Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 27.06.2006, Az.: 12 LA 204/05
Kostenanspruch der Straßenverkehrsbehörde für eine Aufforderung zur Vorlage einer Versicherungsbestätigung oder der Fahrzeugpapiere; Voraussetzungen für die Einleitung eines Zwangsstilllegungsverfahrens; Rechtmäßigkeit einer Stilllegungsverfügung wegen einer Mitteilung des Versicherers über den fehlenden Versicherungsschutz; Verpflichtung der Zulassungsstelle zur Überprüfung der materiellen Richtigkeit der Anzeige eines Versicherungsunternehmens; Verpflichtung zur Kostentragung wegen der Veranlassung einer Amtshandlung
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 27.06.2006
- Aktenzeichen
- 12 LA 204/05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2006, 32008
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2006:0627.12LA204.05.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Göttingen - 19.04.2005 - AZ: 1 A 122/04
Rechtsgrundlagen
- § 6a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StVG
- § 1 Abs. 1 GebOSt
- § 4 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt
- § 29c StVZO
- § 29d Abs. 2 S. 1 StVZO
Verfahrensgegenstand
Kosten für Stilllegungsverfügung - Antrag auf Zulassung der Berufung
Amtlicher Leitsatz
Stilllegungsverfügung nach Anzeige fehlenden Kfz-Versicherungsschutzes; Gebührenerhebung.
In der Verwaltungsrechtssache
[...]
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 12. Senat -
am 27. Juni 2006
beschlossen:
Tenor:
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen - Einzelrichter der 1. Kammer - vom 19. April 2005 zuzulassen, wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 32,-- EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen die Kostenfestsetzung in dem Bescheid des Beklagten vom 3. Februar 2004, mit dem ihm wegen nicht mehr bestehender Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung aufgegeben wurde, die Fahrzeugpapiere für seinen PKW mit dem amtlichen Kennzeichen D. oder eine gültige Versicherungsbestätigung vorzulegen, und für den Fall der Nichtbefolgung die Stilllegung des Fahrzeugs angedroht wurde.
Der Kläger hatte mit Schreiben vom 20. November 2003 seine bei der Allianz Versicherungs-Aktiengesellschaft bestehende Kfz-Versicherung zum 1. Januar 2004 in der Absicht gekündigt, zu einem anderen Versicherungsunternehmen zu wechseln. Mit Schreiben vom 4. Dezember 2003 trat die Allianz Versicherungs-AG der Kündigung entgegen, weil der Vertrag bis zum 6. März 2004 fest abgeschlossen sei. Unter dem 17. Dezember 2003 bestätigte die Aachener und Münchener Versicherung AG dem Kläger die Annahme seines Antrags auf Kraftfahrtversicherung mit Wirkung vom 1. Januar 2004; die zur Vorlage bei der Zulassungsstelle bestimmte Versicherungsbestätigung ging bei dem Beklagten am 23. Dezember 2003 ein. Mit weiterem Schreiben vom 22. Dezember 2003 an den Kläger sagte die Aachener und Münchener Versicherung AG Versicherungsschutz ab 6. März 2004 zu und erklärte, die erforderliche Versicherungsbestätigungskarte rechtzeitig an die Zulassungsbehörde senden zu wollen; die Bestätigung ging dann am 2. März 2004 bei dem Beklagten ein (Bl. 12 des Verwaltungsvorgangs). Mit der am 2. Februar 2004 bei dem Beklagten eingegangenen Anzeige nach § 29 c StVZO teilte die Aachener und Münchener Versicherung AG mit, dass das Versicherungsverhältnis seit dem 1. Januar 2004 nicht mehr bestehe. Daraufhin gab der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 3. Februar 2004 auf, entweder die Fahrzeugpapiere oder eine gültige Versicherungsbestätigung zum Nachweis über das Bestehen einer ausreichenden Kraftfahrtzeughaftpflichtversicherung vorzulegen, und setzte die Verwaltungsgebühr auf 32,-- EUR fest. Am 16. Februar 2004 ging bei dem Beklagten eine Versicherungsbestätigung der Allianz Versicherungs-AG für das Kraftfahrzeug des Klägers (darin bezeichneter Beginn des Versicherungsschutzes am 1. Januar 2004) ein (Bl. 7 des Verwaltungsvorgangs).
