Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 23.01.2004, Az.: 2 A 387/02
Baugenehmigung; Gebot der Rücksichtnahme; Grünfläche; Lärm; Missbrauch; Nachbarschutz; Parkanlage; Spielfläche; Spielplatz; Wohngebiet
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 23.01.2004
- Aktenzeichen
- 2 A 387/02
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2004, 50684
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- nachfolgend
- OVG - 29.06.2006 - AZ: 9 LA 113/04
Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs 1 BImSchG
- § 22 Abs 1 Nr 1 BImSchG
- § 15 Abs 1 S 2 BauNVO
- § 1 Abs 6 BauGB
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Verfahrenskosten; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des gegen sie festzusetzenden Kostenerstattungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Kläger wenden sich gegen die ihrer Ansicht nach von einem öffentlichen Spielplatz ausgehende Lärmbelästigung.
Sie sind Miteigentümer des mit einem Wohngebäude bebauten Grundstücks F. in G. (Gemarkung H. Flur I., Flurstück J.). Das Grundstück liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans K. (RA L.). Das Grundstück grenzt an das der Beklagten gehörende Grundstück mit der Flurstücksbezeichnung M. und einer Größe von 7.575 m². Für die das Flurstück betreffende Fläche enthält der Bebauungsplan die Planzeichen „öffentliche Parkanlage“ und „öffentlicher Spielplatz“. Das Grundstück der Kläger liegt in einem Allgemeinen Wohngebiet (Festsetzung WA).
Mit Bescheid vom 18.03.2002 erteilte die Beklagte sich selbst eine Baugenehmigung für die Errichtung eines Spielplatzes auf dem Grundstück (Flurstück M.), der im Jahre 2002 als Spielplatz K. gebaut wurde.
Mit Schreiben vom 10.04.2002, eingegangen bei der Beklagten am 11.04.2002, erhoben die Kläger Widerspruch gegen die Baugenehmigung. Sie trugen vor, 1999 vor Erwerb des Grundstücks eine Beratung des Planungsamtes in Anspruch genommen zu haben. Kernaussage des damaligen Gesprächs sei gewesen, ein Kleinkinderspielplatz werde in eine Grünanlage integriert und dementsprechend von den Anwohnern abgegrenzt. Tatsächlich sei nun ein Kinderspielplatz mit anderen, größeren Spielgeräten vorgesehen. Der Spielplatz sei zudem im engsten Teil der Freifläche positioniert. Zu ihrem Grundstück bestehe nur ein geringer Abstand. Eine Zweckentfremdung des Spielplatzes sei zu befürchten.
Mit Widerspruchsbescheiden vom 14.11.2002 wies die Bezirksregierung Braunschweig den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie führte an, der Kinderspielplatz entspreche den Festsetzungen des Bebauungsplanes. Dessen Begründung sehe eine öffentliche Grünfläche, in die Spielgelegenheiten für Kinder und Spazierwege integriert werden, vor. Die Planzeichenverordnung unterscheide nicht zwischen Kleinkinderspielplätzen und anderen Spielanlagen. Der Spielplatz verstoße nach Größe, Ausstattung und Lage sowie nach Art und Umfang seiner Nutzung nicht gegen das baurechtliche Rücksichtnahmegebot. Der von der Nutzung ausgehende typische Lärm der spielenden Kinder müsse als gebietsadäquat hingenommen werden. Spielmöglichkeiten müssten grundsätzlich wohnungsnah angelegt werden. Die Spielgeräte seien zudem in mehr oder weniger großen Abständen zueinander im gesamten Grüngürtel verteilt und nicht konzentriert worden. In der Nähe des Grundstücks der Kläger seien nur Spielgeräte für Kleinkinder aufgestellt worden.
