Verwaltungsgericht Hannover
Urt. v. 21.05.2019, Az.: 15 A 748/19
Bibliographie
- Gericht
- VG Hannover
- Datum
- 21.05.2019
- Aktenzeichen
- 15 A 748/19
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2019, 69747
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs 1 S 1 Nr 3 AsylVfG 1992
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Es ist derzeit weiterhin nicht von einer Gruppenverfolgung der Yeziden in der Region
Sinjar auszugehen.
2a. Es besteht derzeit auch kein Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes aufgrund eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in der Region Sinjar.
2b. Die aktuelle Erkenntnislage erlaubt mittlerweile - anders als noch zum Zeitpunkt
der Entscheidung des Gerichts vom 23.08.2018 (15 A 1984/17) - eine ausreichend valide Beurteilung der Gefährdungslage für Zivilpersonen in der Region Sinjar aufgrund der dortigen bewaffneten Auseinandersetzungen. Danach ist in der Region Sinjar gegenwärtig nicht ein Niveau willkürlicher Gewalt feststellbar, dass die Annahme rechtfertigt, dass das Leben oder die körperliche Unversehrtheit einer Zivilperson allein aufgrund ihres Aufenthalts dort ernsthaft individuell bedroht ist.
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand:
Der am 27. März 2004 geborene Kläger ist irakischer Staatsangehörigen und yezidischer Kurde.
Er reiste im Juni 2018 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 21. August 2018 einen Asylantrag.
Zur Begründung gab er bei seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Wesentlichen an, er habe ursprünglich mit seiner Familie in dem Ort Siba Shekh Khader im Sinjar-Gebiet gelebt. Als der IS das Gebiet im August 2014 angegriffen habe, seien sie zunächst in die Sinjar-Berge geflohen. Nach sieben Tagen seien sie weiter nach Zakho in der kurdischen Provinz Dohuk geflohen. Dort hätten sie in einem Flüchtlingscamp gelebt. Nach etwa eineinhalb Jahren hätten sie Zakho verlassen und seien nach Sinjar zurückgereist. Dort hätten sie in einem Flüchtlingscamp im Sinjar-Gebirge gelebt. Sein Vater sei früher Kfz-Mechaniker gewesen und arbeite nun als Tagelöhner. Die Situation im Flüchtlingscamp sei schwierig gewesen, sie hätten Unterstützung durch Hilfsorganisationen erhalten. Ihr Haus in Siba Shekh Khader sei durch den IS zerstört worden. Er fürchte, dass der IS zurückkehren werde. Außerdem gebe es im Irak keine Schule und keine Sicherheit. Er sei ausgereist, sobald die Familie das Geld für die Ausreise zusammengehabt habe. Dann sei er gemeinsam mit einem Onkel in die Türkei geflogen, von dort aus nach Griechenland gereist, anschließend ohne seinen Onkel „in ein Land in der Nähe von Deutschland“ geflogen und schließlich nach Deutschland eingereist.
Der Kläger hat am 13. März 2019 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er ergänzend vor, im Falle einer Rückkehr in den Irak drohe ihm erneut Verfolgung durch fanatische Muslime. Außerdem sei die Situation in den Flüchtlingscamps derart prekär im Hinblick auf die Versorgungslage, dass ihm jedenfalls die Verletzung seiner Rechte aus Art. 3 EMRK drohe.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 4. März 2019 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
hilfsweise, ihm den subsidiären Schutz zuzuerkennen,
weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG bestehen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung verweist sie auf die Ausführungen in dem angegriffenen Bescheid.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die in der Erkenntnismittelliste der Kammer betreffend den Staat Irak aufgeführten Erkenntnismittel Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrten asylrechtlichen Feststellungen. Der Bescheid des BAMF vom 4. März 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1.
Der Kläger hat im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG gelten nach § 3 a Abs. 1 AsylG Handlungen, die (Nr. 1) auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) keine Abweichung zulässig ist, oder (Nr. 2) in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Als Verfolgungsgründe sind nach § 3 b Abs. 1 AsylG zu berücksichtigen die Rasse, die Religion, die Nationalität einschließlich der Zugehörigkeit zu einer kulturellen und ethnischen Gruppe, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, worunter auch die Zugehörigkeit aufgrund des Geschlechts gehört, sowie die politische Überzeugung. Eine Verfolgung kann nach § 3 c AsylG ausgehen von (Nr. 1) dem Staat, (Nr. 2) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder (Nr. 3) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3 d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
Schutz nach § 3 Abs. 1 AsylG kann nur derjenige beanspruchen, der Verfolgung bei einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat. Diesbezüglich ist eine qualifizierte und bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der konkreten Lage des Antragstellers Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann. Eine so verstandene wohlbegründete Furcht vor einem Ereignis kann auch dann vorliegen, wenn aufgrund einer „quantitativen“ oder mathematischen Betrachtungsweise für dessen Eintritt ein Grad der Wahrscheinlichkeit angenommen werden muss, der - auch deutlich - unter 50 v.H. liegt. Eine beachtliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung ist deshalb anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen in ihrer Bedeutung überwiegen. Maßgebend ist damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Die Zumutbarkeit bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr „beachtlich“ ist. Die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung reicht noch nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch würde sie außer Betracht lassen. Ergeben alle Umstände des Einzelfalles jedoch die „tatsächliche Gefahr“ (sog. „real risk“) einer Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten oder sich der Gefahr durch Rückkehr in das Heimatland auszusetzen. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden kann, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht (BVerwG, Urteil vom 5. November 1991 - 9 C 118.90 -, juris Rn. 17; VGH Bad.-Württ, Urteil vom 30. Mai 2017 - A 9 S 991/15 -, juris Rn. 25 ff.; Urteil vom 2. Mai 2017 - A 11 S 562/17 - juris Rn. 30 ff).
Hat der Antragsteller Vorverfolgung erlitten oder war er unmittelbar von solcher bedroht, ist dies ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht vor Verfolgung begründet ist, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung bedroht ist (Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes).
Ist der Schutzsuchende dagegen unverfolgt ausgereist, muss er glaubhaft machen, dass ihm mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr von Verfolgung droht, wenn er in sein Heimatland zurückkehrt.
Ob die Voraussetzungen des § 3 AsylG erfüllt sind oder nicht, richtet sich gem. § 77 Abs. 1 AsylG nach den Umständen im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung.
