung von Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz daran, dass dieser am 01. Januar 20022,57% betrug, demnach Zinsen in einer Gesamthöhe von 7,57% festgesetzt worden sind, obwohl aus den soeben dargelegten Gründen das Land Niedersachsen am Tage der Fälligkeit der Gesamtforderung lediglich einen Zinssatz von max. 5,6244% zu zahlen hatte.

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Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

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Der angegriffene Verwaltungsakt ist insofern rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten.

19

Der angegriffene Bescheid ist nicht bereits mangels Verwaltungsaktbefugnis rechtswidrig. Es ist anerkannt, dass ein Schadenersatzanspruch des Dienstherrn entweder durch Leistungsklage oder durch Aufrechnung oder durch Leistungsbescheid geltend gemacht werden darf (Sommer/Konert/Sommer, NBG, Komm., § 86 Rn. 21). Leistungsbescheide sind lediglich dann unzulässig, wenn ihre gerichtliche Überprüfung im Verwaltungsrechtswege ausgeschlossen ist. Dies gilt insbesondere für die Fälle, in denen für die so genannte Regresshaftung eines Beamten im Bereich der Amtshaftung gemäß Art. 34 Satz 2 GG der ordentliche Gerichtsweg, d.h. derjenige zu den Zivilgerichten, eröffnet ist (Sommer/Konert/Sommer, a.a.O., Rn. 22 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

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Ebenso wenig ist eine unzulässige Geltendmachung einer Teilforderung gegeben. Die Beklagte ist nicht daran gehindert, in einem Leistungsbescheid den Gesamtschuldnerausgleich vorwegzunehmen.

21

Auch steht der § 75 Abs. 1 Nr. 5 NPersVG der Rechtmäßigkeit des Bescheides nicht entgegen. Die dort normierten Voraussetzungen sind eingehalten worden. Ausweislich des als Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 20. September 2005 überreichten Schreibens der Beklagten vom 27. Februar 2002 (Bl. 239 f. der GA II) ist der Kläger rechtzeitig auf die Möglichkeit der Beteiligung des Personalrates vor Erlass des angegriffenen Leistungsbescheides hingewiesen worden. Er hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.

22

Der angegriffene Leistungsbescheid hat seine Rechtsgrundlage in § 86 Abs. 1 NBG.

23

Nach dieser Bestimmung hat ein Beamter, der die ihm obliegenden Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt, dem Dienstherrn, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat, den daraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Diese sich aus dem Beamtenverhältnis ergebende Schadensersatzpflicht erstreckt sich auch auf frühere Beamte, deren Beamtenverhältnis - wie das des Klägers - inzwischen beendet ist. Maßgeblich ist lediglich, dass das Beamtenverhältnis zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung bestanden hat (Plog/Wiedow, BBG, § 78 Rn. 16b).

