Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 29.06.2006, Az.: 13 LB 75/03

Heranziehung zu Wasserentnahmegebühren; Aushub von Baugruben zur Herstellung von Kellergeschossen für noch zu errichtende Gebäude; Einrichtung von Tiefendrainagen; Wasserbenutzung in Form einer Grundwasserabsenkung; "Grobes Missverhältnis" der geschuldeten Gebühr zu dem von ihr erzielten Vorteil

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
29.06.2006
Aktenzeichen
13 LB 75/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2006, 19905
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2006:0629.13LB75.03.0A

Fundstellen

  • BauR 2006, 1942 (amtl. Leitsatz)
  • FStNds 2006, 730-732
  • NordÖR 2006, 512-514 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZFW 2007, 239-242 (Volltext mit amtl. LS)
  • ZfW 2008, 32
  • ZfW 2007, 239-242 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Heranziehung zu Wasserentnahmegebühren für die (Grund-)Wassernutzung zum Zweck der sog. Wasserhaltung - Freihalten von Baugruben durch Abpumpen des Grundwassers - findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 4 Abs. 1 Nr. 7, 47 Abs. 1 NWG und § 47 a NWG i.V.m. der Anlage "Verzeichnis der Gebühren der Wasserentnahme", dort unter Nr. 3.1 (Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser zur Wasserhaltung).

  2. 2.

    Unerheblich ist, dass das Grundwasser unmittelbar in einen Vorfluter geleitet wird, ohne dieses zu verbrauchen oder zu verändern.

  3. 3.

    Eine Beeinträchtigung der Resource "Grundwasser" erfolgt durch seine Umwandlung in die weniger schützenswerte Resource "Oberflächenwasser".

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen Wasserentnahmegebührenbescheide des Beklagten.

2

Sie errichtete als Bauträgerin in dem Baugebiet "G." der Gemeinde H. Wohnhäuser. Baugrund und Grundwasserverhältnisse erforderten zur Herstellung von Kellergeschossen eine für die Bauzeit vorübergehende Grundwasserabsenkung durch eine um die Baugrube herum eingerichtete sog. Tiefendränage, mit der das Grundwasser abgepumpt und in den "Neuen Graben", ein Gewässer III. Ordnung in der Gemeinde H., eingeleitet wurde. Dafür hatte der Beklagte der Klägerin je auf ein Bauvorhaben bezogene Erlaubnisse nach §§ 3, 4 und 10 NWG erteilt, in denen Verwaltungsgebühren nach dem Niedersächsischen Verwaltungskostengesetz festgesetzt worden sind. Diese hat die Klägerin nach Grund und Höhe nicht angefochten.

3

Unter Nr. 6 der wasserrechtlichen Genehmigungsbescheide gab der Beklagte der Klägerin auf, zur Kontrolle der geförderten Wassermenge Wasseruhren zu installieren, die täglich abgepumpte Wassermenge aufzuzeichnen und diese mitzuteilen. Die Genehmigungsbescheide enthalten ferner den Hinweis, dass der Beklagte für das Land Niedersachsen gemäß § 47 NWG für (Wasser-)Benutzungen nach § 4 NWG eine Gebühr erhebe, deren Höhe sich nach dem Verzeichnis zu § 47 a NWG richte und mit gesondertem Bescheid festgesetzt werde. Diese (sechs) Bescheide sind Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits:

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Mit Wasserentnahmegebührenbescheiden vom 24. Oktober 1995 (6.913,15 DM), 16. Juli 1996 (2.527,50 DM), 19. März 1997 (5.032,35 DM) und 22. Mai 1997 (3.895,60 DM), 12. Mai 1998 (3.192,80 DM) und zuletzt vom 15. April 1999 (3.780,55 DM) - insgesamt also über 25.341,95 DM - veranlagte der Beklagte die Klägerin auf der Basis der durchgeführten Messungen und Mitteilungen über die über Tiefendränagen abgepumpten Wassermengen zu 0, 05 DM je cbm gemäß dem Gebührenverzeichnis als Anlage zu § 47a NWG und dem dort unter Nr. 3.1 aufgeführten Verwendungszweck "zur Wasserhaltung".