Die Kläger haben am 19.12.2002 Klage erhoben. Sie machen geltend, die Baugenehmigung sei rechtswidrig, weil sie gegen das in § 15 BauNVO verankerte Rücksichtnahmegebot verstoße. Die Nutzung ihres Grundstückes werde durch den Betrieb des Spielplatzes unzumutbar beeinträchtigt. Die Rechtsverletzung ergebe sich zum einen aus der Lage des Spielplatzes in unmittelbarer Nähe der Wohnbebauung. Der Spielplatz sei zudem überdimensioniert. Die Fläche mache etwa die sechsfache Größe eines Einfamilienhausgrundstückes aus. Ein derart großer Spielplatz entspreche nicht mehr dem Gebietscharakter eines Allgemeinen Wohngebietes. Art und Ausstattung der Spielgeräte entsprächen der eines Abenteuerspielplatzes. So gebe eine Seilbahn, ein Trampolin, eine Dschungelbrücke, ein Piratennest sowie Erdwälle und hölzerne sowie steinerne Sitzgruppen. Dementsprechend habe die Beklagte auch die Bezeichnung „Piratenspielplatz“ gewählt. Bereits durch die normale Nutzung des Spielplatzes entstünden Immissionen, die nicht mehr als herkömmlich und damit als unzumutbar angesehen werden müssten. Nach der Bauberatung und dem Planungsbeispiel der Beklagten hätten sie von einem Kleinkinderspielplatz in üblicher Größe von etwa einigen hundert Quadratmetern mit einer üblichen Spielgeräteausstattung wie Sandkiste, Klettergerüst, Rutsche, Schaukel und Wippe ausgehen müssen. Es könne hier auch nicht von einer Integration des Spielplatzes in die Grünfläche die Rede sein. Der Spielplatz allein stelle die Grünfläche dar. Die textlichen Erläuterungen des Bebauungsplanes wiesen auf die Nutzung von Flächen außerhalb der Spielgeräte hin. Erdwälle mit Aufstiegsmöglichkeiten aus Sandsteinblöcken, Abpflanzungen und Findlinge seien Bestandteil der möglichen Spielabläufe. Ein Abwägungsfehler bei der Aufstellung des Bebauungsplanes liege hier auch darin, dass die Festsetzung umso genauer sein müsse, je größer die Fläche des Spielplatzes sei. Der Bebauungsplan lege den Standort des Spielplatzes aber nicht genau fest. Außerdem komme es zu einem erheblichen Missbrauch des Spielplatzes, insbesondere in den Abend- und Nachtstunden. Jugendliche nutzten den Spielplatz als Treffpunkt. Die missbräuchliche Benutzung von Spielgeräten verursache einen enormen Lärm. Das gelte insbesondere für den Blechtunnel, die Rutsche, die Vogelnestschaukel, die Seilbahn und das Trampolin. Die Jugendlichen tränken Alkohol und „unterhielten“ sich sehr laut. Das gehe fast jeden Tag so. Selbst in den Herbstferien und teilweise in den Weihnachtsferien 2003 sei es zu laut gewesen. Die Kläger haben hierzu eine Aufstellung der „lärmintensiven Nutzung“ des Spielplatzes in den Jahren 2002 und 2003 vorgelegt. Sie tragen vor, mehrfach die Polizei gerufen zu haben. Häufig sei diese jedoch nicht erschienen. In vielen Fällen sei die Polizei auch erst nach ca. einer Stunde erschienen, wenn sich die Lage schon beruhigt habe.
Die Kläger beantragen,
die der Beklagten erteilte Baugenehmigung vom 18.03.2002 zum Neubau eines öffentlichen Kinderspielplatzes auf dem Grundstück in der Gemarkung H. Flur N., Flurstück Nr. M. in G. und die Widerspruchsbescheide der Bezirksregierung Braunschweig vom 14.11.2002 aufzuheben,
h i l f s w e i s e ,
die Beklagte zu verpflichten, den öffentlichen Kinderspielplatz auf dem Grundstück in der Gemarkung H. Flur N., Flurstück Nr. M. in G. mit einer Nutzungsbeschränkung dergestalt zu versehen, dass die Spielfläche an der Grenze zu den umlaufenden Wegen mit einem Zaun mit verschließbarem Eingangstor versehen wird, die Nutzung zeitlich von 9.00 Uhr morgens bis 18.00 Uhr abends und unter Ausschluss der Mittagszeit von 13.00 bis 15.00 Uhr und altersmäßig für Kinder bis 12 Jahre begrenzt wird, der Blechtunnel, die Rutsche, die Vogelnestschaukel, die Seilbahn und das Trampolin entfernt werden, die Spielplatzfläche um 2/3 zu verringern sowie den Erdwall vor ihrem Grundstück um mindestens 1 m zu erhöhen und zweckdienlich (Sicht- und Lärmschutz) zu begrünen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, das Planungsermessen sei fehlerfrei ausgeübt worden. Nach den textlichen Festsetzungen zum Bebauungsplan habe damit gerechnet werden müssen, dass das Grundstück nicht nur zu einem kleinen Teil, sondern in größerem Umfang für die Zwecke eines Spielplatzes genutzt werde. Die Lage des Spielplatzes an einem Wegkreuz und in der Nähe der Wohnbebauung sei planerisch wünschenswert und sinnvoll, um Kommunikationsmöglichkeiten zu vergrößern und die soziale Kontrolle über den Spielplatz möglichst umfangreich sicherzustellen (bspw. durch Spaziergänger und Bürger, die ihren Hund ausführen). Eine abgelegene Lage eines Spielplatzes berge in erhöhtem Maße die Gefahr von Vandalismus und sei auch sonst für spielende Kinder gefährlich. Der Schwerpunkt der Spielangebote sei in der Mitte der Grünfläche angesiedelt. Der Spielplatz nehme nur ca. 19,5 % der gesamten Grünfläche ein (1.475 m² von 7.575 m²). Von einem Missverhältnis im Vergleich zum Grundstück der Kläger, das 813 m² umfasse, sei deshalb nicht auszugehen. Aufgrund der Bedenken der Kläger sei an ihrer Grundstücksgrenze eine Anwallung mit Bepflanzung angelegt worden. Außerdem habe man die gesamte Spielanlage, soweit technisch mit geringem Aufwand durchführbar, um max. 2 m nach Süden verschoben. Auf eine ehemals geplante Rundbank sei verzichtet worden, da diese von den Klägern als potentielle Sitzfläche empfunden worden sei. Sowohl Kinder und Jugendliche als auch der Stadtbezirksrat seien in die Planung einbezogen worden. Die erforderlichen Grenzabstände würden von den Spielgeräten eingehalten. Das Gebot der Rücksichtnahme werde nicht verletzt. Kinderspielplätze stellten in einem Allgemeinen Wohngebiet eine sozialadäquate Ergänzung der Wohnbebauung dar. Lärm aufgrund der bestimmungsgemäßen Nutzung eines Spielplatzes sei hinzunehmen. Um einen Abenteuerspielplatz handele es sich nicht, denn Jugendliche dürften dort nicht selbst bauen. Es seien auch keine verschließbaren baulichen Anlagen, in denen Werkzeuge aufbewahrt würden, vorhanden. Die von den Klägern dokumentierten Störungen außerhalb der vorgegebenen Nutzungszeit bis 20 Uhr beruhten auf einer illegalen Nutzung des Spielplatzes. Sie könnten der Beklagten nicht zugerechnet werden. Zu einer Lärmbelästigung würde es dort auch kommen, wenn es sich lediglich um eine Grünfläche mit Bänken handeln würde. Das zuständige Polizeikommissariat habe lediglich zwei Einsätze wegen des Spielplatzes im Oktober 2002 verzeichnet.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch eine Inaugenscheinnahme der Örtlichkeiten. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 25.09.2003 verwiesen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die dem Gericht bei der Entscheidung vorgelegen haben, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Baugenehmigung der Beklagten vom 18.03.2002 in der Fassung der Widerspruchsbescheide der Bezirksregierung Braunschweig vom 14.11.2002 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Kläger haben auch keinen Anspruch auf eine Verpflichtung der Beklagten zu der hilfsweise beantragten Nutzungsbeschränkung.
Die Baugenehmigung beruht auf einer rechtmäßigen Festsetzung eines öffentlichen Spielplatzes im Bebauungsplan K. (RA L.). Eine Festsetzung in einem Bebauungsplan ist nichtig, wenn das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 6 BauGB verletzt worden ist. Nach dieser Vorschrift sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Nach den dem Gericht vorliegenden Unterlagen (auf Ausschuss- und Ratsprotokolle haben sich die Beteiligen nicht bezogen) ist nicht erkennbar, dass die Beklagte bei der Festsetzung des Planzeichens „öffentlicher Spielplatz“ die Lärmeinwirkung auf die benachbarte Wohnbebauung nicht berücksichtigt hat und die Abwägung insoweit fehlerhaft ist. Es handelt sich um eine übliche Planung eines Neubaugebietes im Bereich der Beklagten. Der Standort des Spielplatzes ist angesichts der Notwendigkeit, die Nähe zur Wohnbebauung zu gewährleisten richtig gewählt worden (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 SpielplätzeG). Nicht nur Spielflächen für Kleinkinder bis sechs Jahre, sondern auch solche für größere Kinder bis 12 Jahre sollen gefahrlos zu erreichen sein. Die Verhinderung von Missbrauch und Vandalismus und die leichtere Beaufsichtigung sprechen ebenfalls für einen solchen Standort. Für Kinder ab 12 Jahre ist der Spielplatz in O. überdies nicht vorgesehen. Dafür wird nach den Angaben der Beklagten ein Jugendplatz im Baugebiet P. eingerichtet.
Angesichts der Größe des Baugebiets ist die Spielfläche von 1.475 m² auch nicht zu groß. Ein Missverhältnis besteht ferner nicht im Verhältnis zur durchschnittlichen Grundstücksgröße (das Grundstück der Kläger ist 813 m² groß). Der Standort des Planzeichens „öffentlicher Spielplatz“ deutet nicht auf einen nur kleinen Spielplatz wie in dem nicht verbindlichen Planungsbeispiel hin. Auch unterscheidet das Planzeichen nicht zwischen Kleinkinderspielfläche und Spielplatz für größere Kinder. Das daneben befindliche Symbol „öffentliche Grünanlage“ besagt zusammen mit den textlichen Festsetzungen zu Nr. 4.5, dass die Spielgelegenheiten für Kinder und Spazierwege in eine öffentliche Grünfläche integriert werden. Diese Planung ist nicht zu beanstanden. Insbesondere war nicht aufgrund von Besonderheiten im Plangebiet oder außerhalb desselben in O. von vornherein mit einer unzumutbaren Lärmimmission auf den benachbarten Grundstücken zu rechnen. Die Planvorgaben sind auch nicht zu unbestimmt. Da das Planzeichen mittig auf der Freifläche zwischen der Wohnbebauung angeordnet wurde, musste mit einer Ausdehnung eines Spielplatzes bis an die Wohnhäuser heran gerechnet werden. Die Größe des Spielplatzes allein gebietet hier keine konkreteren Angaben in den zeichnerischen oder textlichen Festsetzungen.
Die Festsetzungen des Bebauungsplans RA L. sind bei der Erteilung der Baugenehmigung vom 18.03.2002 beachtet worden. Sowohl nach der Ausdehnung der Spielfläche im Verhältnis zur Gesamtgröße des Grundstücks mit der Flurstücksbezeichnung M. als auch durch die Gestaltung der Grünanlage und des Spielbereichs ist die Vorgabe, Spielgelegenheiten für Kinder und Spazierwege in eine öffentliche Grünfläche zu integrieren, rechtmäßig umgesetzt worden. Das hat auch die Beweisaufnahme ergeben. Durch eine Inaugenscheinnahme des Spielplatzes und der Grünanlage hat das Gericht sich davon überzeugt, dass es in den Seitenbereichen der Spielfläche zur Wohnbebauung hin Grünanlagen gibt, die dem Sicht- und in geringem Maße auch dem Lärmschutz dienen und die auch nicht (von Kindern) betreten werden dürfen. Außerdem sind Spazierwege vorhanden. Ein Teil der Grünfläche ist noch nicht wie eine Parkanlage gestaltet worden. Ausreichend Platz steht hierfür aber noch zur Verfügung. Den Gedanken einer „Integration“ steht nicht entstehen, dass es daneben auch naturverbundene Klettergelegenheiten gibt, die nicht der Grünanlage außerhalb des Spielbereichs zugerechnet werden können.