Den Widerspruch des Klägers gegen die Kostenfestsetzung wies die vormalige Bezirksregierung E. mit Widerspruchsbescheid vom 4. Mai 2004 als unbegründet zurück und führte aus: An der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestünden keine Zweifel. Die Voraussetzungen für die Einleitung eines Zwangsstilllegungsverfahrens hätten nach Mitteilung der Versicherungsgesellschaft über die Beendigung des Versicherungsverhältnisses bestanden. Die Richtigkeit der Mitteilung sei von der zuständigen Behörde nicht überprüfbar. Wenn es der Kläger nicht versäumt hätte, die Zulassungsstelle über den Fortbestand der Versicherung bei der Allianz Versicherungs-AG bis zum 6. März 2004 zu informieren, so wäre die Verfügung nicht ergangen. Als Veranlasser einer Amtshandlung sei er indes zur Kostenzahlung verpflichtet. Die gegen die Kostenforderung gerichtete Klage hat das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die zutreffenden Gründe in dem Widerspruchsbescheid mit Urteil vom 19. April 2005 abgewiesen und ergänzend ausgeführt: Die Stilllegungsverfügung des Beklagten sei geboten gewesen, nachdem der Versicherer des Fahrzeuges einen fehlenden Versicherungsschutz mitgeteilt hatte. Der Kläger könne nicht mit dem Einwand gehört werden, diese Mitteilung sei unzutreffend gewesen, denn die Zulassungsstelle treffe keine Verpflichtung, die Anzeige eines Versicherungsunternehmens nach § 29 c StVZO auf ihre materielle Richtigkeit zu überprüfen. Von daher gehe auch der Einwand des Klägers fehl, es habe ein durchgängiger Versicherungsschutz bestanden, auch wenn sich zwischen den beiden Versicherungen eine etwas undurchsichtige Situation ergeben habe. Als Veranlasser der Amtshandlung sei der Kläger auch Kostenschuldner. Dass die den Beklagten zum Tätigwerden verpflichtende Mitteilung unrichtig gewesen sei, müsse er sich als Fahrzeughalter zurechnen lassen.
II.
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht. Die gegen die Gebührenfestsetzung nur dem Grunde nach vorgebrachten Bedenken sind nicht berechtigt.
Die angegriffene Kostenfestsetzung findet ihre gesetzliche Grundlage in § 6 a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StVG i.V.m. § 1 Abs. 1 der auf der Ermächtigungsgrundlage des § 6 a Abs. 2 StVG ergangenen Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) vom 26. Juni 1970 (BGBl. I S. 865 mit späteren Änderungen). Danach werden für Amtshandlungen auf dem Gebiet des Straßenverkehrs Gebühren erhoben; die gebührenpflichtigen Tatbestände und die Gebührensätze ergeben sich aus dem Gebührentarif der Anlage. Zur Zahlung der Kosten ist verpflichtet, wer die Amtshandlung veranlasst (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt). Veranlasser in diesem Sinne ist nicht nur, wer die Amtshandlung willentlich herbeigeführt hat, sondern auch, in wessen Pflichtenkreis sie erfolgt (BVerwG, Urteil vom 22.10.1992 - 3 C 2.90 -, BVerwGE 91, 109; OVG Hamburg, Urteil vom 14.8.2001 - 3 Bf 385/00 -, NZV 2002, 150). Das trifft auf den Kläger zu, weil sein Pflichtenkreis als Halter eines Kraftfahrzeuges auch dessen Versicherung nach Maßgabe des Pflichtversicherungsgesetzes umfasst und die der Kostenfestsetzung zugrunde liegende Amtshandlung - die an ihn gerichtete Aufforderung mit Bescheid vom 3. Februar 2004 - als solche rechtmäßig war. Rechtsgrundlage ist § 29 d Abs. 2 Satz 1 StVZO. Erfährt die Zulassungsbehörde durch eine Anzeige nach § 29 c StVZO oder auf andere Weise, dass für das Fahrzeug keine dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung besteht, so hat sie unverzüglich den Fahrzeugschein einzuziehen und das Kennzeichen zu entstempeln. Diese Befugnis umfasst auch die hier von dem Beklagten angeordnete Vorlage der Fahrzeugpapiere und der Kennzeichenschilder oder einer gültigen Versicherungsbestätigung, die als geringerer Eingriff regelmäßig vor weitergehenden Maßnahmen zu erfolgen haben.
