Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 22.01.2004, Az.: 3 A 366/02
Bedarf; freier Träger; Förderungsermessen; Gleichbehandlung; Jugendhilfe; Kindertagesstätte; Waldorf-Kindergarten; öffentlicher Träger
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 22.01.2004
- Aktenzeichen
- 3 A 366/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50503
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 24 SGB 8
- § 74 SGB 8
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Die Förderung eines auswärtigen Waldorf-Kindergartens hat unter Berücksichtigung der Grundsätze und Maßstäbe zu erfolgen, die kreisangehörige Gemeinden und Samtgemeinden anwenden, die im Einvernehmen mit dem örtlichen Träger der Jugendhilfe die Aufgabe der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen wahrnehmen.
Tenor:
Der Beklagte wird unter Abänderung der Bescheide vom 20.06.1996 und vom 09.04.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.10.1997 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Förderung der von ihm betriebenen Kindertagesstätte für die Zeit vom 01.08.1996 bis 31.07.1997 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand:
Der Kläger, Träger eines Waldorfkindergartens, begehrt für seinen in der Stadt D. gelegenen Kindergarten für die dort betreuten Kinder aus dem Gebiet des beklagten Landkreises die Gewährung eines Betriebskostenzuschusses für das Kindergartenjahr 1996/1997.
Der Kläger betreibt eine Kindertagesstätte in D., die auch von mehreren Kindern aus dem Bereich des Beklagten besucht wird. Bis zum 31.07.1996 berücksichtigte die Stadt D. bei der Förderung des Klägers auch die aus dem Bereich des Beklagten kommenden Kinder. Für die Zeit ab dem 01.08.1996 lehnt die Stadt D. eine solche Förderung ab. Auf den Antrag des Klägers gewährte daraufhin der Beklagte mit Bescheiden vom 20.06.1996 und 9.4.1997 einen Zuschuss zu den laufenden Betriebskosten in Höhe von 50,00 DM = 25,56 EUR pro Kind und Monat. Gegen diese Bescheide legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, der gemäß § 74 SGB VIII im Wege einer Ermessensentscheidung zu regelnde Förderungsbetrag sei nicht ansatzweise angemessen. Auch sei eine Gleichbehandlung mit anderen Kindergartenträgern erforderlich. Die Kosten pro Kindergartenplatz betrügen im Monat abzüglich eines Eigenanteil von 50.- DM monatlich für waldorfspezifische Ausgaben 488.- DM. Hiervon sei der errechnete Regelelternbeitrag abzuziehen. Die Eltern hätten wegen der darüber hinausgehenden an sich von ihnen zu tragenden Kosten einen Erstattungsanspruch gegen den Beklagten als Jugendhilfeträger, den sie an den Kläger abgetreten hätten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.10.1997 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Hiergegen richtet sich die am 28. November 1997 erhobene Klage. Der Kläger macht geltend, dass er Anspruch auf Förderung in Höhe des ihm nach Abzug des Eigenanteils pro Kindergartenplatz entstehenden Defizits habe. Dem Beklagten, der den Kläger offenbar nicht in seinen Kindergartenbedarfsplänen berücksichtigt habe, sei bekannt, dass es über viele Jahre eine Betreuung von Kindern aus seinem Bereich in der Einrichtung des Klägers gegeben habe. Dies habe der Beklagte bei ordnungsgemäßer Planung berücksichtigen müssen. Dass bis zum Juli 1996 die konkrete finanzielle Förderung von der Stadt D. übernommen worden sei, ändere daran nichts. Der Beklagte könne sich nicht auf seine konkrete niedrigere Bezuschussungspraxis berufen. Aus § 74 Abs. 5 SGB VIII ergebe sich, dass die Förderung des Klägers nach gleichen Grundsätzen und Maßstäben erfolgen müsse, wie dies bei öffentlichen Jugendhilfeeinrichtungen bzw. Kindertagesstätten der Fall sei. Im Bereich des Beklagten erfolge der Hauptanteil der Förderung der Kindertagesstätten durch die Mitgliedsgemeinden. Der Kläger habe einen Anspruch darauf, in gleicher Weise gefördert zu werden. Denn der Beklagte müsse sich die Förderung durch die Mitgliedsgemeinden in entsprechender Anwendung des § 74 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII zurechnen lassen. Darauf, welche direkten Aufwendungen der Beklagte erbringe, komme es nicht an. Die Förderung sei zwar auf diejenige Förderung begrenzt, welche in den kreisangehörigen Gemeinden für die dortigen Kindertagesstätten erfolge. Hierzu müsse aber der Beklagte näher vortragen und diese belegen, insbesondere die gesamte Bandbreite entsprechender Förderung ermitteln.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 20.06.1996 und 09.04.1997 i. d. F. des Widerspruchsbescheides vom 17.10.1997 zu verpflichten, über die Anträge des Klägers auf Förderung der von ihm betriebenen Kindertagesstätte für die Zeit vom 01.08.1996 bis zum 31.08.1997 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, dass die Klage schon deswegen keinen Erfolg haben könne, weil er im Streit befangenen Zeitraum den Kindergarten des Klägers in gleicher Weise gefördert habe wie die Kindertagesstätten in seinem Zuständigkeitsbereich. Er habe als Träger der öffentlichen Jugendhilfe die gesetzliche Jugendhilfeaufgabe nach § 22 SGB VIII (Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen) gemäß § 69 Abs. 5 SGB VIII auf die Einheitsgemeinde E., die Samtgemeinden und die Stadt F. übertragen. Hierfür würden bestimmte vereinbarte pauschalierte Betriebskostenzuschüsse gewährt, nämlich monatlich 50,00 DM für einen Kindergartenhalbtagsplatz und 75.- DM für einen Ganztagsplatz. Diese Bezuschussungspraxis gelte für sämtliche Tageseinrichtungen, und zwar unabhängig davon, ob es sich um kommunale Einrichtungen oder solche von privaten Trägern handele. Es seien in seinem Bereich nicht nur Kindertagesstätten in gemeindlicher Trägerschaft vorhanden, sondern auch Einrichtungen privater Träger. Soweit es sich bei den Kindertagesstätten um gemeindliche Einrichtungen handele, würden diese nach § 6 Abs. 2 NKAG als kostenrechnende. Einrichtungen geführt und die Kosten hierfür nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen ermittelt.
Im Übrigen würde auch eine Ermessensentscheidung wahrscheinlich in der heutigen Zeit nicht zu einer institutionellen Förderung von Kindergartenplätzen beim Kläger führen. Der einzige Gesichtspunkt, der dafür sprechen könne, sei die pädagogische Ausrichtung der Waldorfkindergarten. Bisher sei ein Waldorfkindergarten in seinem Bereich nicht vorhanden. Es habe aber auch keine anhaltende Nachfrage gegeben, die zu der Schaffung einer derartigen Einrichtung in seinem Gebiet hätte führen können. Im Streit befangenen Zeitraum hätten lediglich wenige Kinder aus seinem Bereich den Kindergarten des Klägers besucht. Dieser geringe Anteil bezogen auf eine Gesamtzahl von etwa 4000 Plätzen in Kindertagesstätten in seinem Bereich rechtfertige nicht die gesonderte Einrichtung eines derartigen Kindergartens in seinem Gebiet. Auch das individuelle Wunsch- und Wahlrecht des Kindes bzw. seiner Eltern nach § 5 SGB VIII führe nicht zwangsläufig dazu, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe alle von Kindern aus seinem Gebiet besuchten Kindergartenplätze fördern müsste. Die vom Kläger gewünschte Defizitübernahme würde zudem Kosten mit sich bringen, die gegenüber der praktizierten Förderung von Kindergartenplätzen in seinem Bereich erheblich und völlig unverhältnismäßig hohe Mehrkosten im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 2. Halbs. SGB VIII mit sich brächte. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens nach § 26 SGB VIII i. V. m. § 5 Abs. 1 S. 4 und 5 Niedersächsisches Kindergartengesetz ohnehin nicht auf eine bestimmte Grundrichtung der Erziehung bezogen sei. Auch sei der Anspruch möglichst ortsnah zu erfüllen. In seinem Bereich seien ausreichende Kindergartenplätze vorhanden, um den gesetzlichen Anspruch auf einen Kindergartenplatz sicherzustellen. Deswegen habe keine Veranlassung bestanden, Kindergartenplätze außerhalb seines Bereiches anzubieten oder zu fördern.
Schließlich beschränke sich eine Förderung von Kindertagesstätten im Rahmen des § 74 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII auf die verfügbaren Haushaltsmittel. Bei der Aufstellung der Haushaltspläne der fraglichen Jahre seien lediglich die zur Förderung der angebotenen Kindertagesstätten in seinem Bereich benötigten Haushaltsmittel beantragt und durch den Kreistag im Haushaltsplan zur Verfügung gestellt worden.
Im Einverständnis der Parteien hatte die Kammer das vorliegende Verfahren bis zur Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts über die Revision gegen die Urteile des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 17.05.2000 – Az.:4 L 869/00 und 4 L 841/00- ausgesetzt (vgl. Urteile des BVerwG v. 25.04.2002 – 5 C 17.01 und 5C 16.01).
Die Klage des Klägers gegen die Stadt D. auf Gewährung höherer Fördermittel für das Kindergartenjahr 1995/1996 wurde durch Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Lüneburg vom 19.04.2002 – 12L 2078/00 – rechtskräftig abgewiesen, wobei das Oberverwaltungsgericht in der Urteilsbegründung im Wesentlichen darauf abstellte, dass der Kläger von der Stadt eine anderweitige Förderung nur für die von ihm betreuten „D.er Kinder“ beanspruchen könne. Da die Stadt D. damals – aber nicht mehr im hier streitigen Kindergartenjahr – auch die von auswärtigen Kindern besuchten Kindergartenplätze in die Förderung mit einbezogen hatte, ergab sich schon aus diesem Grund kein höherer Förderanspruch gegen die Stadt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze, die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten und die Niederschrift des Gerichts Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung waren.
Entscheidungsgründe
I. Die zulässige Klage ist begründet.
Die Bescheide vom 20.06.1996 und 09.04.1997 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 17.10.1997 beruhen auf einer fehlerhaften Ermessensentscheidung des Beklagten und sind deswegen rechtswidrig.
Der Beklagte war deswegen zu verpflichten, über den Antrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Der Kläger hat als Träger der freien Jugendhilfe grundsätzlich einen Anspruch auf Förderung nach § 74 SGB VIII. Dafür ist nicht Voraussetzung, dass der Kindergarten im Gebiet des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe gelegen ist. Es genügt, dass er von Kindern aus seinem Gebiet besucht wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.04.2002 – 5 C 17.01 -).
Der Anspruch auf Förderung richtet sich auch gegen den Beklagten als örtlichem Träger der öffentlichen Jugendhilfe und nicht gegen die Gemeinde oder Samtgemeinde, aus der die den Kindergarten besuchenden Kinder stammen und die im Einvernehmen mit dem örtlichen Träger Aufgaben der öffentlichen Jugendhilfe wahrnimmt (Vgl. OVG Lüneburg, B. 27.11.1996 4 M 4787/96; B. v. 16.06.1997, 4 M 1219/97-FEVS 48, 213).
Ebenso wenig ist für den Anspruch auf Förderung nach § 74 SGB VIII Voraussetzung, dass der Kindergarten in die Jugendhilfeplanung des Beklagten nach § 80 SGB VIII aufgenommen worden ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.04.2002, a. a. O.; B. v. l30.12.1996 – BVerwG 5 B 27.96).
Zwischen den Parteien ist nicht umstritten, dass der Kläger die in § 74 Abs. 1 SGB VIII genannten Fördervoraussetzungen grundsätzlich erfüllt, nämlich die fachlichen Voraussetzungen für den Betrieb des Kindergartens, die Gewähr für eine zweckentsprechende und wirtschaftliche Verwendung der Mittel, gemeinnützige Ziele verfolgt und die Gewähr für eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit bietet. In dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Lüneburg vom 19.04.2002 – Az. 12 L 2078/00 -, in dem es ebenfalls um die Förderung des Kindergartens des Klägers ging, diesmal aber durch die Stadt B., wird ebenfalls davon ausgegangen, dass der Kläger die Voraussetzungen des § 74 Abs. 1 SGB VIII grundsätzlich erfüllt.,
Der Förderungsanspruch nach § 74 SGB VIII richtet sich nicht auf eine Förderung des Kindergartens als Einheit, sondern auf eine kindergartenplatzbezogene Förderung. Eine solche Beschränkung auf einzelne Kindergartenplätze ist zulässig, wenn sich die Betriebskosten der Kindertagesstätte kindergartenplatzbezogen errechnen lassen (BVerwG, Urt. v. 25.04.2002, a. a. O.). Eine Förderung nach § 74 SGB VIII muss sich nicht auf den gesamten Kindergarten als Einheit, sondern kann sich auch auf einen in eine Kindergartengruppe eingebundenen, nicht an eine bestimmte Person gebundenen Kindergartenplatz beziehen (BVerwG, Urt. v. 25.04.2002, a. a. O.). Das Bundesverwaltungsgericht verweist hierzu auf § 74 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII, wonach ein Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Förderung nach § 74 SGB VIII unabhängig vom Standort des Kindergartens dazu nutzen kann, ein ausreichendes Angebot an Kindergartenplätzen für die Kinder aus seinem Gebiet sicherzustellen, um ihnen gegenüber seine Verpflichtung aus § 24 Satz 1 SGB VIII erfüllen zu können.
Nach § 74 Abs. 3 SGB VIII entscheidet der im o. g. Sinne zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe über die Art und Höhe der Förderung im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nach pflichtgemäßem Ermessen. Entsprechendes gilt danach, wenn mehrere Antragsteller die Förderungsvoraussetzungen erfüllen und die von ihnen vorgesehenen Maßnahmen gleich geeignet sind, zur Befriedigung des Bedarfs jedoch nur eine Maßnahme notwendig ist. Bei der Bemessung der Eigenleistung ist die unterschiedliche Finanzkraft und es sind die sonstigen Verhältnisse zu berücksichtigen. Nach § 74 Abs. 5 SGB VIII sind bei der Förderung gleichartiger Maßnahmen mehrerer Träger unter Berücksichtigung ihrer Eigenleistungen gleiche Grundsätze und Maßstäbe anzulegen. Werden danach gleichartige Maßnahmen von der freien und der öffentlichen Jugendhilfe durchgeführt, so sind bei der Förderung die Grundsätze und Maßstäbe anzuwenden, die für die Finanzierung der Maßnahmen der öffentlichen Jugendhilfe gelten.
Da es sich danach bei der Entscheidung, ob der Kläger I. dem Grunde nach und wenn ja II. in welcher Höhe einen Anspruch auf Förderung gemäß § 74 Abs. 3 SGB VIII hat, um eine Ermessensentscheidung handelt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 21.08.2000 – 292106/00 -, zitiert nach Juris), ist durch das Gericht zu prüfen, ob die Ablehnung weiterer Förderung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Abs. 1 VwGO).
I. Das Förderermessen des Beklagten ist vorliegend nicht dahingehend reduziert, dass die beantragte Förderung dem Grunde nach dem Kläger zu gewähren ist. Allein die Tatsache, dass im streitigen Kindergartenjahr 1996/97 – wie auch in anderen Jahren – regelmäßig etwa 5 bis 8 Kinder aus dem Kreisgebiet des Beklagten den Kindergarten des Klägers besuchten und dass, da in D. ein weiterer Waldorfkindergarten von mehr als 12 weiteren Kindern aus dem Bereich des Beklagten besucht wurde, stets eine Zahl von Kindern fast in der Größe einer Kindergartengruppe die in D. gelegenen Waldorfkindergärten besuchen, bindet das Förderungsermessen des Jugendhilfeträgers nicht dahingehend, dass er den Kindergarten des Klägers wie alle anderen von einer „planbaren Zahl von Kindern besuchten“ Kindergärten fördern müsste (vgl. hierzu BVerwG, Urt. v. 25.04.2002, a. a. O.).
Da die Kindergartenplätze beim Kläger – wie zwischen den Parteien nicht umstritten ist – in der Jugendhilfeplanung des Beklagten nicht berücksichtigt waren und berücksichtigt worden sind, ist zunächst zu prüfen, ob eine Ablehnung einer Förderung durch den Beklagten dem Grunde nach pflichtgemäßem Ermessen entspricht.
Dabei muss der Beklagte zunächst prüfen, ob der Kindergarten des Klägers zur Befriedigung des Bedarfs an freien und geeigneten Kindergartenplätzen erforderlich war. Denn nur dann, wenn allen Kindern ein anderer freier und geeigneter Platz hätte angeboten werden können und damit mehrere Kindergärten die Fördervoraussetzungen erfüllen, kann nach pflichtgemäßen Ermessen gemäß § 74 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII die Förderung weiterer Maßnahmen (weitere Kindergartenplätze) abgelehnt werden (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.04.2002 a. a. O.).
Eine Förderpflicht kann sich im Hinblick auf den Rechtsanspruch nach § 24 Satz 1 SGB VIII, nach dem jedes Kind vom vollendeten dritten Lebensjahr bis zum Schuleintritt einen Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens hat, dem Grunde nach ergeben, wenn ohne die Kindergartenplätze des Klägers im streitigen Zeitraum keine ausreichenden Kindergartenplätze bereitstanden. Nach den von dem Beklagten eingereichten Unterlagen über den Bedarf an Kindergartenplätzen gab es im fraglichen Kindergartenjahr 1996/1997 in der Stadt F., in G. und in H. Fehlbedarf, in den Gemeinden E. und I. dagegen ein Überangebot an Plätzen. Dieser Fehlbedarf war rechnerisch auch nicht unerheblich, sondern lag z. B. in der Stadt F. bei 233 Plätzen 1996, 202 Plätzen 1997 und 198 Plätzen 1998. In E. gab es dagegen ein Überangebot von 81(1996) 113 (1997) bzw. 128(1998) Plätzen, in der Samtgemeinde I. gab es ein Überangebot von 109 ( 1996), 113 (1997) bzw. 106(1998) Plätzen. Nach dem Entwurf des Kindergartenbedarfsplanes für 1999 bis 2002 ist aber in der Samtgemeinde I. die tatsächliche Nachfrage nach Plätzen so hoch, dass stets alle Plätze belegt sind. Mit dem vorgelegten Zahlenmaterial hat der Beklagte darum sein Vorbringen, allen Kindern aus seinem Bereich, die den Kindergarten des Klägers besucht hätten, habe ein anderer geeigneter freier Platz angeboten werden können, nicht belegt.
Der Anspruch auf einen Kindergartenplatz nach § 24 Satz 1 SGB VIII bezieht sich zwar nicht auf einen bestimmten Kindergartenplatz oder einen bestimmten Kindergarten. Auch das individuelle Wunsch- und Wahlrecht des Kindes bzw. seiner Eltern nach § 5 SGB VIII führt nicht dazu, dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe alle von Kindern aus seinem Gebiet besuchten Kindergartenplätze fördern müsste. Der Anspruch auf den Kindergartenplatz richtet sich auch nicht auf eine bestimmte Grundrichtung der Erziehung und ist nach § 26 SGB VIII i. V. m . § 12 Abs. 1 S. 5 und 6 Nds. KitaG i. d. F. v. 25. September 1995 – Nds. GVBl. S. 304 –, ,jetzt § 12 Abs. 1 S. 4 und 5 Nds. KitaG i. d. F. v. 4. August 1999 – Nds. GVBl. S. 309, möglichst ortsnah zu erfüllen. Standen aber im fraglichen Zeitraum, wovon nach den vorgelegten Unterlagen auszugehen ist, nicht in ausreichendem Umfang Plätze in anderen Kindergärten, die ortsnah zu den Wohnungen bzw. den Arbeitsplätzen der Eltern lagen, zur Verfügung, so war das Förderungsermessen des Beklagten des Beklagten dahingehend reduziert, dass er eine Förderung von Kindergartenplätzen beim Kläger dem Grunde nach vornehmen musste.
Stand dagegen – das wäre vom Beklagten noch nachzuweisen - allen Kindern ein anderer geeigneter und freier Kindergartenplatz zur Verfügung, so sind nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts ( Urt. v. 25.04.2002 a. a. O.) als Ermessensgesichtspunkte unter Anderem zu berücksichtigen:
„Nach § 74 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII ist auf der Grundlage der oben dargestellten Förderungszuständigkeit nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, wenn mehrere Antragsteller die Förderungsvoraussetzungen erfüllen und die von ihnen vorgesehenen Maßnahmen gleich geeignet sind, zur Befriedigung des Bedarfs jedoch nur eine Maßnahme notwendig ist. Folglich kann eine Förderung von weiteren Maßnahmen (von weiteren Kindergartenplätzen) abgelehnt werden, wenn die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Maßnahmen (Kindergartenplätze) bereits vorhanden sind.
Bei sonst gleich geeigneten Maßnahmen soll solchen der Vorzug gegeben werden, die stärker an den Interessen der Betroffenen orientiert sind und ihre Einflussnahme auf die Ausgestaltung der Maßnahme gewährleisten (§ 74 Abs. 4 SGB VIII). Bei der Förderung gleichartiger Maßnahmen mehrerer Träger sind unter Berücksichtigung ihrer Eigenleistungen gleiche Grundsätze und Maßstäbe anzulegen. Bezogen auf Kindergärten sind insbesondere deren Aufgabe und verschiedenen Leistungsangebote in den Blick zu nehmen: In Kindergärten soll die Entwicklung des Kindes zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit gefördert werden (§ 22 Abs. 1 SGB VIII); die Aufgabe umfasst die Betreuung, Bildung und Erziehung des Kindes (§ 22 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII); das Leistungsangebot soll sich pädagogisch und organisatorisch an den Bedürfnissen der Kinder und Familien orientieren; bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sollen die in den Einrichtungen tätigen Fachkräfte und anderen Mitarbeiter mit den Erziehungsberechtigten zum Wohl der Kinder zusammenarbeiten (§ 22 Abs. 3 SGB VIII).
Nach § 79 Abs. 2 Satz 1 SGB VIII sollen die Träger der öffentlichen Jugendhilfe gewährleisten, dass die zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen.
Entsprechend den Vorgaben für die Jugendhilfeplanung in § 80 Abs. 2 Nr. 1 und § 4 SGB VIII gilt für die Ausübung des Förderungsermessens nach § 74 Abs. 3 SGB VIII, dass Kindergartenplätze so gefördert werden, dass Kontakte in der Familie und im sozialen Umfeld erhalten und gepflegt werden können und Mütter und Väter Aufgaben in der Familie und Erwerbstätigkeit besser miteinander vereinbaren können.
Auch ist zu berücksichtigen, dass der Anspruch auf den Besuch eines Kindergartens nach § 26 SGB VIII in Verbindung mit § 12 Abs. 1 Satz 5 und 6 NdsKiTaG in der Fassung vom 25. September 1995 (Nds.GVBl S. 304) - jetzt § 5 Abs. 1 Satz 4 und 5 NdsKiTaG in der Fassung vom 4. August 1999 (Nds.GVBl S. 309) - möglichst ortsnah zu erfüllen ist und sich nicht auf eine bestimmte Grundrichtung der Erziehung richtet.
Bei der Ermessensentscheidung über die institutionelle Förderung von Kindergartenplätzen sind die maßgeblichen Kriterien einzustellen und abzuwägen. So können z.B. für die Förderung eines Kindergartens dessen Ortsnähe, für die eines anderen dessen günstige Verkehrsanbindung zu Arbeitsstätten der Eltern sprechen. Auch kommt der pädagogischen Ausrichtung eines Kindergartens (z.B. gemeindlicher, kirchlicher oder wie hier Waldorfkindergarten) sowie seiner Betreuungsorganisation (z.B. in Bezug auf Vor- und Nachmittagsgruppen) Bedeutung zu. So bedürfte es besonderer Erklärung, warum angebotene Kindergartenplätze mit einer bestimmten Pädagogikausrichtung trotz anhaltender Nachfrage anders als solche mit anderer Pädagogikausrichtung nicht gefördert werden.“
II. Auch die von dem Beklagten getroffene Entscheidung, die Kindergartenplätze beim Kläger nicht in anderer Höhe zu fördern als die Kindergartenplätze in den kreisangehörigen Gemeinden, hält sich nicht im Rahmen der durch § 74 SGB VIII vorgegebenen Grenzen des Ermessens.
Nach § 74 Abs.5 Satz 2 SGB VIII sind bei der „Förderung“ die Grundsätze und Maßstäbe anzuwenden, die für die „Finanzierung“ der Maßnahmen der öffentlichen Jugendhilfe gelten, wenn „ gleichartige Maßnahmen“ von der freien und der öffentlichen Jugendhilfe durchgeführt werden. Diese Vorschrift stellt eine Konkretisierung des allgemeinen Gleichheitssatzes dar und will eine Schlechterstellung von Trägern der freien Jugendhilfe gegenüber Trägern der öffentlichen Jugendhilfe verhindern. Öffentliche Gelder sollen jungen Menschen in der Jugendhilfe möglichst gerecht und gleichmäßig zugute kommen. § 74 Abs.5 stellt keine eigenständige Anspruchsgrundlage dar, enthält aber eine Einschränkung des Förderungsermessens, sowohl was die Förderungsentscheidung im Hinblick auf den Umfang der Förderung selbst als auch was die dafür zur Verfügung zu stellenden Haushaltsmittel betrifft. Diese Einschränkung des Förderungsermessens kann sich zu einem Anspruch verdichten (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 19.04.2002 –12 L 2075/00 m. w. N.). Bei Kindergärten ist danach auf die personellen, räumlichen und sonstigen sachlichen Ausstattungen zu achten, da dies die Merkmale sind, die für die Finanzierung der Maßnahmen der öffentlichen Jugendhilfe von Bedeutung sind. Im vorliegenden Fall weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass der Kindergarten des Klägers mit den in den kreisangehörigen Gemeinden gelegenen Kindergärten oder von diesen betriebenen Kindergärten insoweit nicht vergleichbar ist, als der Beklagte mit der Stadt D. keine Vereinbarung hinsichtlich des Betriebs des Kindergartens getroffen hat. Die Ungleichheit liegt in dem Umstand, dass der Kindergarten des Klägers außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereiches des Beklagten gelegen ist, die Stadt D. seit dem 01.08.1996 eine Förderung des Kindergartens - soweit in diesem auswärtige Kinder untergebracht sind -, nicht mehr vornimmt, während nach den vom Beklagten getroffenen Vereinbarungen mit den kreisangehörigen Gemeinden oder Samtgemeinden, nach denen diese gemäß § 69 Abs. 5 KJHG i.V.m. § 13 AGKJHG die Aufgabe der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen wahrnehmen, diese grundsätzlich die nicht anderweitig gedeckten, über den Anteil des Beklagten hinausgehenden Kosten der Tageseinrichtungen tragen. Auch werden nach den getroffenen Vereinbarungen mit den Gemeinden freie Träger nicht unmittelbar durch den Beklagten gefördert, sondern die Fördersumme wird vom Beklagten zur Weiterleitung an die freien Träger gewährt. Diese Ungleichheit macht die Ermessensentscheidung des Beklagten, den Kindergarten des Klägers lediglich im gleichen Umfang zu fördern wie die in seinem Gebiet gelegenen Kindergärten, ermessensfehlerhaft. Der außerhalb des Bereichs des Beklagten gelegene Kindergarten des Klägers hat einen Anspruch darauf , dass er von dem Beklagten in gleicher Weise gefördert wird, wie dies – in durchschnittlicher Höhe – durch die (Samt)Gemeinden im Bereich des Beklagten geschieht. Das OVG Lüneburg hat in seinem Beschluss vom 16.06.1997 – Az. 4 M 1219/97 – entschieden, dass im Falle der Übertragung der Aufgaben der Förderung von Kindertagesstätten auf die Gemeinden die im Bereich der Kindertagesstätten im Ergebnis von diesen gewährte Defizitförderung in entsprechender Anwendung des § 74 Ab s. 5 Satz 2 SGB VIII dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe zugerechnet werden müsse und dieser einem in seinem Kindergartenbedarfsplan aufgenommen freien Träger, dessen Kindergarten auch tatsächlich für die Bedarfsdeckung erforderlich sei, eine entsprechende Förderung gewähren müsse. Diese Entscheidung ist auf den vorliegenden Fall übertragbar, soweit es um die Höhe der gewährten Förderung geht. Bei der Entscheidung über die Förderungshöhe muss der Beklagte darum zunächst klären, in welcher Höhe andere Träger der freiwilligen oder der öffentlichen Jugendhilfe durch die Jugendhilfeleistungen der Gemeinden und des Landkreises im Kindergartenjahr 1996/1997 öffentlich gefördert wurden, und sodann unter Berücksichtigung der angemessenen Eigenleistung, die sich nach der unterschiedlichen Finanzkraft und den sonstigen Verhältnissen der Träger der freiwilligen Jugendhilfe richtet (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.04.2002 a. a. O.), über die Höhe der Förderung entscheiden.
Er kann die Förderung nicht allein mit der Begründung ablehnen, für eine weitergehende Förderung des Klägers habe es an den verfügbaren Haushaltsmitteln gefehlt. Bei der Entscheidung, welche Haushaltsmittel für die Jugendhilfe insgesamt zur Verfügung stehen, ist die kommunale Gebietskörperschaft trotz ihrer Finanzhoheit nicht völlig frei, sondern sie hat sich nach den Vorgaben des SGB VIII zu richten (Häbel, ZfJ 1997, S. 109, 118). Die Bereitstellung der Haushaltsmittel durch den Kreistag hat ebenfalls nach pflichtgemäßem Ermessen zu erfolgen (VG Frankfurt 02.01.1995, 8 G 3647/4, NVwZ-RR 1995, 532 [VGH Bayern 23.11.1994 - 3 B 463/94]), so dass der Träger der öffentlichen Jugendhilfe über die Art und Höhe der Förderung letztlich im Rahmen der nach pflichtgemäßem Ermessen zur Verfügung zu stellenden Haushaltsmittel entscheidet.
Nach alledem war der Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO iVm §§ 708,711 ZPO.