Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 14.01.2004, Az.: 4 B 64/04

Übernahme des Eigenanteils bei einer Substitutionstherapie

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
14.01.2004
Aktenzeichen
4 B 64/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 35792
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2004:0114.4B64.04.0A

Fundstellen

  • ZFSH/SGB 2004, 171-172
  • ZfSH/SGB 2004, 171-172
  • info also 2004, 77 (Volltext mit red. LS)

Verfahrensgegenstand

Drogenentwöhnung (Übernahme des Eigenanteils bei einer Substitutionstherapie)

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 4. Kammer -
am 14. Januar 2004
beschlossen:

Tenor:

Die Antragsgegnerin wird im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig verpflichtet, bis zum 30. Juni 2004 die Rezeptgebühren sowie die Praxisgebühr für das zweite Quartal 2004 für die Durchführung der Substitutionsbehandlung des Antragstellers mit Polamidon zu übernehmen.

Die Kosten des Verfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet werden soll, die vom Antragsteller zu tragenden Eigenanteile für seine Substitutionsbehandlung mit Polamidon zu übernehmen, ist auch begründet.

2

Der Antragsteller hat den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erforderlichen Vorraussetzungen glaubhaft gemacht.

3

Die aus dem Tenor ersichtliche Regelung ist notwendig, um wesentliche Nachteile von dem Antragsteller abzuwenden.

4

Die Eilbedürftigkeit für eine gerichtliche Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ist gegeben, weil der behandelnde Arzt bescheinigt, dass die Medikation mit Polamidon für den Antragsteller lebensnotwendig sei und nicht unterbrochen werden dürfe.

5

In der Sache kann das Gericht angesichts des Umstandes, dass der Antragsteller das ihm verordnete Polamidon verbraucht hat und deshalb eine zeitnahe Entscheidung erforderlich ist, nicht abschließend klären, ob der Antragsteller aufgrund der neuen ab dem 1. Januar 2004 geltenden Fassung des § 1 Abs. 1 Satz 2 der Regelsatzverordnung (vgl. Artikel 29 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, BGBl. I, 2190, 2255) verpflichtet ist, die Eigenanteile für die ärztliche Behandlung und für den Bezug von Medikamenten aus den Regelsatzleistungen selbst zu decken hat. Nach der aktuellen Fassung des § 1 Abs. 1 Satz 2 Regelsatzverordnung umfassen die Regelsätze u.a. auch die Leistungen für Kosten bei Krankheit, bei vorbeugender und bei sonstiger Hilfe, soweit sie nicht nach den §§ 36 bis 38 des Bundessozialhilfegesetzes übernommen werden. Aus der gleichzeitigen Streichung des alten § 38 Abs. 2 BSHG wird deutlich, dass hiervon die auch von Versicherten zu tragenden Eigenleistungen erfasst werden sollen. Es kann gegenwärtig jedoch nicht geklärt werden, ob der Gesetzgeber diese Gesetzesänderungen durchgeführt hat, weil die Höhe der bisherigen und auch noch aktuellen Regelsätze ausreichend sei, um auch diese Eigenanteile tragen zu können, oder ob der Landesgesetzgeber bei der nach § 22 Abs. 2 BSHG gebotenen Festsetzung der Regelsatzhöhe noch berücksichtigen muss, dass künftig auch die zu zahlenden Eigenanteile vom Regelsatz erfasst werden sollen.

6

Vor dem Hintergrund dieser noch offenen Rechtsfrage und angesichts der möglichen Grundrechtsbetroffenheit des Antragstellers ist im Rahmen des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO eine Interessenabwägung durchzuführen, d.h. zu entscheiden, ob eine Regelung nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Dabei sind die Folgen abzuwägen, die eintreten würden, wenn eine einstweilige Anordnung nicht erginge, das Hauptsacheverfahren aber Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, im Hauptsacheverfahren aber der Erfolg zu versagen wäre. Die Abwägung der gegenseitigen Interessen ergibt, dass diejenigen des Antragstellers unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Einzelfalles ein deutlich höheres Gewicht haben. So bescheinigt der behandelnde Arzt dem Antragsteller, dass bereits aus gesundheitlichen Gründen eine Fortführung der Medikation notwendig, wenn nicht gar lebensnotwendig, sei. Hinzu kommt, dass dem Antragsteller durch Beschluss des Landgerichts Braunschweig als Bewährungsauflage aufgegeben wurde, eine Drogentherapie durchzuführen. Dem steht auf Seiten der Antragsgegnerin nur ein geringfügiges monetäres Interesse entgegen, da lediglich die Übernahme der Eigenanteile und nicht der vollständigen Behandlungs- und Medikationskosten im Streit ist.

7

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.

Bartsch
Köhler
Hachmann