Oberlandesgericht Oldenburg
Beschl. v. 11.07.1997, Az.: 2 W 88/97
Vorliegen einer Werterhöhung, wenn das Gericht das Bestehen einer Klageforderung offenlässt und die Klage abweist, weil die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Forderung begründet ist; Rechtskraftfähigkeit der Entscheidung über das Bestehen einer Gegenforderung
Bibliographie
- Gericht
- OLG Oldenburg
- Datum
- 11.07.1997
- Aktenzeichen
- 2 W 88/97
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1997, 21689
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGOL:1997:0711.2W88.97.0A
Rechtsgrundlagen
- § 19 Abs. 3 GKG
- § 322 Abs. 2 ZPO
Fundstelle
- OLGReport Gerichtsort 1998, 268
Amtlicher Leitsatz
Keine Werterhöhung nach § 19 Abs. 3 GKG, wenn Gericht Bestehen der Klageforderung offenlässt und Klage abweist, weil "jedenfalls" die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Forderung begründet sei.
Gründe
Die Höhe des Streitwerts richtet sich vorliegend ausschließlich nach der geltend gemachten Klageforderung. Die von der Beklagten erklärte Aufrechnung mit einer Gegenforderung führt nicht zur Erhöhung des Streitwerts gem. § 19 Abs. 3 GKG.
1.
Allerdings liegt entgegen der Auffassung des Landgerichts eine hilfsweise Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen vor. Zwar hat die Beklagte den Begriff der ,Hilfsaufrechnung" nicht verwandt. Vielmehr ist in ihren Schriftsätzen lediglich von einer Aufrechnung die Rede. Darauf kommt es indes nicht an. Eine Aufrechnungserklärung im Prozess ist auslegungsfähig, wie dies auch sonst bei prozessualen Erklärungen der Fall ist (Hartmann, Kostengesetze, 27. Aufl., § 19 GKG, Rdnr. 44). Danach kann hier nicht zweifelhaft sein, dass die Beklagte eine Hilfs- und keine Hauptaufrechnung erklärt hat. Die Beklagte hat in der Klageerwiderung das Bestehen der Klageforderung bestritten, indem sie vorgetragen hat, die Klägerin möge erst einmal die angeblichen Arbeiten im einzelnen darlegen. Bestritten hat die Beklagte ferner - und zwar substantiiert - die Aktivlegitimation der Klägerin. Insoweit ist insbesondere vorgetragen worden, die Forderung sei abgetreten und gepfändet. Unter diesen Umständen folgt aus dem erkennbaren wirtschaftlichen Interesse der Beklagten selbstverständlich, dass sie die Aufrechnung mit Schadensersatzansprüchen nur hilfsweise hat erklären wollen, da eine Klageabweisung allein auf Grund der Aufrechnungserklärung zum Verlust der Gegenansprüche führt und somit nachteiliger ist, als eine Klageabweisung mangels Bestehens der Forderung bzw. auf Grund einer fehlenden Aktivlegitimation.
2.
Eine hilfsweise Aufrechnung mit einer bestrittenen Gegenforderung führt gem. § 19 Abs. 3 GKG jedoch nur zur Erhöhung des Streitwerts um den Wert der Gegenforderung, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über sie ergeht. An dieser Voraussetzung fehlt es vorliegend.
Gem. § 322 Abs. 2 ZPO ist die Entscheidung, dass die Gegenforderung nicht besteht, bis zur Höhe des Betrags, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der Rechtskraft fähig. Die Regelung betrifft vom Wortlaut her zunächst nur die - hier zweifellos nicht einschlägige - Situation, dass das Gericht den Aufrechnungseinwand wegen Nichtbestehens der Gegenforderung für unberechtigt gehalten und der Klage dementsprechend stattgegeben hat. Es ist allerdings anerkannt, dass die Vorschrift des § 322 Abs. 2 ZPO auch dann anzuwenden ist, wenn die Aufrechnung erfolgreich war und damit die Feststellung des Nichtmehrbestehens der Gegenforderung verbunden ist (RGZ 161, 167, 171; BGHZ 36, 316, 319 [BGH 01.02.1962 - VII ZR 213/60]; Stein-Jonas-Leipold, ZPO, 20. Aufl., § 322 Rdnr. 168; Zöller-Vollkommer, ZPO, 20. Aufl., § 322 Rdnr. 21; Zeuner, JuS 1987, 354 ff). Vorliegend steht jedoch nicht fest, dass die Gegenforderung nicht mehr besteht. Unzulässig ist es nämlich, die Klage allein auf Grund der Aufrechnung abzuweisen und dabei die Berechtigung der Klageforderung offenzulassen (BGH LM § 322 ZPO Nr. 21; BGH NJW 1974, 2000, 2002 [BGH 01.07.1974 - II ZR 115/72]; BGHZ 80, 97, 99 [BGH 23.02.1981 - II ZR 57/80]; Stein-Jonas-Leipold, § 322 Rdnr. 170; Zöller-Vollkommer, § 322 Rdnr. 21).
Eben derart verfahrensfehlerhaft hat das Landgericht in seinem Urteil entschieden. Es hat die Klage allein auf Grund der von der Beklagten erklärten Aufrechnung abgewiesen. In den Entscheidungsgründen wird ausdrücklich offengelassen, ob überhaupt die notwendige Aktivlegitimation der Klägerin gegeben ist. Eine derartige, verfahrensfehlerhafte Entscheidung hat zur Folge, dass lediglich rechtskräftig festgestellt ist, dass die Klageforderung nicht besteht; die Rechtskraft des Urteils erstreckt sich aber nicht auf die Begründetheit der zur Aufrechnung verwandten Gegenforderung (RGZ a.a.O.; BGH LM § 322 ZPO, Nr. 21; Stein-Jonas-Leipold, § 322 Rdnr. 170; Zöller-Vollkommer, § 322 Rdnr. 21; Münchener Kommentar-Gottwald, ZPO, § 322 Rdrn. 181).