Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 01.09.2005, Az.: 5 A 208/05

Besorgung einer Bestattung als Verpflichtung naher Angehöriger eines Verstorbenen nach niedersächsischem Landesgewohnheitsrecht; Geltendmachung der Kosten der im Wege der Ersatzvornahme durchgeführten Bestattung durch die Ordnungsbehörde; Ergänzung von Ermessenserwägungen zum Auswahlermessen im gerichtlichen Verfahren; Heilung eines formellen Begründungsmangels bzgl. der Ermessensausübung

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
01.09.2005
Aktenzeichen
5 A 208/05
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2005, 38504
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2005:0901.5A208.05.0A

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    In Niedersachsen sind nahe Angehörige eines Verstorbenen nach Landesgewohnheitsrecht verpflichtet, für dessen Bestattung zu sorgen.

  2. 2.

    Zum Ausnahmefall, der die Bestattungspflicht entfallen lässt.

  3. 3.

    Die Ordnungsbehörde ist berechtigt, die Kosten der im Wege der Ersatzvornahme durchgeführten Bestattung geltend zu machen.

  4. 4.

    Ermessenserwägungen zum Auswahlermessen können im gerichtlichen Verfahren ergänzt werden.

  5. 5.

    Ein formeller Begründungsmangel bezüglich der Ermessensausübung kann geheilt werden.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann eine vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.793,38 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zur Tragung von Bestattungskosten für seinen Bruder.

2

Der am G. 1962 geborene H., geb. I., verstarb am J. 2004 in seiner Wohnung in K.. Die mit Frau L. eingegangene Ehe wurde bereits durch Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen vom 10. September 1998 geschieden. Zuletzt lebte der Verstorbene mit seiner Lebensgefährtin Frau M. zusammen. Als Angehörige des Verstorbenen ermittelte die Beklagte neben dem Kläger dessen in N. wohnende Schwester O. sowie die in den USA lebende Schwester P.. Nach den Ermittlungen der Beklagten verfügte Frau Q. über ein monatliches Einkommen von 1.200,00 Euro für eine Familie von vier Personen und Frau R. verfügte "angeblich" auch nur über geringes Einkommen. Da diese Angehörigen des Verstorbenen die Übernahme seiner Bestattung ablehnten, veranlasste die Beklagte die Bestattung. Hierfür wurden ihr durch das Bestattungsunternehmen S. 1.158,38 Euro in Rechnung gestellt. Hinzu kamen Friedhofsgebühren in Höhe von 635,00 Euro, somit zusammen 1.793,38 Euro. Auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse der Schwestern sowie des Hinweises, dass der Kläger über entsprechende finanzielle Mittel verfüge, zog die Beklagte durch Bescheid vom 27. Januar 2005 den Kläger zur Erstattung der verauslagten Kosten in Höhe von 1.793,38 Euro zuzüglich Kosten für Gebühren und Auslagen in Höhe von 97,50 Euro heran. Zur Begründung verwies sie auf ihre Verpflichtung nach der Nds. Verordnung über die Bestattung von Leichen, wonach sie dafür zu sorgen habe, dass jede Leiche innerhalb von 96 Stunden seit dem Eintritt des Todes bestattet oder die Bestattung auf den Weg gebracht werde, sofern die bestattungspflichtigen Angehörigen ihrer Bestattungspflicht nicht rechtzeitig nachkämen und sie berechtigt sei, die dadurch entstandenen Kosten von dem auch bestattungspflichtigen Kläger zurückzufordern.

3

Hiergegen hat der Kläger am 24. Februar 2005 den Verwaltungsrechtsweg beschritten. Zur Begründung führt er aus, dass sein Bruder keinen Nachlass hinterlassen habe und er aus diesem Grunde die Erbausschlagung vornehmen werde. Außerdem bestehe grundsätzlich nur eine Haftung in Höhe des Nachlasses. Der Kläger sowie seine Geschwister seien im Heim aufgewachsen. Er selbst habe weit entfernt von seinem verstorbenen Bruder gelebt und habe zu diesem keinen Kontakt gehabt. Erst durch den Heranziehungsbescheid habe er überhaupt erfahren, dass sein Bruder verstorben sei. Hinzu komme, dass bereits die Rechtsgrundlage für den Heranziehungsbescheid zweifelhaft sei, weil in Niedersachsen keine geschriebene Verpflichtung für Geschwister bestehe, für die Bestattung ihres Bruders zu sorgen. Auch die Nds. Landesregierung habe offenbar das Fehlen einer Rechtsgrundlage der Kostenauferlegung erkannt, denn ansonsten wäre der Entwurf der Landtagsdrucksache 15/1150 nicht eingebracht worden. Zur Vermeidung unbilliger Härten und einer bloßen Haftung auf Grund einer Blutsverwandtschaft müsse auch ein Mindestmaß an familiärer Nähe bestehen. Dabei sei es nur dann billig, die Kosten den Angehörigen aufzuerlegen, wenn diese dem Verstorbenen näher gestanden hätten als die öffentliche Hand. So sei es hier jedoch nicht, da er zu keinem Zeitpunkt in einer Familie mit dem Verstorbenen gelebt habe. Die Heimunterbringung habe zu einer völligen Entfremdung unter den Geschwistern geführt. Der Verstorbene sei für ihn ein Fremder gewesen. Darüber hinaus sei die Störerauswahl nicht nachvollziehbar. Die Beklagte habe in keiner Weise begründet, warum ausgerechnet er für die Kosten habe haften sollen. Angesichts mehrerer Geschwister hätte es einer näheren Auseinandersetzung bedurft, so dass der Bescheid rechtswidrig sei. Es sei auch nicht nachvollziehbar, warum die Ehefrau des Verstorbenen nicht zur Zahlung der Bestattungskosten herangezogen worden sei, da auch diese als Erbin grundsätzlich zahlungspflichtig sei.

4

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 2005 insoweit aufzuheben, als in ihm Bestattungskosten in Höhe von 1.793,38 Euro festgesetzt worden sind.

5

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

6

In Ergänzung zu den Ausführungen im angefochtenen Bescheid trägt sie vor, dass es auf eine zivilrechtliche Erbenstellung des Klägers ebenso wenig ankomme wie auf einen zu Lebzeiten bestehenden Kontakt zum Verstorbenen. Bei mehreren Bestattungspflichtigen stehe der Beklagten ein Auswahlermessen zu. Vorliegend seien dabei Wohnsitz und Leistungsfähigkeit ausschlaggebend. Weitere Bestattungspflichtige neben dem Kläger und seinen zwei Schwestern seien der Beklagten nach wie vor nicht bekannt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind, verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

9

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 2005 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

