Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 07.06.2017, Az.: 3 A 3731/16

Abschiebungsverbot; Dohuk; Gruppenverfolgung; Yeziden

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
07.06.2017
Aktenzeichen
3 A 3731/16
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2017, 53916
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Derzeit ist nicht von einer Gruppenverfolgung der Yeziden in Dohuk in der Autonomen Region Kurdistan auszugehen.

Im Einzelfall kann ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG zuerkannt werden.

Tenor:

Die Beklagte wird verpflichtet, für die Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf den Irak festzustellen. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Juli 2016 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand:

Die Klägerin ist irakische Staatsangehörige kurdischer Volks- und yezidischer Religionszugehörigkeit. Sie reiste nach ihren eigenen Angaben am 30. August 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 16. Dezember 2015 einen Asylantrag.

Im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 10. Juni 2016 trug die Klägerin im Wesentlichen vor, sie stamme aus Dohuk im Nordirak. Vor ihrer Ausreise sei ihr persönlich nichts passiert, aber sie habe Angst davor gehabt, dass ihr etwas hätte zustoßen können. Als yezidische Frau sei sie von Moslems belästigt und beleidigt worden. Auch sei sie bei Arztbesuchen benachteiligt worden. Sie habe ständig Angst vor den Muslimen in Dohuk und auch vor der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) gehabt. Der IS sei zwar nicht in ihrem Heimatort gewesen, sie habe aber Angst gehabt, dass dieser auch dorthin vordringe. Ihre Eltern und sieben Geschwister lebten noch in Dohuk.

Mit Bescheid vom 20. Juli 2016 lehnte das Bundesamt den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab, erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) nicht vorlägen. Die Klägerin wurde unter Erlass einer Abschiebungsandrohung zur Ausreise in den Irak aufgefordert. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Zur Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgung für die Klägerin im Irak sei nicht ersichtlich. Soweit sie ihr Asylbegehren darauf stütze, Angst vor Muslimen gehabt zu haben, lasse sich daraus keine begründete Furcht vor Verfolgung ableiten. Sie habe selbst vorgetragen, nie persönlich bedroht oder verfolgt worden zu sein. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor. In der Herkunftsregion der Klägerin, der kurdischen Autonomieregion, bestehe derzeit kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG sei nicht gegeben. Die derzeitigen humanitären Bedingungen im Irak führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung der Klägerin eine Verletzung des Art. 3 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 - EMRK - vorläge. Zwar werde nicht verkannt, dass die gegenwärtige Versorgungslage sehr schwierig sei. Jedoch seien unter Berücksichtigung der individuellen Umstände der Klägerin die humanitären Bedingungen bei einer Rückkehr nicht als derart schlecht zu bewerten, dass diese den Schweregrad einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK erreichten. Auch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG sei nicht festzustellen.

Die Klägerin hat am 26. Juli 2016 Klage erhoben. Sie trägt ergänzend vor: Der IS und die muslimischen Nachbarn der Yeziden hätten diese zum Freiwild erklärt. Yeziden würden als Ungläubige eingestuft und ermordet. Es sei eine Gruppenverfolgung für alle Yeziden gegeben, die sich im Nordirak befänden; diese sei auch für ihre Herkunftsregion anzunehmen. Bei einer Rückkehr in den Irak bestehe eine Gefahr für Leib und Leben. Sie könne ihre Religionszugehörigkeit dort nicht offen zum Ausdruck bringen und müsse diese versteckt halten. Die öffentliche Religionsausübung sei jedoch wesentlich, sodass sie es nicht hinnehmen müsse, nach einer Rückkehr in ihr Heimatland die öffentliche Praktizierung des Glaubens wegen der Gefahr von Verfolgung einzustellen. Hinsichtlich des subsidiären Schutzes lägen für sie gefahrerhöhende Umstände vor. Zum einen sei ihr Bruder als Flüchtling anerkannt worden, sodass ihr auch in dieser Hinsicht flüchtlingsrechtlich relevante Repressalien drohten. Sie müsse auch betonen, dass sie zwar zuletzt in Khanik gelebt habe, dorthin jedoch erst geflohen sei, nachdem der IS Sheikhan angegriffen habe. Zuvor habe sie dort gelebt. Auch ihre Zugehörigkeit zu den Yeziden wirke sich gefahrerhöhend aus. Im Falle einer Rückkehr würden kriminelle Gruppen auch davon ausgehen, dass sie bzw. ihre Familie im Ausland zu Wohlstand gekommen seien. Staatlicher Schutz gegen die Gewalt durch nichtstaatliche Akteure sei nicht erlangbar. Die kurdischen Autonomiegebiete böten auch keine mögliche Fluchtalternative. Darüber hinaus habe das Bundesamt in vergleichbaren Fällen Yeziden Flüchtlingsschutz zugesprochen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 20. Juli 2016 zu verpflichten, ihr die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,

hilfsweise, ihr subsidiären Schutz nach § 4 AsylG zuzuerkennen,

weiter hilfsweise, festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf den Irak vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der bezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesamtes und der Ausländerakte der Stadt Oldenburg verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage, über die nach Übertragungsbeschluss der Kammer durch die Berichterstatterin als Einzelrichterin entschieden werden konnte, ist hinsichtlich des Hauptantrags und des ersten Hilfsantrags unbegründet, weil das Begehren der Klägerin auf Verpflichtung der Beklagten, ihr die Flüchtlingseigenschaft bzw. subsidiären Schutz zuzuerkennen, ohne Erfolg bleibt. Hinsichtlich des weiteren Hilfsantrages ist die Klage jedoch begründet, weil die Beklagte verpflichtet ist, für die Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK in Bezug auf den Irak festzustellen. Der Bescheid vom 20. Juli 2016 ist rechtswidrig und aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge - GFK - (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 gelten nach § 3 a AsylG Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Als Verfolgungsgründe sind nach § 3 b AsylG zu berücksichtigen die Rasse, die Religion, die Nationalität einschließlich der Zugehörigkeit zu einer kulturellen und ethnischen Gruppe, die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, worunter auch die Zugehörigkeit aufgrund des Geschlechts gehört sowie die politische Überzeugung. Eine Verfolgung kann nach § 3 c AsylG ausgehen von dem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3 d AsylG Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

Der Prüfung der Bedrohung i.S.v. § 3 AsylG ist unabhängig von der Frage, ob der Schutz suchende Ausländer seinen Herkunftsstaat bereits vorverfolgt, also auf der Flucht vor eingetretener bzw. unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat, oder ob er unverfolgt ausgereist ist, der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 - juris, Rn. 22). Dabei setzt die unmittelbar - d.h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit - drohende Verfolgung eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen muss (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2009 - 10 C 24.08 - juris, Rn. 14). Soweit eine Vorverfolgung eines Schutzsuchenden im Sinne von Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - Qualifikationsrichtlinie - festzustellen ist, kommt ihm die Beweiserleichterung gemäß dieser Vorschrift zugute. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2009, a.a.O., Rn. 18). Die Vermutung nach Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie, dass der Antragsteller "erneut von einem solchen Schaden bedroht wird", setzt einen inneren Zusammenhang zwischen der Vorschädigung und dem befürchteten künftigen Schaden voraus (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - juris, Rn. 31). Denn die der Vorschrift zu Grunde liegende Vermutung, erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht zu sein, beruht wesentlich auch auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 5.09 - Rn. 21 - juris). Es ist deshalb im Einzelfall jeweils zu prüfen und festzustellen, auf welche tatsächlichen Schadensumstände sich die Vermutungswirkung des Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie erstreckt. Zu beachten ist, dass eine Vorverfolgung nicht mehr wegen einer zum Zeitpunkt der Ausreise bestehenden Fluchtalternative in einem anderen Teil des Herkunftsstaates verneint werden kann. Folglich greift im Rahmen der Flüchtlingsanerkennung die Beweiserleichterung auch dann, wenn im Zeitpunkt der Ausreise keine landesweit ausweglose Lage bestand (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. November 2009, a.a.O., Rn. 18).

Ist der Schutzsuchende dagegen unverfolgt ausgereist, muss er glaubhaft machen, dass ihm mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr von Verfolgung droht, wenn er in sein Heimatland zurückkehrt.

Ob die Voraussetzungen des § 3 AsylG erfüllt sind oder nicht, richtet sich nach den Umständen im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung, siehe § 77 Abs. 1 AsylG.

Nach Maßgabe dessen hat die Klägerin nicht glaubhaft gemacht, dass ihr vor ihrer Ausreise aus dem Irak eine individuelle Verfolgung im Sinne des § 3 AsylG gedroht hat.

Als Grund für ihre Ausreise hat die Klägerin vorgetragen, dass sie aufgrund ihrer yezidischen Religionszugehörigkeit von Moslems benachteiligt worden sei und Angst vor der heranrückenden Terrormiliz IS gehabt habe. Ihr persönlich sei direkt nichts zugestoßen, weil sie sich, nachdem sie sich etwa zwei Jahre in Sheikhan aufgehalten habe, rechtzeitig vor dem IS zurück in die Provinz Dohuk habe retten können. In Khanik habe sie sich meist zuhause aufgehalten, sei jedoch z.B. bei Arztbesuchen diskriminiert worden.

Aus diesem Vorbringen ergibt sich nicht, dass die Klägerin eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3 a AsylG erlitten hat oder diese ihr unmittelbar vor ihrer Flucht bevorgestanden hat. Als Verfolgung im Sinne des § 3 a Abs. 1 AsylG gelten nach Nr. 1 der Vorschrift Handlungen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder die nach Nr. 2 in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen bestehen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nr. 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Daraus folgt, dass die Verfolgungshandlungen ein gewisses Maß an Schwere aufweisen müssen, um unter § 3 a AsylG fallen zu können. Die Verfolgung nach § 3 a Abs. 1 Nr. 1 AsylG muss daher die begrifflichen Kriterien einer Foltermaßnahme oder einer unmenschlichen Behandlung oder Bestrafung erfüllen. Weniger schwerwiegende Beeinträchtigungen werden nicht erfasst (Marx, AsylVfG, § 3 Rn. 9). Die von der Klägerin geschilderten Diskriminierungen durch die moslemischen Nachbarn erfüllen die genannten Anforderungen an eine Verfolgungshandlung nicht.

Es sind auch keine beachtlichen Nachfluchtgründe gegeben, die ihre Rückkehr in den Irak unzumutbar erscheinen lassen würden, weil sie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu Verfolgungshandlungen im oben genannten Sinne führen würden. Dabei ist eine „auf eine absehbare Zeit ausgerichtete Zukunftsprognose“ vorzunehmen (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. März 1981 - 9 C 237.80 - juris, Rn. 14). Dieser Maßstab entspricht im Wesentlichen dem von der Qualifikationsrichtlinie vorausgesetzten und auch in der Flüchtlingsdefinition („begründete Furcht vor Verfolgung“, Art. 2 Buchst. c Qualifikationsrichtlinie) angelegten Maßstab (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. März 2007 - 1 C 21.06 - juris, Rn. 24). Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung ist dann anzunehmen, wenn bei der vorzunehmenden „zusammenfassenden Bewertung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts“ die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Maßgebend ist damit letztlich der Gesichtspunkt der Zumutbarkeit. Die Zumutbarkeit bildet das vorrangige qualitative Kriterium, das bei der Beurteilung anzulegen ist, ob die Wahrscheinlichkeit einer Gefahr „beachtlich“ ist. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines besonnenen und vernünftig denkenden Menschen in der Lage des Schutz suchenden Ausländers nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar erscheint (vgl. BVerwG, Vorlagebeschluss vom 7. Februar 2008 - 10 C 33.07 - juris, Rn. 37; vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 13. August 1990 - 9 B 100.90 - juris, Rn. 6).

Eine erneute Bedrohung durch Moslems im genannten Ausmaß im Falle einer Rückkehr würde aufgrund der fehlenden Eingriffsintensität keinen beachtlichen Nachfluchtgrund darstellen.

Ein auf den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 GG gestützter Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, weil die Beklagte nach Aussage der Klägerin anderen yezidischen Flüchtlingen in vergleichbaren Fällen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt habe, besteht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht. Die Vorschriften über die Entscheidung über den Asylantrag im Sinne des § 13 AsylG eröffnen der Beklagten kein Ermessen, welches durch eine Selbstbindung der Verwaltung reduziert werden könnte.

Die Klägerin war auch weder vor ihrer Ausreise noch wäre sie im Falle einer Rückkehr in den Irak aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu den Yeziden von einer Gruppenverfolgung bedroht.

Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 21. April 2009 - 10 C 11.08 - juris) setzt die Feststellung einer Gruppenverfolgung Folgendes voraus:

„Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religion anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms (vgl. hierzu Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <204>) - ferner eine bestimmte "Verfolgungsdichte" voraus, welche die "Regelvermutung" eigener Verfolgung rechtfertigt (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 20). Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines der in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. Urteil vom 5. Juli 1994 a.a.O. <204 f.>). Darüber hinaus gilt auch für die Gruppenverfolgung, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss.

Diese ursprünglich für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze sind prinzipiell auch auf die private Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragbar, wie sie nunmehr durch § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. c AufenthG (entsprechend Art. 6 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 - sog. Qualifikationsrichtlinie ) ausdrücklich als schutzbegründend geregelt ist (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 21 f.).

Ob Verfolgungshandlungen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen in deren Herkunftsstaat die Voraussetzungen der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 4 Buchst. a und b AufenthG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, möglichst detailliert festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann (vgl. Urteil vom 18. Juli 2006 a.a.O. Rn. 24).

An den für die Gruppenverfolgung entwickelten Maßstäben ist auch unter Geltung der Richtlinie 2004/83/EG festzuhalten. Das Konzept der Gruppenverfolgung stellt der Sache nach eine Beweiserleichterung für den Asylsuchenden dar und steht insoweit mit den Grundgedanken sowohl der Genfer Flüchtlingskonvention als auch der Qualifikationsrichtlinie in Einklang. Die relevanten Verfolgungshandlungen werden in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie und die asylerheblichen Merkmale als Verfolgungsgründe in Art. 10 der Richtlinie definiert. Auch dem - allerdings in anderem Zusammenhang ergangenen - Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Februar 2009 (Rechtssache C 465/07 - Elgafaji - Rn. 37 ff., InfAuslR 2009, 138) dürften im Ansatz vergleichbare Erwägungen zugrunde liegen, wenn dort im Rahmen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 Buchst. c der Richtlinie der Grad der Bedrohung für die Bevölkerung oder Bevölkerungsgruppe eines Landes zur individuellen Bedrohung der einzelnen Person in Beziehung gesetzt wird.“

Für die Frage der Gruppenverfolgung der Yeziden ist hier auf die in den kurdischen Autonomiegebieten gelegene Provinz Dohuk abzustellen, weil die Klägerin dort geboren und registriert ist und sich zur Überzeugung des Gerichts bis zu ihrer Ausreise dort aufgehalten hat. Zwar hat sie in der Klagebegründung und in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, sich etwa zwei Jahre in Sheikhan in der Provinz Ninive aufgehalten und sich erst nach dem Einmarsch des IS zurück nach Khanik begeben zu haben. Diesen Vortrag erachtet das Gericht jedoch nicht als glaubhaft. Gegenüber dem Bundesamt hatte die Klägerin nicht ansatzweise erwähnt, dass sie sich zum Zeitpunkt des Einmarsches des IS in Ninive befunden haben will, sondern sie hatte lediglich die Befürchtung geäußert, der IS könne auch in ihr Dorf kommen. Auch sind ihre Angaben zum Grund der Übersiedlung nach Sheikhan nicht überzeugend gewesen. Die Klägerin hat wirtschaftliche Gründe für den Umzug angeführt, da ihr Vater den von ihm in Sumel geführten Lebensmittelladen habe aufgeben müssen. In Sheikhan habe er jedoch lediglich als Tagelöhner gearbeitet, nach der Rückkehr nach Khanik dann als Lehrer. Warum die gesamte Familie sich zwei Jahre lang in der Region Sheikhan aufgehalten haben soll, wenn auch dort die ökonomischen Verhältnisse nicht besser, sondern eher schwieriger gewesen sein sollen als in ihrem Heimatort, erschließt sich nicht.

Offen bleiben kann daher, ob in der Provinz Ninive angesichts der massenhaften Vertreibung der Yeziden und der an diesen begangenen Gräueltaten durch den IS ab Sommer 2014 und der weiterhin anhaltenden äußerst unsicheren Lage gerade für Minderheiten noch von einer Gruppenverfolgung der Yeziden in Ninive auszugehen ist (vgl. zur aktuellen Lage ACCORD, Anfragebeantwortung vom 2. Februar 2017: „Siedlungsgebiete und Lage der JesidInnen“).

Nach Auswertung der in das Verfahren eingeführten Erkenntnismittel ist jedenfalls nicht davon auszugehen, dass derzeit die Gefahr einer Gruppenverfolgung für die Angehörigen der Yeziden in den kurdisch verwalteten Provinzen des Irak, hier insbesondere in der Provinz Dohuk, anzunehmen ist.

Die Yeziden waren in ihren traditionellen Siedlungsgebieten des Nordirak seit Sommer 2014 durch den Vormarsch der Terrororganisation IS systematischer Verfolgung ausgesetzt und ihnen drohten Zwangskonversion, Massenvertreibungen und Hinrichtungen sowie Verschleppungen und sexuelle Gewalt, insbesondere gegen Frauen und Kinder (vgl. etwa ACCORD vom 2. Februar 2017). Im Rahmen der gezielten Verfolgung von Yeziden durch den IS wurden zwischen 300.000 und 400.000 Yeziden aus ihrem Stammland um Sindjar vertrieben, viele Angehörige der Yeziden haben in den kurdischen Autonomiegebieten Zuflucht gefunden (Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 7. Februar 2017, S. 12 und 18; ACCORD vom 2. Februar 2017), der größte Teil in der Stadt Dohuk und im Distrikt Zakho. Die meisten von ihnen sind in Flüchtlingslagern untergebracht (ACCORD vom 2. Februar 2017). Yezidische Binnenvertriebene können auch weiterhin in die Autonome Region Kurdistan einreisen und haben dort generell weniger Probleme als arabische oder turkmenische Binnenvertriebene. Sie benötigen keine Aufenthaltsgenehmigung und dürfen ihre Ausweisdokumente behalten (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Anfragebeantwortung vom 5. Oktober 2016, S. 5 f). Die unter kurdischer Kontrolle stehenden Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaimaniyya sind zumindest derzeit nicht von Einheiten des IS unmittelbar bedroht bzw. besetzt, sodass eine Verfolgung der Yeziden durch Angehörige dieser Terrororganisation gegenwärtig dort nicht erfolgt. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass Yeziden in Dohuk eine systematische Verfolgung durch die kurdische Regionalregierung bzw. nichtstaatliche Kräfte droht. In den Gebieten, die unter Kontrolle der kurdischen Regionalregierung stehen, sind Minderheiten vielmehr weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt (Lagebericht, S. 12). Dass derartig viele Angehörige der Yeziden sich in die Provinz Dohuk geflüchtet haben, spricht überdies schon für sich genommen dafür, dass eine Verfolgungsgefahr allein aufgrund der Gruppenzugehörigkeit speziell für Dohuk nicht angenommen werden kann (ebenso Bay. VGH, Beschluss vom 9. Januar 2017 - 13a ZB 16.30689 -; VG Köln, Urteil vom 17. Februar 2017 - 18 K 9773/16.A - ; VG München, Urteil vom 13. Januar 2017 - M 4 K 16.32298 - ; VG Augsburg, Urteil vom 3. April 2017 - Au 5 K 17.30512 - alle juris).

Der Auffassung des VG Gelsenkirchen (Urteil vom 8. März 2017 - 15a K 9307/16.A - juris), welches eine regionale Gruppenverfolgung der Yeziden im südlichen Teil der Provinz Dohuk annimmt, vermag sich das Gericht nicht anzuschließen, weil keine hinreichende Verfolgungsdichte nach den Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts für die Provinz Dohuk hinsichtlich der dort lebenden Yeziden erkennbar ist. Vielmehr ergibt sich aus den Berichten von Iraq Body Count, dass im gesamten Jahr 2016 in der Provinz Dohuk fünf getötete Zivilisten als Opfer des Konflikts im Irak zu verzeichnen waren und im Jahr 2017 noch keine zivilen Opfer zu beklagen sind (vgl. ACCORD, Anfragebeantwortung: Sicherheitslage in der autonomen Region Kurdistan-Irak: Kampfhandlungen, Anschläge und Zielgruppen vom 10. Mai 2017, unter Verweis auf die Datenbank Iraq Body Count, abrufbar unter https://www.iraqbodycount.org/database/). Selbst wenn sämtliche fünf Opfer im Jahr 2016 Yeziden gewesen sein sollten und überdies zu den Zahlen von Iraq Body Count eine gewisse Dunkelziffer hinzugerechnet wird, weil eine Verfolgung aus religiösen Gründen ggf. nicht im Rahmen der Konfliktopferstatistik erfasst worden ist, wären die Opferzahlen angesichts der allein als Binnenvertriebene in der Autonomen Region Kurdistan lebenden etwa 400.000 Yeziden weit von der Schwelle entfernt, bei welcher von einer hinreichenden Verfolgungsdichte ausgegangen werden könnte (vgl. ausführlich zum Maßstab der Verfolgungsdichte bei einer Gruppenverfolgung VG Oldenburg, Urteil vom 4. Juni 2014 - 3 A 4590/13 - V.n.b.).

Dem in der mündlichen Verhandlung durch die Klägerin hilfsweise gestellten Beweisantrag ist nicht nachzugehen, da dieser zu unbestimmt ist und als Beweisermittlungsantrag als unzulässig abzulehnen ist. Bei der Beweisfrage, „ob den Klägern ohne verwandtschaftliche Beziehungen als alleinstehende Personen yezidischer Religionszugehörigkeit und als Kinder eines Beamten angesichts der derzeitigen Flüchtlingsströme Inhaftierungen oder religiöse Repressalien drohen würden“ handelt es sich um einen Ausforschungsbeweis, da für die Vermutung der genannten Benachteiligungen tatsächliche Grundlagen fehlen. Anhaltspunkte dafür, dass Kinder von Beamten im Irak inhaftiert oder gesondert diskriminiert werden, liegen nicht vor und sind nicht benannt worden, so dass der Antrag nicht substantiiert genug ist. Sofern der Beweisantrag darauf abzielt, generell die Lebenssituation von alleinstehenden Yeziden zu überprüfen, ist der Antrag als unbegründet abzulehnen, da das Gericht dahingehend bereits die entsprechende Sachkunde besitzt. Insoweit wird auf die Ausführungen zu § 60 Abs. 5 AufenthG verwiesen.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Zuerkennung von subsidiärem Abschiebungsschutz.

Nach § 4 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht.

Abschiebungsverbote nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG sind ebenfalls nicht gegeben.

Nach dieser Vorschrift darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, wenn für diesen Ausländer die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden (entsprechend Art. 15 Buchst. b der Qualifikationsrichtlinie).

Anhand des Vorbringens der Klägerin ist das Bestehen einer konkreten Gefahr im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG nicht glaubhaft gemacht worden.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG. Danach gilt als ernsthafter Schaden eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

Dabei ist der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts unter Berücksichtigung der Bedeutung dieser Begriffe im humanitären Völkerrecht, insbesondere unter Heranziehung der in Art. 3 der Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht 1949 und des zur Präzisierung erlassenen Zusatzprotokolls II von 1977 auszulegen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.). Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u.a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt kann überdies landesweit oder regional (z.B. in der Herkunftsregion des Ausländers) bestehen, er muss sich mithin nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2008 - 10 C 43.07 - juris). Besteht ein bewaffneter Konflikt mit der beschriebenen Gefahrendichte nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung allerdings in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Klägers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 - 10 C 9.08 - juris; bestätigt durch BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG a.F.). Auch der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften spricht in seiner Entscheidung vom 17. Februar 2009 vom "tatsächlichen Zielort" des Ausländers bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat (C-465/07 - juris, Rn. 40). Auf einen bewaffneten Konflikt außerhalb der Herkunftsregion des Ausländers kann es nur ausnahmsweise ankommen. Bei einem regional begrenzten Konflikt außerhalb seiner Herkunftsregion muss der Ausländer stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass für ihn eine Rückkehr in seine Herkunftsregion ausscheidet und nur eine Rückkehr gerade in die Gefahrenzone in Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 14. Juli 2009 - 10 C 9.08 - juris, vgl. Art. 2 Buchst. e der Richtlinie). Der innerstaatliche bewaffnete Konflikt begründet ein Abschiebungsverbot nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG aber nur dann, wenn der Schutzsuchende von ihm ernsthaft individuell bedroht ist und keine innerstaatliche Schutzalternative besteht. Das Vorliegen einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit der Person setzt nicht voraus, dass diese Person beweist, dass sie aufgrund von ihrer persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist (EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009, Az: C-465/07 - juris). Eine solche Bedrohung kann vielmehr auch dann ausnahmsweise als gegeben angesehen werden, wenn der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt nach der Beurteilung der zuständigen nationalen Behörden ein so hohes Niveau erreicht hat, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass eine Zivilperson bei Rückkehr in das betroffene Land oder gegebenenfalls die betroffene Region allein durch die Anwesenheit im Gebiet des Landes oder dieser Region tatsächlich Gefahr läuft, einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt zu sein. Dabei hebt der Europäische Gerichtshof hervor, dass der Grad willkürlicher Gewalt, der vorliegen muss, damit ein Anspruch auf subsidiären Schutz besteht, umso geringer ist, je mehr der Betroffene belegen kann, dass er aufgrund seiner persönlichen Situation innewohnenden Umständen spezifisch betroffen ist. Das Bundesverwaltungsgericht folgert aus dieser Prämisse, dass in jedem Fall Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt in dem betreffenden Gebiet getroffen werden müssen. Lägen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, sei ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich; lägen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genüge auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - juris). Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehörten in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu könnten aber nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt sei, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht komme. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände müsse aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Antragstellers reichten hierfür nicht aus. Erforderlich sei vielmehr eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen einerseits und der Akte willkürlicher Gewalt andererseits, die von den Konfliktparteien gegen Leib oder Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Dabei können für die Bemessung der Gefahrendichte die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden (BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - 10 C 4.09 - sowie Beschluss vom 7. August 2008 - 10 B 39.08 - juris).

Von der in weiten Teilen des Irak seit Mitte 2014 bestehenden Bedrohung durch nichtstaatliche Akteure in Gestalt des IS sind die kurdischen Autonomiegebiete derzeit nicht direkt erfasst. In den kurdisch verwalteten Provinzen des Irak findet ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt nicht statt. Diese sind von den Kämpfen in den westlichen und südlichen Nachbarprovinzen nicht unmittelbar betroffen, wenn auch die Sicherheitslage dort weiterhin angespannt ist (vgl. zur Lage in den kurdischen Provinzen ACCORD, Anfragebeantwortung zum Irak: Aktuelle Sicherheits- und allgemeine Lage in der Autonomen Region Kurdistan, insbesondere im Gouvernement Sulaimaniyya und in Erbil, vom 23. Dezember 2015). In Dohuk wurden für das Jahr 2017 wie bereits ausgeführt noch keine getöteten Zivilisten im Rahmen des Konflikts verzeichnet (vgl. ACCORD vom 10. Mai 2017, unter Verweis auf die Datenbank Iraq Body Count).

Es ist auch nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass in absehbarer Zukunft mit dem Entstehen eines Konfliktes im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG in den von der kurdischen Regionalregierung kontrollierten Gebieten zu rechnen wäre.

Auf die von der Klägerin vorgetragenen angeblich gefahrerhöhenden persönlichen Umstände kommt es demnach nicht an, wobei diese sich nach Auffassung des Gerichts auch nicht als tragfähig erwiesen hätten.

Das Bundesamt ist indes zu verpflichten, ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf den Irak festzustellen.

Gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit eine Abschiebung nach den Bestimmungen der EMRK unzulässig ist. Einschlägig ist hier Art. 3 EMRK, wonach niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen werden darf (hinsichtlich der Definition des Schutzbereichs des Art. 3 EMRK wird auf die obigen Ausführungen zu § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG verwiesen). Zwar macht die Klägerin nicht geltend, dass ihr bei einer Rückkehr in den Irak näher spezifizierte, konkrete Maßnahmen drohen würden, sondern sie beruft sich auf die allgemeine Lage. Die zu erwartenden schlechten Lebensbedingungen und die daraus resultierenden Gefährdungen weisen vorliegend aber eine derart hohe Intensität auf, dass auch ohne konkret drohende Maßnahmen von einer unmenschlichen Behandlung auszugehen ist, die der Klägerin im Falle einer Rückkehr mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen würde.

Nach der ständigen Rechtsprechung des EGMR können humanitäre Bedingungen im Abschiebezielstaat nur in ganz besonderen Ausnahmefällen, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK begründen (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 27. April 2016 - 9 LA 46/16 - V.n.b. mit Verweis u.a. auf EGMR, Urteile vom 28. Juni 2011 - 8319/07 und 1149/07 - Sufi and Elmi). Eine derartige Ausnahmesituation wäre für die Klägerin gegeben, wenn sie in den Irak zurückkehren müsste.

Aus den vorliegenden Erkenntnismitteln ergibt sich, dass die humanitäre Lage auch in der Autonomen Region Kurdistan, hier in der Region Dohuk, teilweise schwierig ist. Die Region leidet zusätzlich zur herrschenden Wirtschaftskrise unter der großen Anzahl an aufgenommenem Binnenvertriebenen, welche sich überwiegend in einer schlechten ökonomischen Lage befinden (BFA vom 5. Oktober 2016, S. 2). Es halten sich derzeit über 11,3 Millionen Binnenvertriebene in der Region auf (vgl. Lagebericht, S. 6). Die Klägerin ist zwar nach ihrer Aussage in Dohuk registriert und würde daher nicht als Binnenflüchtling angesehen werden, sondern im Falle einer Rückkehr als Bewohnerin. Die teilweise geltenden Einreisebeschränkungen für Binnenflüchtlinge dürften für sie daher nicht greifen (vgl. hierzu BFA vom 5. Oktober 2016, Seite 4 f.). Auch soll es für freiwillige Rückkehrer Reintegrationshilfen geben, zudem besteht auch ein Subventionssystem der Regierung. Dies befindet sich jedoch seit einigen Jahren in Schwierigkeiten (ACCORD, Anfragebeantwortung vom 10. Mai 2017: wirtschaftliche Lage in der autonomen Region Kurdistan-Irak für RückkehrerInnen). Es kann daher, auch wenn die Klägerin freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren würde, nicht hinreichend sicher davon ausgegangen werden, dass sie staatliche Unterstützungsleistungen erhalten würde. Zudem wäre sie nach einer Rückkehr auf sich allein gestellt - sofern ihr Bruder, welcher zeitgleich in Deutschland ein Asylverfahren betreibt, nicht zugleich abgeschoben werden würde, wovon aber nicht sicher ausgegangen werden kann -, da ihre Eltern und übrigen Geschwister den Irak mittlerweile ebenfalls verlassen haben. Auch wenn das Gericht nicht verkennt, dass die Klägerin erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, dass sich ihre Angehörigen nunmehr seit Februar 2017 nicht mehr im Irak aufhalten, hat das Gericht keine Veranlassung, am Wahrheitsgehalt dieser Äußerung zu zweifeln, da auch ihr Bruder diese Angabe bestätigt hat. Als unverheiratete junge Frau ohne Berufsausbildung und ohne jegliches familiäres Netzwerk dürfte es aber für die Klägerin nahezu ausgeschlossen sein, sich in der Provinz Dohuk niederzulassen und ihren Lebensunterhalt zu sichern. Es bliebe ihr daher nur die Zuflucht in eines der überfüllten Flüchtlingslager, was das Gericht jedoch nicht als tragfähige Alternative erachtet (vgl. zur Lage in den Flüchtlingslagern ACCORD, Anfragebeantwortung vom 17. November 2016: Lage von Binnenflüchtlingen, insbesondere in der Region Kurdistan). Es folgt hierbei der Einschätzung des UNHCR (UNHCR-Position zur Rückkehr in den Irak vom 14. November 2016, S. 25f.), wonach es angesichts der massenhaften Binnenvertreibungen, der tiefgreifenden humanitären Krise und der zunehmenden Spannungen unter den Volksgruppen für Personen ohne enge familiäre Bindungen und ohne tatsächlich mögliche Unterstützung durch Angehörige im angedachten Aufnahmegebiet nicht zumutbar erscheint, diese auf eine Flucht- oder Neuansiedlungsalternative zu verweisen. Diese Ausführungen sind auf den Fall der Klägerin übertragbar, für welche Dohuk zwar keine Neuansiedlungsmöglichkeit, sondern eine Rückkehroption darstellen würde, welche jedoch wie ausgeführt für sie keine Grundlage für die Sicherung ihres Lebensunterhalts bieten würde. Selbst wenn ihr Bruder gemeinsam mit ihr ausreisen würde, ist nicht davon auszugehen, dass es diesem ohne familiären Rückhalt gelingen sollte, den Lebensunterhalt für sich und für seine Schwester sicherzustellen.

Nach alledem ist es beachtlich wahrscheinlich (zum Prognosemaßstab bei § 60 Abs. 5 i.V.m. Art. 3 EMRK siehe Nds. OVG, Urteil vom 28. Juli 2014 - 9 LB 2/13 -; BayVGH, Urteil vom 21.11.2014 - 13a B 14.30284 - beide juris), dass die Klägerin wegen ihrer besonderen individuellen Lage - alleinstehende Frau ohne fehlende familiäre Strukturen und sonstige Netzwerke - auf Grund ihrer besonderen Verletzlichkeit bei einer Rückkehr in den Irak einer Ausnahmesituation im Sinne des Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre. Die humanitäre Lage dort lässt für sie ein menschenwürdiges Dasein nicht zu. Aufgrund ihrer individuellen Umstände ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sie auch in Dohuk in eine völlig aussichtslose Lage geraten würde.

Nach alledem ist unter entsprechender Aufhebung des entgegenstehenden Bescheides des Bundesamtes vom 20. Juli 2016 ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf den Irak festzustellen.

Schließlich kann auch die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung unter Ziffer 4 des Bescheides vom 20. Juli 2016 keinen Bestand haben. Dies folgt bereits aus § 34 Abs. 1 AsylG, wonach das Bundesamt nach den §§ 59 und 60 Abs. 10 AufenthG die Abschiebungsandrohung erlässt, wenn u.a. die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Hieraus folgt im Umkehrschluss, dass für eine Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung nach dem Willen des Gesetzgebers dann kein Raum ist, wenn Abschiebungsverbote vorliegen oder - wie hier aufgrund des vorliegenden Urteils - festzustellen sind. Zur Klarstellung ist in der Folge auch das Einreise- und Aufenthaltsverbot in Ziffer 5 des Bescheides aufzuheben.