Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 06.01.2004, Az.: 4 B 377/03
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 06.01.2004
- Aktenzeichen
- 4 B 377/03
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2004, 42998
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGBRAUN:2004:0106.4B377.03.0A
In der Verwaltungsrechtssache des Herrn A.,
Antragsteller,
gegen
die Stadt Salzgitter - Sozialamt -, vertreten durch den Oberbürgermeister, Postfach 10 06 80, 38206 Salzgitter
Antragsgegnerin,
Streitgegenstand: Sozialhilferecht
Hilfe zum Lebensunterhalt
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 4. Kammer - am 6. Januar 2004 beschlossen:
Tenor:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Antragsteller zu tragen; Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
Der erst am 22. Dezember 2003 gestellte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet werden soll, dem Antragsteller ab Dezember 2003 wieder laufende Sozialhilfe zu gewähren, ist zwar zulässig, jedoch nicht begründet.
Bezüglich des Leistungsmonats Dezember 2003 hat der Antragsteller den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO erforderlichen Anordnungsgrund, d.h. die Eilbedürftigkeit für eine Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes, nicht glaubhaft gemacht, denn durch die Nichtgewährung von Leistungen für im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bereits vergangene Zeiträume kann ein Antragsteller grundsätzlich nicht in eine aktuelle existentielle Notlage geraten. Ihm ist deshalb zuzumuten, sein Anliegen nach Durchführung eines Widerspruchsverfahrens gegebenenfalls in einem Klageverfahren weiter zu verfolgen.
Im Übrigen hat der Antragsteller den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) erforderlichen Anordnungsanspruch, die überwiegende Wahrscheinlichkeit für die materielle Berechtigung seines Begehrens, nicht glaubhaft gemacht.
Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes angezeigten summarischen Prüfung steht dem Antragsteller der geltend gemachte Anspruch nicht zu. Nach nochmaliger Überprüfung hält das erkennende Gericht weiterhin an seiner bereits im Beschluss vom 19. Dezember 2003 - 4 B 348/03- dargelegten Rechtsauffassung fest. Dort wurde ausgeführt:
"Nach § 2 Abs. 1 BSHG erhält Sozialhilfe nicht, wer sich selbst helfen kann oder wer die erforderliche Hilfe von anderen, besonders von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. So liegt der vorliegende Fall. Der Antragsteller kann sich selbst helfen, indem er die ihm von der Stadt Salzgitter vermittelte und angebotene Tätigkeit als Platzwart annimmt und auf diesem Wege über Arbeitseinkommen verfügt (vgl. bereits Beschluss des erkennenden Gerichts vom 16. Oktober 2003 - 4 B 285/03 -). Diese Arbeitsstelle steht dem Antragsteller auch immer noch zur Verfügung. Hierbei handelt es sich um ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis für 6 Monate mit der Option der Verlängerung. Es ist auch kein Anhaltspunkt dafür ersichtlich, dass diese Tätigkeit aufgrund der Arbeitsbedingungen oder des gesundheitlichen Zustandes des Antragstellers (vgl. Amtliches ärztliches Gutachten vom 25.09.2002, Bl. 503 W) unzumutbar wäre. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Antragsteller lieber bei einer anderen Stelle eingesetzt worden wäre; einen solchen Einsatz hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller auch nicht versprochen, sondern nur zugesagt, diese Einsatzmöglichkeiten zu besprechen, wobei sich ergab, dass für dieses Jahr keine Einsatzmöglichkeit mehr vorhanden war. Durch Annahme des angebotenen Arbeitsvertrages kann der Antragsteller auch aktuell seinen notwendigen Lebensunterhalt selbst sicherstellen. Ergänzend hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller in dem die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt ablehnenden Bescheid angeboten, nach Abschluss des Arbeitsvertrages und Aufnahme der Erwerbstätigkeit die Zeit bis zur ersten Lohnzahlung zu überbrücken und bis zu diesem Zeitpunkt Hilfe zu gewähren. Angesichts dieser neuen Sach- und Rechtslage bedarf es keiner Entscheidung darüber, in welchem zeitlichen Umfang ein Sozialhilfeträger im Rahmen von § 25 Abs. 1 BSHG Kürzungen bzw. Einstellungen der Hilfegewährung vornehmen kann, denn diese Vorschrift ist gegenwärtig nicht mehr anwendbar.
