Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 01.09.2005, Az.: 5 A 228/04
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 01.09.2005
- Aktenzeichen
- 5 A 228/04
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 42800
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2005:0901.5A228.04.0A
Amtlicher Leitsatz
- 1.
In Niedersachsen sind nahe Angehörige eines Verstorbenen nach Landesgewohnheitsrecht verpflichtet, für dessen Bestattung zu sorgen.
- 2.
Die Ordnungsbehörde ist berechtigt, die Kosten der im Wege der Ersatzvornahme durchgeführten Bestattung geltend zu machen.
- 3.
Zur Notwendigkeit des Erlasses einer ordnungsrechtlichen Grundverfügung.
- 4.
Zum Auswahlermessen bei mehreren Bestattungspflichtigen.
- 5.
Zur Höhe der Bestattungskosten
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 20. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 01. Juli 2004 wird aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann eine vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe das festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 836,13 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Bestattungskosten für seinen verstorbenen Vater.
Der Kläger ist der ältere Sohn des am G. 2003 im Klinikum H. verstorbenen Herrn I.. Der Verstorbene lebte bis zuletzt mit seiner Lebensgefährtin Frau J. zusammen. In erster Ehe war der Verstorbene mit Frau K. verheiratet. Aus dieser Ehe ist der Kläger hervorgegangen. In zweiter Ehe war der Verstorbene mit Frau L. verheiratet. Aus dieser Ehe ist Herr M. hervorgegangen. Auch diese Ehe wurde bereits geschieden. Neben den beiden Söhnen lebt noch die Mutter des Verstorbenen, Frau Elfriede Glatthaar. Nach Bekanntwerden des Todesfalles ermittelte die Beklagte die Mutter des Verstorbenen sowie die beiden Söhne des Verstorbenen als Angehörige. Die Mutter lehnte die Durchführung der Bestattung ab und verwies auf die Lebensgefährtin. Dem Kläger konnte nur eine Nachricht auf seinem Anrufbeantworter hinterlassen werden; bis zum 12. August 2003, an dem die Beklagte die Bestattung veranlasste, erfolgte keine Rückmeldung. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte auch nicht die Adresse des zweiten Sohnes Herrn M. ermittelt werden. Vielmehr erfuhr die Beklagte durch Auskunft von dessen Mutter am 11. August 2003 lediglich, dass ihr Sohn seit ca. 6 Wochen nicht mehr bei ihr wohnhaft sei und sie nicht bereit sei, die Information über den Tod des Vaters an ihren Sohn weiterzugeben, damit sich dieser um die Bestattung kümmere. Sodann veranlasste die Beklagte die Bestattung in Form einer anonymen Erdbestattung auf dem Hauptfriedhof in Braunschweig. Hierfür wurden der Beklagten vom Bestattungsinstitut N. 623,13 € abzüglich des überwiesenen Guthabens des Verstorbenen in Höhe von 525,00 € somit 98,13 € und vom Friedhofsamt der Stadt Braunschweig Gebühren in Höhe von 668,00 €, d. h. zusammen 766,13 € in Rechnung gestellt.
Nachdem zwischenzeitlich die Anschrift von Herrn M. bekannt geworden war, wurde diesem mit Schreiben vom 19. August 2003 mitgeteilt, dass aus Gründen der Gefahrenabwehr die Bestattung veranlasst worden sei und beabsichtigt sei, die entstandenen Kosten von ihm und seinem Bruder zurückzufordern. Im Antwortschreiben seines Bevollmächtigten wies dieser darauf hin, dass eine Erstattungspflicht bezüglich der Bestattungskosten für Herrn L. nicht existiere. Eine Rechtsgrundlage sei nicht ersichtlich. Auch habe Herr L. bereits am 13. August 2003 vor dem Amtsgericht Braunschweig die Erbschaft ausgeschlagen und auch unter familienrechtlichen Aspekten bestehe keine Verpflichtung zur Übernahme der Bestattungskosten. Nachdem auch die Anschrift des Klägers ermittelt worden war, wurde dieser mit Schreiben vom 19. September 2003 über die Bestattung seines Vaters informiert und ihm mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, von ihm die entstandenen Kosten in Höhe von 766,13 € zurückzufordern. Daraufhin teilte dieser mit, dass er die Bestattungskosten nicht bezahlen könne, da er lediglich Arbeitslosenhilfe beziehe.
Durch Bescheid vom 20. November 2003 wurde der Kläger verpflichtet, die anlässlich der Bestattung seines Vaters entstandenen und nicht gedeckten Kosten in Höhe von insgesamt 766,13 € zu erstatten sowie Auslagen und Verwaltungsgebühren in Höhe von zusammen 60,00 € zu zahlen. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die Beklagte verpflichtet gewesen sei, die Bestattung zu veranlassen, weil die hierzu gewohnheitsrechtlich verpflichteten nächsten Angehörigen, wozu auch er als Sohn des Verstorbenen gehöre, die Bestattung nicht rechtzeitig in Auftrag gegeben hätten. Nachdem vom Kläger inzwischen auch keine Erbausschlagungsmitteilung vorliege, sei er Erbe geworden und damit auch nach § 1968 BGB zur Übernahme der Kosten einer standesgemäßen Bestattung verpflichtet. Den hiergegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, dass er das Erbe "ausschließe" bzw. er noch nicht einmal eine Sterbeurkunde vorliegen habe. Nachdem der Kläger das Erbe auch bis zum 19 Januar 2004 nicht ausgeschlagen hatte, leitete die Beklagte den Widerspruch an die Bezirksregierung Braunschweig weiter, die diesen durch Widerspruchsbescheid vom 1. Juli 2004 zurückwies. Im Widerspruchsbescheid wurde ergänzend darauf verwiesen, dass der Kostenerstattungsanspruch nach § 66 Abs. 1 NGefAG unabhängig davon bestehe, ob jemand auch zivilrechtlich (§ 1968 BGB) als Erbe verpflichtet sei, die Beerdigungskosten zu tragen, da diese Frage für die öffentlich-rechtliche Abwicklung der Ersatzvornahme keine unmittelbare Wirkung habe und demnach eine Beerdigungspflicht unabhängig von der Stellung als Erbe oder Nichterbe bestehe.
Hiergegen hat der Kläger am 14. Juli 2004 den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, dass die angefochtenen Bescheide rechtswidrig seien, weil die durchgeführte Ersatzvornahme nicht rechtmäßig gewesen sei. Vor der Durchführung der Ersatzvornahme hätte es des Erlasses eines Verwaltungsaktes bedurft. Es möge zwar sein, dass innerhalb von 96 Stunden seit dem Eintritt des Todes Leichen zu bestatten seien bzw. die Bestattung auf den Weg zu bringen sei. Die Beklagte weise jedoch selbst darauf hin, dass sie mit der Mutter von Herrn M. Kontakt gehabt habe. Es sei ihr also möglich gewesen festzustellen, ob Herr M. über die postalische Anschrift seiner Mutter erreichbar gewesen sei. In diesem Fall hätte ein für sofort vollziehbar erklärter Verwaltungsakt ohne weiteres und zu Lasten von Herrn M. erlassen werden können. Da ein solcher Verwaltungsakt fehle, hätten die Voraussetzungen des § 64 Abs. 1 NGefAG nicht vorgelegen. Auch seien die Voraussetzungen des § 64 Abs. 2 Nr. 1 NGefAG nicht gegeben gewesen. Eine Androhung der Ersatzvornahme sei nicht entbehrlich gewesen. Ohne Not habe die Beklagte auch keine durchschnittlichen Leistungen bei der O. -Bestattungs-AG in Anspruch genommen. Die angesetzten Kosten seien insoweit weit überhöht.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 20. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Braunschweig vom 1. Juli 2004 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zu Begründung verweist sie auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend weist sie darauf hin, dass der in der Klageschrift erwähnte Umstand, dass der Kläger aus persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen heraus außer Stande sei, seinen Verpflichtungen nachzukommen, ihn nicht von der Zahlungspflicht entbinde. Er habe beispielsweise auch die Möglichkeit gehabt, beim zuständigen Sozialamt einen Antrag auf Kostenübernahme zu stellen. Auf Grund der gerichtlichen Anfrage zu den Kriterien bei der Auswahl des Erstattungspflichtigen führt die Beklagte aus, der Eindruck, dass Herr M. wegen der Erbausschlagung nicht zu den Bestattungspflichtigen