5

Dagegen legte die Klägerin jeweils Widerspruch ein, über die die Bezirksregierung Lüneburg zunächst nicht entschied, um eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit des Schleswig-Holsteinischen Wassergesetzes abzuwarten. Nachdem der Beklagte die Klägerin am 3. März 1999 für die bis 1998 ergangenen Bescheide zur Zahlung aufgefordert hatte, begehrte sie die Aussetzung der Vollziehung nach § 80 Abs. 4 VwGO. Dies lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 22. März 1999 ab.

6

Die Aussetzungsanträge der Klägerin hatten hinsichtlich der ersten fünf Gebührenbescheide Erfolg (rechtskräftiger Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 30.3.1999 - 3 B 594/99 -); hinsichtlich des Gebührenbescheides vom 15. April 1999 blieb der Antrag ohne Erfolg, weil die behördliche Entscheidung nach § 80 Abs. 4 VwGO fehlte.

7

Am 9. August 1999 hat die Klägerin jeweils Untätigkeitsklage gegen die zeitlich ersten fünf Bescheide erhoben (3 A 1338/99, 1364 bis 1367/99) und sie auf den die Widersprüche zurückweisenden Bescheid der Bezirksregierung Lüneburg vom 5. Oktober 1999 erweitert. Gegen den Bescheid vom 15. April 1999 hat die Klägerin am 4. November 1999 Klage erhoben (3 A 1827/99), nachdem ihr Widerspruch in dem Widerspruchsbescheid vom 4. November 1999 erfolglos geblieben war.

8

Zur Begründung hat die Klägerin im Wesentlichen vorgetragen: Die Erhebung von Wasserentnahmegebühren für die Grundwasserabsenkungen sei rechtswidrig. Es fehle schon an einer Benutzung des Grundwassers i.S. des § 4 Abs. 1 NWG. Zweck der Entnahme sei nicht die Nutzung, sondern das schlichte Ableiten des Wassers in den Vorfluter und damit dessen Rückführung in den natürlichen Wasserkreislauf. Veränderungen, Verunreinigungen, Erwärmungen etc. seien damit nicht verbunden gewesen. Sie nutze das Gemeingut Grundwasser nicht, so dass auch der Ausgleichsgedanke, der zur Rechtfertigung einer Gebührenerhebung herangezogen werde, nicht zum Tragen komme. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum sog. "Wasserpfennig" (BVerfGE 93, 319 ff. [BVerfG 07.11.1995 - 2 BvR 413/88]) sei nicht einschlägig. Dort sei es um die Wassernutzung als Kühlwasser bzw. um die Wasserentnahme für einen Produktionsprozess gegangen.

9

In Niedersachsen fehle es an einer Rechtsgrundlage für die Gebührenerhebung bei einer Grundwasserabsenkung. § 47 Abs. 1 NWG habe nur die Fälle der Gewässerbenutzung nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 und 7 NWG der Gebührenpflicht unterworfen. Die Grundwasserabsenkung, die in § 4 Abs. 2 Nr. 1 NWG lediglich als Benutzung "gelte", sei nicht gebührenpflichtig. In § 4 Abs. 2 Nr. 1 NWG sei das Absenken von Grundwasser besonders aufgeführt. Das schließe es aus, dass dieser Fall von § 4 Abs. 1 Nr. 7 NWG erfasst sei. Die Spezialnorm für die Grundwasserabsenkung, auch wenn sie mit dem Ableiten des in die Baugrube laufenden Wassers verbunden sei, werde danach in der gebührenrechtlichen Ermächtigungsnorm nicht genannt. Im Übrigen bestünden auch verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit einer Wasserentnahmegebühr in den Fällen notwendiger Grundwasserabsenkung zur Trockenhaltung einer Baugrube aus Anlass der Erstellung der Kellersohle und des Kellermauerwerks. Der von dem Beklagten zur Begründung herangezogene Ausgleichsgedanke für eine Gebührenpflicht könne lediglich für die Verwaltungsgebühren für die Genehmigung der Maßnahme nutzbar gemacht werden. Bei der Absenkung hingegen verbringe der Bauherr das Grundwasser nicht von einem Medium in das andere, sondern es gelange zwangsläufig in die Baugrube. Von einer Benutzung könne schon nach der gebotenen wörtlichen Auslegung nicht die Rede sein.

10

Das Verwaltungsgericht hat die (sechs) Klagen durch Beschluss vom 7. Februar 2000 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem führenden Aktenzeichen 3 A 1338/99 verbunden.

11

Die Klägerin hat beantragt,

die Wasserentnahmegebührenbescheide des Beklagten vom 24. Oktober 1995, 16. Juli 1996, 19. März und 22. Mai 1997, 12. Mai 1998 und 15. April 1999 i.d.F. des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Lüneburg vom 5. Oktober 1999 aufzuheben.

12

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

13

Zur Begründung hat er sich im Wesentlichen auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides bezogen und herausgestellt: Ermächtigungsgrundlage für die Wasserentnahmegebühren sei § 47 Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 7 NWG. Das "Zutagefördern von Grundwasser" sei gebührenpflichtig. Dies sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich.

14

Mit Urteil vom 3. März 2000 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die im einstweiligen Rechtsschutzverfahren vertretene Rechtsauffassung halte das Gericht nicht mehr aufrecht. Die Gebührenforderungen des Beklagten für die (Grund-)Wasserbenutzung der Klägerin sei dem Grunde nach gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 7, 47 Abs. 1 NWG und der Höhe nach gemäß § 47 a NWG i.V.m. der Anlage "Verzeichnis der Gebühren der Wasserentnahme" Nr. 3.1 (Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser "zur Wasserhaltung" - 0,05 DM je qm³) rechtmäßig.

15

Aufgrund des Ausgleichs-, aber auch des Lenkungsgedankens dürfe der Landesgesetzgeber die Benutzung (auch) von Grundwasser in verfassungsgemäßer Weise der Gebührenpflicht unterwerfen. Mit der Wasserentnahmegebühr werde der Sondervorteil des Grundwasserbenutzers ganz oder teilweise abgeschöpft, den er aus der Ressource Grundwasser als einem Gut der Allgemeinheit ziehe. Für die streitige Wasserentnahmegebühr sei § 47 Abs. 1 NWG die einschlägige und rechtmäßige Ermächtigungsgrundlage, die durch das genannte Gebührenverzeichnis in hinreichend bestimmter Weise ausgefüllt sei.

16

Werde das sich in Baugruben sammelnde Grundwasser zur Wasserhaltung abgepumpt und einem oberirdischen Gewässer - Vorfluter - zugeführt, betreffe dies ein Zutagefördern von Grundwasser und damit eine der gesetzlich definierten Benutzungsarten von Grundwasser nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 NWG = § 3 Abs. 1 Nr. 6 WHG neben dem Entnehmen, Zutageleiten und Ableiten. Allen vier Benutzungsbegriffen liege der tatsächliche Vorgang zugrunde, dass das Grundwasser aus seinem natürlichen Zusammenhang gelöst und entweder an die Erdoberfläche oder in andere Bodenschichten bzw. in oberirdische Gewässer gebracht werde, die bisher mit dem Grundwasser nicht in Verbindung gestanden hätten. Die Gemeinsamkeit aller vier Benutzungsarten liege im konkreten Fall vor, so dass deren Abgrenzung voneinander entbehrlich sei. Als Grundwasserbenutzung lösten sie jeweils übereinstimmend dieselben Rechtsfolgen aus. Deshalb komme es nicht auf das allgemeine Wortverständnis des Wortes "Benutzung" an. Für das Vorliegen einer so definierten Grundwasserbenutzung - Zutagefördern - sei es unerheblich, ob diese Ziel und Absicht der Klägerin sei oder nur "lästig", aber unumgänglich, um andere tatsächliche und wirtschaftliche Ziele zu erreichen. § 4 Abs. 1 NWG = § 3 Abs. 1 WHG erfasse mit dem Rechtsbegriff der "Benutzung" jede Handlung, die zweckgerichtet auf ein Gewässer einwirke. Ferner sei es nicht erforderlich, dass das Grundwasser durch die Benutzung etwa verbraucht oder verändert werde. Es sei unerheblich, dass das Grundwasser ohne Nutzung des Wassers selbst nur abgepumpt und in ein oberirdisches Gewässer eingeleitet werde, da eine Benutzung gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 7 NWG = § 3 Abs. 1 Nr. 6 WHG vorliege. Ob daneben auch eine als Benutzung (lediglich) geltende Einwirkung i.S. von § 4 Abs. 2 Nr. 1 NWG = § 3 Abs. 2 Nr. 1 WHG vorliege, könne dahinstehen. Diese Vorschrift regele gegenüber § 4 Abs. 1 Nr. 7 NWG nicht einen besonderen Fall, sondern sei vielmehr subsidiär. Im Fall des § 4 Abs. 1 Nr. 7 NWG werde das Grundwasser entnommen. Im Fall des § 4 Abs. 2 Nr. 1 NWG werde das Grundwasser nicht entnommen, sondern der Untergrund etwa durch Abspunden oder durch Pressluft trockengehalten.