Die Baugenehmigung verletzt nicht das in § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO verankerte Gebot der Rücksichtnahme. Bauliche Anlagen sind danach unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen, die nach der Art des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Auf diese gesetzliche Vorgabe stützt die Rechtsprechung, die Verpflichtung des Bauherrn, auf geschützte nachbarliche Interessen Rücksicht zu nehmen (Gebot der Rücksichtnahme, BVerwG, Urt. v. 18.05.1995 - 4 C 20.94 -, BRS 57 Nr. 67). Das Gebot der Rücksichtnahme wird bei Spielplätzen verletzt, wenn deren Nutzung schädliche Umwelteinwirkungen i. S. der §§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 BImSchG hervorruft. Spielplätze sind nicht genehmigungsbedürftige Anlagen i. S. des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BImSchG (Nds. OVG, Urt. v. 30.10.1984 - 1 A 34/83 -, BRS 42 Nr. 188). Schädliche Umwelteinwirkungen i. S. des § 3 Abs. 1 BImSchG sind Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile und erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen.
Die Geräuscheinwirkungen, die von der bestimmungsgemäßen Nutzung des Spielplatzes K. herrühren, haben die Kläger hinzunehmen. Kinderspielplätze mit üblicher Ausstattung für Kinder bis zu 14 Jahren gehören in die unmittelbare Nähe der Wohnbebauung (s. o.). Die mit der bestimmungsgemäßen Nutzung typischerweise verbundenen Geräusche sind, soweit sie Folge der natürlichen Lebensäußerung von Kindern sind, keine i. S. der §§ 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3 Abs. 1 BImSchG schädlichen Umwelteinwirkungen, sondern ortsüblich und sozialadäquat und daher sogar in einem Reinen Wohngebiet hinzunehmen (BVerwG, Urt. v. 12.12.1991 - 4 C 5.88 -, NJW 1992, 1779, Beschl. v. 29.05.1989 - 4 B 26/89 -, zur Sozialadäquanz vgl. auch Nds. OVG, Urt. v. 30.10.1984, a. a. O.). Die bestimmungsgemäße Nutzung des Spielplatzes mit typischer Ausstattung an die K. verletzt also keine Nachbarrechte der Kläger. Bestimmungsgemäß ist hier nach den Nutzungsbeschränkungen der Beklagten ein Gebrauch der Spielgeräte und natürlichen Klettergelegenheiten durch Kinder bis 12 Jahren, wobei die Nutzung gegenwärtig auf die Zeit bis 20 Uhr beschränkt ist. Die dabei entstehenden üblichen Geräusche haben die Kläger als sozialadäquat auch nach dem Gebot der gegenseitigen Toleranz hinzunehmen, selbst wenn dadurch insbesondere im Sommer die Nutzung des Gartenbereichs ihres Grundstückes und bei geöffnetem Fenster auch einiger Wohnräume beeinträchtigt wird. Dabei lässt sich nicht vermeiden, dass Kinder schreien und auch Aufsichtspersonen durch Rufe Kontakt mit ihren Kindern aufnehmen. Unvermeidbar sind auch die durch die Benutzung der Spielgeräte entstehenden Geräusche. Nach dem bei der Ortsbesichtigung gewonnenen Eindruck dürfte die Lärmbelästigung insoweit allerdings nicht allzu hoch sein. Dass ab und zu auch einmal Kieselsteine durch die Blechtunnelrutsche geworfen werden, ist ärgerlich, in geringem Umfang aber ebenfalls noch als sozialadäquat zu akzeptieren.
Die Lage der Spielgeräte trägt dem Gebot der Rücksichtnahme auf die Belange der Anwohner Rechnung. So liegt die Spielfläche für Kleinkinder näher an den Wohngebäuden als die Spielfläche der größeren Kinder, die oft auch lauter sind.