gehöre, sei nicht richtig. Herr L. sei nicht zur Erstattung der Bestattungskosten herangezogen worden, da er jünger als sein Bruder sei. Auch die Heranziehung der Eltern sei rechtlich möglich. Eltern und Kinder seien gleichberechtigt verpflichtet. Im vorliegenden Fall sei das Auswahlermessen jedoch ausgeübt worden und das älteste Kind herangezogen worden. Bereits im Bericht an die Bezirksregierung Braunschweig sei ausgeführt worden, dass der Kläger der ältere der beiden verantwortlichen Söhne sei und andererseits das Erbe nicht rechtswirksam ausgeschlagen habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der angefochtene Bescheid ist aufgrund einer fehlerhaften Ausübung des Auswahlermessen zwischen mehreren Bestattungspflichtigen rechtswidrig und verletzt den Kläger dadurch in seinen Rechten (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 VwGO).
Die Rechtsgrundlage für das Erstattungsbegehren der Beklagten ergibt sich aus folgender gesetzlichen Konstruktion: In der Rechtsprechung des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die nahen Angehörigen eines Verstorbenen, zu denen auch dessen Eltern und Kinder gehören, grundsätzlich landesgewohnheitsrechtlich dazu verpflichtet sind, für dessen Bestattung zu sorgen. Kommen die nahen Angehörigen ihrer Bestattungspflicht nicht nach, so hat ersatzweise die zuständige Ordnungsbehörde die Bestattung zu veranlassen. Sie kann nachfolgend durch Leistungsbescheid gestützt auf § 66 Abs. 1 Satz 1 NdsSOG (§ 66 Abs. 1 Satz 1 NGefAG) gegenüber dem Bestattungspflichtigen die Kosten der im Wege der Ersatzvornahme durchgeführten Bestattung geltend machen (vgl. Nds. Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 13. Juli 2005 - 8 PA 37/05 - Homepage des Nds. OVG). Vorliegend ist noch die vom Wortlaut her identische Regelung des § 66 Abs. 1 Satz 1 NGefAG maßgebend, weil die Bestattungspflicht vor dem 18. Dezember 2003, dem Inkrafttreten des Nds. SOG, entstanden war. Von diesen Grundsätzen ist zutreffend auch die Beklagte ausgegangen.
Die von der Beklagten durchgeführte Ersatzvornahme durch Beauftragung eines Bestattungsunternehmens war nicht deshalb rechtswidrig, weil sie nicht zuvor einen entsprechenden Ordnungsbescheid an einen der Angehörigen erlassen hatte. Denn hierzu war sie vor Ablauf der in § 2 Abs. 1 der Verordnung über die Bestattung von Leichen (GVBl. 1964, S. 183) geregelten 96-Stunden-Frist nicht in der Lage, weil die Anschriften des Klägers und seines Bruders innerhalb dieser Frist nicht bekannt waren. Der Einwand des Prozessbevollmächtigten des Klägers, es sei über die bekannte Anschrift der Mutter des Bruders des Klägers, Herrn M., möglich gewesen, diesem einen für sofort vollziehbar erklärten Bescheid zuzustellen, trifft nicht zu, da grundsätzlich eine Bekanntgabe eines Bescheides unter einer fremden Adresse nicht zulässig ist; im Übrigen war dieses auch nicht erfolgversprechend, da die Mutter des Herrn L. gegenüber der Beklagten auch deutlich gemacht hatte, dass sie nicht bereit sei, ihren Sohn über den Tode seines Vaters zu informieren. Auch die Anschrift des Klägers wurde erst nach Ablauf der maßgebenden Frist von 96 Stunden bekannt. Auch gegenüber der Mutter des Verstorbenen war der Erlass eines Ordnungsbescheides nicht angezeigt, da diese ausdrücklich erklärt hatte, nicht bereit zu sein, die Bestattung in Auftrag zu geben. Zu diesem Zeitpunkt war auch noch nicht absehbar, ob nicht ein anderer Bestattungspflichtiger fristgerecht seiner Verpflichtung nachkommen wird. Unter Berücksichtigung dieser Umstände lagen im Zeitpunkt der Ersatzvornahme die Voraussetzungen des § 64 Abs. 2 Nr. 1 NGefAG vor. Auch eine Androhung der Ersatzvornahme war gem. § 70 Abs. 1 Nr. 3 NGefAG entbehrlich.
