Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 10.09.2003, Az.: 1 A 108/01

Amtsübertragung; befristete Wahrnehmung eines Amtes; haushaltsrechtliche Voraussetzungen; höherwertiges Amt; Planstelle; Vertretungszulage; Wahrnehmung eines Amtes; Wartezeit; Zulage

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
10.09.2003
Aktenzeichen
1 A 108/01
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48378
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 23.06.2005 - AZ: 2 B 106/04

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Es reicht für den Anspruch auf eine Zulage gem. § 46 Abs. 1 S. 1 BBesG aus, wenn die allgemeinen laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung eines höherwertigen Amtes erfüllt sind. Der Anspruchsteller muss nicht für eine Beförderung konkret anstehen.

2. Die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen iSv § 46 Abs. 1 S. 1 BBesG liegen schon dann vor, wenn der Haushaltsgesetzgeber die Möglichkeit geschaffen hat, dass in Übereinstimmung mit dem Stellenplan über (irgend-)eine Planstelle verfügt werden kann.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Zulage für die vorübergehende vertretungsweise Wahrnehmung eines höherwertiges Amtes.

2

In der Zeit vom 15. April 1997 bis 15. November 2000 war der Kläger als Polizeihauptkommissar der Besoldungsgruppe A 12 BBesO, der eine nach A 11 g-12 BBesO bewerteten Dienstposten innehatte, ununterbrochen vertretungsweise mit der Wahrnehmung des höherwertigen Amtes des Hundertschaftsführers der Stabshundertschaft (bewertet nach A 12 g-13 BBesO) beauftragt. Die Beauftragung erfolgte zunächst wegen einer Erkrankung des Hundertschaftsführers. Mit Ablauf des 28. Februar 1998 wurde der Hundertschaftsführer in den Ruhestand versetzt und der Kläger nahm die Stelle weiterhin kommissarisch bis zur Aufnahme des Dienstes durch den neuen Stelleninhaber am 16. November 2000 wahr. Die Entscheidung für diesen Nachfolger, einen Beamten der Besoldungsgruppe A 13 BBesO, war im Oktober 2000 getroffen worden.

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Mit Schreiben vom 16. Oktober 2000 hatte der Kläger bereits beantragt, ihm für die Zeit der Wahrnehmung des höherwertigen Amtes eine Zulage nach § 46 BBesG zu gewähren.

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Den Antrag lehnte die Bundesgrenzschutzabteilung Uelzen mit Bescheid vom 21. November 2000 ab. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen an: Der Kläger habe am 16. Oktober 1998 zwar über 18 Monate lang vorübergehend vertretungsweise die Aufgaben eines höherwertigen Amt wahrgenommen. Die Stelle des von ihm vertretungsweise wahrgenommenen Amtes sei zu diesem Zeitpunkt auch haushaltstechnisch besetzbar gewesen. Der Kläger habe aber die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die höherwertige Planstelle nicht erfüllt. Er habe nicht zur Beförderung angestanden.

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Der Kläger legte dagegen Widerspruch ein und führte zur Begründung an: Für den Anspruch auf die Zulage, komme es nach dem Wortlaut des § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG lediglich darauf an, dass er generell die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung des höheren Amtes erfülle. Dies sei bei ihm der Fall gewesen. Nicht erforderlich sei es, dass er konkret für eine Beförderung angestanden habe.

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Den Widerspruch wies das Grenzschutzpräsidium Nord mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2001 zurück. Darin ist im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe zwar über 18 Monate lang vorübergehend vertretungsweise Aufgaben eines höherwertigen Amtes wahrgenommen. Im Zeitpunkt, in dem diese Aufgaben 18 Monate lang wahrgenommen worden seien, das sei der 16. Oktober 1998 gewesen, habe aber eine freie Planstelle für das wahrgenommene Amt nicht vorgelegen und der Kläger habe auch die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung des höherwertigen Dienstpostens nicht erfüllt. Der vorübergehend übertragene Dienstposten gehöre zu denjenigen Dienstposten, die über zwei oder drei Besoldungsgruppen „gebündelt“ bewertet seien. Ein gebündelt bewerteter Dienstposten trage zwar grundsätzlich ein Beförderungsamt der höchsten Bewertung, könne aber mangels Planstellen entsprechender Wertigkeit auch langfristig mit einer Planstelle der unteren Wertigkeit unterlegt sein. Die Planstellen im Geschäftsbereich des Bundesgrenzschutzes seien daher nicht an konkrete Dienstposten gebunden, sondern würden nach verfügbaren Haushaltsmitteln und personalwirtschaftlichen Gegebenheiten durch das Bundesministerium des Innern jeweils mit dem Kassenanschlag für das laufende Haushaltsjahr ausgebracht. Zum 16. Oktober 1998 sei eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 BBesO für das vom Kläger wahrgenommene Amt nicht frei und besetzbar gewesen. Nachdem der bisherige Dienstposteninhaber zum 1. Februar 1998 in den Ruhestand versetzt worden sei, sei die neuerliche Vergabe der dadurch freigewordene Planstelle (A 13 BBesO) zum September 1998 erfolgt. Laufbahnrechtlich reiche es nicht, dass der Betroffene grundsätzlich befördert werden könne. § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG fordere vielmehr, dass der Betreffende zur Beförderung anstehe. Dies sei bei dem Kläger aufgrund seiner damaligen Beurteilung nicht der Fall gewesen.

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Am 30. März 2001 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor: Entgegen der Argumentation im Widerspruchsbescheid seien die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für den von ihm wahrgenommenen Dienstposten erfüllt gewesen. Die Tatsache, dass im Oktober 2000 entschieden worden sei, seinen Dienstposten mit einem Beamten im Statusamt A 13 BBesO zu besetzen, belege, dass für seinen wahrgenommenen Dienstposten eine entsprechende Planstelle zur Verfügung gestanden und auch nicht die Absicht bestanden habe, den Dienstposten langfristig mit einer „unterwertigen Planstelle“ zu unterlegen. Bei den laufbahnrechtlichen Voraussetzungen komme es im Rahmen des § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG darauf an, dass die generellen Voraussetzungen der entsprechenden Laufbahn erfüllt würden. Ob der Betreffende auch nach Eignung, Befähigung und Leistung den Dienstposten hätte erhalten können, sei nicht entscheidend.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Bundesgrenzschutzabteilung Uelzen vom 21. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Grenzschutzpräsidiums Nord vom 12. März 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm für die Zeit vom 16. Oktober 1998 bis zum 15. November 2000 eine Zulage nach § 46 BBesG in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Grundgehalt nach Besoldungsgruppe A 12 BBesO und demjenigen nach Besoldungsgruppe A 13 BBesO zu gewähren.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung wiederholt sie das Vorbringen aus dem Widerspruchsbescheid.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und den der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist zulässig und begründet.

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Der Kläger hat einen Anspruch auf die von ihm begehrte Zulage für die vorübergehende vertretungsweise Wahrnehmung des höherwertigen Amtes. Der angefochtene Bescheid der Bundesgrenzschutzabteilung Uelzen vom 21. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Grenzschutzpräsidiums Nord vom 12. März 2001 ist daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 5 VwGO).

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Als Rechtsgrundlage für den geltenden gemachten Anspruch kommt hier allein § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG in Betracht. Danach erhält ein Beamter, dem die Aufgaben eines höherwertigen Amtes vorübergehend vertretungsweise übertragen werden, nach deren 18-monatiger ununterbrochener Wahrnehmung eine Zulage, wenn in diesem Zeitpunkt die laufbahn- und die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung dieses Amtes vorliegen. Die Zulage wird gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 BBesG in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Grundgehalt seiner Besoldungsgruppe und dem Grundgehalt gewährt, der das höherwertige Amt zugeordnet ist. § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG wurde durch das am 1. Juli 1997 in Kraft getretene Gesetz zur Reform des öffentlichen Dienstrechts vom 24. Februar 1997 - Reformgesetz - (BGBl. S. 321) eingefügt. Die Regelung will den Beamten, dem die Aufgaben des höheren Amtes übertragen werden, nach Ablauf einer Übergangsfrist die Bezahlung des höheren - aber nicht statusrechtlich übertragenen - Amtes verschaffen, wenn der Beamte zur Beförderung laufbahnrechtlich heransteht und auch die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen des höheren Amtes vorliegen (Schwegmann/Summer, BBesG, Kommentar, Stand: 1. April 2003, § 46 Rn 5a).

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Die hiernach erforderlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Zulage an den Kläger sind alle erfüllt.

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Der Kläger hatte, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, aufgrund der Verfügung der Grenzschutzabteilung Nord 4 vom 18. April 1997 am 16. Oktober 1998 18 Monate lang vorübergehend vertretungsweise die Aufgaben des höherwertigen Amtes des Hundertschaftsführer der Stabshundertschaft ununterbrochen wahrgenommen.

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Nach Ablauf dieser 18-monatigen sogenannten Wartezeit erfüllte er auch die laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung dieses höherwertigen Amtes. Dies ist zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig. Soweit die Beklagte darüber hinaus fordert, dass der Kläger auch nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung für die Beförderung in ein höherwertiges Amt angestanden haben müsse, lässt sich eine derartige Forderung aus § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG nicht entnehmen. Die Vorschrift stellt vielmehr ausschließlich auf das Vorliegen der allgemeinen laufbahnrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung des Amtes ab. Nichts anderes ist nach Ziffer 9 der Durchführungshinweise des Bundesministers des Innern (BMI) vom 24. November 1997 (GMBl. S. 846) mit dem Begriff „Beförderungsreife“ gemeint. Die besonderen Voraussetzungen für eine konkrete Beförderung, nämlich derjenige Beamte zu sein, der von den die allgemeinen laufbahnrechtlichen Voraussetzungen erfüllenden Beamten nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung für dieses Amt auszuwählen ist, wird gerade nicht gefordert. Eine solche Forderung wäre angesichts des Ziels und Zwecks der Vorschrift auch nicht erforderlich und geboten (im Ergebnis ebenso VG Göttingen, Urteil vom 13.8.2002 - 3 A 3280/00 -, Juris online).