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Kläger keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Der Kläger hat im Irak keine individuelle Verfolgung erlitten und auch nicht glaubhaft gemacht, dass sie eine solche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten haben. Als Grund für seine Ausreise hat der Kläger vorgetragen, dass er im August 2017 den Irak verlassen habe, weil die Lage im Flüchtlingslager schwierig gewesen und sei und er Angst vor einer Rückkehr des IS gehabt habe. Ihm selbst und seiner Familie sei jedoch vor der Ausreise nichts zugestoßen.
Aus diesem Vorbringen ergibt sich nicht, dass der Kläger im Zeitpunkt seiner Ausreise eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3 a AsylG erlitten hat oder diese ihm unmittelbar vor seiner Flucht bevorgestanden hat.
Der Kläger kann sich auch nicht auf eine an seine yezidische Religionszugehörigkeit anknüpfende Gruppenverfolgung berufen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21.04.2009 - 10 C 11.08 - juris Rn. 13 ff.) setzt die Feststellung einer Gruppenverfolgung Folgendes voraus:
„Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms (vgl. hierzu Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <204>) - ferner eine bestimmte "Verfolgungsdichte" voraus, welche die "Regelvermutung" eigener Verfolgung rechtfertigt (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 20). Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines der in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. Urteil vom 5. Juli 1994 a.a.O. <204 f.>). Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss.
Diese ursprünglich für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind prinzipiell auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar, wie sie nunmehr durch § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c AufenthG (entsprechend Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 - sog. Qualifikationsrichtlinie) ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 21 f.).
Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsstaat die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. a und b AufenthG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 24).“
Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Kläger keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt.
Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser Minderheiten durch staatliche Behörden findet im Irak nicht statt. Die irakische Verfassung erkennt das Recht auf Religions- und Glaubensfreiheit weitgehend an (Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 12. Januar 2019, S. 11 f.; Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - BFA - der Republik Österreich vom 24. August 2017/23. November 2017, S. 100; UK Home Office, Country Information and Guidance: Iraq: Religious minorities, 12.08.2016, S. 7 ff., 28 ff.).
Dem Kläger droht im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung auch keine Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure, namentlich durch die Terrormiliz IS.
Zwar spricht einiges dafür, dass von einer Vorverfolgung des Klägers auszugehen ist. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU, dass die Furcht vor zukünftiger Verfolgung begründet ist, wenn eine Verfolgung in der Vergangenheit bestanden hat, ist im vorliegenden Fall aber widerlegt (VG Oldenburg, Urteil vom 27. Februar 2018 - 15 A 883/17 -, juris Rn. 37; VG Lüneburg, Urteil vom 26. März 2018 - 5 A 472/17 -, V.n.b.).
Als vorverfolgt gilt ein Schutzsuchender dann, wenn er aus einer durch eine eingetretene oder unmittelbar bevorstehende politische Verfolgung hervorgerufenen ausweglosen Lage geflohen ist. Die Ausreise muss das objektive äußere Erscheinungsbild einer unter dem Druck dieser Verfolgung stattfindenden Flucht aufweisen. Das auf dem Zufluchtsgedanken beruhende Asyl- und Flüchtlingsrecht setzt daher grundsätzlich einen nahen zeitlichen (Kausal-) Zusammenhang zwischen der Verfolgung und der Ausreise voraus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2008 - 2 BvR 2141/06 -, juris Rn. 20).
Das Gericht geht zunächst davon aus, dass die Geschehnisse im Nordirak in der Provinz Ninewa im Sommer 2014, bei welchen der IS unter anderem die von den Yeziden bewohnten Ortschaften in der Region um Sinjar unter seine Kontrolle gebracht und die überwiegende Mehrheit der Einwohner vertrieben und eine erhebliche Anzahl an Yeziden getötet oder entführt hat, jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt den Anforderungen an eine Gruppenverfolgung entsprachen (so auch VG Hannover, Urteil vom 15. August 2014 - 6 A 9853/14 - juris). Im Rahmen einer Offensive am 3. August 2014 eroberte der IS die Stadt Sinjar und das nördlich anschließende Gebirge. Da die Yeziden den Angriffen durch den IS nach dem Rückzug der dort stationierten Peschmerga schutzlos ausgeliefert waren, flohen etwa 300.000 bis 400.000 Yeziden aus der Region (die Zahlen schwanken je nach Quelle, vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2017, Seite 12 sowie ACCORD, Anfragebeantwortung: Siedlungsgebiete und Lage der JesidInnen vom 2. Februar 2017). Etwa 40.000 - 60.000 Yeziden begaben sich ins Sinjar-Gebirge, wo sie vom IS umzingelt wurden und erst durch das Eingreifen von PKK-Kämpfern und einen von diesen geschaffenen Korridor über Syrien in die Autonome Region Kurdistan fliehen konnten. Im Verlauf der Angriffe durch den IS wurden in Sinjar und den yezidischen Dörfern der Region zwischen 5000 und 7000 Yeziden vom IS ermordet, tausende junge Yezidinnen wurden entführt und befinden sich teilweise heute noch in der Gewalt des IS. Das Europäische Parlament hat die Übergriffe des IS auf die religiösen Minderheiten im Irak als Genozid bewertet (vgl. ausführlich Oehring, Christen und Jesiden im Irak: Aktuelle Lage und Perspektiven vom 14. Juni 2017, Seite 20 ff.; Zeit online vom 13. Juni 2016, abrufbar unter http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-06/jesiden-nordirak-islamischer-staat; Lagebericht vom 7. Februar 2017, Seite 12 sowie ACCORD, Lage der JesidInnen, insbesondere in der Provinz Ninawa, vom 2. Februar 2017). Angesichts der Tatsache, dass von den ursprünglich etwa 450.000 bis 500.000 in Ninive und Dohuk lebenden Yeziden etwa 75 % - also etwa 375.000 Personen - im traditionellen Siedlungsgebiet Sinjar (inkl. des Subdistrikts al-Khataniya) zwischen Mosul und der syrischen Grenze lebten (vgl. hierzu ausführlich Urteil vom 3. Juni 2014 - 3 A 4590/13 - V.n.b.) und sich nach dem Einmarsch des IS lediglich noch etwa 40.000 Yeziden (so Zeit online vom 13. Juni 2016) und damit nur ca. 10,7 % der ursprünglichen Bevölkerung in der Region Sinjar aufhalten sollen und die weit überwiegende Mehrheit der yezidischen Bevölkerung vertrieben, getötet oder entführt worden ist, ist von einer hinreichenden Verfolgungsdichte auszugehen. Eine Gruppenverfolgung der Yeziden aus Sinjar ist damit jedenfalls für den Sommer 2014 anzunehmen.
Bei dem Kläger handelt es sich um einen Yeziden aus dem Dorf Siba Shekh Kheder, das – den Angaben des Vormunds des Klägers in der mündlichen Verhandlung zufolge – südwestlich der Stadt Sinjar gelegen ist. Daran hat auch die Beklagte keinen Zweifel.
Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU, dass die Furcht des Klägers vor zukünftiger Verfolgung begründet ist, weil, wenn man eine Gruppenverfolgung zum Zeitpunkt der Ausreise bejaht, eine Verfolgung in der Vergangenheit bestand, ist im vorliegenden Fall aber widerlegt, da stichhaltige Gründe dagegensprechen, dass der Kläger im Falle seiner Rückkehr in die Region Sinjar erneut von einer Gruppenverfolgung bedroht sein wird. Denn der IS wurde zwischenzeitlich deutlich nach Süden bzw. Südwesten zurückgedrängt. Er hat einen Großteil des eroberten Territoriums und damit einhergehend wichtige Einnahmequellen aus Ölverkäufen wieder verloren (https://isis.liveuamap.com/en/time/27.02.2018). Die Städte Sinjar und Ramadi wurden bereits Ende 2015 zurückerobert (Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 7. Februar 2017, S. 12), Qaraqosh, Tal Kayf, Bashiqa und Bartalla wurden Ende 2016/ Anfang 2017 befreit (Lifos Thematic Report „The security situation in Iraq: July 2016 – November 2017“ vom 18. Dezember 2017, Seite 24), Mosul im Juli 2017 (vgl. nur http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-07/irak-mossul-befreiung-islamischer-staat-al-abadi?print; http://www.tagesschau.de/ausland/irak-mossul-121.html), und weite Teile der 70 km westlich von Mosul gelegenen Stadt Tal Afar konnten infolge der am 20. August 2017 begonnenen Offensive der irakischen Armee und der US-geführten Anti-IS-Koalition Ende August 2018 als vom IS befreit beschrieben werden (vgl. http://www.zeit.de/politik/ausland/2017-08/irak-islamischer-staat-tal-afar-befreit; http://www.zeit.de/politik/2017-08/islamischer-staat-irakische-armee-tal-afar-zurueckerobert; http://mobil.stern.de/news/irakische-armee-erobert-tal-afar-von-dschihadistenmiliz-is-zurueck-7595160.html?utm_campaign=alle-nachrichten&utm_medium=rss-feed&utm_source=standard,). Ab dem 3. November 2017 wurden die drei letzten irakischen Städte, die sich noch unter der Kontrolle des IS befanden, von den irakischen Streitkräften zurückerobert. Laut der US-geführten Koalition zur Bekämpfung des IS hat dieser nun 95 % jener irakischen und syrischen Territorien verloren, welche er im Jahr 2014 als Kalifat ausgerufen hatte. Kleinere Wüstengebiete gehören nach wie vor noch zum IS-Terrain. Der IS befindet sich auch noch in Teilen der Provinzen Ninewa, Salah-Din und Anbar. Einzelne Gebiete rund um Kirkuk und Hawija gehören zu den Gebieten, die für die Streitkräfte noch schwer zu halten sind. (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Irak des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - BFA - der Republik Österreich vom 24. August 2017/23. November 2017, S. 8, 18, 20, 48 ff.). Am 9. Dezember 2017 hat der irakische Premierminister al-Abadi die Niederlage des IS im gesamten Staatsgebiet verkündet und im Hinblick darauf, dass nationale Sicherheitskräfte das Staatsgebiet kontrollieren, den Krieg gegen die Gruppierung für beendet erklärt (ACCORD, 9. Dezember 2017, unter Hinweis auf BBC-News bzw. Radio Free Europe/ Radio Liberty).
Gegen eine fortbestehende Gefahr für Yeziden spricht auch, dass mittlerweile Yeziden wieder in das Gebiet von Sinjar zurückkehren. Der stellvertretende Bürgermeister von Sinjar berichtete im Dezember 2017, dass seit der Befreiung von Sinjar schätzungsweise 4.130 Familien in den Distrikt Sinjar zurückgekehrt seien, insbesondere yezidische Familien aus Sinune und Sinjar. Die humanitären Hilfsorganisationen beziffern die Zahl der Rückkehrer auf 2.000, teilweise ist auch von 15 % der früheren Bevölkerung die Rede. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) geht davon aus, dass im Januar 2018 8.152 Familien im Distrikt Sinjar einschließlich des Sinjar-Gebirges leben. Bei der weit überwiegenden Zahl der Rückkehrer handelt es sich um Yeziden (vgl. UNHCR, Iraq Protection Cluster: Ninewa Returnees Profile - Januar 2018; IOM Iraq, Displacement Tracking Matrix DTM Round 88, Januar 2018; Samaritan’s Purse, Post-Conflict Assessment Minority Communities in Ninewa, Januar 2018, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/SP%20Post%20Conflict%20Assessment_Ninewa%202018_Report_010817_final%5B1%5D.pdf; Thomas Reuters Foundation, „Yazidis caught in ‚political football‘ between Baghdad, Iraqi Kurds“, vom 10. Dezember 2017, http://news.trust.org/item/20171210123241-prey1/).
Dass der IS wieder in Richtung Norden ziehen wird und damit erneute Übergriffe auf die religiösen Minderheiten in der Region zu befürchten sind, erscheint angesichts der zwischenzeitlichen Erfolge der Allianz nahezu ausgeschlossen (ebenso VG Augsburg, Urteile vom 15. Januar 2018 - Au 5 K 17.35594 -, juris Rn. 40, und vom 3. April 2017 - Au 5 K 17.30512 -, juris Rn. 22; VG Oldenburg, Urteil vom 7. Juni 2017 - 3 A 3731/16 -, juris Rn. 37; VG Karlsruhe, Urteil vom 10. Oktober 2017 - A 10 K 1508/17 -, juris Rn. 29).
Zwar stellt der IS weiterhin eine ernstzunehmende Gefahr für die Sicherheit im Irak dar. Gleichwohl beurteilen mehrere Quellen die Sicherheitslage deutlich positiver als noch in den Vorjahren; so sei die Aktivität des IS insgesamt geringer und die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle niedrig. Es bestehen zudem keine Anhaltspunkte dafür, dass der IS die Gruppe der Yeziden in der Provinz Ninewa weiterhin systematisch verfolgt. Vielmehr sind seine Anschläge primär gegen irakische und kurdische Sicherheitskräfte und Milizen gerichtet. Regierungsoffizielle und Stammesführer (Mukhtars) sind ebenfalls Ziele von Angriffen (VG Köln, Urteil vom 18. Dezember 2018 – 17 K 11854/17.A –, Rn. 46 - 49, juris m.w.N.; EASO, Country of Origin Information Report, Iraq – Security situation, März 2019, Seite 34f., 125f.).