Die Beklagte hat die Spielgeräte auch nicht so ausgewählt und angeordnet, dass dadurch ein Treffpunkt für Jugendliche geschaffen wurde. Die Inaugenscheinnahme hat vielmehr gezeigt, dass es sich um heute übliche Spielgeräte handelt, die nach anerkannten Planungen ausgewählt und aufgestellt wurden (vgl. insofern die von der Beklagten vorgelegten Unterlagen zur Spielplatzplanung, BA „C“). Ein „Abenteuerspielplatz“ ist der Spielplatz K. nicht. Insofern sei auf die Darlegungen der Beklagten zu Abenteuerspielplätzen verwiesen (vgl. auch Fickert/Fieseler, BauNVO, Komm., 9. Aufl.,§ 4 Rn. 20.1). Die Spielgeräte wie etwa die Seilbahn oder die Piratenschaukel unterscheiden sich von Spielgeräten auf älteren Spielplätzen. Sie sind in ihrem Gebrauch jedoch nicht lauter als die früheren Spielgeräte, die häufig aus Metall waren. Im Übrigen haben die Kläger unter dem Blickwinkel des Nachbarschutzes keinen Anspruch auf die Aufstellung von „herkömmlichen“ Spielgeräten. Ausschlaggebend ist allein die Geräuschentwicklung.
Das Gebot der Rücksichtnahme wird auch nicht durch den von den Klägern dargelegten Missbrauch des Spielplatzes verletzt. Die Baugenehmigung würde sich insofern nur dann als rechtswidrig erweisen, wenn die missbräuchliche Nutzung der Beklagten zugerechnet werden könnte. Das ist - entsprechend den zu dem öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 BGB entwickelten Grundsätzen - nur der Fall, wenn der Missbrauch aufgrund der besonderen örtlichen Situation nahe liegend und von vornherein größer als die stets vorhandene, allgemeine Gefahr einer nicht bestimmungsgemäßen Nutzung solcher Einrichtungen ist (BVerwG, Beschl. v. 29.05.1989 - 4 B 26/89 -, Juris; Nds. OVG, Beschl. v. 05.01.2001 - 7 B 6/01 -, BRS 64 Nr. 183; BayVGH, Urt. v. 30.11.1987 - 26 B 82 A.2088 -, NVwZ 1989, 269, VG Braunschweig, Urt. v. 16.05.2001 - 2 A 169/01 -). Der von den Klägern dargestellte Missbrauch des Spielplatzes durch Jugendliche, insbesondere in den Abendstunden (vgl. die Anlage zum SS. v. 30.10.2003), überschreitet noch nicht die Schwelle zu einer Verletzung geschützter Nachbarrechte der Kläger im baurechtlichen Genehmigungsverfahren. Nicht jede Benutzung des Spielplatzes durch Jugendliche führt zu einer Verletzung von Rechtspositionen der Kläger. Nach der Aufstellung, die sich insbesondere auf die Monate September und Oktober 2003 bezieht, benutzen zwar Jugendliche bisweilen den Spielplatz nach 20 Uhr. Nur, wenn sie dabei auch laut sind, kann das Ereignis aber vorliegend beachtet werden. Das ist in den beiden genannten Monaten an ca. 10 Tagen mit sehr unterschiedlicher Dauer und Intensität der Fall gewesen, wobei die subjektiven Empfindungen der Kläger zugrunde gelegt werden und Ereignisse außerhalb der Spielfläche unberücksichtigt bleiben. Darin liegt im Hinblick auf § 15 BauNVO (noch) keine erhebliche Belästigung. Diese ist auch nicht für die Monate davor und für die Tagstunden belegt. Da nämlich die Gestaltung des Spielplatzes keinen Anreiz zu einem Missbrauch bietet und die Beklagte auch nicht durch weitere Maßnahmen in Q. Anlass zur Benutzung gerade des Spielplatzes für Jugendliche gegeben hat (etwa durch die Schließung eines Jugendtreffpunkts), kann nur eine überdurchschnittlich häufige missbräuchliche Nutzung den Klägern zu einem Erfolg ihrer Klage verhelfen. Realisiert sich - wie hier - lediglich die allgemeine Gefahr, dass auf Spielplätzen und sonstigen Grünanlagen Treffen Jugendlicher abgehalten werden, sind die Kläger auf das Polizei- und Ordnungsrecht zu verweisen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 29.05.1989, a. a. O.).
Dem entspricht die Angabe der Beklagten, das 4. zuständige Polizeikommissariat habe nur zwei Einsätze wegen einer Störung durch Jugendliche am 03. und 07.10.2002 verzeichnet. Weitere Einsätze seien aber womöglich nicht protokolliert worden. Insofern ist auch zu berücksichtigen, dass die Kläger offenbar häufiger bei der Polizei angerufen haben und diese dann zu spät am Spielplatz eingetroffen ist (vgl. das Sitzungsprotokoll vom 23.01.2004). Bei häufigen Anrufen derselben Person besteht außerdem die Gefahr, dass die Polizei auf die Beschwerden nur zögerlich reagiert (vgl. Nds. OVG, Urt. v. 30.10.1984, a. a. O.). Wenn auch diese Umstände in Betracht gezogen werden, spricht hier indes ebenfalls alles dafür, dass die Störungen noch nicht einen Umfang erreicht haben, der es erlaubt, der Beklagten als Betreiberin des Spielplatzes die missbräuchliche Nutzung zuzurechnen.
Der Hilfsantrag war ebenfalls abzulehnen. Die Kläger haben keinen Anspruch auf die Nutzungsbeschränkung in der beantragten Form. Ein solcher Anspruch kann sich hinsichtlich der Abwehr von Immissionen aus einer hoheitlich betriebenen Einrichtung wie einem öffentlichen Spielplatz aus einer analogen Anwendung der §§ 1004, 906 BGB ergeben. Die Voraussetzungen für diesen öffentlich-rechtlichen Abwehr-, Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch liegen jedoch nicht vor. Zu den Voraussetzungen ist auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen (vgl. insbesondere VG Braunschweig, Urt. v. 16.05.2001, a. a. O.). Die missbräuchliche Nutzung gibt den Klägern auch keine rechtliche Handhabe, den Spielplatz durch eine kostenaufwendige und hier unverhältnismäßige Maßnahme einzäunen und nur zu bestimmten Zeiten öffnen zu lassen. Dadurch würde ein Missbrauch in den Abendstunden auch deshalb nicht zu verhindern sein, weil die Wege, insbesondere das Wegkreuz vor dem Grundstück der Kläger, noch zugänglich blieben. Die öffentliche Grünfläche vor dem klägerischen Grundstück vollständig abzusperren, würde ein Erreichen der Grünanlage aus Richtung Baugebiet gerade dann unmöglich machen, wenn Spaziergänger die Wege benutzen möchten. Das können die Kläger nicht verlangen.
Der Abbau der genannten Spielgeräte würde ebenfalls nicht verhindern, dass Jugendliche sich auf dem Spielplatz niederlassen. Diese Maßnahmen sind insofern also ungeeignet und deshalb rechtlich nicht geboten. Die Erhöhung des Erdwalls aus Gründen des Sicht- und Lärmschutzes ist den Zwecken der Kläger nicht dienlich. Der Sichtschutz wird schon durch die Begrünung auf dem Wall und dem Grundstück der Kläger gewährleistet. Ein sich nennenswert auswirkender Lärmschutz wird durch die Erhöhung des Walls um nur einen Meter nicht erreicht. Eine Beschränkung der Nutzung auf Kinder bis 12 Jahre besteht bereits.
Aus dem Beratungsgespräch können die Kläger im Übrigen vorliegend keine Rechte herleiten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Der Streitwert ist im Hinblick auf die Vorgaben der Bausenate des Nds. OVG in dem Streitwertkatalog für die Zeit nach dem 01.01.2002 festgesetzt worden (NdsVBl. 2002, 192 zu 8a). Danach entspricht dem wirtschaftlichen Wert der Nachbarklage gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG bei der Beeinträchtigung eines Einfamilienhauses ein Streitwert von 4.000 bis 30.000 Euro. Das Gericht setzt angesichts des klägerischen Vorbringens einen geringen Streitwert fest.