Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 21.06.2006, Az.: 7 KS 61/03

Gewährung einer Entschädigung für den Eingriff in einen landwirtschaftlichen Betrieb durch die Planfeststellung für den Neubau einer Ortsumgehung; Geltendmachung eines Planergänzungsanspruches wegen befürchteter Vermögenseinbußen; Zuerkennung einer Entschädigung für die Zerschneidung einer landwirtschaftlichen Betriebsfläche; Beeinträchtigung eines auf die Vermietung von Fremdenzimmern eingerichteten Gewerbes; Ergänzung eines Planfeststellungsbeschlusses mit einer Entschädigungsklausel für die durch das Vorhaben verursachten Vermögenseinbußen

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
21.06.2006
Aktenzeichen
7 KS 61/03
Entscheidungsform
Endurteil
Referenz
WKRS 2006, 26007
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2006:0621.7KS61.03.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BVerwG - 19.03.2007 - AZ: BVerwG 9 B 20/06

Verfahrensgegenstand

Planfeststellung für den Neubau der Ortsumgehung Schortens im Zuge der B 210

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ein Entschädigungsanspruch aus § 74 Abs. 2 S. 2 VwVfG für den Eingriff in einen landwirtschaftlichen Betrieb oder einen Gewerbebetrieb kommt nicht in Betracht, wenn die befürchteten Wertminderungen bzw. finanziellen Einbußen keine Nachteile sind, die grundsätzlich durch Vorkehrungen im Sinne dieser Vorschrift zu verhindern wären.

  2. 2.

    Ein Entschädigungsanspruch nach § 74 Abs. 2 S. 3 VwVfG wegen der Beeinträchtigung bisheriger Lagevorteile eines Gewerbebetriebs kommt grundsätzlich nicht in Betracht.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht - 7. Senat -
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Juni 2006
durch
den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht Kalz,
die Richterin am Oberverwaltungsgericht Bremer,
den Richter am Oberverwaltungsgericht Dr. Tegethoff sowie
die ehrenamtlichen Richter D. und E.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1-fachen des gegen ihn festzusetzenden Erstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Ergänzung des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses dahingehend, dass der Straßenbaulastträger zu einer umfassenden Entschädigung des Eingriffs in seinen landwirtschaftlichen Betrieb und seinen Gewerbebetrieb verpflichtet wird.

2

Im Jahre 1971 wies der erste Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen im Bereich Jever - Schortens eine verlegte B 210 mit vierstreifigem Querschnitt aus. Das in den Jahren 1972 bis 1974 durchgeführte Raumordnungsverfahren führte zu einer Trasse, die Grundlage des Linienbestimmungsverfahrens war, welches 1976 abgeschlossen wurde. Diese Linienbestimmung war Grundlage eines Vorentwurfs für eine vierstreifige Bundesstraße, der einer gesamtplanerischen Begutachtung unterzogen wurde. Nach einer streckenabschnittsweisen Reduzierung des Querschnitts und einer erneuten gesamtplanerischen Begutachtung wurde im Jahre 1986 die Einleitung eines Planfeststellungsverfahrens beantragt. Wegen damals ungelöster Probleme im Bereich der Verkehrseinheit Schortens wurde dieses Planfeststellungsverfahren in zwei Abschnitte, nämlich den Abschnitt Jever von der L 808 bis zur L 807, und den Abschnitt Schortens von der L 807 bis zur A 29 (Wilhelmshavener Kreuz), aufgeteilt. Der Abschnitt Jever wurde mit Planfeststellungsbeschluss vom 31. März 1992 planfestgestellt und nach seiner Fertigstellung dem Verkehr übergeben, während das für den Abschnitt Schortens noch anhängige Planfeststellungsverfahren mit Bescheid vom 20. Dezember 2000 eingestellt wurde.

3

Bereits am 24. Juli 2000 beantragte das Straßenbauamt Aurich bei der Bezirksregierung Weser-Ems erneut die Durchführung des Planfeststellungsverfahrens für den Neubau der Ortsumgehung Schortens im Zuge der B 210 von Bau-km 9+830 bis Bau-km15+470 zwischen der L 807 bis zur A 29. Für dieses Vorhaben besteht nach dem Fernstraßenausbaugesetz vordringlicher Bedarf. Der Plan lag in der Zeit vom 4. September bis 6. Oktober 2000 öffentlich aus. In der Bekanntmachung wurde darauf hingewiesen, dass zur Vermeidung eines späteren Ausschlusses bis zum 20. Oktober 2000 Einwendungen zu erheben seien. Parallel hierzu gab die Bezirksregierung Weser-Ems Behörden und Vereinigung die Möglichkeit, zum Vorhaben bis zum 24. November 2000 Stellung zu nehmen.

4

Der Kläger erhob mit Schreiben vom 19. Oktober 2000 Einwendungen. Er machte geltend, mit seiner Ehefrau einen auf Pferdehaltung spezialisierten landwirtschaftlichen Betrieb zu bewirtschaften und ein auf die Vermietung von Fremdenzimmern eingerichtetes Gewerbe auszuüben. Zu dem Betrieb gehörten 18,6 ha Grünland, davon 14,6 ha mit Hofanschluss. Davon wiederum stünden rund 5,3 ha in seinem Eigentum, während sich die restlichen 9,3 ha im Eigentum seiner Geschwister befänden und ihm im Rahmen langfristiger Pachtverträge zur Nutzung überlassen seien. Die Baumaßnahme entziehe ihm 11.160 qm Eigentums- und 36.365 qm Pachtflächen dauerhaft sowie 6.551 qm Land vorübergehend. Zudem entstehe eine mit Maschinen nicht mehr erreichbare unwirtschaftliche, in seinem Eigentum stehende Restfläche von 1.594 qm. Ihm verblieben nur noch etwa 3,5 ha unmittelbar am Hofgrundstück liegende Flächen. Die übrigen Flächen seien vom Hof durch die Trasse und den Zubringer abgeschnitten und damit der bisherigen Nutzung nicht mehr zugänglich. Die Existenzen seines landwirtschaftlichen Betriebes und seines Gewerbes seien gefährdet. Die erhöhte Lärmbelastung durch den Verkehr auf der Trasse und den Zubringer mache die Pferdehaltung und die Zimmervermietung unmöglich, zumal die Planfeststellungsbehörde nicht den für Wohngebiete, sondern den für Dorfgebiete maßgebenden Lärmpegel zugrunde gelegt habe. Hinzu komme, dass der Erholungswert eingeschränkt werde, da der Blick nach Westen, Norden und Osten durch die 4,5 m bis 8 m hohen Zubringer und die in einem Meter über das normale Niveau geführte Trasse versperrt werde. Die Ortsumgehung sei nicht erforderlich, da der Verkehr von der Bundesautobahn durch entsprechende Beschilderung vor der Ausfahrt Jever um F. herumgeleitet werde könne. Auch biete sich als Alternative ein Ausbau der bisherigen B 210 an.

5

Nach Durchführung des Erörterungstermins im April und Mai 2001 beantragte das Straßenbauamt Aurich bei der Bezirksregierung Weser-Ems am 3. April 2002 die Durchführung eines Planfeststellungsänderungsverfahrens, das Umplanungen der Anschlussstelle G. und der Überführung H. zum Gegenstand hatte. Der Änderungsplan lag in der Zeit vom 22. April bis zum 22. Mai 2002 öffentlich aus. In der Bekanntmachung wurde darauf hingewiesen, dass zur Vermeidung eines späteren Ausschlusses bis zum 6. Juni 2002 Einwendungen zu erheben seien.

6

Der Kläger hat daraufhin erneut mit Schreiben vom 4. Juni 2002 Einwendungen erhoben. Der Eingriff sei zwar durch die Umplanung erheblich gemildert, da ihm nunmehr nur noch 4.282 qm Eigentums- und 8.546 qm Pachtflächen entzogen würden. Allerdings stelle angesichts der relativ geringen Größe der ihm zur Verfügung stehenden Fläche der Flächenentzug nach wie vor einen nicht zu vertretenden Eingriff dar. Das in seinem Eigentum stehende Flurstück 221/3 werde nur noch über den I. erreichbar sein, wodurch dessen Bewirtschaftung erheblich erschwert werde. Die auf dem Gelände eingerichtete Geländestrecke sei nicht nutzbar, so dass er auf seinem Anwesen die Lehrgänge für Gespannpferde nicht mehr abhalten könne. Die Attraktivität des Anwesens werde erheblich durch die Versperrung des Landschaftsblickes und der zusätzlichen Lärmbelastung infolge des Neubaus der B 210 beeinträchtigt. Er sei nach wie vor der Auffassung, dass die Ortsumgehung nicht erforderlich sei.

7

Im August 2002 führte die Bezirksregierung Weser-Ems einen Erörterungstermin für die im Änderungsverfahren erhobenen Einwendungen und im November 2002 einen ergänzenden Erörterungstermin für diejenigen Einwendungen durch, die im Jahr 1987 eingelegt worden waren, jedoch wegen der Trennung des ersten Planfeststellungsverfahrens in die Abschnitte Ortsumgehung Jever und Ortsumgehung Schortens nicht beschieden worden waren.

8

Mit Beschluss vom 31. Januar 2003 stellte die Bezirksregierung Weser-Ems den Plan nach § 17 des Bundesfernstraßengesetzes i.V.m. den §§ 72 ff. des Verwaltungsverfahrensgesetzes unter zahlreichen Auflagen, der Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach dem Niedersächsischen Naturschutzgesetz, der Erteilung einer Befreiung von den in der Landschaftsschutzgebietsverordnung "FRI 109 J." enthaltenen Verboten und der Erteilung der wasserrechtlichen Erlaubnisse bzw. Genehmigungen und Befreiungen nach dem Niedersächsischen Wassergesetz fest. Die Einwendungen des Klägers, soweit ihnen die Planung nicht Rechnung getragen hatte, wies sie zurück. Der Flächenentzug sei durch die Umplanung auf ein Minimum begrenzt und führe nicht zu einer Existenzgefährdung. Der Eingriff in das Grundeigentum werde durch die Ersatzlandgestellung im Flurbereinigungsverfahren ausgeglichen, da dem Kläger nunmehr 6,6 ha in unmittelbarem Anschluss nördlich des Hofes und westlich der Trasse der B 210 neu bereitgestellt würden. Der freie Zugang zum See sei gewährleistet. Durch die Überführung des K. könnten die östlich der B 210 liegenden Pachtflächen ohne Probleme erreicht werden. Ebenso bestehe die Möglichkeit des leichten Zugangs zum L., um Kutschfahrten durchzuführen oder zu reiten. Die Geländestrecke werde zwar immer noch unterbrochen, könne aber über den I. ergänzt bzw. umstrukturiert werden. Die auf den östlich der Trasse liegenden Pachtflächen vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen sähen eine Extensivierung der Flächen und landschaftspflegerischen Maßnahmen vor, wobei die betrieblichen Abläufe des Reiterhofes berücksichtigt würden. Die maßgeblichen Immissionsgrenzwerte seien ebenso wie die Immissionsgrenzwerte für ein Allgemeines Wohngebiet unterschritten. Die Attraktivität des Reiterhofes könne zwar durch den Bau der B 210 beeinträchtigt sein. Die visuelle Beeinträchtigung halte sie aber nach der Verlegung der Anschlussstelle F. in westliche Richtung hinter den See für zumutbar. Ein Entschädigungsanspruch für verbleibende Umwege und Zerschneidungen von Betriebsflächen werde dem Grunde nach zuerkannt. Eine vergleichende Bewertung der in Betracht kommenden Varianten zeige, dass es keine geeignetere Variante als die Planfeststellungsvariante gebe.

9

Der Kläger hat am 2. April 2003 Verpflichtungsklage erhoben mit dem Ziel, dass der Planfeststellungsbeschluss mit einer Entschädigungsklausel für die durch das Vorhaben verursachten Vermögenseinbußen ergänzt wird. Er erwarte einen erheblichen Schaden für seinen landwirtschaftlichen Betrieb und seinen Gewerbebetrieb, da z.B. Pensionspferde abgezogen würden, Reit- und Fahrunterricht wegen der Zerschneidung des Streckennetzes nicht mehr erteilt werden könne, Reitsportinteressierte wegblieben und Feriengäste nicht wiederkämen. Eine Entschädigung hierzu sei zwar zugesagt worden, aber in dem Planfeststellungsbeschluss nicht vorgesehen. Grundlage des Reiterhofes seien insbesondere das Reitwegenetz sowie die betrieblichen Einrichtungen wie Reit- und Springplätze, die Geländestrecke, die Rennbahn etc. Die Attraktivität des Reiterhofes habe ihre Ursache in den vorhandenen einheitlichen Reitwegen. Diese Reitwege gewährleisteten gerade unerfahrenen Reitern, die auf durchgängige Wege unter Ausschluss des öffentlichen Verkehrs angewiesen seien, einen sicheren Ausritt. Das Vorhaben zerschneide nahezu sämtliche außerhalb des Hofgeländes gelegenen betrieblichen Einrichtungen, insbesondere die Reitwege und Weiden. Hierdurch werde der Betrieb in erheblicher Weise beeinträchtigt, und zwar weniger durch den Umfang der von der Trasse betroffenen Eigentums- und Pachtflächen als vielmehr durch die Zerstörung des Reitwegenetzes, dessen Verlärmung und die von dem Verkehr auf der Trasse ausgehenden Gefahren. Der Betrieb wäre nach Verwirklichung des Vorhabens auch nicht ansatzweise in ähnlicher Form aufrecht zu erhalten. Die Beeinträchtigungen könnten durch Schutzvorkehrungen nicht vermieden werden. Sie führten zu einer nahezu völligen Entwertung seiner in den Betrieben getätigten Investitionen und zu einem gravierenden Eingriff in seine berufliche Existenz. Zwar werde durch die Überführung des M. die Erreichbarkeit der jenseits der Trasse liegenden Flächen erleichtert. Um dessen sichere Benutzung mit Pferden zu gewährleisten, wäre es jedoch geboten, die Brücke mit mindestens 2 m hohen Geländern zu versehen, um zu verhindern, dass durch den fließenden Verkehr verschreckte Pferde von der Brücke auf die darunter liegende Straße springen könnten. Selbst bei Herstellung der Geländer sei für unerfahrene Reiter die Benutzung der Brücke nicht möglich, weshalb auch dann nur eine teilweise Abhilfe gegeben sei.

10

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung Weser-Ems vom 31. Januar 2003 dahingehend zu ergänzen, dass sie verpflichtet ist, ihm dem Grunde nach eine Entschädigung für den Eingriff in seinen landwirtschaftlichen Betrieb und seinen Gewerbebetrieb zuzuerkennen.

11

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Unter Bezugnahme auf die Behandlungen der klägerischen Einwendungen im Planfeststellungsbeschluss entgegnet sie, dass die geltend gemachten erheblichen Vermögenseinbußen nicht schlüssig vorgetragen seien. Über eine Entschädigung für verbleibende Umwege und Zerschneidungen hinaus sei keine allgemeine Entschädigungszusage von Seiten der Planfeststellungsbehörde gemacht worden. Die Voraussetzungen eines Anspruchs nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG habe der Kläger weder dargetan noch lägen sie vor. Der Betroffene habe keinen Anspruch auf Ausgleich aller möglichen Vermögensnachteile.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten (Beiakten A - Z und 1 - 5) verwiesen. Sie waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

14

I.

Die Klage ist zulässig. Der Kläger macht wegen der von ihm befürchteten Vermögenseinbußen einen Planergänzungsanspruch geltend, den er zutreffend im Wege der Verpflichtungsklage verfolgt (vgl. dazu BVerwG, 27.1.1988 - 4 B 7.88 -, Buchholz 442.01 § 29 PbefG Nr. 1, S. 1 <2> = NVwZ 1988, 534 <535>[BVerwG 27.01.1988 - 4 B 7/88]). Er ist auch klagebefugt im Sinne von § 42 Abs. 2 VwGO. Denn er hat Tatsachen vorgebracht, die es jedenfalls nicht als unmöglich erscheinen lassen, dass er einen Anspruch auf die begehrte Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses hat.

15

II.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

16

Dem Kläger steht eine weitergehende Entschädigung als die ihm im Planfeststellungsbeschluss dem Grunde nach zuerkannte nicht zu. Ein darüber hinausgehender Anspruch ergibt sich weder aus § 1 Abs. 1 Satz 1 NVwVfG i.V.m. § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG noch aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Die Beklagte hat gegenüber dem Kläger auch keine entsprechende Entschädigungszusage abgegeben.

17

§ 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG kommt als Anspruchsgrundlage nicht in Betracht. Danach hat der Betroffene Anspruch auf angemessene Entschädigung in Geld, wenn Vorkehrungen und Anlagen, die nach § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich sind, untunlich oder mit dem Vorhaben unvereinbar sind. Dieser Entschädigungsanspruch ist ein Surrogat für nicht realisierbare, weil untunliche oder mit dem Vorhaben unvereinbare technisch-reale Schutzmaßnahmen. Greift § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, der den Anspruch auf Schutzvorkehrungen regelt, tatbestandlich nicht ein, weil die Nachteile ihrer Art nach nicht durch geeignete Schutzvorkehrungen verhindert werden können, ist auch für die Anwendung von § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG grundsätzlich kein Raum (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 6.6.2002 - 4 A 44.00 -, Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 59, S. 33 <35> = NVwZ 2003, 209 <210>[BVerwG 06.06.2002 - 4 A 4/00] = DVBl. 2002, 1494 m.w.N.; Urt. v. 27.11.1996 - 11 A 27/96 -, NVwZ 1997, 917 <918>[BVerwG 27.11.1996 - 11 A 27/96]; Urt. v. 24.5.1996 - 4 A 39.95 -, NJW 1997, 142 <143>[BVerwG 24.05.1996 - 4 A 39/95]). Dementsprechend eröffnen die genannten Vorschriften keinen Anspruch auf Ausgleich aller Vermögensnachteile, welche ein Planungsvorhaben auslöst (so BVerwG, Urt. v. 24.5.1996 - 4 A 39.95 -, NJW 1997, 142 <143>[BVerwG 24.05.1996 - 4 A 39/95]).

18

Vor diesem Hintergrund hat die Beklagte zutreffend in dem Planfeststellungsbeschluss dem Kläger eine Entschädigung dem Grunde nach lediglich für die Zerschneidung seiner Betriebsflächen und für Umwege zuerkannt. Damit sind sämtliche finanziellen Aufwendungen, die dem Kläger für die Neuanlage von Geländestrecken und Einrichtungen wie Spring- und Reitplätze etc. entstehen, zu entschädigen, wenn die bisherigen Geländestrecken und Einrichtungen infolge der Zerschneidung der Betriebsflächen nicht mehr in zumutbarer Weise vom Kläger genutzt werden können. Eine darüber hinausgehende Entschädigung steht dem Kläger nicht zu.

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Die von dem Kläger vorgetragenen befürchteten Wertminderungen bzw. finanziellen Einbußen, die er als Folge einer vorhabensbedingten Minderung der Attraktivität seines Reiterhofes und seines Gewerbebetriebes aufgezeigt hat, sind keine Nachteile, die grundsätzlich durch Vorkehrungen im Sinne von § 74 Abs. 2 Satz 2 VwVfG zu verhindern wären. Vielmehr handelt es sich um wirtschaftliche Nachteile hinsichtlich der weiteren allgemeinen Nutzbarkeit und allgemeinen Verwertbarkeit der im Eigentum des Klägers stehenden und von ihm gepachteten Flächen sowie der hierauf eingerichteten Betriebe.

20

Dies gilt zum einen für diejenigen betriebszugehörigen Flächen und Betriebsteile östlich der geplanten Trasse, die nach den Planungen durch die Überführung des M. zu erreichen sein werden. Der Einwand des Klägers, seine unerfahrenen Reitschüler seien nicht in der Lage, diese Überführung zu nutzen, vermag keinen Entschädigungsanspruch zu begründen, weil die Ausgestaltung der Überführung I. nach den Angaben der Beklagten in der mündlichen Verhandlung noch nicht festgelegt ist und darauf Bedacht genommen werden wird, dass auch Reiter und Fuhrgespanne die Brücke sicher werden überqueren können. Dem entspricht das Ergebnis des Erörterungstermins vom 6. August 2002, wonach "als Auflage in einen zu erstellenden Planfeststellungsbeschluss aufgenommen werden soll, dass auf der Brücke "Überführung I." aus Verkehrssicherheitsgründen (Benutzung der Brücke mit Pferden) durch den Vorhabenträger ein erhöhtes und geschlossenes Geländer anzubringen ist" (vgl. Protokoll der Erörterung vom 5. bis 7. August 2002, S. 11, Beiakte 4). Da also Schutzvorkehrungen möglich sind und insoweit auch nicht von der Beklagten als unverhältnismäßig angesehen werden, scheidet ein Entschädigungsanspruch in dieser Hinsicht bereits deshalb aus.

21

Zum anderen kommt ein Entschädigungsanspruch nach § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG wegen der Beeinträchtigung von Lagevorteilen, die der landwirtschaftliche Betrieb wie auch der Gewerbebetrieb nach den nachvollziehbaren Angaben des Klägers bisher genießen, grundsätzlich nicht in Betracht (vgl. dazu BVerwG. Urt. v. 24.5.1996 - 4 A 39.95 -, NJW 1997, 142 <143>[BVerwG 24.05.1996 - 4 A 39/95]). Ein betroffener Grundstückseigentümer bzw. Gewerbetreibender hat etwaige Gewinneinbußen, die Folge von Beschränkungen bisheriger Lagevorteile sind, auch dann hinzunehmen, wenn er und sein Kundenkreis sich hierauf eingerichtet haben. Nur wenn vorhabensbedingt die Grundstücke bzw. eingerichteten und ausgeübten Betriebe derart schwer und unerträglich betroffen werden, dass jede weitere Nutzung als unzumutbar erscheinen muss bzw. die Beeinträchtigungen zu einer Existenzgefährdung führen, kann etwas anderes gelten und ein Entschädigungsanspruch auf der Grundlage von § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG anzuerkennen sein. Anhaltspunkte hierfür sind jedoch nicht ersichtlich. Die Verlärmung der Nutzflächen des Reiterhofes, die Gefährdung durch den Straßenverkehr, die infolge der Überführung des M. auf ein Minimum reduziert wird, und die optischen Beeinträchtigungen durch die Trasse begründen keine Lagenachteile, die für sich oder in der Summe gesehen zu einer Existenzgefährdung führen. Die Planfeststellungsbehörde hat sich mit der Frage der Existenzgefährdung im Planfeststellungsbeschluss auseinandergesetzt und ausgeführt, dass eine Existenzgefährdung des Betriebes infolge der Umplanung und mit Blick auf die im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens vorgesehene Ersatzlandgestellung gerade nicht mehr zu erwarten ist. Sie hat damit dem Gebot Rechnung getragen, die Frage der Ersatzlandbereitstellung ausnahmsweise im Rahmen planerischer Abwägung in der Planfeststellung zu erörtern und aus entschädigungsrechtlicher Sicht zu bescheiden, wenn der Betrieb durch die Planung in seiner Existenz ernsthaft gefährdet oder vernichtet werden wird und Ersatzland zur Verfügung steht, um die Gefährdung zu vermeiden (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 28.1.1999 - 4 A 18/98 -, NVwZ-RR 1999, 629 <630 f.>[BVerwG 28.01.1999 - 4 A 18/98]). Es bestehen aus diesem Grunde zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich diese Prognose als unzutreffend erweisen könnte und der Kläger statt dessen nicht in der Lage sein wird, seine Betriebe nach der Verwirklichung des Vorhabens zur Vermeidung einer Existenzgefährdung entsprechend umzugestalten und weiterzuführen.

22

Art. 14 Abs. 1 GG gebietet in diesem Zusammenhang weder eine weitergehende Auslegung von § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG noch lässt sich unmittelbar aus dieser Verfassungsnorm ein umfassender Entschädigungsanspruch herleiten, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt dem Kläger die geltend gemachte Entschädigung nicht zuzuerkennen ist. Denn die durch die Systematik des § 74 Abs. 2 Satz 3 VwVfG bestimmte Begrenzung des finanziellen Ausgleichs ist verfassungsgemäß. Es handelt sich um eine zulässige Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums im Sinne von Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Es ist verfassungsgemäß, wenn der Gesetzgeber für enttäuschte wirtschaftliche Erwartungen einen finanziellen Ausgleich nicht vorsieht. Der Gesetzgeber braucht nicht dafür zu sorgen, dass jede durch staatliches Verhalten ausgelöste Wertminderung eines Grundstücks bzw. Gewinneinbuße eines Betriebes ausgeglichen wird, da Art. 14 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht vor einer Minderung der Wirtschaftlichkeit eines Grundstücks oder eines Betriebes schützt und nicht einmal jede wirtschaftlich vernünftige Nutzung gewährleistet. Vielmehr hat der Grundstückseigentümer eine Minderung der Rentabilität seiner Grundstücksnutzung hinzunehmen, selbst wenn die Ursächlichkeit der geminderten Wirtschaftlichkeit durch einen staatlichen Eingriff unzweifelhaft gegeben ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.5.1996 - 4 A 39.95 -, NJW 1997, 142 <143>[BVerwG 24.05.1996 - 4 A 39/95] m. zahlr. N. aus der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung).

23

Die Planfeststellungsbehörde hat im Planfeststellungsverfahren dem Kläger eine umfassende Entschädigung für sämtliche finanziellen Einbußen, die sein landwirtschaftlicher Betrieb und sein Gewerbebetrieb nach Verwirklichung des Vorhabens erleiden werden, auch nicht zugesichert. Die im Planfeststellungsbeschluss enthaltene Entschädigungszusage bezieht sich ausschließlich auf verbleibende Umwege und vorhabensbedingte Zerschneidungen von Betriebsflächen. In den Erörterungsterminen am 7. Mai 2001 und 6. August 2002 sind dem Kläger ausweislich der Protokolle zu den Erörterungsterminen (siehe Beiakte B, S. 46 f. und Beiakte 4, S. 10 f.) ebenfalls keine weitergehenden Zusicherungen gemacht worden.

24

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 10, 709 S. 2, 711 S. 1 und S. 2 ZPO.

25

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.

Streitwertbeschluss:

Der Streitwert wird auf 10.000,00 Euro festgesetzt (§ 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F).

Kalz
Bremer
Dr. Tegethoff