Die durchgeführte Ersatzvornahme ist auch nicht wegen der Höhe der dadurch verursachten Kosten rechtswidrig. Der diesbezügliche Vortrag des Klägers, es sei eine unverhältnismäßig teure Bestattung in Auftrag gegeben worden, ist unsubstantiiert. Es gibt auch im Übrigen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kosten von zusammen 1.291,13 € (623,13 € für die Tätigkeit des Bestattungsunternehmens P. sowie 668,00 € Friedhofsgebühren für eine anonyme Erdbestattung) für die Durchführung der Bestattung unverhältnismäßig hoch gewesen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beklagten ein Auswahlermessen bezüglich der Art der Bestattung zusteht und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit es nicht gebietet, bei der zu treffenden Auswahlentscheidung allein auf die kostengünstigste Bestattungsform abzustellen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.09.2001 - 1 S 974/01 - NVwZ 2002, S. 995). So führt auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht aus, dass die Ordnungsbehörde, die die Bestattung auf Kosten des Bestattungspflichtigen selbst veranlasst, grundsätzlich eine angemessene Bestattung in einfacher, aber würdiger und ortsüblicher Form zu gewährleisten hat. Dazu gehören etwa die Aufwendungen für den Sarg, das Waschen, Einkleiden und Einsargen, den Leichenwagen, die Sargträger sowie die Leichenhalle und den Ankauf eines Grabplatzes (Nds. OVG, Beschluss vom 13.07.2005 - 8 PA 37/05 - Homepage des Nds. OVG). Das Nds. Oberverwaltungsgericht führt in dieser Entscheidung sogar ausdrücklich aus, dass die Ordnungsbehörde nicht verpflichtet ist, den Verstorbenen aus Kostengründen anonym zu beerdigen, was im vorliegenden Fall sogar geschehen ist. Angesichts der Höhe der Bestattungskosten von 2.229,44 € in dem vom Nds. Oberverwaltungsgericht beurteilten Fall, die dort für nicht unverhältnismäßig erachtet wurden, bedarf es im vorliegenden Fall angesichts von Gesamtkosten in Höhe von 1.291,13 € keine näheren Ermittlungen dazu, wo die Grenze für die Verhältnismäßigkeit von Beerdigungskosten liegt.
