Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 01.11.2004, Az.: 11 A 5023/02

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
01.11.2004
Aktenzeichen
11 A 5023/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 43451
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGOLDBG:2004:1101.11A5023.02.0A

Amtlicher Leitsatz

Zur Ermessensentscheidung der Ausländerbehörde über die Befristung der Sperrwirkung einer Regelausweisung eines deutsch verheirateten Ausländers aus dem Kosovo

Tenor:

  1. Die Klage wird abgewiesen.

    Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

    Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Dauer der Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung des Klägers.

2

Der 1977 geborene Kläger ist serbisch-montenegrinischer Staatsangehöriger albanischer Volkszugehörigkeit aus dem Kosovo. Er reiste erstmals am 19. August 1987 im Alter von 10 Jahren mit seinen Eltern als Asylbewerber ins Bundesgebiet ein. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Infolge der Asylanerkennung seines Vaters hatte er aber zeitweise eine befristete Aufenthaltserlaubnis inne. Seit dem 22. Mai 1998 ist der Kläger mit der Beigeladenen, einer ehemals serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigen albanischer Volkszugehörigkeit, verheiratet. Diese erwarb durch Einbürgerung vom 16. Januar 2002 die deutsche Staatsangehörigkeit. Aus der Ehe sind drei 1998, 2000 und 2003 geborene Kinder hervorgegangen.

3

Das Landgericht O. verurteilte den Kläger am 17. November 1992 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren, die zunächst auf Bewährung ausgesetzt wurde. Das Amtsgericht W. verurteilte ihn am 11. Mai 1994 wegen vorsätzlicher Körperverletzung in drei Fällen, gefährlicher Körperverletzung in drei Fällen sowie gemeinschaftlichen Diebstahls unter Einbeziehung des Schuldspruchs aus dem vorgenannten Urteil zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren, die ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde. Nachdem der Kläger innerhalb der Bewährungszeit erneut straffällig wurde, widerrief das Amtsgericht W. die Strafaussetzung zur Bewährung. Aufgrund dieser Verurteilungen wies der Landkreis V. den Kläger mit Bescheid vom 7. November 1994 nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG aus dem Bundesgebiet aus. Dieser Bescheid wurde durch Rücknahme seiner Klage in der mündlichen Verhandlung vom 15. Juli 1998 bestandskräftig (Beschluss des Gerichts vom 15. Juli 1998 - 11 A 3239/96 -).

4

Der Kläger wurde auch während der Strafverbüßung und nach Haftentlassung strafrechtlich auffällig (vgl. im Einzelnen Bescheid des Beklagten vom 28. August 2002). Nach erfolglosem weiteren Asylverfahren (Bescheid des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 25. Oktober 1995; Beschluss des Nds. OVG vom 10. April 2000 - 13 L 2088/99 -) und erfolglosem vorläufigen Rechtschutz gegen die Versagung einer Aufenthaltsbefugnis (Beschluss der Kammer vom 31. August 2000 - 11 B 2656/00 -) wurde der Kläger am 23. November 2000 in das Kosovo abgeschoben.

5

Unter dem 25. Februar/18. Juli 2002 beantragte der Kläger unter Hinweis auf die zwischenzeitlich erfolgte Einbürgerung seiner Ehefrau, deren psychische Belastung durch die Trennung und die Betreuung der beiden Kinder sowie deren Bemühungen um Begleichung der Abschiebekosten und Schadenswiedergutmachung die Befristung der Sperrwirkung seiner Ausweisung. Mit Bescheid vom 28. August 2002 befristete der Beklagte die Sperrwirkung auf acht Jahre seit dem Ausreisetag, also auf den 22. November 2008.

6

Den Widerspruch des Klägers wies die Bezirksregierung Weser-Ems durch Bescheid vom 11. November 2002 zurück. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Unter Berücksichtigung des Erlasses des Nds. Innenministeriums - MI - vom 27. Mai 1999 (Nds. MBl. S. 406), sämtlicher Umstände des Falles und des besonderen Familienschutzes aus Art. 6 GG und Art. 8 EMRK könne die achtjährige Sperrfrist nicht unterschritten werden. Ausgehend von der im Erlass genannten Sperrfrist von acht Jahren für Regelausweisungen nach § 47 Abs. 2 AuslG sei bereits zugunsten des Klägers von einer Verlängerung der Sperrfrist wegen der vielen negativen Umstände (Verhalten im Strafvollzug, Straftaten nach Haftentlassung sowie notwendige Abschiebung) abgesehen worden. Eine weitergehende Verkürzung scheide aus, obwohl der Kläger sich auf einen gesetzlichen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung berufen könne. Eine achtjährige Sperrfrist sei auch spezial- und generalpräventiv erforderlich. Der Schutz des Vertrauens der Eheleute darauf, die eheliche und familiäre Lebensgemeinschaft auch künftig im Bundesgebiet führen zu können, bestehe nur eingeschränkt, weil die Ehe angesichts des schwebenden Ausweisungsverfahrens geschlossen worden sei und der Kläger durch weitere strafrechtliche Auffälligkeiten seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet selbst gefährdet habe.