Hier hatte der Beklagte durch Vorlage einer Versicherungsbestätigung der Aachener und Münchener Versicherung AG am 23. Dezember 2003 zunächst Kenntnis vom Bestehen des Versicherungsschutzes durch diese Gesellschaft für das Fahrzeug des Klägers beginnend am 1. Januar 2004 erhalten. Mit der Anzeige derselben Versicherung nach § 29 c StVZO wurde dem Beklagten am 2. Februar 2004 bekannt, dass das Versicherungsverhältnis seit dem 1. Januar 2004 nicht (mehr) bestehe. Damit lagen die Voraussetzungen für ein Tätigwerden des Beklagten nach § 29 d Abs. 2 Satz 1 StVZO vor. Die zuständige Behörde kann wegen der Dringlichkeit der dort vorgesehenen Maßnahmen auch ohne vorherige Anhörung des Adressaten (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 VwVfG i.V.m. § 1 Abs. 1 NVwVfG) handeln. Das gesetzliche Ziel, Verkehrsteilnehmer vor unversicherten Fahrzeugen zu schützen, wäre nicht erreichbar, wenn die Zulassungsstelle nach Eingang der Anzeige des Versicherers verpflichtet wäre, jeweils durch Rückfrage beim Versicherer oder beim Fahrzeughalter nachzuprüfen, ob die Erlöschensanzeige zu Recht erstattet worden ist, zumal die darauf eingezogenen Erkundigungen wiederum auf ihre Richtigkeit überprüft werden müssten. Die Rechtmäßigkeit der aufgrund der Anzeige nach § 29 d Abs. 2 Satz 1 StVZO eingeleiteten Maßnahmen der Zulassungsstelle hängt deshalb nicht davon ab, ob die Anzeige des Versicherers nach § 29 c Abs. 1 StVZO über das Nichtbestehen einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung irrtümlich abgegeben worden ist oder aus sonstigen Gründen nicht mit den objektiv gegebenen Verhältnissen übereinstimmt und entgegen der Anzeige die Haftpflichtversicherung in Wahrheit ununterbrochen fortbesteht. § 29 d Abs. 2 Satz 1 StVZO stellt nicht auf das Nichtbestehen einer Haftpflichtversicherung, sondern allein darauf ab, dass die Zulassungsstelle durch eine Anzeige, zu deren Erstattung der Versicherer nach § 29 c Abs. 1 StVZO verpflichtet ist, von diesem Umstand "erfährt". Allein den Zugang dieser Anzeige nimmt der Verordnungsgeber zum Anlass, der Behörde ein unverzügliches Handeln zu gebieten. Nur auf diese Weise ist hinreichend sichergestellt, dass Kraftfahrzeuge, für die eine Haftpflichtversicherung nicht abgeschlossen ist, nicht am Straßenverkehr teilnehmen, und dass Verkehrsteilnehmer, die bei Unfällen geschädigt werden, auf jeden Fall einen Versicherungsschutz genießen (BVerwG, Urteil vom 22.10.1992 - 3 C 2.90 -, BVerwGE 91, 109; Beschluss vom 24.9.1991 - 3 B 45.91 -, NZV 1992, 253).
Vor diesem rechtlichen Hintergrund kommt es deshalb nicht darauf an, ob - als die Anordnung des Beklagten erging - noch ein Versicherungsverhältnis mit der die Anzeige erstattenden oder einer anderen Versicherung bestanden hat. Darauf zielt aber die Kritik des Klägers an der erstinstanzlichen Entscheidung, der geltend macht, dass tatsächlich durchgängig ein Versicherungsverhältnis bestanden habe. Davon abgesehen hatte der Beklagte bei Erlass der angegriffenen Verfügung auch keinen Grund zu der Annahme, der Kläger unterhalte noch ein Versicherungsverhältnis mit der Allianz Versicherungs-AG, nachdem er eine Versicherungsbestätigung der Aachener und Münchener Versicherung AG und später deren Anzeige nach § 29 c StVZO erhalten hatte. Erst am 16. Februar 2004 ging bei ihm eine Versicherungsbestätigung der Allianz Versicherungs-AG ein, in der als Beginn des Versicherungsschutzes der 1. Januar 2004 angegeben wird. Für die entstandenen Unklarheiten über das Bestehen eines Haftpflichtversicherungsschutzes, die ihre Ursache in der misslungenen Kündigung des Versicherungsvertrages des Klägers mit der Allianz Versicherungs-AG zum Jahresende 2003 hatten, hat nicht die Zulassungsstelle einzustehen, die - wie dargelegt - aufgrund der materiell-rechtlichen Vorgaben der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung nicht zu einer Überprüfung der Richtigkeit der Mitteilung des Versicherers verpflichtet ist. Vielmehr trifft den Kraftfahrzeughalter die Pflicht, seinerseits für den ununterbrochenen Nachweis eines Versicherungsschutzes bei der Zulassungsstelle Sorge zu tragen.
Streitwertbeschluss:
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 32,-- EUR festgesetzt.