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Entgegen der Auffassung der Klägerin sei neben dem Lenkungsgedanken hier auch der Ausgleichsgedanke einschlägig. Denn erst aufgrund der Grundwasserabsenkung wachse der Klägerin die (verbesserte) Möglichkeit zum Bauen auf den betreffenden Grundstücken als (wirtschaftlicher) Vorteil zu. Dieser Vorteil dürfe abgeschöpft werden für den Nachteil, der dem Naturhaushalt und der Allgemeinheit zugefügt werde. Denn der Grundwasservorrat werde reduziert und das entnommene Wasser nur teilweise und zeitlich versetzt aus dem oberirdischen Gewässer (Vorfluter) dem Grundwasservorrat erneut zugeführt.

18

Das Urteil ist der Klägerin am 19. Juni 2000 zugestellt worden.

19

Auf den Antrag der Klägerin hat der Senat durch Beschluss vom 27. Januar 2003 - 13 LA 3/03 - die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Dieser Beschluss ist der Klägerin am 3. Februar 2003 zugestellt worden. Nach rechtzeitig beantragter und gewährter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 24. März 2003 hat die Klägerin die Berufung am 21. März 2003 unter Wiederholung und Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens begründet: Sie hält an ihrer Auffassung fest, dass die von ihr vorübergehend während der Gründung der Kellergeschosse vorgenommenen Grundwasserabsenkungen nicht "Benutzungen" i.S. des § 4 Abs. 1 Ziff. 7 NWG (Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser) seien. Schon die wörtliche Auslegung spreche dagegen. § 4 Abs. 1 Ziff. 7 NWG beschreibe Tätigkeiten, die darauf gerichtet seien, in irgendeiner Art und Weise in den Grundwasserhaushalt einzugreifen und mit einer bestimmten Zielsetzung auf das Grundwasser einzuwirken. Die vier aufgeführten Begriffe stünden unter dem Oberbegriff "Benutzungen". Wenn ein Bauherr eine Baugrube aushebe, verfolge er gerade nicht die Absicht, in den Grundwasserhaushalt einzugreifen und Grundwasser zutagezufördern. Der Eintritt von Grundwasser in eine Baugrube sei unerwünscht, weil er nur erhebliche Nachteile bei der Durchführung des Bauvorhabens, insbesondere erhebliche Kosten einer Grundwasserabsenkung, mit sich bringe. Im Übrigen sei in § 47 Abs. 1 NWG durch den Klammerzusatz klargestellt, dass nur solche Benutzungen nach § 4 Abs. 1 Ziff. 7 NWG gebührenpflichtig seien, bei denen es sich um "Wasserentnahmen" handele. Daraus sei eindeutig der gesetzgeberische Wille zu erkennen, unter dem Aspekt der Gebührenerhebung den weiten Begriff der "Benutzungen" i.S. des § 4 Abs. 1 Ziff. 7 NWG einzugrenzen, und zwar auf Wasserentnahmen im eigentlichen Sinne. In einer Grundwasserabsenkung der hier fraglichen Art könne aber eine "Wasserentnahme" gerade nicht gesehen werden. In eine Baugrube eindringendes Grundwasser werde nicht zielgerichtet angefordert und entnommen, sondern es dringe ungewollt und gegen den Willen des Bauherrn in die Baugrube ein. Darüber hinaus entspreche es nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, wenn die Maßnahmen der Klägerin gebührenpflichtig wären, dagegen "echte Wasserentnahmen" der in § 47 Abs. 2 NWG beschriebenen Art, die erheblichere Eingriffe in den Grundwasserhaushalt zum Gegenstand hätten und auch einen großen Vorteil nach sich zögen, gebührenfrei gestellt würden.

20

Die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Gerichtsentscheidungen und Literaturmeinungen bezögen sich auf das Wasserhaushaltsgesetz und seien ungeachtet des Umstandes, dass das Niedersächsische Wassergesetz die Regelungen des Wasserhaushaltsgesetzes übernommen habe, im vorliegenden Fall nicht einschlägig. Das Wasserhaushaltsgesetz begründe eine Gebührenpflicht nicht.

21

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 93, 319 [BVerfG 07.11.1995 - 2 BvR 413/88]) bedürften nichtsteuerliche Abgaben einer besonderen Rechtfertigung aus Sachgründen. Wer eine öffentliche Leistung in Anspruch nehme, empfange einen besonderen Vorteil, der es rechtfertige, ihn zur Tragung der Kosten der öffentlichen Leistung heranzuziehen oder die durch die öffentliche Leistung gewährten Vorteile ganz oder teilweise abzuschöpfen. Diese Voraussetzungen lägen im Fall der Klägerin nicht vor. Das bei der Aushebung einer Baugrube ungewollt eindringende und dadurch zutagetretende Grundwasser stelle nicht einen Vorteil, sondern einen enormen Nachteil für den betreffenden Bauherrn dar. Es erschwere die Herstellung von Kellersohle und Kellermauerwerk und habe erhebliche Kosten für die erforderliche Grundwasserabsenkung zur Folge. Deshalb könne in dem Abpumpen des Grundwassers aus der Baugrube nicht ein Vorteil i.S. der vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze zur Gebührenerhebung gesehen werden, der es rechtfertigen könnte, im Wege der Erhebung von Wasserentnahmegebühren auszugleichen. Die Klägerin erhalte keine Vorteile, die es rechtfertigen könnten, diese mit den Wasserentnahmegebühren "abzuschöpfen". Insbesondere treffe die Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zu, in der Möglichkeit des Bauens auf dem Grundstück unter Ausnutzung der genehmigten Grundwasserabsenkung einen Vorteil zu erkennen.

22

Die Klägerin beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und nach ihren erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen,

23

hilfsweise,

den Rechtsstreit im Rahmen einer konkreten Normenkontrolle nach Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.

24

Die Klägerin beantragt ferner,

die Revision zuzulassen.

25

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

26

Er verteidigt das angefochtene Urteil, bezieht sich auf den Inhalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Oktober 1999 und trägt ergänzend Folgendes vor:

27

Der Hinweis der Klägerin auf § 47 Abs. 2 NWG treffe insoweit zu, als die dort aufgeführten Wasserentnahmen zum Teil gravierendere und auch längerfristigere Eingriffe in den Grundwasserhaushalt zum Gegenstand hätten. Jedoch verbänden alle die dort angeführten Maßnahmen die Zielsetzung, der Allgemeinheit Vorteile zu verschaffen bzw. die Allgemeinheit zu schützen. Eine solche Zielsetzung liege im vorliegenden Fall nicht vor. Bei den streitgegenständlichen Grundwasserabsenkungen handele es sich um Einzelmaßnahmen, die der Durchsetzung individueller Interessen, nämlich der Durchführung eines Bauvorhabens, dienten und in den natürlichen Wasserhaushalt eingriffen. Entgegen der Auffassung der Klägerin seien die in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils benannten Gerichtsentscheidungen und Literaturmeinungen hier durchaus einschlägig. Die Auslegung der Begriffe in den §§ 2 und 3 WHG seien Grundlage für die Anwendungen und Auslegungen der Begriffe des § 4 NWG. Denn die Legitimation des Landesgesetzgebers, die Benutzung von Grundwasser in verfassungsgemäßer Weise der Gebührenpflicht zu unterwerfen, erfordere, dass sich die Begrifflichkeiten, die Grundlage der Gebührenerhebungen seien, an den Begrifflichkeiten des Wasserhaushaltsgesetzes orientierten.

28

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

29

Die zugelassene und rechtzeitig begründete Berufung bleibt ohne Erfolg. Der Beklagte hat die Klägerin zu Recht zu Wasserentnahmegebühren herangezogen. Das Verwaltungsgericht hat die dagegen gerichtete Klage mit umfassender und zutreffender Begründung abgewiesen. Das Berufungsvorbringen der Klägerin vermag das nicht zu entkräften. Eine Verfassungswidrigkeit sieht der Senat nicht.

30

Die streitigen Gebührenforderungen des Beklagten für die (Grund-)Wasserbenutzung der Klägerin finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 4 Abs. 1 Nr. 7, 47 Abs. 1 NWG und § 47 a NWG i.V.m. der Anlage "Verzeichnis der Gebühren der Wasserentnahme", dort unter Nr. 3.1 (Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser "zur Wasserhaltung" zu 0,05 DM je cbm). Die Klägerin hat Baugruben ausgehoben mit dem Ziel, Kellergeschosse für noch zu errichtende Gebäude herzustellen. Die Grundwasserverhältnisse in dem Baugebiet "G." waren so, dass diese Baugruben sich zwangsläufig mit Grundwasser gefüllt hätten, was der Errichtung der Kellergeschosse entgegengestanden hätte. Um dies zu verhindern, hat die Klägerin (nach Erteilung entsprechender Genehmigungen gemäß §§ 3, 4 und 10 NWG durch den Beklagten) um die Baugruben herum sog. Tiefendrainagen eingerichtet, mittels derer das Grundwasser abgepumpt und in den "Neuen Graben", ein Gewässer III. Ordnung in der Gemeinde H., eingeleitet wurde. Dieses Vorgehen wird im Bauwesen als "Wasserhaltung" bezeichnet. Insbesondere im Tiefbau werden darunter alle Maßnahmen zur Beherrschung des zustrebenden Wassers während "des Betriebes einer Baugrube" verstanden, wobei zwischen offener und geschlossener (Grundwasserabsenkung) Wasserhaltung unterschieden wird (Wikipedia, http://de.wikipedia.org/wiki/Wasserhaltung). Dies stellt entgegen der Auffassung der Klägerin eine der gesetzlich definierten Benutzungsarten von Grundwasser nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 NWG = § 3 Abs. 1 Nr. 6 WHG, nämlich ein Zutagefördern von Grundwasser, dar. Zutagegefördert wird Grundwasser mit besonderen, dazu bestimmten oder geeigneten Einrichtungen, z.B. mittels Pumpbrunnen. Beispiele sind Wassergewinnungsanlagen, aber auch Wasserhaltungen in Baugruben durch Abpumpen des Grundwassers (Sieder-Zeitler-Dahme, WHG, § 3 Rdnr. 22; Czychowski, WHG, 7. Auflage 1998, § 3 Rdnr. 6).

31

Demgegenüber ist § 4 Abs. 2 Nr. 1 NWG hier nicht einschlägig. Die darauf beruhende Ansicht der Klägerin, wonach eine "Benutzung" i.S. von § 47 Abs. 1 NWG nicht vorliegen würde, ist unzutreffend. In § 4 Abs. 2 Nr. 1 NWG werden bestimmte Einwirkungen auf das Grundwasser als Benutzungen fingiert: "Das Aufstauen, Absenken und Umleiten von Grundwasser durch Anlagen, die hierzu bestimmt oder hierfür geeignet sind". Richtig ist zwar, dass unter dem Absenken von Grundwasser das Gleiche zu verstehen ist wie das in § 4 Abs. 1 Nr. 7 NWG geregelte "Entnehmen ... von Grundwasser." Indessen verweist die Klägerin ohne Erfolg auf die erstgenannte Vorschrift, wonach das Grundwasserabsenken lediglich als Benutzung gelte und deshalb gebührenfrei sei. Einer Gleichsetzung beider Tatbestände steht schon entgegen, dass in § 4 Abs. 2 Nr. 1 NWG auf "Anlagen" abgestellt wird, "die hierzu bestimmt oder hierfür geeignet sind", womit nicht lediglich oberirdische Pumpen gemeint sein können. Soweit allerdings die Nennung desselben Tatbestandes in beiden Vorschriften dennoch zu Unklarheiten führt und gesetzgeberisch verfehlt erscheint, könnte darin mehr als ein redaktionelles Versehen nicht gesehen werden. Mit § 4 Abs. 2 NWG sollen offenbar gerade nicht echte Gewässerbenutzungen, sondern andere Einwirkungen auf Gewässer erfasst werden, die aufgrund ihrer wasserwirtschaftlichen Bedeutung den Benutzungen genehmigungsrechtlich gleichstellt werden (vgl. Breuer, Öffentliches und privates Wasserrecht, 3. Auflage, Rdnr. 246). Die Benutzungsfiktion des § 4 Abs. 2 Nr. 1 NWG greift erst dann ein, wenn ein Fall des § 4 Abs. 1 Nr. 7 NWG nicht gegeben ist, was vorliegend aber - wie dargestellt - der Fall ist. Letztlich kann der Rechtsauffassung der Klägerin, es fehle bereits an dem erforderlichen Gebührentatbestand, auch deshalb nicht gefolgt werden, weil der von ihr verwirklichte Tatbestand des § 4 Abs. 1 Nr. 7 NWG wortgleich in Nr. 3 des "Verzeichnisses der Gebühren für Wasserentnahmen" (Anlage zu § 47a Abs. 1 NWG) enthalten ist: "Entnehmen, Zutagefördern, Zutageleiten und Ableiten von Grundwasser", wobei es in Nr. 3.1 um den Tarif für den Zweck der "Wasserhaltung" geht. Dadurch wird der Wille des Gesetzgebers deutlich, die "Wasserhaltung" § 4 Abs. 1 Nr. 7 NWG zuzuordnen.

32

Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt ihr Abpumpen von Grundwasser eine zielgerichtete Einwirkung dar. Dabei ist unerheblich, dass das Abpumpen selbst mit erheblichen Kosten verbunden und daher für die Klägerin bzw. den jeweiligen Bauherren unerwünscht ist. Die Grundwassersituation der betroffenen Grundstücke stellt sich als deren situationsbedingte Eigenschaft dar. Entschließt sich der jeweilige Bauherr, in diesem Baugebiet ein Kellergeschoss zu errichten, ist er auf eine Wasserhaltung angewiesen und gezwungen, das Grundwasser zutagezufördern, um es für die Bauzeit abzusenken.

33

Die Gebührenerhebung steht auch in Zusammenhang mit einem Vorteil, den die Klägerin durch Wasserbenutzung in Form der Grundwasserabsenkung für die Errichtung von Kellergeschossen erlangt hat. Unbeachtlich ist, dass die Klägerin das abgepumpte Grundwasser nicht zum Zweck des Verbrauchs oder Gebrauchs zutagegefördert hat. In der Möglichkeit der Errichtung der Kellergeschosse hat die Klägerin einen Sondervorteil erlangt, der durch die Gebührenerhebung abgeschöpft werden darf. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist durch ihre Vorgehensweise auch die Ressource Grundwasser als ein Gut der Allgemeinheit beeinträchtigt worden. Zwar hat sie das Grundwasser weder verunreinigt noch chemisch sowie thermisch beeinflusst, sondern dieses vielmehr unmittelbar in den Vorfluter geleitet. Dabei wurde die Ressource Grundwasser aber zu der weniger schützenswerten Ressource eines Oberflächenwassers verändert. Als Oberflächenwasser ist das ehemalige Grundwasser aber vielfältigen negativen Beeinflussungen durch die Umwelt ausgesetzt und wird letztlich auch nur zu einem Teil dem Grundwasser wieder zugeführt. Der Ansicht der Klägerin, sie habe das Grundwasser in keiner Weise beeinträchtigt, kann daher nicht gefolgt werden.

34

Im Übrigen verkennt die Klägerin, dass das Prinzip der "Vorteilsabschöpfung" durchaus nicht verlangt, dass der Vorteil konkret und aufwandsabhängig festgestellt werden müsste. Der Begriff des "Vorteils" ist vielmehr schon seinem Wesen nach nicht konkret fassbar und auch nicht einzelfallbezogen. Vielmehr wird ein solcher generell unterstellt, was auch sachlich gerechtfertigt ist, da die gebührenpflichtige Wassernutzung ja freiwillig erfolgt - und von der Klägerin unterlassen würde, wäre sie nicht vorteilhaft. Hinsichtlich der konkreten Gebührenhöhe ergibt sich eine Begrenzung nicht aus dem konkreten Vorteil im Einzelfall, sondern aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (gebührenrechtlich: sog. "Äquivalenzprinzip"): Nur wenn die Höhe der von der Klägerin geschuldeten Gebühr in einem "groben Missverhältnis" zu dem von ihr erzielten Vorteil stünde, könnte die Gebührenhöhe (auch) als verfassungswidrig angesehen werden (vgl. BVerfGE 93, 319;  108, 119). Das ist hier nicht der Fall. Da die übrigen, mit der Erhebung einer "Wasserentnahmegebühr" zusammenhängenden Fragen verfassungsrechtlich geklärt sind (BVerfGE 93, 319 [BVerfG 07.11.1995 - 2 BvR 413/88]), kommt eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 GG nicht in Betracht.

35

Nach allem muss die Berufung der Klägerin ohne Erfolg bleiben.