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Die Rechtsgrundlage für die Heranziehung zu Bestattungskosten ergibt sich aus dem Nds. Landesgewohnheitsrecht. In der Rechtsprechung des Nds. Oberverwaltungsgerichts ist geklärt, dass die "nahen" Angehörigen eines Verstorbenen in Niedersachsen grundsätzlich landesgewohnheitsrechtlich dazu verpflichtet sind, für dessen Bestattung zu sorgen (vgl. zuletzt Beschl. vom 13. Juli 2005 - 8 PA 37/05 -, einsehbar auf der Homepage des Oberverwaltungsgerichts, sowie bereits Beschl. vom 27.09.2004 - 8 ME 227/04 -, NJW 2005, 1097 = Nds. VBl 2005, 54; Beschl. vom 19.05.2003 - 8 ME 76/03 - NST-N 2003, 205; vom 16.05.2003 - 8 LA 100/02 -, vom 09.-12.2002 - 8 LA 158/02 -, Nds. VBl 2003, 109 und vom 09.07.2002 - 8 PA 94/02 -). Diese gewohnheitsrechtliche Verpflichtung besteht fort, weil in Niedersachsen auf Grund des Gesetzentwurfes für ein Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen vom 2. Juni 2004 (Drs. 15/1150) noch kein entsprechendes Gesetz erlassen worden ist. Letzterer Gesetzesentwurf ist kein Indiz für eine bisherige rechtswidrige Praxis, sondern soll die bisher geltenden gewohnheitsrechtlichen Verhältnisse durch ein Gesetz ersetzen. Zu dem Personenkreis der "nahen" Angehörigen gehören nicht nur die Kinder und der Ehegatte, sondern auch die Eltern und Geschwister des Verstorbenen (Nds. OVG, Beschl. vom 16.04.2003 - 8 ME 76/03 - unter Bezugnahme auf den Beschl. vom 09.12.2002, a.a.O..; OVG Münster; Urt. vom 15.10.2001 - 19 A 571/00 -). Dabei ist unerheblich, ob dieser nahe Angehörige zu den Erben des Verstorbenen gehört, die nach § 1968 BGB die Kosten der standesgemäßen Beerdigung des Erblassers zu tragen haben, denn die zivilrechtlichen Vorschriften für die Kostentragungspflicht enthalten keine rechtliche Vorgabe für den Kreis der nach öffentlichem Recht Bestattungspflichtigen (BVerwG, Beschl. vom 19.08.1994 - 1 B 149/94 -, NVwZ-RR 1995 S. 283; Nds. OVG, Beschl. vom 09.12.2002, a.a.O..; VGH Baden-Württemberg, Urt. vom 05.12.1996 - 1 S 1366/96 -, NJW 1996 S. 3113). Diese zivilrechtlichen Bestimmungen hindern die Ordnungsbehörde nicht daran, von dem Bestattungspflichtigen, der seiner Bestattungspflicht nicht nachgekommen ist, den Ersatz der Aufwendungen zu verlangen, die ihr durch die Ersatzvornahme entstanden sind, und zwar unbeschadet eines etwaigen Erstattungsanspruches des Erstattungspflichtigen gegen den zivilrechtlich zur Kostentragung Verpflichteten (BVerwG, Beschl. vom 19.08.1994, a.a.O..; Nds. OVG, Beschl. vom 09.12.2002, a.a.O..). Kommen die nahen Angehörigen ihrer Bestattungspflicht nicht nach, so hat ersatzweise die zuständige Ordnungsbehörde die Bestattung zu veranlassen. Sie kann nachfolgend durch Leistungsbescheid gestützt auf § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG von den Bestattungspflichtigen die Kosten der im Wege der Ersatzvornahme durchgeführten Bestattung geltend machen (vgl. zuletzt Nds. OVG, Beschl. vom 13.07.2005 - 8 PA 37/05 -).

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Von diesen Grundsätzen ausgehend hat die Beklagte zu Recht den Kläger zur Erstattung der Bestattungskosten herangezogen.

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Dabei ist es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte im Rahmen des ihr eingeräumten Auswahlermessens den Kläger und nicht seine Schwestern zur Erstattung der Bestattungskosten herangezogen hat. Anzumerken ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte zu Recht nicht Frau T. in den Kreis der Bestattungspflichtigen einbezogen hatte, weil die Ehe zwischen ihr und dem Verstorbenen bereits seit dem 10. September 1998 durch das Urteil des Amtsgerichts Recklinghausen aufgelöst worden war. Auch die Lebensgefährtin des Verstorbenen gehört nicht zu dem Kreis der Bestattungspflichtigen nach den oben dargelegten gewohnheitsrechtlichen Maßstäben.