Daraus, dass Sinjar eine hohe Bedeutung für verschiedene rivalisierende Gruppen mit völlig unterschiedlichen Interessenlagen hat (vgl. dazu etwa mena-watch, Jesiden im Irak: Bittere Befreiung vom IS, vom 30. Mai 2017, https://www.mena-watch.com/sinjar-bittere-befreiung/; FAZ vom 25. November 2015, „Befreiung vom IS: Die Schmach von Sindschar sitzt tief“, http://www.faz.net/aktuell/politik/kampf-gegen-den-terror/keine-ruhe-in-sindschar-trotz-peschmerga-befreiung-vom-is-13928029.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0) und dementsprechend nach wie vor um die Vorherrschaft über dieses Gebiet gekämpft wird, insbesondere durch Anhänger der offiziell der irakischen Regierung unterstehenden, aber iranisch unterstützten Einheiten der Volksmobilisierung al-Hashd al-Shaabi (PMU - Popular Mobilization Unit), eine aus 60 bis 70 Milizen bestehende paramilitärische Einheit, die zusammen etwa 140.000, teilweise auch yezidische Kämpfer befehligen und maßgeblichen Anteil an der Vertreibung des IS aus dem Gebiet hatte (vgl. insbesondere zu den politischen Zielen der PMU etwa C.A. Ohlers, Jamestown Foundation, „The Uncertain Future of Iraq’s Popular Mobilization Units“, Terrorism Monitor, In-depth analysis of the War on Terror, Vol. XVI, Issue 3, 8. Februar 2018, https://jamestown.org/wp-content/uploads/2018/02/TM_February-8-2018.pdf?x87069; vgl. auch Institute for the Study of War, Iraqi security forces and popular mobilization forces: orders of battle, Dezember 2017, http://www.understandingwar.org/report/iraqi-security-forces-and-popular-mobilization-forces-orders-battle-0; ACCORD: Anfragebeantwortung zum Irak: (Zwangs-)Rekrutierung durch schiitische Milizen: Sunniten, Schiiten, spezifische Gruppen; Konsequenzen bei Entziehung einer Rekrutierung [a-10079], 27. März 2017, https://www.ecoi.net/de/dokument/1396974.html), daneben aber auch durch irakische Söldner, das türkische Militär, Peschmerga und Guerilla der PKK lässt sich nicht herleiten, dass nach wie vor eine Verfolgung der aus diesem Gebiet stammenden Yeziden gerade aufgrund ihrer yezidischen Glaubenszugehörigkeit droht und damit ein für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erforderlicher Verfolgungsgrund i.S.d. § 3 b AsylG vorliegt. Vielmehr legen die dem Gericht vorliegenden Erkenntnismittel (u.a. auch der Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak (Stand: Dezember 2018) vom 12. Januar 2019 sowie ACCORD vom 2. Oktober 2017, Lage der JesidInnen, insbesondere in der Provinz Ninawa) nahe, dass für diese Gruppen mit ihren widerstreitenden Interessen die Glaubenszugehörigkeit der im Distrikt Sinjar lebenden Personen keine Rolle spielt
Das durch Spannungen geprägte Verhältnis von Yeziden zu Muslimen begründet ebenfalls nicht die Annahme einer Gruppenverfolgung. Zwar wird immer wieder von Belästigungen durch strenggläubige Muslime berichtet, die nicht mit Yeziden zusammen leben wollen und diese als Ungläubige schmähen. Auch kommt es zu Benachteiligungen am Arbeitsmarkt und andere Diskriminierungen (vgl. UK Home Office, Country Information and Guidance, Iraq: Religious minorities, August 2016, S. 19 f., 24 f.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Schnellrecherche vom 20. Mai 2016 zum Irak). Hieraus ergibt sich aber nicht die nach § 3a AsylG erforderliche Eingriffsintensität bzw. die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte (VG Karlsruhe, Urteil vom 10. Oktober 2017 - A 10 K 1508/17 -, juris Rn. 30 m.w.N.). Denn als Verfolgung im Sinne des § 3a Abs. 1 AsylG gelten Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder die nach Nr. 2 in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Daraus folgt, dass die Verfolgungshandlungen ein gewisses Maß an Schwere aufweisen müssen, um unter § 3a AsylG zu fallen. Verfolgungshandlungen nach § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG müssen die begrifflichen Kriterien einer Foltermaßnahme oder einer unmenschlichen Behandlung oder Bestrafung erfüllen. Weniger schwerwiegende Beeinträchtigungen werden nicht erfasst (VG Oldenburg, Urteil vom 7. Juni 2017 - 3 A 3731/16 -, juris Rn. 22 m.w.N.).
Die gegenteilige Einschätzung des Verwaltungsgerichts Hannover (vgl. etwa Urteile vom 24. Januar 2018 - 6 A 6712/16 -, 31. Januar 2018 - 6 A 2574/17 – und 6. November 2018 - 6 A 5053/17 -), das davon ausgeht, dass sich die Verhältnisse in der Provinz Ninewa angesichts der massiven Rechtsgutverletzungen, die Yeziden durch Angehörige des IS drohen, auch derzeit noch nicht stabilisiert hat, dass eine Wiederholung religiös motivierter Verfolgungshandlungen gegenüber Yeziden hinreichend sicher ausgeschlossen werden kann, vermag das erkennende Gericht bei Zugrundelegung der vorhandenen Erkenntnismittel nicht zu überzeugen.
2.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzes.
Nach § 4 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Abschiebungsverbote nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG sind ebenfalls nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, wenn für diesen Ausländer die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden (entsprechend Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2011/95/EU). Anhand des Vorbringens des Klägers ist das Bestehen einer konkreten Gefahr im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG nicht glaubhaft gemacht worden. Die Gewährung subsidiären Schutzes auf Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG kommt auch nicht unter dem allgemeinen Gesichtspunkt der schlechten humanitären Situation im Irak in Betracht. Denn es fehlt am erforderlichen Akteur i.S.d. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG i.V.m. § 3c AsylG (vgl. zu diesem Erfordernis ausführlich VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24. Januar 2018 - A 11 S 1265/17 -, juris Rn. 85 ff.).
Auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG liegen hier nicht vor. Danach gilt als ernsthafter Schaden eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (entsprechend Art. 15 lit. c der Richtlinie 2011/95/EU). Vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes auszugehen, wenn die regulären Streitkräfte eines Staates auf eine oder mehrere bewaffnete Gruppen treffen oder wenn zwei oder mehrere bewaffnete Gruppen aufeinandertreffen, ohne dass dieser Konflikt als bewaffneter Konflikt, der keinen internationalen Charakter aufweist, im Sinne des humanitären Völkerrechts eingestuft zu werden braucht und ohne dass die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der vorhandenen bewaffneten Streitkräfte oder die Dauer des Konflikts Gegenstand einer anderen Beurteilung als der des im betreffenden Gebiet herrschenden Grads an Gewalt ist (EuGH, Urteil vom 30. Januar 2014 - C-285/12 -, Leitsatz). Für die Frage, ob eine Person bei Rückkehr in den Irak einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist, ist auf die tatsächlichen Verhältnisse in ihrer Herkunftsregion abzustellen (vgl. BVerwG, Urteile vom 17. November 2011 - 10 C 13.10 -, juris Rn. 16, und vom 14. Juli 2009 - 10 C 9.08 -, juris Rn. 17). Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt liegt nicht schon bei inneren Unruhen und Spannungen wie Tumulten, vereinzelt auftretenden Gewalttaten oder ähnlichen Handlungen vor. Vielmehr muss ein Konflikt ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie dies etwa bei Bürgerkriegsauseinandersetzungen oder Guerillakämpfen der Fall ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 22).Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional (z.B. in der Herkunftsregion des Ausländers) bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - juris). Besteht ein bewaffneter Konflikt mit der beschriebenen Gefahrendichte nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung allerdings in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Klägers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 - 10 C 9.08 - juris; bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.). Auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften spricht in seiner Entscheidung vom 17. Februar 2009 vom „tatsächlichen Zielort“ des Ausländers bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat (C-465/07 - juris, Rn. 40). Auf einen bewaffneten Konflikt außerhalb der Herkunftsregion des Ausländers kann es nur ausnahmsweise ankommen. Bei einem regional begrenzten Konflikt außerhalb seiner Herkunftsregion muss der Ausländer stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass für ihn eine Rückkehr in seine Herkunftsregion ausscheidet und nur eine Rückkehr gerade in die Gefahrenzone in Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 - 10 C 9.08 - juris, vgl. Art. 2 Buchst. e der Richtlinie).
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob in der Region Sinjar weiterhin ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrscht (vgl. hierzu ausführlich VG Oldenburg, Urteil vom 23. August 2018 – 15 A 1984/17 –, juris), denn ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt begründet ein Abschiebungsverbot nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nur dann, wenn der Schutzsuchende von ihm ernsthaft individuell bedroht ist und keine innerstaatliche Schutzalternative besteht. Das Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person setzt nicht voraus, dass diese Person beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009, C-465/07, juris, Rn. 43). Eine solche Bedrohung kann vielmehr auch dann ausnahmsweise als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt nach der Beurteilung der zuständigen nationalen Behörden ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in das betroffene Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch die Anwesenheit im Gebiet des Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr läuft, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Dabei hebt der Europäische Gerichtshof hervor, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit ein Anspruch auf subsidiären Schutz besteht, umso geringer ist, je mehr der Betroffene belegen kann, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation innewohnender Umstände spezifisch betroffen ist. Hieraus folgt, dass in jedem Fall Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet getroffen werden müssen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; liegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4/09 - juris, Rn. 33). Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen – z.B. als Arzt oder Journalist – gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu können aber auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte – etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit – ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Antragstellers reichen hierfür nicht aus. Erforderlich ist vielmehr eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Dabei können für die Bemessung der Gefahrendichte die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4/09 - juris, Rn. 33). Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass jedenfalls ein Risiko von 1:800 bzw. 0,125 v.H., in dem betreffenden Gebiet im Laufe eines Jahres verletzt oder getötet zu werden, so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt ist, dass selbst eine wertende Gesamtbetrachtung eine individuelle Bedrohung nicht mehr zu begründen vermag (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2011, 10 C 13/10, juris, Rn. 22 f.; VG Hamburg, Urteil vom 29. Oktober 2018 – 8 A 3336/18 –, juris).
Danach kann hier eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit des Klägers aufgrund der bewaffneten Auseinandersetzungen in seiner Heimatregion Sinjar nicht (mehr) angenommen werden.
Aus den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln ergibt sich, dass die Zahl der getöteten und verletzten Zivilisten in der Provinz Ninewa – zu das Sinjar-Gebiet gehört – im Jahr 2018 gegenüber den Vorjahren stark rückläufig war. Zwar weist Ninewa im landesweiten Vergleich der Provinzen immer noch die höchste Intensität an Gewalt auf, allerdings sind sowohl die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorkommnisse als auch der getöteten und verletzten Zivilisten im Vergleich zu den Vorjahren deutlich zurückgegangen (EASO, Country of Origin Information Report, Iraq, Security Information, März 2019, Seite 124; EASO, Country of Origin Information, Iraq, Security situation (supplement) - Iraq Body Count - civilian deaths 2012, 2017-2018, Februar 2019, Seite 26). Das Gericht gewinnt diese Erkenntnisse insbesondere aus den genannten Bericht von EASO über die Sicherheitslage im Irak. In diesen Berichten hat EASO dezidiert die statistischen Erhebungen von UNAMI und Iraq Body Count sowie eine Vielzahl von weiteren Quellen ausgewertet. Die Berichte und statistischen Auswertungen von EASO erlauben in Ergänzung zu anderen Erkenntnismitteln nunmehr – anders als noch zum Zeitpunkt der Entscheidungsfindung für das Urteil des Gerichts vom 