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Im Zeitpunkt der 18-monatigen Wahrnehmung der Aufgaben des höherwertigen Amtes lagen schließlich auch die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung dieses Amtes an den Kläger vor. Durch das Abstellen auf die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen ist klargestellt, dass eine besetzbare Beförderungsstelle vorhanden sein muss (Schwegmann/Summer, a. a. O.). Die Kammer ist mit dem Oberverwaltungsgericht Magdeburg (Urt. v. 6.2.2002 - 3 L 471/00 -) der Ansicht, dass die "haushaltsrechtlichen Voraussetzungen" i. S. d. § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG bereits immer dann vorliegen, wenn der Haushaltsgesetzgeber dem Dienstherrn die Möglichkeit an die Hand gibt, in Übereinstimmung mit dem Stellenplan zum Haushaltsplan über (irgend-)eine Planstelle zu verfügen. Mit dieser Voraussetzung ist die Anzahl der Planstellen gemäß dem Stellenplan zum Haushaltsplan angesprochen. Nicht erforderlich ist mithin, dass gerade die Planstelle des konkreten Amtes frei sein muss. Wenn der Gesetzgeber dieses Erfordernis als Anspruchsvoraussetzung gewollt hätte, hätte er es im Gesetzeswortlaut ohne Weiteres deutlich zum Ausdruck bringen können und müssen. Für diese Auslegung spricht auch, dass § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG einerseits von der ununterbrochenen Wahrnehmung „dieser Aufgaben“ (des höherwertigen Amtes) spricht, was auf eine konkrete Betrachtung hindeutet, während er im Folgenden die haushaltsrechtlichen Voraussetzungen für die Übertragung „dieses Amtes“ genügen lässt, was auf eine eher generalisierende Betrachtungsweise im Sinne des Amtes im abstrakten Sinn schließen lässt. Auch wenn die bestehende Regelung nach der Vermutung der Kommentarliteratur (vgl. Schwegmann/Summer, a. a. O., § 46 Rdnr. 5 b) angesichts der unkonkreten Gesetzesbegründung "wohl" auf die Fälle abziele, in denen die Beförderung durch eine einstweilige Anordnung blockiert sei, die ein Konkurrent erstritten habe, oder der erste Schritt der Maßnahme mit der Aufgabenübertragung getroffen sei, eine Beförderung in der Folgezeit aber dann doch nicht erfolge, kann aus der Vorschrift angesichts ihres offenen Wortlautes hieraus nicht zwingend eine einengende Auslegung des Begriffes "haushaltsrechtliche Voraussetzungen", wie sie die Beklagte und die Durchführungshinweise des BMI im Rundschreiben vom 24. November 1997 (GMBl. S. 846) vornehmen, abgeleitet werden.

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Die Kammer geht davon aus, dass die Beklagte auch über eine ausreichende Anzahl freier Planstellen für die Übertragung des Amtes eines nach Besoldungsgruppe A 13 BBesO besoldeten Ersten Polizeihauptkommissars verfügte. Soweit die Beklagte einwendet, die konkrete Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 BBesO des pensionierten bisherigen Amtsinhabers sei im September 1998 vergeben worden, kommt es hierauf nach den obigen Ausführungen nicht an. Entscheidend ist, dass überhaupt eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 13 g vorhanden und besetzbar war, was die Beklagte nicht bestreitet. Eine Planstelle ist nur dann nicht besetzbar, wenn das Haushaltsrecht eine allgemeine Wiederbesetzungssperre enthält, wofür hier aber nichts ersichtlich ist. Bloße Anordnungen des Finanzministers zur Wiederbesetzung von Stellen, die nicht in Gesetzesform ergehen, sind dagegen kein Haushaltsrecht, sondern Haushaltshandhabung. Eine nur vom Finanzminister erlassene Besetzungssperre steht daher der Anwendung des § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG nicht entgegen (Schwegmann/Summer, a. a. O.).

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Lagen mithin alle Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Zulage nach § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG vor, steht dem Kläger dieser Anspruch nach Ablauf der 18-monatigen Wartezeit zu, mithin für die Zeit vom 16. Oktober 1998 bis zum 15. November 2000.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

24

Die Kammer lässt die Berufung nach § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage, wann die „haushaltsrechtlichen Voraussetzungen“ im Sinne des § 46 Abs. 1 Satz 1 BBesG erfüllt sind, zu. Diese Frage ist - soweit ersichtlich - obergerichtlich noch nicht abschließend geklärt.