24

Der Kläger kann seine Haftung nach dieser Norm nicht erfolgreich unter Berufung darauf verneinen, dass der von ihm angerichtete Schaden nicht die Beklagte selbst, sondern das Land Niedersachsen belastet habe. Es ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass in derartigen Fällen eine beamtenrechtliche Drittschadensliquidation zuzulassen ist. Das BVerwG hat dazu in seinem Beschluss vom 08. Dezember 1994 (Az.: 2 B 101/94, in: NJW 1995, 978; ZBR 1995, 107) im Hinblick auf § 86 Abs. 1 NBG ausgeführt, dass nach dieser Vorschrift anspruchsberechtigt derjenige Dienstherr ist, dessen Aufgaben der Beamte wahrgenommen hat. Der in der mittelbaren Verwaltung des Landes tätige Beamte nimmt Aufgaben seines eigenen Dienstherrn wahr, weil die Ausführung von Landesgesetzen insoweit der Anstellungskörperschaft und nicht dem einzelnen Beamten übertragen worden ist. Verletzt der Beamte bei Ausführung derartiger Angelegenheiten schuldhaft seine Dienstpflichten, so hat er nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 86 Abs. 1 NBG dem Dienstherrn den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Durch diese Anspruchskonzentration auf den Dienstherrn wird nach dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sichergestellt, dass der Beamte wegen einer Verletzung seiner Dienstpflichten nur demjenigen Dienstherrn gegenüber haftet, zu welchem er in einem Beamtenverhältnis steht (so auch OVG Koblenz, Urt. v. 28. Mai 2004, Az.: 2 A 12079/03; in: IÖD 2004, 194 ff.). Dieser Anspruchskonzentration auf den Dienstherrn entspricht es umgekehrt, dass es haftungsrechtlich für den handelnden Beamten irrelevant ist, ob er bei Erfüllung seiner Dienstpflichten gegenüber der Anstellungskörperschaft - hier der Beklagten - im konkreten Fall eigene Aufgaben der Anstellungskörperschaft oder dieser übertragene Aufgaben wahrnimmt. Das Bundesverwaltungsgericht (a.a.O.) hat dazu explizit ausgeführt: "Die finanzielle Verantwortung des Beamten für die Folgen einer grob fahrlässigen oder gar vorsätzlichen Dienstpflichtverletzung gegenüber seinem Dienstherrn kann nicht deshalb entfallen, weil diese Folgen im Rahmen des gegliederten Staats- und Verwaltungsaufbaus einen anderen Dienstherrn treffen als den, dessen Aufgaben er wahrgenommen hat. ... Soweit der ersatzberechtigte Dienstherr Ersatz dieses Drittschadens erlangt, hat er den Betrag dem Land, als dem eigentlich Geschädigten, zur Verfügung zu stellen." Diese Grundsätze finden hier uneingeschränkt Anwendung.

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Der Kläger hat seine ihm als Leiter der Abteilung 11 für die Bereiche der Hausverwaltung und der Reinigungsdienste oblegenen Dienstpflichten verletzt, indem er in der Zeit zwischen Februar 1992 und einschließlich Februar 1996 sowie in der Zeit zwischen September 1996 und einschließlich September 1998 Lieferaufträge an die Firmen O. und J. über die Lieferung von Reinigungsmitteln und -materialien zum einen ohne jede Ausschreibung und zum anderen nur gegen an ihn selbst und an seinen Mitarbeiter H. geleistete Schmiergeldzahlungen vergab. Zu den Pflichten des Klägers gehörte dabei nicht nur die allgemeine Dienstpflicht eines jeden Beamten, seinen Dienstherrn vor Schäden aller Art zu bewahren und ihn schädigende Handlungen zu unterlassen. Vielmehr gehörte zu den konkreten Dienstpflichten des Klägers auch, die ihm eingeräumte Anordnungsbefugnis für sämtliche Einnahmen- und Ausgabetitel der entsprechenden Abteilung 11 bei der Beklagten unter Einhaltung der dazu ergangenen Rechts- und Dienstvorschriften zu gebrauchen. Im Einzelnen waren sowohl die VOL/Teil A als auch die §§ 37, 38 und 55 der LHO des Landes Niedersachsen einzuhalten, welche zwingend vorschreiben, dass die Vergabe der von dem Kläger und/oder von seinem Mitarbeiter H. erteilten Aufträge einer vorhergehenden Ausschreibung bedurft hätte. Demgemäß war der Kläger gehalten, bei der Ausführung der Haushaltspläne die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Ungeachtet der Kenntnis des Klägers von den hierzu ergangenen Richtlinien und Erlassen unterließ jener nicht nur die Einholung von Vergleichsangeboten, sondern bewirkte darüber hinaus durch ein aktives Herantreten an den Repräsentanten der Firmen M. und J. deren faktische Bestellung zu Alleinlieferanten, um im Gegenzug für die Einräumung dieser Exklusivposition so genannte Provisionen zu fordern und auch entgegenzunehmen.