23. August 2018 (aaO) – eine ausreichend valide Beurteilung der Gefährdungslage für Zivilisten aufgrund des Konflikts in der Sinjar-Region. Denn in diesen Berichten und Statistiken wird – anders als in den etwa den Urteilen des Verwaltungsgerichts Hamburg vom 13. März 2018 (8 A 1135/17) und vom 29. August 2018 (8 A 3336/18) zugrundeliegenden Quellen – zwischen den verschiedenen Distrikten der Provinz Ninewa differenziert. Dies ist von besonderer Bedeutung, da die Distrikte der Provinz Ninewa zum Teil erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Umfangs der sicherheitsrelevanten Vorkommnisse, der Opferzahlen und der dort lebenden Menschen aufweisen. Die Gefahr, die sich aus einem bewaffneten Konflikt für den einzelnen ergeben kann, stellt sich folglich in den unterschiedlichen Distrikten sehr unterschiedlich dar. Da die Region Sinjar (neben der Stadt Mosul) innerhalb der Provinz Ninewa in besonderem Maße von Gewalt betroffen war und ist, erlaubten die bislang vorliegenden Statistiken für die gesamte Provinz Ninewa nur einen eingeschränkten Rückschluss auf die Gefährdungslage in der Region Sinjar. Nunmehr ergibt sich jedoch aus der im Bericht von EASO aufgeführten Statistik, dass es im Distrikt Sinjar im Jahr 2018 insgesamt 14 sicherheitsrelevante Vorkommnisse gegeben hat, bei denen 95 Zivilisten zu Tode gekommen sind. Unter Berücksichtigung einer geschätzten Einwohnerzahl von 84.074 ergibt sich eine Quote von 113 Toten je 100.000 Einwohner (EASO, Country of Origin Information, Iraq, Security situation (supplement) - Iraq Body Count - civilian deaths 2012, 2017-2018, Februar 2019, Seite 26) und damit eine Wahrscheinlichkeit von 0,113 %, als Zivilist durch einen sicherheitsrelevanten Vorfall zu Tode zu kommen. Das Risiko liegt damit unterhalb der vom Bundesverwaltungsgericht genannten Zahlen. Auch ACCORD weist in einer Anfragebeantwortung vom 6. Februar 2019 unter Berufung auf das Armed Conflict Location & Event Data (ACLED) Project der University of Sussex für den Distrikt Sinjar/Sindschar im Jahr 2018 nur 12 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 31 zivilen Opfern aus (Anfragebeantwortung zum Irak: Lage in Mosul bzw. Provinz Ninewa: Sicherheitslage; humanitäre Lage für Familien mit Kindern; Fluchtbewegungen und Rückkehr [a-10850], 6. Februar 2019). Es ist auch nicht ersichtlich, dass sich die Sicherheitslage im Jahr 2019 wieder in einer solchen Weise verschärft hat, dass eine andere Beurteilung der Gefahrenlage angezeigt wäre. Für das Jahr 2019 sind auf der Homepage von ACLED (https://www.acleddata.com/data/) bislang fünf sicherheitsrelevante Vorfälle im Distrikt Sinjar notiert: 14.01.2019: Sprengstoffanschlag des IS gegen das irakische Militär; 12.02.2019: bewaffnete Auseinandersetzung zwischen dem IS und dem irakischen Militär; 17./18./19.03.2019: jeweils bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen dem irakischen Militär und der YBS (Sinjar Resistance Forces). Bei den Auseinandersetzungen zwischen dem irakischen Militär und der YBS sind zwei irakische Soldaten zu Tode gekommen. Zivile Opfer gab es bei diesen Kämpfen nicht. Am 21. März 2019 trat eine Beruhigung der Lage ein, nachdem sich Vertreter der irakischen Regierung mit lokalen Vertretern trafen (BAMF – Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland): Briefing Notes 25 März 2019, 25. März 2019https://www.ecoi.net/en/file/local/2006124/Deutschland___Bundesamt_f%C3%BCr_Migration_und_Fl%C3%BCchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_25.03.2019_%28deutsch%29.pdf). Berichte über zivile Opfer dieser oder anderer Sicherheitsvorfälle in der Sinjar-Region im Jahr 2019 finden sich nicht.
3.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG.
Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der EMRK unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf.
Im Falle einer Abschiebung wird eine Verantwortlichkeit der Bundesrepublik Deutschland nach Art. 3 EMRK dann begründet, wenn erhebliche Gründe für die Annahme bestehen, dass der Betroffene im Fall der Abschiebung tatsächlich Gefahr läuft, einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein.
Unter dem Begriff der unmenschlichen Behandlung ist die vorsätzliche und beständige Verursachung körperlicher Verletzungen oder physischen oder psychischen Leids zu verstehen, während bei einer erniedrigenden Behandlung nicht die Zufügung von Schmerzen, sondern die Demütigung im Vordergrund steht.
Auch schlechte humanitäre Verhältnisse können eine Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen. Dieses ist immer dann anzunehmen, wenn diese Verhältnisse ganz oder überwiegend auf staatlichem Handeln, auf Handlungen von Parteien eines innerstaatlichen Konflikts oder auf Handlungen sonstiger, nicht staatlicher Akteure, die dem Staat zurechenbar sind, beruhen, weil er der Zivilbevölkerung keinen ausreichenden Schutz bieten kann oder will (EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 - 30696/09 - (M.S.S./Belgien und Griechenland), NVwZ 2011, 413 und vom 28. Juni 2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681).
Andernfalls können schlechte humanitäre Bedingungen im Zielgebiet nur dann als Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK zu qualifizieren sein, wenn ganz außerordentliche individuelle Umstände hinzutreten. Es sind also im Rahmen von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK nicht nur Gefahren für Leib und Leben berücksichtigungsfähig, die seitens eines Staates oder einer staatsähnlichen Organisation drohen, sondern auch „nichtstaatliche“ Gefahren auf Grund prekärer Lebensbedingungen, wobei dies aber nur in ganz außergewöhnlichen Einzelfällen in Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2013 - 10 C 13.12 -, NVwZ 2013, 1167, Rn. 24 f.; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24. Juli 2013 - A 11 S 697/13 -, Leitsatz 5 sowie insbesondere auch juris Rn. 79 ff.; EGMR, Urteile vom 2. Mai 1997 - 146/1996/767/ 964 - (D./Vereinigtes Königreich), NVwZ 1998, 161; vom 27. Mai 2008 - 26565/05 - (N./Vereinigtes Königreich), NVwZ 2008, 1334 [EGMR 27.05.2008 - EGMR (Große Kammer) Nr. 26565/05]; vom 21. Januar 2011 - 30696/09 - (M.S.S./Belgien und Griechenland) - NVwZ 2011, 413; vom 28. Juni 2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681 und vom 13. Oktober 2011 - 10611/09 - (Husseini/Schweden), NJOZ 2012, 952).
Die außergewöhnlichen individuellen Umstände bzw. Merkmale können auch solche sein, die eine Person mit anderen Personen teilt, die Träger des gleichen Merkmals sind bzw. sich in einer im Wesentlichen vergleichbaren Lage befinden (EGMR, Urteil vom 13. Dezember 2016 - 41738/10 - (Paposhvili/Belgien), NVwZ 2017, 1187 Rn. 187 und 189). Auch in einem solchen Fall kann ausnahmsweise ein Verstoß gegen Art. 3 EMRK zu bejahen sein, wenn die Abschiebung zu einer ernsthaften, schnellen und irreversiblen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Betroffenen führen würde, die ein schweres Leiden oder eine erhebliche Verringerung der Lebenserwartung zur Folge hätte (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Januar 2018 - A 11 S 1265/17 -, juris Rn. 151).