7

Der Kläger hat am 28. November 2002 Klage erhoben, mit der er die Verkürzung der Sperrfrist seiner Ausweisung weiter verfolgt. Er trägt im Wesentlichen vor: Unter Berücksichtigung der Besonderheiten diese Härtefalles könne er eine weitere Verkürzung der Sperrfrist verlangen. Da er im Bundesgebiet aufgewachsen und geprägt worden sei, gelinge ihm die kulturelle und berufliche Integration im Kosovo nicht. Der albanischen bzw. serbo-kroatischen Sprache sei er nicht soweit mächtig, dass er dort ohne Weiteres einer Tätigkeit nachgehen könne. Mittlerweile habe er das begangene Unrecht eingesehen, bedauere die begangenen Jugendstraftaten und bemühe sich um ein straffreies Leben, damit er wieder zu seiner Familie im Bundesgebiet kommen könne. Die Bescheinigung des Amtsgerichts in P. (P.) vom 1. April 2004 bestätige, dass kein Ermittlungsverfahren gegen ihn geführt worden sei oder werde. Seit Verlassen des Bundesgebiets habe er sich keiner Straftaten, insbesondere keiner Gewaltstraftaten schuldig gemacht. Mit Hilfe seiner beigeladenen Ehefrau bemühe er sich um Schadenswiedergutmachung. Die Beigeladene zahle monatliche Raten in Höhe von 50,- € an das Niedersächsische Landesamt für Zentrale Soziale Aufgabe zur Tilgung der entstandenen Schulden (Bescheinigung vom 13. Juni 2002). Sie sei deutsche Staatsangehörige und habe sich hervorragend in die hiesige Gesellschaft integriert. Anlässlich eines mehrwöchigen Aufenthalts im Kosovo Ende Juli 2002 habe sie festgestellt, dass sie aus wirtschaftlichen Gründen und aus Gründen der Sicherheit nicht dort bei ihrem Mann leben könne. Den Lageberichten sei zu entnehmen, dass die Hilfeleistungen humanitärer Einrichtungen im Kosovo für die zurückkehrenden Flüchtlinge nicht ausreichend seien. Wegen der Unruhen im Frühjahr 2004 habe die Gefährdung weiter zugenommen. Infolge der langen Trennung leide die Beigeladene unter ständigen psychischen Beschwerden, die sie ärztlich behandeln lassen müsse (Bestätigung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. vom 21. November 2001, Bescheinigung des Dipl. Psychologen S. vom 18. November 2003). Ihre Beschwerden verstärkten sich durch die ständige Angst um die Sicherheit des Klägers im Kosovo. Auch für die Betreuung und Erziehung der drei gemeinsamen Kinder sei sie auf die Anwesenheit des Klägers im Bundesgebiet angewiesen. Die Tochter I. leide unter Neurodermitis und bedürfe intensiver Betreuung (Attest des Facharztes für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Dr. R. vom 28. Januar 2003).

8

Der Kläger beantragt sinngemäß,

9

den Bescheid des Beklagten vom 28. August 2002 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 11. November 2002 teilweise aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Sperrwirkung seiner Ausweisung nachträglich auf den 22. November 2003 zu befristen,

10

hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, seinen Antrag auf Verkürzung der Sperrfrist unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

11

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

12

Zur Begründung verweist er auf die Ausführungen der angefochtenen Bescheide. Ergänzend erwidert er: Die familiäre Situation des Klägers sei bereits hinreichend bei der getroffenen Befristungsentscheidung berücksichtigt. Der Bundeszentralregisterauszug vom 17. Juli 2002 belege, dass die früheren Straftaten des Klägers wegen weiterer Straftaten weder getilgt noch tilgungsreif seien. Entscheidend bei der Befristungsentscheidung sei, ob und wann der mit der Ausweisung bzw. Abschiebung verfolgte Zweck - hier die Vermeidung der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit im Bundesgebiet - durch die vorübergehende Fernhaltung des Ausländers erreicht sei. Auf die Verhältnisse im Heimatstaat des Betroffenen komme es nicht an. Unabhängig davon könne sich der Kläger nicht auf jüngsten Unruhen im Kosovo berufen, da kurzfristig Übergriffe von Albanern auf Serben erfolgt seien. Der Kläger gehöre nicht zur Bevölkerungsgruppe der Opfer, sondern zu derjenigen, von der die Übergriffe ausgingen. Gegenwärtig sei eine Gefährdungssituation nicht gegeben, so dass auch wieder Abschiebungen von Albanern in das Kosovo durchgeführt würden. Die geltend gemachten Erkrankungen der Beigeladenen und eines Kindes geböten nicht zwangsläufig eine Verkürzung der Sperrfrist. Die Beigeladene könne Linderung ihrer Beschwerden durch ärztliche Behandlung, Durchführung einer psychosomatischen Kurbehandlung (etwa Mutter-Kind-Kur) oder Unterstützung einer Familienberatungsstelle erhalten. Familiäre Hilfe böten auch ihre Schwiegereltern, mit denen sie in einem Haushalt lebe. Trennungsbedingte psychische Belastungen könne sie im Übrigen auch durch ein Zusammenleben mit dem Kläger im Kosovo abbauen.

13

Die Beigeladene, die den Kläger unterstützt, hat keinen Antrag gestellt.

14

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

15

Die Klage, über die im Einverständnis der Beteiligten ohne (weitere) mündliche Verhandlung entschieden werden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, aber unbegründet.

16

Die in den angefochtenen Bescheiden festgesetzte Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung und insbesondere die Versagung einer weitergehenden Verkürzung erweisen sich nach Auffassung des Gerichts rechtmäßig und verletzen weder den Kläger noch die Beigeladene in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 2 VwGO). Unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände vermag der Kläger keine weitere Verkürzung der Sperrfrist oder eine Neubescheidung seines Befristungsantrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gericht zu verlangen.

17

Schon zur Vermeidung von Wiederholungen wird zur Begründung auf die Ausführungen der angefochtenen Bescheide, insbesondere des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 11. November 2002 Bezug genommen (§ 117 Abs. 5 VwGO). Darin wird zutreffend § 8 Abs. 2 S. 3 AuslG als Ausgangspunkt der rechtlichen Erwägungen herangezogen.

18

Danach sind die Wirkungen der Ausweisung in der Regel auf Antrag zu befristen, wobei nach S. 4 der Bestimmung die Frist mit der Ausreise beginnt, weshalb hier zutreffend die Abschiebung des Klägers am 23. November 2000 in das Kosovo als Anknüpfungspunkt gewählt worden ist. Ergänzend ist Folgendes auszuführen:

19

Der verfassungsrechtliche Schutz der Ehe eines ausgewiesenen Ausländers mit einer deutschen Staatsangehörigen aus Art. 6 Abs. 1 GG gebietet weder generell eine Befristung der Sperrwirkung seiner Ausweisung (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. August 2000 - 1 C 5.00 - Juris) noch verleiht er für sich genommen einen Rechtsanspruch auf unverzügliche Beendigung der Sperrwirkung (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 08. Juni 1998 - 1 BB 207/98 - InfAuslR 1998, 442, 443 f. [OVG Bremen 08.06.1998 - 1 BB 207/98]).

20

Allerdings ist er - zusammen mit weiteren persönlichen Belangen der Betroffenen - sowohl bei der Beurteilung, ob ein Regelfall im Sinne von § 8 Abs. 2 S. 2 AuslG vorliegt, als auch bei der nach pflichtgemäßen Ermessen zu bestimmenden Dauer der Sperrwirkung hinreichend zu berücksichtigen (vgl. grundlegend VGH BW, Urteil vom 26. März 2003 - 11 S 59/03 - InfAuslR 2003, 333, 336f.). Diese Grundsätze sind bei der hier zu beurteilenden Befristungsentscheidung hinreichend beachtet worden. In den maßgeblichen Bescheiden wird zutreffend davon ausgegangen, dass hier ein Regelfall im Sinne des § 8 Abs. 2 S. 3 AuslG vorliegt und damit eine Befristung der Sperrwirkung der Ausweisung (überhaupt) in Betracht kommt. Ausgehend von dem Befund, dass das Gesetz über die Dauer der Frist und die bei ihrer Bemessung zu berücksichtigenden Gesichtspunkte keine Aussage trifft, haben sie sich an dem Runderlass des Niedersächsischen Innenministeriums - MI - vom 27. Mai 1999 über die Befristung der Wirkungen von Ausweisung und Abschiebung (Nds. MBl. S. 406) orientiert und unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände, insbesondere der persönlichen und familiären Belange des Klägers sowie generalpräventiver Erwägungen zugunsten der bundesdeutschen Bevölkerung die Dauer der Sperrwirkung auf acht Jahre festgesetzt. Diese nach § 114 Satz 1 VwGO nur in eingeschränktem Maße verwaltungsgerichtlich überprüfbare Ermessensentscheidung lässt auch bei Würdigung der Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine Rechtsfehler erkennen.

21

Zunächst ist in diesem Zusammenhang der genannte Runderlass des Nds. MI aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, an dem sich die Ausländerbehörden orientiert haben.