26

Der Kläger hat diese erheblichen und über einen langen Zeitraum wiederholten Pflichtverstöße vorsätzlich begangen. Er hatte positive Kenntnis von seinen dienstlichen Pflichten, auf welche er insbesondere durch Umläufe und Hausmitteilungen regelmäßig wiederholend hingewiesen worden war. Zudem hatte er positive Kenntnis von der mit seinem Mitarbeiter H. und dem Repräsentanten der Firmen O. und J. getroffenen Vereinbarung, von den Umständen der jeweiligen Auftragsvergaben, der Liefermodalitäten, der Rechnungserstellung und -begleichung sowie der haushaltstechnischen (Falsch-)Verbuchung der Anweisungsbeträge. Dies bedarf hier zum einen in Anbetracht der rechtskräftigen, auf dem eigenen, nicht im Rahmen eines so genannten Deals abgegebenen Geständnis beruhenden, Verurteilung des Klägers durch das Landgericht Hildesheim und zum anderen wegen Nichtbestreitens dieser im verfahrensgegenständlichen Bescheid abgegebenen Sachverhaltsdarstellung durch den Kläger keiner weiteren Vertiefung.

27

Die dauerhaften Pflichtverletzungen des Klägers haben bei seinem Dienstherrn auch zu einem von ihm zu ersetzenden Schaden in Höhe des im Bescheid festgesetzten Betrages geführt. Dabei kann offen gelassen werden, ob es Scheinlieferungen gab oder nicht. Denn schon aufgrund der pflichtwidrigen, weil zu deutlich überhöhten Preisen erfolgten Vertragsabschlüsse und Zahlungsanordnungen sowie der damit in untrennbarem Zusammenhang stehenden Schmiergeldzahlungen an sich und an seinen Mitarbeiter H. wurde das Vermögen des Dienstherrn in exakt demjenigen Umfang geschädigt wie der Kläger im Gegenzug Schmiergeldzahlungen ("Provisionen") im Gegenzug erhielt. Die Beklagte ist in dem verfahrensgegenständlichen Bescheid jeweils zutreffenderweise nicht nur von der Existenz eines grundsätzlich zu ersetzenden Schadens ausgegangen, sondern hat diesen auch rechnerisch und sachlich richtig beziffert.

28

Der Schadensbegriff des § 86 NBG ist grundsätzlich der gleiche wie derjenige nach § 249 BGB (vgl. Plog/Wiedow, a.a.O., § 78 Rn. 43). Der Schaden ist demnach der Unterschied zwischen der bestehenden Güterlage des Dienstherrn und demjenigen für den Dienstherrn vorteilhafteren Zustand, der bestünde, wenn der Beamte die Dienstpflicht nicht verletzt, sich also pflichtgemäß verhalten hätte. Hätte der Kläger sich pflichtgemäß verhalten, so hätte er weder die Lieferverträge zu den für ihn erkennbar überhöhten Preisen abgeschlossen noch die auf der Grundlage der Schmiergeldabrede ausgewiesenen überhöhten Rechnungsbeträge zur Anweisung gebracht. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen hat in seinem in dem Arbeitsrechtsstreit Land Niedersachsen gegen Herrn H. verkündeten Urteil vom 14. September 2005, welches in der mündlichen Verhandlung vor dieser Kammer in dieses Verfahren eingeführt worden ist (dort S. 10-13 des Urteilsum-druckes), im Hinblick auf den hier sinngemäß anwendbaren § 249 BGB ausgeführt:

"Der .. (H.) war ebenso wie R. (Kläger dieses Verfahrens) verpflichtet, bei dem Einkauf des Reinigungsmaterials kostensparend zu verfahren. Gegen diese Vermögensbetreuungspflicht hat .. (H.) durch die Verabredung der Schmiergeldzahlungen verstoßen, weil dadurch das Land zu überhöhten Preisen eingekauft hat, was .. (H.) auch bewusst gewesen ist.

Dafür streiten die Grundsätze des Beweises des ersten Anscheins.

Bereits das Reichsgericht (Urt. v. 20. Sep. 1939 - II 17/39, RGZ 161, 229 ff., 232 f.) hat ausgeführt, nach der Lebenserfahrung sei es die Regel, das heimliche Zuwendungen an Angestellte, die versprochen oder gewährt werden, um eine Bevorzugung bei dem Abschluss von Verträgen, insbesondere bei der Vergabe von Aufträgen, zu erzielen, die Verträge zu Ungunsten des Geschäftsherrn des Angestellten beeinflussten. Die Grundsätze vom Beweis des ersten Anscheins rechtfertigten es daher, dass regelmäßig nicht derjenige die Benachteiligung zu beweisen habe, der sich auf sie berufe, sondern dem Gegner der Nachweis obliege, die Zuwendungen an den Angestellten seien ohne eine dem Geschäftsherrn nachteilige Einwirkung auf den Abschluss des Vertrages geblieben. Auch der Bundesgerichtshof (Urt. v. 26. März 1962 - 2 ZR 151/60, NJW 1962, 1099 f.) ist davon ausgegangen, dass nach der Lebenserfahrung Schmiergelder an den Vertreter die Abmachung zu Gunsten des Geschäftsherrn zu beeinflussen pflegen. Es sei der typische Verlauf, dass dem Geschäftsherrn, wenn er das Geschäft selbst führt oder ein redlicher Vertreter für ihn gehandelt hätte, wertmäßig mindestens der dem unredlichen Vertreter gewährte Vorteil als Gegenleistung angeboten worden wäre.

Andererseits ist es auch denkbar, dass der Bestecher den Bestechungslohn aus einem Gewinn abzweigt, um ins Geschäft zu kommen oder im Geschäft zu bleiben. So hat der Fünfte Strafsenat des Bundesgerichtshofs (Urt. v. 15. März 2001 - 5 StR 554/00 -, NJW 2001, 2102 ff.) nicht beanstandet, dass zu Gunsten der Angeklagten unterstellt worden war, dass der Bestechungslohn aus dem Gewinn genommen worden sei, soweit dieser einen verschwindend geringen Prozentsatz des Umsatzes ausgemacht habe, es jedoch in den Verurteilungsfällen akzeptiert, dann von einem Vermögensschaden auszugehen, wenn eine erhebliche Größenordnung der Zahlungen im Verhältnis zum Gesamtumsatz bestehe. In Fällen, in denen ein Schmiergeld von 5 bis über 10% des Umsatzes gegeben war, hat der Senat es als naheliegend bezeichnet, dass diese Beträge in die Preisbildung eingegangen seien und der Geschäftsherr damit den Bestechungslohn seiner Angestellten habe mit finanzieren müssen.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erscheint es vorliegend geboten, davon auszugehen, dass die Schmiergelder in die Preisbildung eingegangen sind und ... (H.) sich dem bewusst war.

Bereits die Schmiergeldzahlungen vor dem Jahr 1992 beliefen sich auf 10% des Nettoumsatzes, so dass davon auszugehen ist, dass sie in die Preisbildung eingegangen sind .. (H.) und R. erstrebten jedoch ein höheres Schmiergeld, so dass es ab 1992 zu dem neuen Verfahren gekommen ist. Sie erhielten nunmehr aus einem Teil der Bestellungen zusammen 50% des Nettoumsatzes, so dass alles dafür spricht, dass ihr Bestechungslohn bezogen auf den gesamten Nettoumsatz noch über 10% gelegen hat. Bei dieser Größenordnung ist jedoch davon auszugehen, dass die Schmiergelder bei der Gesamtkalkulation der Lieferungen in die Preisbildung eingegangen sind und zu einer Verteuerung der Lieferungen geführt haben. Gegenteiliges hätte von ... (H.) konkret vorgetragen werden müssen, statt sich darauf zurückzuziehen, es habe sich um den Marktpreis gehandelt, ohne zu diesem konkrete Ausführungen zu machen, wie ihm vom Arbeitsgericht aufgegeben worden war. Soweit .. (H.) vorträgt, solches sei ihm unmöglich, überzeugt das nicht. Der .. (H.) war seit langem mit dem Einkauf von Reinigungsmaterial betraut gewesen. Noch während der anfänglichen Schmiergeldzahlungen wurde Reinigungsmaterial auch von anderen Lieferanten bezogen. Der .. (H.) kann sich folglich nicht darauf zurückziehen, dass er keine Marktkenntnisse habe.

Somit kann davon ausgegangen werden, dass die Warenlieferungen der Firma S. Handel mit chemischen und technischen Erzeugnissen - und der T. Reiniungsmittel und -technik GmbH in Höhe der Schmiergeldzahlungen überteuert gewesen sind, so dass der Schmiergeldanteil zuzüglich der Umsatzsteuer den Schaden des klagenden Landes darstellen.

Bis zum 31. März 1998 sind Schmiergelder gezahlt worden von 50% aus dem Nettoumsatz von 4.553.627,21 DM, also 2.276.813,62 DM. Zuzüglich der seinerzeitigen Umsatzsteuer von 15% ergibt das einen Überteuerungsschaden von 2.618.335,65 DM. Nach dem 01. April 1998 bis zum 31. Dezember 1998 sind Schmiergelder gezahlt worden in Höhe von 50% aus dem Nettoumsatz von 399.836,36 DM, also 199.918,18 DM. Zuzüglich der Umsatzsteuer von 16% ergibt sich ein Überteuerungsschaden von 231.905,09 DM. Das ergibt einen Gesamtschaden von 2.850.240,74 DM = 1.457.304,86 EUR, den das klagende Land zur Hälfte, nämlich in Höhe von 728.652,45 EUR gegenüber dem .. (H.) geltend macht. Selbst wenn im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO zu Gunsten des .. (H.) unterstellt würde, dass J. bzw. die GmbH die Schmiergelder zum Teil aus dem bei redlicher Abwicklung anfallenden Gewinn entnommen hätte, wäre dieser Betrag nicht zu beanstanden."

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Das erkennende Gericht schließt sich im Rahmen der Schadensermittlung nach § 86 Abs. 1 NBG diesen insoweit auf das Beamtenrecht übertragbaren Ausführungen des Landesarbeitsgerichtes an. Da der Kläger dieses Verfahren mit derselben "Provisionsquote" wie Herr H. als Beklagter in dem arbeitsgerichtlichen Verfahren an den Schmiergeldzahlungen beteiligt war, kann das Verwaltungsgericht insoweit auch das Rechenwerk übernehmen. Dies gilt umso mehr, als es mit den im angegriffenen Bescheid vorgenommenen Berechnungen der Beklagten übereinstimmt. Der Kläger verkennt durch sein schlichtes und unsubstantiiertes Bestreiten von Tatsachen, die er zudem bereits selbst im strafgerichtlichen Verfahren eingeräumt hat, die ihn ungeachtet des verwaltungsgerichtlichen Amtsermittlungsgrundsatzes treffende Darlegungs- und Beweislast. Hierzu ist anerkannt, dass so genannte Kassenbeamte und Beamte mit einer ähnlichen Vermögensbetreuungspflicht und Vermögensverfügungsbefugnis einer besonderen Beweisregelung unterliegen. Von Beamten in einer derartigen Position wird erwartet, dass sie den Nachweis für eine ihnen nicht zurechenbare Schadensentstehung führen bzw. dass sie die von dem Dienstherrn ermittelte Höhe des Schadens substantiiert bestreiten, wenn die ihnen unter besonderen Vorkehrungen anvertrauten Gegenstände oder Geldbeträge abhanden kommen (Sommer/Konert/Sommer, NBG, § 86 Rn. 23 m.w.N.) - was erst recht zu gelten hat, wenn wie in diesem Fall immense Geldbeträge aufgrund eines von dem Beamten zu verantwortenden vorsätzlichen aktiven Tuns gleichsam beiseite geschafft werden. Es hätte dem Kläger in seiner Eigenschaft als dem damals ranghöchsten verstrickten Mitarbeiter der Beklagten oblegen, detailliert vorzutragen, dass Schmiergelder in deutlich geringerer Höhe gezahlt worden wären und/oder dass die Beklagte ungeachtet der Schmiergeldzahlungen sowie nach Durchführung der vorgesehenen Ausschreibungen ebenso viel Geld für die Beschaffung der Reinigungsmittel und -materialien aufgewendet hätte wie dies tatsächlich der Fall war. Dieser Pflicht hat der Kläger nicht im Ansatz entsprochen - was von ihm nicht zuletzt aufgrund seines freiwilligen, nicht etwa durch einen so genannten Deal motivierten Geständnisses im Strafverfahren und zum anderen aufgrund der Überlegung zu erwarten gewesen wäre, dass in einem derartig gelagerten Fall der vorgesetzte Beamte zumindest keinen geringeren Schmiergeldbetrag erhalten hat als sein ansonsten gleichermaßen involvierter Untergebener.

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Die Höhe des Schadensersatzes war zudem nicht zu vermindern. Soweit der Kläger sich auf "Wiedergutmachungsleistungen" seiner eigenen Person sowie enger Familienangehöriger beruft, vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass die bezeichneten Leistungen gerade auf die mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid festgesetzte Forderung geleistet worden wären. Es bedarf hier keiner vertiefenden Begründung, dass beispielsweise die Begleichung von Verfahrenskosten oder von Steuerschulden auf die hier festgesetzte Forderungshöhe keinen Einfluss haben. Selbst wenn Teile der so bezeichneten Wiedergutmachungsleistungen gleichsam vorläufig auf die hier verfahrensgegenständliche Schadensersatzforderung geleistet worden wären, würde sich deren Höhe nicht reduzieren. Zum einen würde der angegriffene Bescheid in voller Höhe als Rechtsgrund für das dauerhafte Behaltendürfen der bisher - wohl auch aus Gründen der strafprozessualen Taktik - erbrachten Leistungen benötigt werden. Zum anderen verkennt der Kläger insoweit, dass er ursprünglich gesamtschuldnerisch für einen Betrag haftete, der im Ergebnis doppelt so hoch sein könnte wie der hier durch Bescheid festgesetzte Forderungsbetrag.

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Auch der - aus den eingangs dargelegten Gründen in seiner Höhe zu reduzierende - Zinsanspruch beruht unmittelbar und allein auf § 86 Abs. 1 NBG; die Vorschriften des BGB zum zivilrechtlichen Verzug finden insoweit keine Anwendung. Der Zinsschaden ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 19. Juli 2001, Az.: 2 C 42/00 in: BVerwGE 115, 15 ff.) deshalb von dem zu ersetzenden Schaden erfasst, weil dieser eben in dem Unterschied zwischen der Vermögenslage, wie sie sich infolge der schuldhaften Dienstverletzung ergeben hat, und derjenigen Vermögenslage, die bestanden hätte, wenn die Dienstpflichtverletzung unterblieben wäre, besteht. Der durch Betrugshandlungen verursachte Schaden umfasst daher auch solche Vermögenseinbußen, die sich daraus ergeben, dass eine zinswirksame Verwendung des entzogenen Kapitals verhindert wurde. Dabei kommt es hinsichtlich des Vermögensdefizits nicht darauf an, ob der Dienstherr zum Ersatz der entzogenen Geldbeträge Kredite aufgenommen und diese zur Rückführung bestehender Verbindlichkeiten genutzt oder seinerseits als Darlehen vergeben hätte. Diese Dispositionen hätten jedenfalls die Vermögenssituation des Dienstherrn verbessert, weil er Zinsausgaben erspart oder umgekehrt Zinseinnahmen erzielt hätte. Der Verlust ist durch die Entziehung des Kapitals adäquat kausal verursacht worden und deshalb auf der Grundlage des auch insoweit maßgeblichen normativen Schadenbegriffes vom Schädiger - hier von dem Kläger - auszugleichen. Ein konkreter Nachweis des Inhalts, dass der Pflichtverstoß des Beamten ursächlich für eine ganz bestimmte Kapitalmaßnahme des Dienstherrn war, ist nicht erforderlich. Es reicht vielmehr in Anlehnung an die Grundsätze zur abstrakten Zinsschadensberechnung aus, dass der Dienstherr in dem betreffenden Zeitraum überhaupt Bankkredite benötigt hat. Diese Voraussetzungen sind hier ausnahmslos erfüllt.

32

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Beklagte ist nur zu einem geringen Teil, im Hinblick auf die als Nebenforderung geltend gemachten Zinsen, unterlegen.

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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.

34

Gründe für eine Zulassung der Berufung durch das Verwaltungsgericht (§ 124a Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.

Müller-Fritzsche
Dr. Allner
Dr. Nagler