Rechtswidrig und deshalb aufzuheben ist allerdings die in den angefochtenen Bescheiden getroffene Entscheidung darüber, wer von den nach dem Landesgewohnheitsrecht Erstattungspflichtigen zur Übernahme der durch die Ersatzvornahme entstandenen Kosten herangezogen wird. Bei dieser Auswahlentscheidung hat sich die Beklagte nämlich nicht von sachgerechten Überlegungen leiten lassen. Zu Recht hatte die Beklagte die Lebensgefährtin des Verstorbenen nicht in ihre Überlegungen einbezogen, weil diese nicht zur Kreis der Bestattungspflichtigen nach dem o.a. gewohnheitsrechtlichen Maßstäben gehört. Zu Recht führt die Beklagte in diesem Schriftsatz auch aus, dass sie Herrn M. nicht deshalb von den möglicherweise Erstattungspflichtigen ausgenommen habe, weil dieser die Erbschaft ausgeschlagen habe. Denn das Nds. Oberverwaltungsgericht führt in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Beschluss v. 19.05.2003 - 8 MW 76/03 - ) aus, dass zivilrechtliche Vorschriften über die Kostentragungspflicht bezüglich der Beerdigungskosten keine rechtlichen Vorgaben für den Kreis der nach öffentlichem Recht Bestattungspflichtigen enthalten. Zwar mag es nicht zu beanstanden sein, wenn die Ordnungsbehörde im Rahmen ihrer Auswahlentscheidung die Regelung des § 1968 BGB beachtet, wonach ein Erbe zur Tragung der Bestattungskosten verpflichtet ist; dies kann jedoch aus ordnungsrechtlicher Sicht nur gelten, wenn dieser Erbe durch die Erbschaft in den Besitz eines Vermögens gelangt, das zur Deckung der Bestattungskosten ausreicht. Wenn - wie im vorliegenden Fall - jedoch auf Grund der Erbausschlagung durch Herrn M. davon ausgegangen werden kann, dass die Erbschaft nicht ausreicht, um die Bestattungskosten zu decken, kann eine Berücksichtigung des Maßstabes des § 1968 BGB im Rahmen der ordnungsrechtlichen Auswahlentscheidung nicht als sachgerecht angesehen werden. Es mag auch sachgerecht sein, die Mutter des Verstorbenen auf Grund ihrer geringen Renteneinkünfte nicht zur Kostentragung heranzuziehen. Die Beklagte hat jedoch auch im gerichtlichen Verfahren nicht ausdrücklich erklärt, dass sie sich bezüglich der Mutter des Verstorbenen von diesem Gesichtspunkt hat leiten lassen. Vielmehr führt sie in dem die Auswahlentscheidung erläuternden Schriftsatz vom 12. August 2005 aus, dass aus ihrer Sicht Eltern und Kinder gleichberechtigt bestattungspflichtig seien und im Rahmen der Auswahlentscheidung das älteste Kind herangezogen worden sei. Damit verbleibt es bei dem von der Beklagten herangezogenen Auswahlkriterium, den älteren Bruder heranzuziehen. Es liegt auf der Hand, dass dieses kein sachgerechtes Auswahlkriterium sein kann, da, wie die Beklagte zu Recht hervorhebt, Brüder gleichrangig öffentlich-rechtlich bestattungspflichtig sind und nicht ersichtlich ist, weshalb ein Bestattungspflichtiger allein aufgrund des Alters vorrangig verpflichtet sein soll.
Bei mehreren Bestattungspflichtigen hat die Ordnungsbehörde ihr Auswahlermessen bei der Heranziehung der Pflichtigen zur Kostenerstattung im Einzelfall sachgerecht auszuüben und ist berechtigt, hierbei die Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 15.10.2001 - 19 A 571/00 - NVwZ 2002, 996, 1000). Eine Orientierung des Auswahlermessens an der Leistungsfähigkeit der potentiellen Bestattungspflichtigen entspricht auch den allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Gründsätzen, Gefahren möglichst schnell und effektiv zu beseitigen. Es mag im Einzelfall auch ein sachgerechter Gesichtspunkt sein, sich an der verwandtschaftlichen Nähe des Bestattungspflichtigen zum Verstorbenen zu orientieren. Eine solche sachgerechte Auswahlentscheidung ist bisher noch nicht getroffen worden, sodass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass unter Berücksichtigung der Kostenübernahmeregelung des § 74 SGB XII keine Notwendigkeit besteht, von einer Inanspruchnahme Bestattungspflichtiger abzusehen, wenn diese zur Übernahme der notwendigen Bestattungskosten finanziell nicht in der Lage sind. Denn soweit diese Kosten nicht anderweitig, etwa durch zivilrechtliche Ausgleichsansprüche gedeckt werden können, verbleibt dem Bestattungspflichtigen nach der genannten Bestimmung die Möglichkeit, die erforderlichen Bestattungskosten vom zuständigen Sozialhilfeträger zu verlangen, soweit ihm als Verpflichteten die Kostentragung nicht zugemutet werden kann (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 13. Juli 2005 - 8 PA 37/05 - aaO.).
Deshalb ist der Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Die Entscheidung zu vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG.