Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 01.09.2005, Az.: 5 A 15/05
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 01.09.2005
- Aktenzeichen
- 5 A 15/05
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2005, 42799
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2005:0901.5A15.05.0A
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG steht es nicht entgegen, wenn die einen vorübergehenden weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet rechtfertigenden Gründe von vornherein absehbar für einen längeren Zeitraum als sechs Monate vorliegen werden.
- 2.
Abschluss einer Schulausbildung als dringender persönlicher Grund i. S. d. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG.
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 7. Juli 2004 und der Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2005 werden aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 1/3 und der Beklagte zu 2/3.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Kostener-stattungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Voll-streckungsgläubiger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
Der am G. geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und reiste im November 1995 in das Bundesgebiet ein. Da die Eltern des Klägers in der Türkei verblieben, wurde sein Bruder H. n zum Vormund bestellt, der seit dem 8. April 2004 deutscher Staatsangehöriger ist. Einen Asylantrag des Klägers lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 29. März 1996 ab und drohte dem Kläger zugleich die Abschiebung in die Türkei oder in einen anderen aufnahmebereiten oder -verpflichteten Staat an. Der Bescheid ist seit dem 13. November 1997 bestandskräftig (Urteil des erkennenden Gerichts vom 16.9.1997 - 5 A 5154/96 - und Beschluss des Nds. OVG vom 6.11.1997 - 2 L 4992/97 -). Bis zum Eintritt der Volljährigkeit wurde der weitere Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet geduldet. Eine Duldung war zunächst bis zum 31. Januar 2005 erteilt. Seinen Lebensunterhalt bestreitet der Kläger aus Mitteln nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bzw. aus Sozialhilfe. Seit der Einreise in das Bundesgebiet besuchte er die Grundschule, die Orientierungsstufe und die Realschule in I., die er im Juli 2004 mit dem Realschulabschluss abschloss. Im Anschluss daran nahm er die zwei Jahre dauernde Ausbildung an der Fachoberschule Technik der Berufsbildenden Schulen II der J. auf. Nach dem vorgesehenen Ablauf der Ausbildung wird der Schulbesuch Ende Juli 2006 mit dem Erwerb der Fachhochschulreife enden.
Mit Schreiben vom 2. Juni 2004 beantragte der Kläger unter Hinweis auf die Einbürgerung seines Vormunds beim Beklagten die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung. Dieser lehnte den Antrag mit Bescheid vom 7. Juli 2004 ab. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, das Verhältnis eines Minderjährigen zu seinem Vormund sei nicht in gleicher Weise geschützt wie das Verhältnis der leiblichen Eltern zu ihren minderjährigen Kindern. Nach den Regelungen über den Familiennachzug (§§ 17 ff. des bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Ausländergesetzes - AuslG -) habe der Kläger deshalb keinen Anspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, zumal er in wenigen Monaten volljährig werde. Bis dahin könne sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet allenfalls geduldet werden. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis nach § 30 AuslG seien ebenfalls nicht gegeben. Der Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis stünden auch Versagungsgründe nach § 7 und § 8 AuslG entgegen, da der Kläger Sozialhilfe beziehe und nicht im Besitz eines gültigen türkischen Reisepasses sei. Der Kläger erhob mit Schreiben vom 3. August 2004 Widerspruch, über den zunächst nicht entschieden wurde. Mit Schreiben vom 5. Januar 2005 forderte der Beklagte den Kläger auf, seine persönlichen Angelegenheiten zu regeln, da demnächst die Einleitung der Rückführung in die Türkei beabsichtigt sei, und gab ihm mit Schreiben vom 7. Januar 2005 auf, vier Passbilder einzureichen. Dieser Aufforderung kam der Kläger trotz Erinnerung mit Schreiben des Beklagten vom 20. Januar 2005 zunächst nicht nach.
Der Kläger hat am 13. Januar 2005 Untätigkeitsklage auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis erhoben. Auf den zugleich gestellten Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat das Nds. Oberverwaltungsgericht den Beklagten letztlich verpflichtet, die Abschiebung bis zur Entscheidung im Widerspruchsverfahren, mindestens aber bis zum 1. August 2005 auszusetzen, damit der Kläger zumindest das 11. Schuljahr beenden könne (Beschluss der Kammer vom 14. März 2005 - 5 B 16/05 -; Beschluss des Nds. OVG vom 27. Juni 2005 - 11 ME 96/05 -). Dieser Verpflichtung ist der Beklagte durch Aussetzung der Abschiebung bis zum 1. August 2005 nachgekommen. Zudem wurde dem Kläger nach seinen Angaben zwischenzeitlich eine weitere Duldung bis Ende Oktober 2005 erteilt.
