Landessozialgericht Niedersachsen
Beschl. v. 04.12.2001, Az.: L 8 AL 346/01

Zur Rechtmäßigkeit der Aufhebung einer Bewilligung von Arbeitslosengeld wegen fehlender Beschäftigungslosigkeit ; Anspruch auf Zahlung von weiteren Leistungen während der Teilnahme an einer Maßnahme "Ärztin in der Anpassungszeit"; Unzulässigkeit einer Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen
Datum
04.12.2001
Aktenzeichen
L 8 AL 346/01
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2001, 15852
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2001:1204.L8AL346.01.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Osnabrück - 17.05.2001 - AZ: S 4 AL 218/98

Prozessführer

XXX

Prozessgegner

Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg,

der Präsident des Landesarbeitsamtes Niedersachsen-Bremen, Altenbekener Damm 82, 30173 Hannover,

Sonstige Beteiligte

XXX

hat der 8. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle

am 4. Dezember 2001

durch

die Richter D. - Vorsitzender -, E. und F.

gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz

beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 17. Mai 2001 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Streitig ist, ob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) gegenüber der Beigeladenen wegen fehlender Beschäftigungslosigkeit aufheben durfte. Gegen die Entscheidung der Beklagten, mit der diese gleichzeitig einen Antrag der Beigeladenen auf Zahlung von weiteren Leistungen während der Teilnahme an einer Maßnahme "Ärztin in der Anpassungszeit" abgelehnt hatte, wendet sich der Kläger in Prozessstandschaft für die Beigeladene. Vorab ist streitig, ob die Klage wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig ist.

2

Die Beigeladene bezog von der Beklagten seit dem 1. Dezember 1997 Alg. Zum 1. Februar 1998 nahm die Beigeladene ohne Vergütung eine ganztägige Tätigkeit als "Ärztin in der Anpassungszeit" auf. Mit Bescheid vom 18. Ja­nuar 1998 hob die Beklagte die Alg-Bewilligung ab dem 1. Februar 1998 auf, der Widerspruch der Beigeladenen blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 11. Mai 1998). Gegen diese Entscheidung wurde sowohl seitens der Beigeladenen durch deren Prozessbevollmächtigte als auch seitens des Klägers, der für die Beigeladene Sozialhilfeleistungen erbringt, Klage erhoben. Beide Klagen gingen am 11. Juni 1998 beim Sozialgericht (SG) Osnabrück ein. Ausweislich der vergebenen Aktenzeichen erfolgte der Klageeingang für die Beigeladene (S 5 AL 217/98) vor dem Klageeingang durch den Kläger (S 4 AL 218/98). In dem Verfahren S 5 AL 217/98 wurde auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten das Ruhen des Rechtsstreits mit der Begründung angeordnet, es erscheine zweckmäßig, den Ausgang des Verfahrens S 4 AL 218/98 abzuwarten. Zwischenzeitlich ist das Verfahren unter dem Aktenzeichen S 5 AL 283/01 wieder aufgenommen worden und weiter beim SG Osnabrück anhängig. In dem Verfahren S 4 AL 218/98 wurde mit Urteil vom 17. Mai 2001 die Klage als unbegründet abgewiesen.

3

Gegen das ihm am 12. Juni 2001 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner am 12. Juli 2001 eingegangenen Berufung. Auf den gerichtlichen Hinweis, die Klage sei wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig, hat der Kläger vorgetragen, die Beigeladene hätte in dem Verfahren S 5 AL 217/98 nur diejenigen Ansprüche geltend machen sollen, die über der ihr von dem Kläger gewährten Sozialhilfe lagen. In Höhe der Sozialhilfe sei ausschließlich der Kläger aktiv legitimiert, da insoweit der Anspruch der Beigeladenen auf den Kläger übergeleitet worden sei.

4

Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Osnabrück vom 17. Mai 2001 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Beigeladenen über den 31. Januar 1998 hinaus Arbeitslosengeld zu bewilligen.

5

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

6

Sie hält die Klage für unzulässig.

7

Die Beigeladene hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert.

8

Außer den Gerichtsakten lag ein Band Verwaltungsakten der Beklagten (H.), die Beigeladene betreffend, sowie die Gerichtsakten des Verfahrens S 5 AL 283/01 vor. Sie waren Gegenstand des Verfahrens. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Beiakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

9

Der Senat entscheidet gemäß § 153 Abs 4 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.

10

Die Leistungen von mehr als 1.000,00 DM betreffende Berufung ist zulässig (§§ 143, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG), jedoch nicht begründet. Die Klage ist wegen anderweitiger Rechtshängigkeit unzulässig, sodass sie bereits aus diesem Grunde abzuweisen ist. Diese Entscheidung konnte der Senat auch im Rahmen von § 153 SGG treffen, da sich die erforderlichen Voraussetzungen für eine Entscheidung nach § 153 Abs 4 SGG nur auf den Tenor, nicht auch auf die Begründung erstrecken.

11

Die Unzulässigkeit der Klage ergibt sich aus § 94 Abs 1 SGG, § 202 SGG iVm § 17 Abs 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG). Mit Erhebung der Klage durch die Beigeladene wurde die Streitsache rechtshängig (§ 94 SGG). Streitsache in diesem Sinne ist das Begehren auf Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 28. Januar 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 1998 und die Zuerkennung einer Leistung durch die Beklagte (kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage iS von § 54 Abs 1 und 4 SGG). Diese Streitsache kann gemäß § 17 Abs 1 Satz 2 GVG während der Rechtshängigkeit von keiner Partei anderweitig anhängig gemacht werden.

12

Keiner Entscheidung bedarf es im vorliegenden Fall, ob die sog Klagsperre auch für Beigeladene gilt (vgl. zum Meinungstand Meyer-Ladewig, SGG; 6. Aufl. § 94 RdNr 7b). Der Kläger des vorliegenden Rechtsstreits führt die Klage nach § 91a Bundessozialhilfegesetz (BSHG) zwar im eigenen Namen, jedoch wird im Rahmen einer gesetzlichen Prozessstandschaft genau das Recht der Leistungsempfängerin (Beigeladenen) eingeklagt, welches bereits durch diese in dem Rechtsstreit S 5 AL 217/98 anhängig gemacht worden ist.

13

An der Identität der Streitsache und der Beteiligten ändert auch die Tatsache nichts, dass der Kläger für die Beigeladene Sozialhilfeleistungen erbringt. Die Streitsache wird damit nicht tangiert. Insbesondere ist keine Überleitung auf den Kläger erfolgt. Die Vorschriften des Bundessozialhilfegesetztes (BSHG) über den Übergang von Ansprüchen gelten nicht für Ansprüche gegen andere Leistungsträger im Sinne von § 12 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (vgl. ausdrücklich § 90 Abs 1 Satz 1 BSHG). In diesen Fällen sind ausschließlich die Regelungen über die Erstattungsansprüche der Leistungsträger untereinander nach den §§ 102 ff Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) anzuwenden, die keine Überleitungsbestimmungen enthalten. Die Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X greift nur ein, wenn tatsächlich ein Erstattungsanspruch besteht; dieser ist hier jedoch gerade fraglich. Selbst wenn dieser bestehen würde, wäre die Beigeladene nur gehindert, insoweit von der Beklagten die Auszahlung des Alg an sich zu verlangen. Die Geltendmachung des Anspruchs auf Alg und ggf die Auszahlung an den Kläger ist ihr jedoch nicht verwehrt. Sie bleibt Inhaberin des hier streitigen Anspruchs gegenüber der Beklagten.

14

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.