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Bei mehreren Bestattungspflichtigen hat die Ordnungsbehörde ihr Auswahlermessen bei der Heranziehung der Pflichtigen zur Kostenerstattung im Einzelfall sachgerecht auszuüben und ist berechtigt, hierbei die Leistungsfähigkeit zu berücksichtigen (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 15.10.2001 - 19 A 571/00 - NVwZ 2002, 996, 1000). Eine Orientierung des Auswahlermessens an der Leistungsfähigkeit der potentiellen Bestattungspflichtigen entspricht auch den allgemeinen gefahrenabwehrrechtlichen Gründsätzen, Gefahren möglichst schnell und effektiv zu beseitigen. Es mag im Einzelfall auch ein sachgerechter Gesichtspunkt sein, sich an der verwandtschaftlichen Nähe des Bestattungspflichtigen zum Verstorbenen zu orientieren. Dieses würde vorliegend jedoch zu keinen Unterschieden führen, da der Kläger und seine Schwestern mit dem Verstorbenen im gleichem Range verwandt waren. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass er die Erbschaft ausgeschlagen habe und deshalb nicht zum Kreis der möglicherweise Erstattungspflichtigen gehöre. Denn das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht führt in ständiger Rechtsprechung (vgl. z.B. Beschluss v. 19.05.2003 - 8 MW 76/03 - ) aus, dass zivilrechtliche Vorschriften über die Kostentragungspflicht bezüglich der Beerdigungskosten keine rechtlichen Vorgaben für den Kreis der nach öffentlichem Recht Bestattungspflichtigem enthalten. Zwar mag es nicht zu beanstanden sein, wenn die Ordnungsbehörde im Rahmen ihrer Auswahlentscheidung die Regelung des§ 1968 BGB beachtet, wonach ein Erbe zur Tragung der Bestattungskosten verpflichtet ist; dies kann jedoch aus ordnungsrechtlicher Sicht nur gelten, wenn dieser Erbe durch die Erbschaft in den Besitz eines Vermögens gelangt, das zur Deckung der Bestattungskosten ausreicht. Davon kann vorliegend jedoch angesichts der Erbausschlagung nicht ausgegangen werden. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, wenn sich die Ordnungsbehörde - wie hier - an der Leistungsfähigkeit der bestattungspflichtigen Geschwister orientiert. Angesichts des Aufenthaltes von Frau R. in den USA ist es auch unter Berücksichtigung des Gesichtspunktes der Beitreibbarkeit der im Rahmen der Ersatzvornahme ausgelegten Kosten nicht vorwerfbar, dass sich die Beklagte ohne weitere Nachprüfung auf die Angabe verlassen hatte, Frau R. verfüge nur über geringes Einkommen. Nach den Ermittlungen der Beklagten verfügt Frau Q. nur über ein monatliches Einkommen von 1.200,00 EUR für eine Familie von vier Personen; dieses wird vom Kläger auch nicht in Zweifel gezogen. Bezüglich des Klägers hätte die Beklagte zwar versuchen können, zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen im Verwaltungsverfahren Angaben zu erhalten, doch kann dieses Versäumnis nicht zu einem Fehler bei der Auswahlentscheidung führen, da der Kläger selbst in der mündlichen Verhandlung nicht behauptet hatte, aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage zu sein, die entstandenen Bestattungskosten zu tragen.

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Der Kläger kann auch nicht mit dem Einwand gehört werden, dass der angefochtene Bescheid ermessensfehlerhaft sei, weil die Beklagte das ihr eingeräumte Auswahlermessen gar nicht ausgeübt habe und Ermessenserwägungen nicht mehr nachgeschoben werden dürften. Nach§ 114 Satz 2 VwGO kann die Verwaltungsbehörde ihr Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen. Daraus ergibt sich zwar, dass die Behörde nicht befugt ist, im verwaltungsgerichtlichen Verfahren erstmals materielle Ermessenserwägungen anzustellen, doch liegt im vorliegenden Fall eines solche Situation nicht vor. Denn aus dem Verwaltungsvorgang der Beklagten ergibt sich, dass diese den Kreis der Bestattungspflichtigen ermittelt und sich insbesondere unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse dazu entschieden hat, den Kläger zur Kostenerstattung heranzuziehen. Auch aus der Formulierung im angefochtenen Bescheid, dass "auch" der Kläger zum Kreis der bestattungspflichtigen nahen Angehörigen gehöre, ergibt sich, dass der Beklagten bei ihrer Entscheidung bewusst gewesen war, dass mehrere Bestattungspflichtige vorhanden waren und deshalb auch eine Auswahlentscheidung zu treffen war. Dem Kläger ist zuzugeben, dass die Erwägungen, die zur Auswahl des Klägers geführt hatten, in der schriftlichen Begründung des angefochtenen Bescheides keinen Niederschlag gefunden haben. Dieser formelle Mangel nach § 39 Abs. 1 Satz 3 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nds. VwVfG ist jedoch gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG unbeachtlich, wenn die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird. Dieses ist gemäß § 45 Abs. 2 VwVfG bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich und vorliegend durch die Schriftsätze vom 2. März 2005 geschehen.

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Die durchgeführte Ersatzvornahme ist auch nicht wegen der Höhe der dadurch verursachten Kosten rechtswidrig. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kosten von zusammen 1.793,38 EUR (1.158,38 EUR für die Tätigkeit des Bestattungsunternehmens Ahorn-Greineinsen sowie 635,00 EUR Friedhofsgebühren) für die Durchführung der Bestattung unverhältnismäßig hoch gewesen sind. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Beklagten ein Auswahlermessen bezüglich der Art der Bestattung zusteht und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit es nicht gebietet, bei der zu treffenden Auswahlentscheidung allein auf die kostengünstigste Bestattungsform abzustellen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.09.2001 - 1 S 974/01 - NVwZ 2002, S. 995). So führt auch das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht aus, dass die Ordnungsbehörde, die die Bestattung auf Kosten des Bestattungspflichtigen selbst veranlasst, grundsätzlich eine angemessene Bestattung in einfacher, aber würdiger und ortsüblicher Form zu gewährleisten hat. Dazu gehören etwa die Aufwendungen für den Sarg, das Waschen, Einkleiden und Einsargen, den Leichenwagen, die Sargträger sowie die Leichenhalle und den Ankauf eines Grabplatzes (Nds. OVG, Beschluss vom 13.07.2005 - 8 PA 37/05 - Homepage des Nds. OVG). Das Nds. Oberverwaltungsgericht führt in dieser Entscheidung sogar ausdrücklich aus, dass die Ordnungsbehörde nicht verpflichtet ist, den Verstorbenen aus Kostengründen anonym zu beerdigen, was im vorliegenden Fall sogar geschehen ist. Angesichts der Höhe der Bestattungskosten von 2.229,44 EUR in dem vom Nds. Oberverwaltungsgericht beurteilten Fall, die dort für nicht unverhältnismäßig erachtet wurden, bedarf es im vorliegenden Fall angesichts von Gesamtkosten in Höhe von 1.793,38 EUR keine näheren Ermittlungen dazu, von die Grenze für die Verhältnismäßigkeit von Beerdigungskosten liegt.

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Der Bestattungspflicht kann der Kläger auch nicht entgegenhalten, dass er auf Grund des Umstandes, dass er und seine Geschwister in Heimen aufgewachsen seien, keinen Kontakt zu seinem verstorbenen Bruder gehabt habe. Als Rechtsgrundlage für die damit vom Kläger geltend gemachte Berücksichtigung von Billigkeitserwägungen kommt nach dem maßgeblichen niedersächsischen Landesrecht § 11 Abs. 2 Satz 2 Nds. Verwaltungskostengesetz nicht in Betracht (vgl. zur Rechtslage in anderen Bundesländern: OVG Münster, Beschl. vom 15.10.2001 - 19 A 571/00 -, NVwZ 2002, 996 ff., OVGE 48, 228 ff., m.w.N., sowie vom 02.02.1996 - 19 A 3802/95 -, NVwZ-RR 1997, 99 ff.; OVG Saarlouis, Urt. vom 25.08.2003 - 2 R 18/03 -, AR RB-SL 30, 439 ff.). Danach kann die Behörde von der Erhebung von Kosten absehen, wenn dies im Einzelfall mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kostenschuldners oder sonst aus Billigkeitsgründen geboten ist. Diese Vorschrift ist auf die hier streitigen Ersatzvornahmekosten jedoch schon dem Grunde nach nicht anwendbar. § 66 Abs. 1 Satz 1 Nds. SOG als Rechtsgrundlage für die geltend gemachte Kostenforderung enthält keinen Verweis auf das Nds. Verwaltungskostengesetz, sondern spricht davon, dass die Verwaltungsbehörde die Handlung auf Kosten der betroffenen Personen selbst ausführen oder eine andere Person mit der Ausführung beauftragen kann. Lediglich für die hier nicht streitigen, zusätzlich zur Ausführung der Handlung erforderlichen Amtshandlungen enthält § 66 Abs. 2 Satz 2 Nds. SOG einen Verweis auf die Erhebung von Gebühren und Auslagen nach den Vorschriften des Nds. Verwaltungskostengesetzes. Gegen die ergänzende Heranziehung von § 11 Abs. 2 Satz 2 Nds. VwKostG bei der Geltendmachung von Kosten für die Bestattung, die die Ordnungsbehörde im Wege der Ersatzvornahme für die bestattungspflichtigen nahen Angehörigen des Verstorbenen vorgenommen hat, spricht auch, dass ansonsten eine nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der Bestattungspflichtigen entstünde. Diejenigen, die freiwillig oder auf Grund eines sofortvollziehbaren Bescheides ihrer Bestattungspflicht nachkommen, haben jedenfalls im Verhältnis zum Träger der Ordnungsbehörde die Bestattungskosten zu tragen. Diejenigen, die untätig geblieben sind, hätten hingegen bei Anwendung des § 11 Abs. 2 Satz 2 Nds. VwKostG Anspruch auf eine zusätzliche Billigkeitsprüfung. Die daraus folgende Besserstellung der nahen Angehörigen, die ihrer Bestattungspflicht nicht nachgekommen sind, leuchtet nicht ein. § 11 Abs. 2 Satz 2 Nds. VwKostG ist daher bei der hier streitigen Geltendmachung der Ersatzvornahme der Kosten unanwendbar (vgl. Nds. OVG, Beschl. vom 13.07.2005 - 8 PA 37/05 -, a.a.O..).

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Etwaige Einschränkungen in der Pflicht naher Angehöriger, die Bestattung zu veranlassen und die dafür erforderlichen Kosten zu tragen, müssen vielmehr allen Bestattungspflichtigen in gleichem Umfang zugute kommen, d.h., die Bestattungspflicht selbst begrenzen. Diese öffentlich-rechtliche Pflicht besteht jedoch vorrangig aus Gründen der Gefahrenabwehr und kann daher allenfalls in besonderen Ausnahmefällen entfallen, insbesondere bei schweren Straftaten des Verstorbenen zu Lasten des an sich Bestattungspflichtigen. Unterhaltspflichtverletzungen gehören nicht hierzu. Weder dem (noch) maßgeblichen Landesgewohnheitsrecht noch dem gegenwärtigen im Nds. Landtag beratenen Entwurf eines Gesetzes über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen (LT-Ds. 15/1150) lässt sich eine solche Einschränkung entnehmen (vgl. Nds. OVG, Beschl. vom 13.07.2005 - 8 PA 37/05 -, a.a.O.. m.w.N.).

18

Für die Annahme eines solchen Ausnahmetatbestandes, der die Bestattungspflicht entfallen lässt, hat es das Nds. OVG daher als nicht ausreichend angesehen, wenn der Verstorbene seiner bestattungspflichtigen Mutter vor mehr als 30 Jahren Geld entwendet hat (vgl. Beschl. vom 19.05.2003 - 8 ME 76/03). Ebenso wenig hat das Nds. Oberverwaltungsgericht dafür die seit Jahrzehnten fehlende familiäre Bindung zwischen dem Bestattungspflichtigen und dem Verstorbenen als zureichend erachtet (vgl. Beschl. vom 16.05.2003 - 8 LA 100/02). Auch in dem zuletzt vom Nds. Oberverwaltungsgericht entschiedenen Fall, in dem eine Klägerin erst nach 45 Jahren ihren später verstorbenen Vater ausfindig gemacht hatte, der ihre Mutter verlassen hatte, als die Klägerin noch im Säuglingsalter gewesen war und in der Folgezeit weder Unterhalt gezahlt hatte noch eine persönliche Beziehung zu der Klägerin unterhalten hatte, hat das Gericht keinen besonderen Ausnahmefall angenommen (vgl. Beschl. vom 13.07.2005 - 8 PA 37/05).

19

Gerade der zuletzt genannte Fall ist vergleichbar mit den Verhältnissen im vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt, in dem - insoweit die Richtigkeit der Angaben des Klägers unterstellt - dieser zu seinem im Alter von 42 Jahren verstorbenen Bruder auf Grund deren getrennter Heimaufenthalte keinen Kontakt gehabt hatte. Zwar unterscheidet sich der vorliegende Fall dadurch von dem zuletzt vom Nds. Oberverwaltungsgericht entschiedenen Fall, dass hier kein Vater/Kind-Verhältnis, sondern ein Bruder/Bruder-Verhältnis zugrunde liegt, doch kann diesem Umstand angesichts des vom Nds. Oberverwaltungsgerichts herausgearbeiteten Maßstabes, dass besondere Ausnahmefälle vorliegen müssen, kein entscheidendes Gewicht zukommen. Denn in beiden Fällen ist es so, dass von Anfang an bereits kein Kontakt zwischen den Familienangehörigen bestand.

20

Deshalb ist die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

21

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

22

Die Entscheidung zur Höhe des Streitwertes ergibt sich aus § 52 Abs. 1 GKG.