Im Klageverfahren legt der Kläger eine Schulbescheinigung, Schulzeugnisse und ein Merkblatt über die Ausbildung der von ihm besuchten Fachoberschule Technik vor und macht zur Begründung im Wesentlichen geltend, er könne seine nur noch bis zum Sommer 2006 dauernde schulische Ausbildung nur in Deutschland, nicht aber in der Türkei fortsetzen, da er nur kurdisch und kein türkisch spreche. Unter Berücksichtigung der Verbindung zu seinem vormals als Vormund eingesetzten Bruder, der für ihn die Rolle des Vaters übernommen habe, seiner gelungenen Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse, der Dauer seines bisherigen Aufenthalts und des Umstands, dass er in Deutschland aufgewachsen und mit den Lebensverhältnissen in der Türkei nicht vertraut sei, sei die Beendigung seines Aufenthalts im Bundesgebiet auch vor dem Hintergrund von Art. 6 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK unverhältnismäßig. Die vom Beklagten angeforderten Passbilder habe er inzwischen vorgelegt.
Nachdem der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 6. Juli 2005 als unbegründet zurückgewiesen hat, beantragt der Kläger,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 7. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2005 zu verpflichten, ihm eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung trägt er unter Bezugnahme auf den Widerspruchsbescheid und den Beschluss des Nds. Oberverwaltungsgerichts im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes insbesondere vor, die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG sei nicht möglich, da dringende humanitäre oder persönliche Gründe, die einen vorübergehenden weiteren Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet erfordern würden, nicht gegeben seien. Soweit der Abschluss eines Schulbesuches ein Aufenthaltsrecht nach dieser Bestimmung begründen könne, sei dies nur der Fall, wenn der Abschluss unmittelbar bevorstehe, was für den Kläger nicht zutreffe. Zudem habe der Kläger den Besuch der Fachoberschule Technik in Kenntnis des ablehnenden Bescheides vom 7. Juli 2004 begonnen und habe deshalb nicht darauf vertrauen dürfen, die Ausbildung bis zum Erwerb des Fachabiturs fortsetzen zu können. Darüber hinaus sei dem Vorbringen des Klägers zu entnehmen, dass er einen dauerhaften Aufenthalt im Bundesgebiet und keinen nur vorübergehenden Aufenthalt i. S. d. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG anstrebe. Nach Eintritt der Volljährigkeit sei es dem Kläger möglich und zumutbar, in die Türkei zurückzukehren, so dass auch die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 AufenthG nicht erfüllt seien. Der Nichtbesitz eines Passes sei vom Kläger zu vertreten, da er seinen Mitwirkungspflichten nicht nachkomme. Wegen der fehlenden Erfüllung der Passpflicht seien auch die für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in § 5 Abs. 1 AufenthG vorgesehenen Regelerteilungsvoraussetzungen nicht gegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Der Bescheid des Beklagten vom 7. Juli 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2005 ist rechtswidrig, denn der Beklagte hat das ihm bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zustehende Ermessen nicht ausgeübt. Der Kläger hat einen Anspruch auf erneute Bescheidung seines Antrages durch den Beklagten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Soweit der Kläger weitergehend die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis begehrt, ist die Klage dagegen unbegründet.
Die Frage, ob dem Kläger ein Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zusteht, ist nach dem zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zu beurteilen (vgl. dazu bereits Beschluss der Kammer vom 14.3.2005 - 5 B 16/05 -). Mangels Einschlägigkeit anderer Bestimmungen kommen für den Kläger, dessen Asylantrag unanfechtbar abgelehnt worden ist, als Anspruchsgrundlagen nur die Regelungen des § 25 Abs. 4 und Abs. 5 i. V. m. § 10 Abs. 3 Satz 1 AufenthG in Betracht.
Die Regelung des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, die sich ausschließlich auf die Verlängerung einer bereits erteilten Aufenthaltserlaubnis bezieht, ist für den Kläger mangels rechtmäßigen Voraufenthaltes nicht einschlägig (vgl. bereits Nds. OVG, Beschl. v. 27.6.2005 - 11 ME 96/05 -).
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG. Danach kann einem Ausländer, der - wie der Kläger nach unanfechtbarer Ablehnung seines Asylantrages - vollziehbar ausreisepflichtig ist, abweichend von § 11 Abs. 1 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn seine Ausreise aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen unmöglich ist und mit dem Wegfall der Ausreisehindernisse in absehbarer Zeit nicht zu rechnen ist. Die Aufenthaltserlaubnis darf nur erteilt werden, wenn der Ausländer unverschuldet an der Ausreise gehindert ist (§ 25 Abs. 5 Satz 3 AufenthG). Ein Verschulden des Ausländers liegt insbesondere vor, wenn er falsche Angaben macht oder über seine Identität oder Staatsangehörigkeit täuscht oder zumutbare Anforderungen zur Beseitigung der Ausreisehindernisse nicht erfüllt (§ 25 Abs. 5 Satz 4 AufenthG). Zwar macht der Umstand, dass sich der Kläger nicht im Besitz eines gültigen Passes oder Passersatzes befindet, eine Ausreise derzeit i. S. d. § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG aus tatsächlichen Gründen unmöglich (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung für ein Zuwanderungsgesetz, BT-Drs. 15/420, S. 80; Ziff. 25.5.2.3 der Vorläufigen Nds. Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz vom 31.3.2005). Einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf dieser Grundlage stand aber jedenfalls zunächst entgegen, dass der Kläger die vom Beklagten zwecks Beschaffung eines Passes oder Passersatzes angeforderten vier Passbilder nicht vorgelegt hatte und die Passlosigkeit deshalb von ihm zu vertreten war (vgl. Nds. OVG, a. a. O.; Ziffer 25.5.3 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums zum Aufenthaltsgesetz vom 22.12.2004). Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, er habe die Passbilder inzwischen beim Beklagten eingereicht, ist die Passlosigkeit zwar unter der Voraussetzung, dass er auch im Übrigen seinen Mitwirkungspflichten nachkommt, nicht mehr von ihm zu vertreten. Bei Mitwirkung des Klägers ist aber davon auszugehen, dass ihm zeitnah ein Pass oder Passersatz ausgestellt werden kann. So hat das türkische Konsulat in Hannover auf Nachfrage des Beklagten entsprechend der in der Verwaltungsakte enthaltenen Telefonnotiz vom 4. März 2002 mitgeteilt, dass für den Kläger nach Vorführung ein Passersatzpapier ausgestellt werde. Dass sich daran zwischenzeitlich etwas geändert hätte, ist nicht ersichtlich. Ist demnach in absehbarer Zeit mit einem Wegfall des Ausreisehindernisses zu rechnen, kommt die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG nicht in Betracht (vgl. auch Storr/Wenger/Eberle u. a., Kommentar zum Zuwanderungsgesetz, § 25 Rdnr. 25).
Rechtliche Ausreisehindernisse i. S. d. § 25 Abs. 5 AufenthG liegen nicht vor. Entgegen der Auffassung des Klägers begründet Art. 8 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) im Hinblick auf die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet und seine Integration in die hiesigen Lebensverhältnisse kein Ausreisehindernis. Art. 8 Abs. 1 EMRK schützt unter anderem das Privat- und Familienleben. Ein Eingriff in die Ausübung dieser Rechte ist nach Art. 8 Abs. 2 EMRK unter anderem dann statthaft, wenn er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die öffentliche Ordnung notwendig ist, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten ist. Die Regelungen des Aufenthaltsgesetzes und vormals des Ausländergesetzes entsprechen in ihren differenzierten Aufenthaltsregelungen generell dem Standard der Konvention und stellen zulässige Schranken des Aufenthaltsbestimmungsrechts eines Ausländers dar (vgl. BVerwG, Urt. v. 9.12.1997 - 1 C 19/96 - BVerwGE 106, 13 ff.). Sie dienen unter anderem der Steuerung, Begrenzung und Gestaltung der Zuwanderung (§ 1 Abs. 1 AufenthG). Nach § 4 AufenthG ist es grundsätzlich erforderlich, einen Aufenthaltstitel zu besitzen, wobei in den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes im Einzelnen geregelt ist, unter welchen Voraussetzungen ein Aufenthaltstitel erteilt werden kann. Dem steht es entgegen, einem Ausländer, der sich über längere Zeit ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufgehalten hat und dessen Aufenthalt lediglich geduldet wurde, allein wegen seines faktischen Aufenthalts im Bundesgebiet und der damit verbundenen Integration ein Bleiberecht zu gewähren (vgl. VG Oldenburg, Urt. v. 11.5.2005 - 11 A 2574/03 - Homepage des Nds. OVG im Internet).
Der Kläger war während der bisherigen Dauer seines Aufenthaltes im Bundesgebiet zu keinem Zeitpunkt im Besitz eines Aufenthaltstitels nach den Bestimmungen des Ausländer- oder des Aufenthaltsgesetzes. Ihm bzw. seinem als Vormund eingesetzten Bruder war bekannt, dass der Aufenthalt vom Beklagten nur deshalb geduldet worden ist, weil anderenfalls eine Rückführung als unbegleiteter Minderjähriger hätte erfolgen müssen. Angesichts seines Aufenthaltsstatus durfte er zu keinem Zeitpunkt darauf vertrauen, dauerhaft in Deutschland bleiben zu können. Damit unterscheidet sich die Sachlage wesentlich von Fällen, in denen ein langjähriger rechtmäßiger Aufenthalt eines Ausländers beendet werden soll. Seit dem 1. Januar 2005 ist der Kläger zudem volljährig. Die zuvor eingerichtete Vormundschaft ist damit beendet. Der Kläger ist alleinstehend und es ist nicht erkennbar, dass er in besonderer Weise auf den Beistand insbesondere seines zuvor zum Vormund bestellten Bruders angewiesen wäre. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger im Alter von noch nicht ganz 9 Jahren in das Bundesgebiet eingereist und seitdem hier aufgewachsen ist, sind damit im Rahmen einer Gesamtwürdigung keine Umstände gegeben, die nach Art. 8 EMRK ein rechtliches Ausreisehindernis begründen könnten. Gleiches gilt insbesondere in Anbetracht der nunmehr bestehenden Volljährigkeit des Klägers auch für Art. 6 GG. Da dem Kläger eine freiwillige Ausreise möglich und aus diesen Gründen auch zumutbar ist, kann dahinstehen, ob und ggf. inwieweit das Kriterium der Zumutbarkeit der Ausreise im Rahmen des § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG Berücksichtigung finden kann (vgl. einerseits BT-Drs. 15/420, S. 80 zu § 25 Abs. 6 des Regierungsentwurfs; Ziffer 25.5.1.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise des BMI zum AufenthG; Heinholdt, Asylmagazin 11/2004, S. 7 ff., Abschnitt VII; VG Braunschweig, Urt. v. 29.6.2005 - 6 A 171/05 - Homepage des Nds. OVG im Internet m. w. N.; andererseits Ziffer 25.5.2 der Vorläufigen Nds. Verwaltungsvorschrift zum AufenthG; Entwurf der Niederschrift über die Besprechung der Ausländerreferenten des Bundes und der Länder vom 19. bis 20.4.2005 zu § 25 Abs. 5 AufenthG; VG Oldenburg, Urt. v. 11.5.2005, a. a. O.).
Der Kläger hat jedoch einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, der vom Beklagten bislang nicht erfüllt worden ist. Nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG kann einem Ausländer für einen vorübergehenden Aufenthalt eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, solange dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit erfordern. Auch die erkennende Kammer hält die Regelung (auch) für vollziehbar ausreisepflichtige Ausländer - wie den Kläger - für anwendbar und nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen insoweit auf die Ausführungen des Nds. Oberverwaltungsgerichts im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes Bezug (Beschl. v. 27.6.2005 - 5 B 16/05 -).
Über die Bestimmung des § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG soll die Ausländerbehörde in die Lage versetzt werden, einem Ausländer einen vorübergehenden, zeitlich beschränkten Aufenthalt ermöglichen zu können. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Norm, aber auch aus den in der Gesetzesbegründung beispielhaft genannten dringenden persönlichen Gründen der Durchführung einer Operation, die im Herkunftsland nicht gewährleistet ist, der vorübergehenden Betreuung eines schwerkranken Familienangehörigen oder dem Abschluss einer Schul- oder Berufsausbildung (BT-Drs. 15/420, S. 79 f.). Wird dagegen ein Daueraufenthalt bzw. ein zeitlich nicht absehbarer Aufenthalt im Bundesgebiet angestrebt, kann eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht beansprucht werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 6.4.2005 - 11 S 2779/04 - juris-Länderrechtsprechung). Hiervon ist eine Ausnahme möglich, wenn der Ausländer daneben weitere Gründe geltend macht, die einen vorübergehenden Aufenthaltszweck erkennen lassen (Nds. OVG, a. a. O. unter Hinweis auf VG Koblenz, Urt. v. 24.1.2005 - 3 K 3819/03.KO - juris-Länderrechtsprechung).
Soweit der Kläger geltend macht, dass ihm zumindest bis zum Abschluss seiner Schulausbildung Ende Juli 2006 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden müsse, handelt es sich in diesem Sinn um einen Aufenthalt für einen vorübergehenden Zweck. Zwar ist der danach erstrebte weitere Aufenthalt im Bundesgebiet auf einen längeren Zeitraum als sechs Monate angelegt. Die Kammer vermag aber nicht zu erkennen, dass eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nicht auch dann erteilt und bei Fortdauer der Voraussetzungen verlängert werden kann, wenn der vorübergehende Aufenthaltszweck einen Zeitraum von sechs Monaten überschreitet. Regelungen zur Dauer einer nach den §§ 22 ff. AufenthG zu erteilenden Aufenthaltserlaubnis hat der Gesetzgeber in § 26 Abs. 1 AufenthG getroffen. Danach kann eine Aufenthaltserlaubnis nach dem 5. Abschnitt des Aufenthaltsgesetzes für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden, in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 AufenthG jedoch für längstens sechs Monate, solange sich der Ausländer - wie der Kläger - noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Im Hinblick auf die in § 26 Abs. 1 AufenthG eingangs gewählte Formulierung, nach der die erfassten Aufenthaltserlaubnisse grundsätzlich "für jeweils längstens drei Jahre erteilt und verlängert werden", ist die weitere Regelung des Absatzes dahin zu verstehen, dass Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 AufenthG abweichend davon nur "für längstens sechs Monate erteilt und verlängert" werden können (so auch Ziffer 26.1 der Vorläufigen Nds. Verwaltungsvorschrift zum AufenthG). Eine Verlängerung ist dabei nicht nur gemäß § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG möglich, wonach eine Aufenthaltserlaubnis abweichend von § 8 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG verlängert werden kann, wenn auf Grund besonderer Umstände des Einzelfalls das Verlassen des Bundesgebietes für den Ausländer eine außergewöhnliche Härte bedeuten würde, sondern auf der Grundlage des allgemein für die Verlängerung von Aufenthaltserlaubnissen geltenden § 8 AufenthG auch bei fortdauerndem Vorliegen der ursprünglichen Erteilungsgründe.
Mit § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG hat der Gesetzgeber eine eigenständige Möglichkeit der Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis geschaffen (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 80; Ziffer 25.4.2.1 der Vorläufigen Anwendungshinweise des BMI und der Vorläufigen Nds. Verwaltungsvorschrift zum AufenthG). Obgleich sich die Bestimmung im selben Absatz wie § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG findet, besteht zwischen beiden Vorschriften kein systematischer Zusammenhang. Nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG kann Ausländern, die bereits im Besitz einer anderen (befristeten) Aufenthaltserlaubnis sind, deren Voraussetzungen aber nicht mehr erfüllen, bei Vorliegen einer außergewöhnlichen Härte ein Folgeaufenthaltsrecht gewährt werden. Die Regelung gilt nicht nur nach Wegfall der Umstände, die ursprünglich zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG geführt haben, sondern auch bei ursprünglicher Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf anderer Grundlage. Dies folgt zum Einen aus dem Wortlaut der Norm, nach der "eine Aufenthaltserlaubnis" verlängert werden kann und zum Anderen auch daraus, dass die Regelung an die Stelle der nach § 30 Abs. 2 AuslG möglichen Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis getreten ist, wonach es insofern ebenfalls ohne weitere Voraussetzungen allein auf einen rechtmäßigen Voraufenthalt ankam (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 80; Heinholdt, a. a. O., Abschnitt VI; Storr/Wenger/Eberle, § 25 Rdnr. 18; VGH Mannheim, Beschl. v. 9.2.2005 - 11 S 1099/04 - juris-Länderrechtsprechung). Mit § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG ist der Anwendungsbereich des § 30 Abs. 2 AuslG lediglich insofern geändert, nämlich erweitert worden, als er nunmehr ein Folgeaufenthaltsrecht auch für unanfechtbar abgelehnte Asylbewerber und für Ausländer ermöglicht, denen bis zum Wegfall der Voraussetzungen eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erteilt worden ist, denn dies war unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 30 Abs. 5 AuslG bzw. der durch § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG ersetzten Regelung des § 55 Abs. 3 AuslG, die lediglich die Erteilung einer Duldung ermöglichte und damit keinen rechtmäßigen Voraufenthalt begründete, auf der Grundlage von § 30 Abs. 2 AuslG nicht möglich (vgl. Ziffer 25.4.2.1 der Vorläufigen Nds. Verwaltungsvorschrift zum AufenthG; Fleuß, BDVR-RdSchr. 01 und 02/2005, S. 16, 30; Storr/Wenger/Eberle, a. a. O.).
Vor diesem Hintergrund ist § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG als Verlängerungsmöglichkeit bei Wegfall der ursprünglichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis einschlägig, ohne die bei Fortdauer der Erteilungsvoraussetzungen, etwa der dringenden persönlichen Gründe i. S. d. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG, mögliche Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis gemäß § 8 AufenthG auszuschließen (vgl. auch im Umkehrschluss § 26 Abs. 2 AufenthG). In den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 AufenthG darf die Verlängerung dabei gemäß § 26 Abs. 1 AufenthG höchstens für sechs Monate erfolgen. Mit der verkürzten Höchstdauer für die erstmalige Erteilung und die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis in den genannten Fällen soll erreicht werden, dass das Fortbestehen der Umstände, auf denen der Aufenthalt beruht, regelmäßig nach angemessener Zeit überprüft wird (vgl. Ziffer 26.1 der Vorläufigen Anwendungshinweise des BMI zum AufenthG). Bei dem auf einen vorübergehenden Aufenthalt gerichteten Aufenthaltsrecht des § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG und dem nur für die Dauer des Bestehens von Ausreisehindernissen vorgesehenen Aufenthaltsrecht nach § 25 Abs. 5 AufenthG bietet sich für die Überprüfung grundsätzlich eine kürzere Frist als in den übrigen Fällen der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach den §§ 22 ff. AufenthG an. Wird bei der Überprüfung festgestellt, dass die Umstände, auf denen der Aufenthalt beruht, fortbestehen, weil bei einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 etwa die vorübergehende Betreuung eines schwerkranken Familienangehörigen noch nicht beendet ist, kann die Aufenthaltserlaubnis nach § 8 i. V. m. §§ 25 Abs. 4 Satz 1, 26 Abs. 1 AufenthG für längstens weitere sechs Monate verlängert werden (vgl. auch Storr/Wenger/Eberle, § 26 Rdnr. 3, wonach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG im Verhältnis zu § 26 Abs. 1 AufenthG eine "weitere" Verlängerungsmöglichkeit darstelle).
Würden die Regelungen des Gesetzes dagegen dahin verstanden, dass eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG für höchstens sechs Monate erteilt und anschließend nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG verlängert werde könnte (so Nds. OVG, a. a. O. unter Hinweis auf Lüke, ZAR 2004, 397, 398), müsste dies angesichts der gemäß § 26 Abs. 1 AufenthG auch für Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG geltenden Höchstdauer von sechs Monaten und des nicht auf Fälle des Satzes 1 beschränkten Anwendungsbereichs des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG wohl auch für Aufenthaltserlaubnisse nach § 25 Abs. 5 AufenthG gelten. Dies würde etwa in den nicht seltenen Fällen, in denen auf längere Zeit eine vom Ausländer nicht zu vertretende, insbesondere auf fehlender bzw. zögerlicher Mitwirkung der Heimatbehörden beruhende Passlosigkeit gegeben und damit ein tatsächliches Ausreisehindernis i. S. d. § 25 Abs. 5 AufenthG begründet ist, dazu führen, dass dem Ausländer, sofern er sich noch nicht mindestens 18 Monate rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, die nach § 25 Abs. 5 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis nach Ablauf der Geltungsdauer von längstens sechs Monaten regelmäßig nicht verlängert werden könnte, denn in Fällen dieser Art dürfte eine Verlängerung nach § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG nur ausnahmsweise möglich sein, da eine außergewöhnliche Härte im Sinne der Norm zumindest in erster Linie aus Umständen und Verhältnissen im Inland folgen dürfte (vgl. Lüke, a. a. O., S. 399) und die nicht zu vertretende Passlosigkeit nicht erfasst wird. Dies würde dazu führen, dass dem Ausländer nach Ablauf der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis trotz Fortbestehens von Ausreisehindernissen wiederum nur Duldungen gemäß § 60a Abs. 2 AufenthG gewährt werden könnten, obwohl es erklärtes Ziel des Gesetzgebers war, durch die Regelung des § 25 Abs. 5 AufenthG die Praxis der "Kettenduldung" zu beenden (vgl. BT-Drs. 15/420, S. 80). Auch dies spricht dafür, dass Verlängerungen von Aufenthaltserlaubnissen nach § 25 Abs. 4 Satz 1 und Abs. 5 AufenthG nicht nur in den Fällen des § 25 Abs. 4 Satz 2 AufenthG, sondern auch bei Fortdauer der die Erteilung rechtfertigenden Umstände unter Berücksichtigung von § 8 AufenthG möglich sein sollen. Ist dies aber anzunehmen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG nur dann möglich ist, wenn nach einer vor der Erteilung anzustellenden Prognose erwartet werden kann, dass die einen vorüber-gehenden Aufenthalt rechtfertigenden Gründe nicht länger als sechs Monate bestehen werden.
Kann eine Aufenthaltserlaubnis mithin auch erteilt werden, wenn die einen vorübergehenden weiteren Aufenthalt des Ausländers im Bundesgebiet i. S. d. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erfordernden Umstände von vornherein erkennbar länger als sechs Monate vorliegen werden, so steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis für den Kläger auf dieser Grundlage nicht entgegen, dass der Besuch der Fachoberschule noch bis Ende Juli 2006 dauern wird. Dass der Abschluss einer Schulausbildung einen dringenden persönlichen Grund i. S. d. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG darstellen kann, erkennt - wie bereits ausgeführt - auch der Gesetzgeber an. Auch handelt es sich für den Kläger um einen vorübergehenden Aufenthalt, denn der Zeitraum ist absehbar begrenzt (vgl. bereits Nds. OVG, a. a. O.). Dass sich der Ausländer bereits im letzten Schuljahr befinden muss, um einen dringenden persönlichen Grund geltend machen zu können, ist dem Gesetz und der Gesetzesbegründung nicht zu entnehmen. In der Gesetzesbegründung ist ohne zeitliche Einschränkung vom Abschluss einer Schulausbildung die Rede. Auch die Verwaltungsvorschriften sind insofern nicht eindeutig. Während sich der Ausländer nach den Vorläufigen Anwendungshinweisen des Bundesinnenministeriums zum Aufenthaltsgesetz zumindest im letzten Schuljahr befinden muss (Ziff. 25.4.1.3), sieht die Vorläufige Nds. Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz (lediglich) vor, dass sich der Ausländer "in der Regel" im letzten Schuljahr befinden muss (Ziff. 25.4.1.2.1). Ob die verbleibende Zeit der Ausbildung zu lang ist, um für einen weiteren Aufenthalt bis zum Abschluss der Schulausbildung einen dringenden persönlichen Grund annehmen zu können, ist deshalb im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung festzustellen. Das Erreichen des letzten Schuljahres ist dabei ein prägnanter, aber keineswegs stets zwingender Gesichtspunkt. Für den Kläger ist in diesem Zusammenhang zu beachten, dass er sich seit der Einreise in das Bundesgebiet im Jahre 1995 in Schulausbildung befindet und nach der vorgelegten Schulbescheinigung bereits zu Beginn des Klageverfahrens die 11. Klasse der Fachoberschule K. besucht hat. Nach den vorgelegten Schulzeugnissen geht er der Schulausbildung engagiert nach und nutzt den Schulbesuch nicht etwa nur, um sich den weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet zu sichern. Entsprechend seiner Leistungen ist zu erwarten, dass er nach Abschluss der 12. Klasse im Sommer 2006 die Fachhochschulreife erwerben wird und damit seine Schulausbildung abschließt. Angesichts der Dauer des bisherigen Schulbesuchs, der Einreise in das Bundesgebiet im Alter von 8 Jahren und der durch Schulzeugnisse nachgewiesenen Leistungen ist der Kläger als in das hiesige Schulsystem integriert anzusehen. Bei Fortsetzung der Schulausbildung in der Türkei würde er nicht nur mit anderen Lebensverhältnissen und einer anderen sprachlichen Umgebung, sondern auch mit einem anderen Schulsystem konfrontiert. Ob er in der Türkei einen der Fachhochschulreife entsprechenden Abschluss erreichen könnte, erscheint wegen der erforderlichen Umstellung fraglich. Zumindest würde er aber voraussichtlich in seinen Leistungen weit zurückgeworfen werden. Die Kammer sieht für den Kläger deshalb einen dringenden persönlichen Grund i. S. d. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG als gegeben an. Auch wenn jedenfalls zu Beginn des Klageverfahrens das letzte Schuljahr noch nicht erreicht war, ist zu beachten, dass sich die verbleibende Schulzeit im Verhältnis zu der bereits im Bundesgebiet absolvierten Schulzeit als gering darstellt und der Kläger nach Absolvierung der 11. Schulklasse an der Fachoberschule Technik keinen Schulabschluss erworben hat.
Dass der Kläger im Juli 2004 bereits einen Realschulabschluss erworben hat und nunmehr eine andere Schule besucht, steht der Annahme dringender persönlicher Gründe angesichts der nach Aktenlage stringenten Ausbildungsplanung und -durch-führung und des Umstands, dass sich der Kläger weiterhin in allgemeinbildender Ausbildung befindet, nicht entgegen. Insgesamt erscheint dem Kläger ein Abbruch der im Bundesgebiet begonnenen Schulausbildung nicht zumutbar (vgl. mit ähnlichen Erwägungen zu einer im Juli 2006 endenden Schulausbildung im Ergebnis ebenso VG Bremen, Beschl. v. 18.1.2005 - 4 V 2519/04 -).
Ist der Tatbestand das § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG erfüllt, hat der Beklagte nach pflichtgemäßem Ermessen über die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden und der Kläger hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung. Das ihm zustehende Ermessen hat der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid vom 7. Juli 2004 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Juli 2005 nicht ausgeübt, da er der Auffassung war, es seien keine dringenden persönlichen Gründe gegeben. Soweit der Beklagte darauf verweist, dass auch die regelmäßig zu erfüllenden allgemeinen Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 5 Abs. 1 AufenthG nicht erfüllt seien, weil der Kläger insbesondere nicht im Besitz eines gültigen Passes sei, hat der Beklagte ebenfalls gemäß § 5 Abs. 3 2. Halbsatz AufenthG nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob von der Erfüllung dieser Voraussetzung abgesehen werden kann. Gleiches gilt für den Sozialhilfebezug im Hinblick auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG. Nach § 5 Abs. 3 2. Halbsatz AufenthG kann in den Fällen der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes und damit auch bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG von der Anwendung der Absätze 1 und 2 des § 5 AufenthG abgesehen werden (vgl. dazu bereits Beschl. der Kammer vom 14.03.2005 - 5 B 16/05 - S. 7 f.). Auch das ihm danach zustehende Ermessen hat der Beklagte bislang nicht ausgeübt. Damit ist der angefochtene Bescheid wegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig (§ 114 VwGO).
Im Rahmen der Ermessensausübung nach § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG sind auch Gesichtspunkte wie die Dauer des Voraufenthalts, der Grund für die Ausreisepflicht und die Folgen einer alsbaldigen Abschiebung für den Ausländer und die Öffentlichkeit zu berücksichtigen (Nds. OVG, a. a. O. unter Hinweis auf Fleuß, a. a. O., S. 30). Dabei wird der Beklagte dem Kläger Gelegenheit zu geben haben, das Zeugnis der Fachoberschule über die Leistungen im 2. Halbjahr des 11. Schuljahres vorzulegen, um prüfen zu können, ob der Kläger die Schulausbildung weiterhin zielgerichtet und mit Aussicht auf Erfolg betreibt. Auch wird zu berücksichtigen sein, ob der Kläger weiterhin ein Daueraufenthaltsrecht geltend macht und deshalb nicht angenommen werden kann, dass er nach Abschluss der Schulausbildung freiwillig ausreisen wird (vgl. Ziffer 25.4.1.1 der Vorläufigen Nds. Verwaltungsvorschrift zum AufenthG). Ebenso ist zu beachten, ob der Kläger weiterhin bei der Beschaffung eines Passersatzes mitwirkt (vgl. Nds. OVG, a. a. O.). Zu Gunsten des Klägers werden die bereits im Rahmen der Prüfung des Vorliegens dringender persönlicher Gründe i. S. d. § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG angeführten Gesichtspunkte in die Entscheidung einzubeziehen sein.
Im Rahmen der Ermessensausübung nach § 5 Abs. 3 2. Halbsatz AufenthG ist hinsichtlich des Bezuges von Sozialhilfe zu bedenken, dass derjenige, der einen Schulabschluss machen will, oftmals seinen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln wird sichern können, so dass ein Abgehen von der Regelerteilungsvoraussetzung des § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG nahe liegt (so bereits Nds. OVG, a. a. O. unter Hinwies auf Heinholdt, a. a. O., S. 12). Sofern der Kläger seiner Mitwirkungspflicht bei der Beschaffung eines Passersatzes nachkommt, dürfte es ebenfalls nahe liegen, von der Regelerteilungsvoraussetzung der Erfüllung der Passpflicht nach § 5 Abs. 1 AufenthG abzusehen, denn die Passlosigkeit ist in diesem Fall vom Kläger nicht zu vertreten (vgl. Ziffer 5.1.1.1 der Vorläufigen Nds. Verwaltungsvorschrift zum AufenthG). Erfüllt der Kläger seine Mitwirkungspflicht nicht, dürfte es andererseits nicht zu beanstanden sein, wenn der Beklagte die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus diesem Grund ablehnt.
Da bei dieser Sachlage gegenwärtig keine Situation gegeben ist, in der nur die Erteilung oder die Versagung der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis rechtmäßig wäre, ist der Beklagte mangels Spruchreife i. S. d. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO zur erneuten Entscheidung über den Antrag des Klägers zu verpflichten (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Daraus folgt zugleich, dass die Klage insoweit abzuweisen ist, als der Kläger die Verpflichtung des Beklagten zur Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis begehrt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht in Anwendung von § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Die Berufung gegen dieses Urteil wird gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zugelassen, weil die Kammer hinsichtlich der Auslegung des § 25 Abs. 4 Satz 1 AufenthG von der Entscheidung des Nds. Oberwaltungsgerichts im Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (Beschluss vom 27.6.2005 - 11 ME 96/05 -) abweicht.
Der Streitwert wird in Anlehnung an Ziffer 8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.) gemäß § 52 Abs. 1 und 2 GKG auf den Auffangwert von 5.000,00 € festgesetzt.