Das erkennende Gericht vermag der Auffassung des Nds. Oberverwaltungsgerichts im Beschluss vom 19. November 2003 - 12 ME 489/03 - nicht zu folgen, wonach auch bei der vorliegenden besonderen Fallgestaltung die §§ 25 Abs. 1 i.V.m. 18 ff. BSHG einer Anwendung des allgemeinen Nachranggrundsatzes des § 2 Abs. 1 BSHG entgegenstünden. Der vorliegende Fall ist dadurch geprägt, dass der Antragsteller die aktuelle Möglichkeit hat, in ein Arbeitsverhältnis auf dem ersten Arbeitsmarkt einzusteigen und dadurch auch tatsächlich in der Lage ist, seinen Bedarf durch eigenes Arbeitseinkommen zu decken. Dagegen zeichnen sich die Fallgestaltungen des § 25 Abs. 1 BSHG dadurch aus, dass grundsätzlich eine konkrete Arbeitsstelle auf der Basis eines regulären Arbeitsvertrages nicht zur Verfügung steht. Vielmehr erfasst § 25 Abs. 1 BSHG in der ersten Alternative üblicherweise die Fälle, in denen aufgrund nicht hinreichender Arbeitsbemühungen eine Weigerung, zumutbare Arbeit zu leisten, angenommen werden kann, oder in der zweiten Alternative die Fälle der §§19 und 20 BSHG, in denen erst auf eine Eingliederung des Hilfesuchenden in das Arbeitsleben hingearbeitet wird.
Mit diesen von § 25 Abs. 1 BSHG erfassten Fallgruppen ist der vorliegende Fall nicht vergleichbar. Vielmehr entspricht der vorliegende Fall der Grundsituation des Nachrangprinzip aus § 2 Abs. 1 BSHG, in dem der Sozialhilfe begehrenden Person eine zeitnahe, konkrete und der nachrangigen Sozialhilfegewährung vorgehende Hilfemöglichkeit zur Verfügung steht, wobei durch zumutbare Mitwirkungshandlungen des Antragstellers ein Anspruch realisiert werden kann, wie z.B. durch die Geltendmachung einer unbestrittenen evtl. bereits titulierten Forderung oder durch die Beantragung anderer vorrangiger Sozialleistungen. Mit diesen Fallgruppen ist der vorliegende Fall vergleichbar, in dem der Antragsteller allein durch Abschluss eines angebotenen Arbeitsvertrages über eine zumutbare Tätigkeit die Möglichkeit hat, einen Arbeitsvertrag auf dem ersten Arbeitsmarkt zu erhalten und ein Arbeitsentgelt zu erzielen, das ihn von einem Leben von Sozialhilfe unabhängig macht.
Hinzu kommt, dass das Regelwerk des § 25 Abs. 1 BSHG vorliegend aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalles auch aus einen anderen Grunde nicht anwendbar ist. Das BVerwG betont in ständiger Rechtsprechung die Hilfefunktion des § 25 Abs. 1 BSHG. Auf eine solche Hilfe durch den Sozialhilfeträger ist ein Antragsteller jedoch nicht mehr angewiesen, wenn er einen angebotenen zumutbaren Arbeitsvertrag nur noch anzunehmen braucht. Die Weigerung aber, "bereite eigene Mittel" zur Abwendung oder Beendigung der Sozialhilfebedürftigkeit einzusetzen, erfordert keine Hilfemaßnahmen, sondern sie hat nach § 2 Abs. 1 BSHG den Anspruchsverlust zur Folge, weil der Antragsteller seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann und deshalb nicht auf Staatliche Hilfe angewiesen ist,"
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO.