Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 27.01.2004, Az.: 7 B 46/04

Möglichkeit der Gewährung einer altersabhängigen Teilzeitbeschäftigung bis zum Beginn des Ruhestandes; Pflicht zur Bewilligung von Altersteilzeit für Beamte mit Dienstbezügen; Zulässigkeit der Beantragung der Gewährung von Altersteilzeit im Wege der einstweiligen Anordnung trotz Vorwegnahme der Hauptsache; Entgegenstehen dringender dienstlicher Belange bei Versäumung der Antragsfrist

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
27.01.2004
Aktenzeichen
7 B 46/04
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2004, 35796
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2004:0127.7B46.04.0A

Verfahrensgegenstand

Landesbeamtenrecht
Gewährung von Altersteilzeit

Redaktioneller Leitsatz

Dringende dienstliche Belange für die Versagung von Altersteilzeit für Beamte nach § 80b Abs. 1 S. 1 Nr. 4 NBG liegen vor, wenn dadurch die Sicherstellung der Unterrichtsversorgung durch Lehrer gefährdet ist.

In der Verwaltungsrechtssache
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 7. Kammer -
am 29. Januar 2004
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000 Euro festgesetzt.

Gründe

1

I.

Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Bewilligung von Altersteilzeit.

2

Die am C. geborene Antragstellerin steht als Realschullehrerin im Landesdienst. Mit Formularschreiben vom 26. August 2003 beantragte sie die Bewilligung von Altersteilzeit im so genannten Teilzeitmodell mit der Hälfte der regulären Arbeitszeit zum 01. Februar 2004. Die Antragsgegnerin setzte eine Entscheidung des Antrags zunächst durch Schreiben vom 01. September 2003 aus. Zur Begründung wurde ausgeführt, es zeichne sich ab, dass ab 01. August 2004 nur noch diejenigen Lehrkräfte Altersteilzeit in Anspruch nehmen könnten, die zu diesem Zeitpunkt das 59. Lebensjahr vollendet hätten. Lehrkräften, die am 01. Februar 2004 das 56. Lebensjahr vollendet hätten, könne Altersteilzeit nur bewilligt werden, wenn der Antrag spätestens am 31. Juli 2003 vorgelegen habe. Zu diesem Personenkreis zähle die Antragstellerin nicht.

3

Mit Anwaltsschreiben vom 24. November 2003 und vom 17. Dezember 2003 hielt die Antragstellerin an ihrem Begehren fest, beantragte Hilfsweise, den Beginn der Altersteilzeit auf den 01. August 2004 festzusetzen und trug zur Begründung vor, die alte Rechtslage gelte fort. Die Antragstellerin habe darauf vertraut, zum 01. Februar 2004 in die Altersteilzeit zu wechseln und im Übrigen gebe es keine Rechtsgrundlage für die Ausschlussfrist. Im Bereich der Lehrkräfte sei in der Vergangenheit jeder gestellte Antrag positiv beschieden worden.

4

Die Antragsgegnerin beabsichtigt, den Antrag abzulehnen. Der Schulbezirkspersonalrat lehnte seine Zustimmung zur beabsichtigten Maßnahme durch Beschluss vom 13. Januar 2004 ab. Das Verfahren bei der Einigungsstelle beim Niedersächsischen Kultusministerium ist noch nicht abgeschlossen.

5

Die Antragstellerin hat am 19. Januar 2004 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht und vertieft ihr vorprozessuales Vorbringen. Ergänzend wird vorgetragen: Ein Anordnungsgrund sei gegeben. Es sei der Antragstellerin angesichts des kurzfristig bevorstehenden Termins des Altersteilzeitbeginns nicht zuzumuten, das Hauptsacheverfahren abzuwarten. Sie habe auch einen Anordnungsanspruch. Es sei nicht erkennbar, welche Belange der Personalplanung durch die Antragstellung am 26. August 2003 kurz nach Ablaufen der Frist zum 31. Juli 2003 berührt sein könnten. § 80 b Abs. 4 NBG erlaube lediglich einzelne Beamtengruppen im funktionellen Sinne von der Altersteilzeit auszunehmen. Die Zugehörigkeit zu einer Gruppe lasse sich nicht über den Zeitpunkt der Antragstellung bestimmen. Die Antragsgegnerin habe ermessensfehlerhaft den Einzelfall nicht geprüft.

6

Die Antragstellerin beantragt,

die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin auf Grund ihres Antrages vom 26. August 2003 Altersteilzeit mit Wirkung ab dem 01. Februar 2004 zu bewilligen.

7

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

8

Sie erwidert: Das Nds. Kultusministerium habe durch einen Erlass vom 05. Dezember 2003 von der Möglichkeit des § 80 b Abs. 4 NBG, einzelne Beamtengruppen des Schuldienstes von der Altersteilzeit im Interesse der Unterrichtsversorgung auszunehmen, Gebrauch gemacht und nach dem 31. Juli 2003 eingegangene Anträge von der Altersteilzeit zum 01. Februar 2004 ausgenommen. Da eine unerwartet hohe Anzahl von Lehrkräften Anträge auf Altersteilzeit zum 01. Februar 2004 gestellt hätten, was im Fall der Bewilligung zu nicht mehr hinnehmbaren Einbußen in der Unterrichtsversorgung geführt hätte, sei man von der bisherigen Praxis, auch innerhalb der Sechsmonatsfrist Anträge zu bewilligen, abgewichen. Die Antragstellerin könne keinen Vertrauensschutz beanspruchen. Sie könne nach der geltenden Regelung zum 01. August 2005 Altersteilzeit in Anspruch nehmen.

9

II.

Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat keinen Erfolg.

10

Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands treffen, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen notwendig erscheint. Dazu sind nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 254 ZPO sowohl der durch die einstweilige Anordnung zu sichernde Anspruch (Anordnungsanspruch) als auch der Grund, weshalb die einstweilige Anordnung ergehen soll (Anordnungsgrund) glaubhaft zu machen, d.h. mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darzutun.

11

Die Antragstellerin hat einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Angesichts des kurzen Zeitraums bis zum Beginn der begehrten Altersteilzeit am 01. Februar 2004 ist es ausnahmsweise trotz Vorwegnahme der Hauptsache zulässig, im Wege der einstweiligen Anordnung die Gewährung von Altersteilzeit zu beantragen. Würde die Kammer der Antragstellerin Rechtsschutz erst nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens gewähren und müsste die Antragstellerin deshalb zunächst weiterhin die volle Stundenzahl unterrichten, würde ihr auch bei Obsiegen in der Hauptsache ein nicht mehr gutzumachender Nachteil entstehen.

12

Vorliegend fehlt es aber an einem Anordnungsanspruch. Die Antragsgegnerin hat die Antragstellerin zu Recht von der Gewährung der Altersteilzeit zum 01. Februar 2004 ausgeschlossen.

13

Gemäß § 80 b Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Beamtengesetzes in der Fassung des Gesetzes zur Änderung besoldungs- und anderer dienstrechtlicher Vorschriften und des Ministergesetzes - NBG - vom 31. Oktober 2003 (Nds. GVBl. S. 372) kann Beamten mit Dienstbezügen auf Antrag, der sich auf die Zeit bis zum Beginn des Ruhestandes erstrecken muss, altersabhängige Teilzeitbeschäftigung (Altersteilzeit) bewilligt werden, bei teilzeitbeschäftigten und begrenzt dienstfähigen Beamten mit der Hälfte der zuletzt festgesetzten Arbeitszeit, sonst mit der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit, höchstens jedoch mit der Hälfte der durchschnittlichen Arbeitszeit der letzten drei Jahre, wenn der Beamte das fünfundfünfzigste Lebensjahr vollendet hat (Nr. 1), die Altersteilzeit vor dem 1. Januar 2010 beginnt (Nr. 2), die Altersteilzeit zum Abbau des Personalüberhangs beiträgt (Nr. 3) und dringende dienstliche Belange nicht entgegenstehen (Nr. 4). Nach Satz 4 ist auf Beamte im Schuldienst Satz 1 Nrn. 1, 2 und 4 mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass Altersteilzeit zum 01. Februar 2004 erst nach Vollendung des 56. Lebensjahres und ab dem 01. August 2004 erst nach Vollendung des 59. Lebensjahres bewilligt werden darf. Gemäß § 80 b Abs. 4 NBG kann die oberste Dienstbehörde im Interesse der Unterrichtsversorgung einzelne Beamtengruppen des Schuldienstes von der Altersteilzeit ausnehmen.

14

Nach Maßgabe dieser Vorschriften ist die Versagung der Gewährung von Altersteilzeit im Fall der Antragstellerin rechtlich nicht zu beanstanden. Zwar erfüllt sie die Voraussetzungen des § 80 b Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 2 i.V.m. Satz 4 NBG. Allerdings stehen dem Begehren dringende dienstliche Belange (§ 80 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 i.V.m. Abs. 4 NBG) entgegen, die eine Ablehnung des Antrages wegen Versäumung der Antragsfrist gebieten.

15

Das Vorliegen dringender dienstlicher Belange ist negatives Tatbestandsmerkmal des § 80 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 NBG. Dem Dienstherrn ist bei der Beurteilung der dienstlichen Belange ein gewisser Spielraum eingeräumt, der durch die Verwendung des Begriffs "dringend" auf Fälle einer gewissen Bedeutung eingeschränkt ist. Diesen Spielraum hat die Antragsgegnerin nicht verletzt. Sie hat in der Antragserwiderung, mit der sie das Begehren der Antragstellerin endgültig abgelehnt hat, dargelegt, dass die Bestimmung eines maßgeblichen Zeitpunktes des Antragseingangs der Sicherstellung der Unterrichtsversorgung dient. Sie hat dabei auf einen Erlass des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 05. Dezember 2003 (Az.: 104-03 070/1 (9)) abgestellt. In dem Erlass wird angeführt, dass angesichts der unerwartet großen Anzahl von Lehrkräften, deren Anträge auf Altersteilzeit zum 01. Februar 2004 erst nach dem 31. Juli 2003 und damit nach Ablauf der (sechsmonatigen) Antragsfrist (vgl. Merkblatt über Altersteilzeit für Lehrkräfte im Beamtenverhältnis vom 14. September 2000, SVBl. 2000, S. 477, 482) bei den Bezirksregierungen eingegangen sind, im Falle der Bewilligung dieser Altersteilzeitanträge zu nicht mehr hinnehmbaren Einbußen in der Unterrichtsversorgung führen würde, weil Haushaltsmittel für Ersatzeinstellungen nicht mehr zur Verfügung stünden. Diese Argumentation ist nachvollziehbar, zumal die Haushaltsbestimmungen (Rd. Erl. d. MF v. 05. April 2002 - Richtlinie für die Haushaltsführung im personalwirtschaftlichen Bereich, Nds. MBl. S. 459) in Ziff. 6.12 ausdrücklich vorsehen, dass Ersatzeinstellungen nur in dem Umfang vorgenommen werden dürfen, wie aus den Bezügeeinsparungen der altersteilzeitbeschäftigten Lehrkräfte bzw. Stellenanteile frei werden und verbleibende Deckungslücken in der Unterrichtsversorgung durch Veränderung der Altersermäßigungsregelung und nicht durch haushalts- oder stellenmäßige Folgen kompensiert werden. Damit kommt zum Ausdruck, dass der Dienstherr keine zusätzlichen Mittel bereitstellen will, um durch Altersteilzeit entstehende Lücken der Unterrichtsversorgung aufzufangen. Vorliegend ist der Dienstherr zu der auch von der Antragstellerin nicht bestrittenen Einschätzung gelangt, dass die Heraufsetzung der Altersgrenze für die Inanspruchnahme der Altersteilzeit durch Art. 2 des Gesetzes vom 31. Oktober 2003 (Nds. GVBl. S. 372) zu einer Häufung von Anträgen unmittelbar vor In-Kraft-Treten der gesetzlichen Neuregelung geführt hat, die im Falle der Bewilligung zu einer Gefährdung der Unterrichtsversorgung führen würde. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn sie zur Steuerung auf einen bestimmten Zeitpunkt der Antragstellung abstellt.

16

Die Einwände der Antragstellerin greifen nicht durch.

17

Bereits in der Vergangenheit hat die Antragsgegnerin die Vorlage der Anträge mindestens sechs Monate vor Beginn der Altersteilzeit angefordert (Ziff. 1.4 des Merkblatts vom 14. September 2000, SVBl. 2000, S. 477, 482).

18

Darauf, dass die Antragsgegnerin mitunter Altersteilzeit bei Nichteinhaltung der Frist bewilligt hat, kommt es vorliegend nicht an, weil sie ihre Praxis geändert hat und Anhaltspunkte für eine Ungleichbehandlung der Antragstellerin gegenüber anderen Beamten in vergleichbarer Situation im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung weder ersichtlich noch vorgetragen sind.

19

Die Antragstellerin dringt auch nicht mit ihrem Vorbringen durch, § 80 b Abs. 4 NBG sei in dem Sinne funktional zu verstehen, dass der Dienstherr nur einzelne Beamtengruppen von der Altersteilzeit ausnehmen, aber nicht bestimmte Fristen für die Antragstellung festlegen dürfe. Auf das Eingreifen dieser Vorschrift kommt es nicht an, weil die Gründe für die Ablehnung der Gewährung von Altersteilzeit jedenfalls unter die entgegenstehenden dienstlichen Belange (§ 80 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 NBG) fallen.

20

Bei dieser Sachlage kommt es auf die von der Antragstellerin geltend gemachten Ermessensfehler nicht an, weil sowohl die dringenden dienstlichen Hinderungsgründe (§ 80 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 NBG) als auch die Entscheidung des Dienstherrn, im Interesse der Unterrichtsversorgung einzelne Beamtengruppen des Schuldienstes von der Altersteilzeit auszunehmen (§ 80 b Abs. 4 NBG), auf der Tatbestandsseite der Norm angesiedelt sind und dem zwingenden Recht angehören.

21

Schließlich bleibt auch für den von der Antragstellerin geltend gemachten Vertrauensschutz kein Raum, denn sie musste angesichts der allgemein bekannten dramatischen Haushaltslage und dem Lehrermangel damit rechnen, dass der Dienstherr die Vergünstigungen durch die Altersteilzeit reduziert.

22

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, [...].

Streitwertbeschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 4.000 Euro festgesetzt.

[D]ie Streitwertfestsetzung [beruht] auf § 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG.

Müller-Fritzsche
Dr. Nagler
Dr. Allner