Bei entsprechenden Rahmenbedingungen können schlechte humanitäre Verhältnisse eine Gefahrenlage begründen, die zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinn von Art. 3 EMRK führt. Hierbei sind indes eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, darunter etwa der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser, Nahrung, Gesundheitsversorgung sowie die Chance, eine adäquate Unterkunft zu finden, der Zugang zu sanitären Einrichtungen und nicht zuletzt die finanziellen Mittel zur Befriedigung elementarer Bedürfnisse, auch unter Berücksichtigung von Rückkehrhilfen usw. (BayVGH, Urteil vom 23. März 2017 - 13a B 17.30030 -, BeckRS 2017, 113717, sowie vom 21. November 2014 - 13a B 14.30285 -, BeckRS 2015, 41010 und - 13a B 14.30284 -, dort zur Bejahung von § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK wegen schlechter humanitärer Bedingungen bezüglich Familien mit minderjährigen Kindern wegen der Rahmenbedingungen in Afghanistan).
Erforderlich ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverwaltungsgerichts (EGMR, Urteil vom 28. Juni 2011 - 8319/07 und 11449/07 - (Sufi und Elmi/Vereinigtes Königreich), NVwZ 2012, 681 Rn. 278, 282 f. und BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, NVwZ 2013, 1167) ein sehr hohes Schädigungsniveau, da nur dann ein außergewöhnlicher Fall vorliegt, in dem die humanitären Gründe entsprechend den Anforderungen des Art. 3 EMRK „zwingend“ sind.
Auch im Rahmen des Art. 3 EMRK ist nach der Rechtsprechung des EGMR eine tatsächliche Gefahr („real risk“) erforderlich, d.h. es muss eine ausreichende reale, nicht nur auf bloßen Spekulationen, denen eine hinreichende Tatsachengrundlage fehlt, gegründete Gefahr („a sufficiently real risk“) bestehen. Die tatsächliche Gefahr einer Art. 3 EMRK zuwiderlaufenden Behandlung muss danach aufgrund aller Umstände des Falles hinreichend sicher und darf nicht hypothetisch sein (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Januar 2018 - A 11 S 1265/17 -, juris Rn. 167 m.w.N.).
Erforderlich ist danach die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlichen Behandlung. Es gilt - wie bei § 60 Abs. 1 AufenthG - der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d.h. die für eine Schädigung sprechenden Umstände müssen ein größeres Gewicht haben als die dagegen sprechenden Tatsachen (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 -, NVwZ 2011, 51; EGMR, Urteil vom 17. Juli 2008 - 25904/07 - (NA./Vereinigtes Königreich), juris). Zu beachten ist allerdings, dass ein gewisser Grad an Mutmaßung dem präventiven Schutzzweck des Art. 3 EMRK immanent sein muss und es hier also nicht um den eindeutigen, über allen Zweifeln erhabenen Beweis gehen kann, dass der Betroffene im Falle seiner Rückkehr einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt wäre (EGMR, Urteil vom 9. Januar 2018 - 36417/16 - (X/Schweden) Rn. 50).
Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger sich im Falle seiner Rückkehr in den Irak in einer derartigen Ausnahmesituation befinden würde.
Es kann hier dahingestellt bleiben, ob dem Kläger bei einer Rückkehr in das Flüchtlingslager in den Sinjar-Bergen, in dem er vor seiner Ausreise zuletzt gelebt hat und in dem seine Eltern und Geschwister weiterhin leben, in Anbetracht der dortigen humanitären Verhältnisse eine Verletzung von Art. 3 EMRK drohen würde. Denn jedenfalls könnten sich der Kläger und seine Familie wieder in das Gebiet der kurdischen Autonomieprovinzen begeben und dort leben.
Zwar ergibt sich aus den vorliegenden Erkenntnismitteln, dass die humanitäre Lage allgemein im Nordirak und auch in der Autonomen Region Kurdistan teilweise schwierig ist. Die Region leidet zusätzlich zur herrschenden Wirtschaftskrise unter der großen Anzahl an aufgenommenen Binnenvertriebenen, welche sich überwiegend in einer schlechten ökonomischen Lage befinden (BFA vom 5. Oktober 2016, S. 2). Die Tatsache etwa, dass zahlreiche Flüchtlinge und Binnenvertriebene ohne bzw. mit geringen Qualifikationen auf den Arbeitsmarkt drängen, bedeutet auch einen schlechteren Zugang für geringqualifizierte irakisch-kurdische Bürger zu vielen Jobs. Es halten sich derzeit über 1,2 Millionen Binnenvertriebene in der Region Kurdistan-Irak auf (vgl. Lagebericht 12. Februar 2018, S. 5).
Das Gericht ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere aufgrund der Angaben des Klägers im Verwaltungs- und im gerichtlichen Verfahren, nicht zu der Überzeugung gelangt, dass es ihm im Falle seiner Rückkehr in der Region Kurdistan-Irak nicht möglich sein würde, seinen Lebensunterhalt zumindest so weit zu sichern, dass ihm keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Es ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass der Kläger nicht in der Lage sein würde, sein Existenzminimum dort zu sichern bzw. dass es ihm dort nicht gewährleistet wird. Das Gericht geht dabei davon aus, dass der minderjährige Kläger sich nicht allein, sondern gemeinsam mit seinen Eltern und Geschwistern auf dem Gebiet der kurdischen Autonomieprovinzen niederlassen würde. Derzeit lebt die Familie des Klägers zwar in einem Flüchtlingscamp in den Sinjar-Bergen. Es muss bei lebensnaher Betrachtung jedoch davon ausgegangen werden, dass sie, wenn der Kläger an einen Ort in den kurdischen Provinzen zurückkehren würde, ebenfalls wieder dorthin ziehen würden, um ihn zu unterstützen. Es ist auch davon auszugehen, dass die Familie im Falle einer Niederlassung in den kurdischen Provinzen ein ausreichendes Arbeitseinkommen erzielen könnte, um zumindest das Existenzminimum der Familie zu sichern. Der Kläger und seine Familie haben bereits in den Jahren 2014 und 2015 in einem Flüchtlingslager in der Nähe von Zakho gelebt. In dieser Zeit hat der Vater des Klägers – den Angaben des Klägers zufolge – Gelegenheitsarbeiten verrichtet. Diese Arbeiten erlaubten es offenbar nicht nur, den Lebensunterhalt der Familie sicherzustellen, sondern zudem noch die Ausreise des Klägers aus dem Irak (insbesondere den Flug von Erbil nach Istanbul) und anschließend seine Weiterreise von Griechenland nach Deutschland (Beschaffung von Reisepapieren, Flug von Griechenland nach Dänemark) aus eigener Kraft zu finanzieren. Da der bereits zu diesem Zeitpunkt in Deutschland lebende Vormund – seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung zufolge – nichts zur Finanzierung der Ausreise des Klägers beigetragen hat und auch sonst keine Kenntnisse zur Finanzierung der Ausreise hat, kann nur angenommen werden, dass die Eltern des Klägers über ausreichende finanzielle Mittel verfügten, um die Ausreise zu finanzieren. Der Vortrag des Klägers in der mündlichen Verhandlung, ein unbekannter Mann habe die Ausreise von Griechenland nach Deutschland vollständig organisiert und hierfür keinerlei Geld verlangt, ist unglaubhaft. Es ist auch nicht ersichtlich, warum es dem Vater des Klägers im Falle einer Rückkehr in die kurdischen Provinzen nicht erneut gelingen sollte, den Lebensunterhalt für die Familie zu sichern. Als Kfz-Mechaniker verfügt er zudem über eine Ausbildung, die ihn auf dem Arbeitsmarkt gegenüber anderen Binnenflüchtlingen und ungelernten Arbeitskräften herausheben dürfte.
Es ist zwar nicht ausgeschlossen, dass der Kläger und seine Familie zumindest vorerst mangels verfügbaren Wohnraums gezwungen sein werden, sich in einem Flüchtlingslager niederzulassen. Es besteht jedoch keine beachtliche Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger dort in eine Lage geraten wird, in der es nicht möglich ist, seine elementaren Bedürfnisse zu befriedigen. Das Gericht verkennt nicht, dass die Lage in den Flüchtlingslagern schwierig ist, was sie aber nicht per se menschenunwürdig macht. Den Erkenntnismitteln kann nicht entnommen werden, dass es in den Flüchtlingslagern in der Region Kurdistan-Irak generell an dem für ein menschenwürdiges Leben Erforderlichen mangelt. Insgesamt ist festzustellen, dass sich die Lage in den verschiedenen Flüchtlingslagern in der Region sehr unterschiedlich darstellt, da die Lager von unterschiedlichen Akteuren errichtet und betrieben werden. Während teilweise für die Unterbringung der Flüchtlinge Wohnwagen oder sogar befestigter Wohnraum zur Verfügung gestellt werden, gibt es in anderen Flüchtlingslagern nur Zelte (UNHCR, COI Note on the Situation of Yazidi IDPs in the Kurdistan Region of Iraq, Mai 2019, Seite 3). Die meisten Flüchtlingslager der Region sind mit Elektrizität und Wasser versorgt (ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Autonome Region Kurdistan: Lage von Rückkehrern aus dem Ausland: Schikanen, Diskriminierungen, Wohnraum, Kosten, Arbeitslosenrate, Erwerbsrestriktionen; Sozialsystem; Schwierigkeiten für Rückkehrer aus Europa, 29.3.2018). Es liegen auch keine Erkenntnisse zu fehlenden Unterbringungsmöglichkeiten, flächendeckenden Problemen bei der Nahrungsmittelversorgung oder zu hygienisch unhaltbaren Zuständen vor (VG Hamburg, Urteil vom 29. Oktober 2018, aaO, m.w.N. u.a. Danish Immigration Service, The Kurdistan Region of Iraq, Access, Possibility of Protection, Security and Humanitarian Situation, April 2016, S. 115 f.). Es gibt auch keine Erkenntnisse darüber, dass Binnenflüchtlinge oder Rückkehrer auf dem Gebiet der kurdischen Provinzen systematisch oder flächendeckend keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben (EASO, Iraq Key socio-economic indicators, Februar 2019, Seite 82f.). Auch ist nicht beachtlich wahrscheinlich, dass der Kläger und seine Familie gezwungen wären, dauerhaft in einem Flüchtlingscamp leben zu müssen. Soweit ersichtlich, bestehen – anders als dies teilweise in der Vergangenheit war – keine behördlichen Einschränkungen mehr für kurdische Binnenflüchtlinge wie den Kläger und seine Familie im Hinblick auf die Freizügigkeit und den Zugang zum Arbeit- und Wohnungsmarkt. Dass es auch tatsächlich möglich ist, sich außerhalb der Flüchtlingslager niederzulassen, zeigt, dass – einem Bericht des UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (UN OCHA) aus dem Jahr 2018 zufolge – 80 % der in die kurdischen Provinzen geflohenen Binnenflüchtlinge in gemieteten Häuser oder bei Gastfamilien und nur die verbliebenen 20 % in Flüchtlingslagern leben (EASO – European Asylum Support Office: Iraq Key socio-economic indicators, Februar 2019, Seite 69).
Überdies bestünde für den Kläger im Falle einer freiwilligen Rückkehr auch die Möglichkeit, Leistungen eines Reintegrationsprogramms in Anspruch zu nehmen. Über das European Reintegration Network (ERIN) stünden dem Kläger voraussichtlich folgende Leistungen zur Verfügung: Abholung/ Empfang am Ankunftsort, Hilfestellung bei Existenzgründung, Beratung bei Suche und Vermittlung von Arbeitsstellen, Vermittlung in Aus- Weiterbildungsmaßnahmen, sonstige individuelle Hilfen für eine dauerhafte Reintegration, Unterstützung in sozialen, medizinischen und rechtlichen Angelegenheiten, Unterstützung bei Wohnraumbeschaffung (ggf. Mietzuschuss) (ACCORD vom 29. März 2018, aaO, Seite 6; http://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Downloads/Infothek/Rueckkehr/erin-projektsteckbrief.pdf?__blob=publicationFile).
Auch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist nicht dargetan.
4.
Es bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung einschließlich der Zielstaatbestimmung im Hinblick auf § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG keine Bedenken. Zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung, auf den gemäß § 77 Abs. 1 AsylG abzustellen ist, sind Gründe, die dem Erlass der Abschiebungsandrohung entgegenstünden, nicht ersichtlich, denn der Kläger ist weder als Flüchtling anzuerkennen noch steht ihm subsidiärer Schutz oder Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG zu.
5.
Gründe, die gegen die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten festgesetzten Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sprechen, liegen nicht vor.