22

Dieser Erlass stellt als Verwaltungsvorschrift keine die Verwaltungsgerichtsbarkeit bindende Rechtsnorm dar (vgl. BVerfGE 78, 214, 227 [BVerfG 31.05.1988 - 1 BvR 520/83]; Ipsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 1. Aufl. 2000, Rdnr. 151 ff.) und kann deshalb auch nicht unmittelbar gerichtlicher Prüfungsgegenstand sein, sondern nur mittelbar, soweit er sich in der im Einzelfall getroffenen Ermessensentscheidung niedergeschlagen hat. Auch insoweit bietet er keinen Anlass zu Beanstandungen (Nds. OVG, Beschluss vom 14. März 2001 - 11 LA 565/01 - InfAuslR 2001, 290).

23

Denn es ist nicht ersichtlich, dass die in dieser "Ermessensdirektive" enthaltenen Rahmenvorgaben, die nach dem abgestuften System der §§ 45 ff. AuslG von Ist-Ausweisung, Regelausweisung und Ermessensausweisung differenzieren, unverhältnismäßig sind. Diese folgen vielmehr der im Ausländergesetz vorgegebenen Struktur und belassen den zuständigen Behörden hinreichend Spielraum, den besonderen Umständen des Einzelfalls entsprechend eine Verkürzung oder Verlängerung der vorgegebenen Regelfristen vorzunehmen. Sie ermöglichen so eine möglichst einheitliche Handhabung der Befristungsentscheidungen durch die nachgeordneten Ausländerbehörden ohne im Einzelfall die Möglichkeit zu versperren, besonderen Umständen gerecht zu werden.

24

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Ausländerbehörden ihren von der Ermessendirektive eingeräumten Wertungsspielraum oder besondere Umstände des Einzelfalls verkannt hätten. So ist nicht zu beanstanden, dass sie von der Richtgröße für Regelausweisungen nach § 47 Abs. 2 AuslG (acht Jahre) ausgegangen sind und bei Würdigung sämtlicher Umstände keinen Anlass für eine Verlängerung oder Verkürzung gesehen haben. Die Richtgröße für Regelausweisungen wurde gewählt, weil die vom Beklagten verfügte und später vollstreckte Ausweisung als Regelausweisung nach § 47 Abs. 2 Nr. 1 AuslG erfolgt war. Allerdings wäre im Zeitpunkt der Befristungsentscheidung wegen weiterer Straftaten und Verurteilungen des Klägers (insbesondere Urteil des Amtsgerichts V. vom 20. Dezember 1995 zu einer Jugendstrafe von 4 Jahren wegen vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung von vorausgegangenen Verurteilungen (vgl. Bundeszentralregisterauszug vom 17. Juli 2002) der Tatbestand einer Ist-Ausweisung nach § 47 Abs. 1 Nr. 1 AuslG erfüllt gewesen, so dass nach dem Erlass des Nds. MI eine Sperrfrist von 12 Jahren möglich gewesen wäre. Zwar hätte wegen der Eheschließung des Klägers vom 22. Mai 1998 mit der Beigeladenen, die am 16. Januar 2002 die deutsche Staatsangehörigkeit erhielt, erwogen werden können, ob ein besonderer Ausweisungsschutz nach § 48 Abs. 1 Nr. 4 AuslG in Frage kommt, der nach § 47 Abs. 3 Satz 1 AuslG zu einer Herabstufung der Ist-Ausweisung zur Regelausweisung führen würde. Bei Zuerkennung eines solchen besonderen Ausweisungsschutzes wären aber die familiären Belange des Klägers, der Beigeladenen und ihrer Kinder durch Wahl der günstigeren Richtgröße für Regelausweisungen (acht statt 12 Jahre) bereits berücksichtigt und mithin für einen weiteren Ansatz zur Reduzierung der 8-Jahres-Frist gleichsam verbraucht.

25

Die weiteren Erwägungen der Ausländerbehörden, dass den für eine Verkürzung der Sperrfrist sprechenden Interessen verschiedene Belange entgegenstehen, die eine Verlängerung der vorgesehenen Sperrfrist erfordern würden, sind auch angesichts der zwischenzeitlich eingetretenen Entwicklungen nicht zu beanstanden. Die Kammer teilt die Einschätzung der Ausländerbehörden, dass der Kläger in früheren Jahren in erheblichem Umfang wegen Gewaltkriminalität aufgefallen und mehrfach mit einer erheblichen Brutalität gegen andere vorgegangen ist. Insbesondere erweist er sich - wie sein Verhalten im Strafvollzug und die Straftaten nach Haftentlassung zeigten - als Bewährungsversager. Bis wenige Wochen vor der Abschiebung konnte ihn auch die familiäre Situation (Eheschließung und Geburt der beiden ersten Kinder erfolgten in den Jahren 1998 und 2000) nicht von weiteren Straftaten abhalten. Zu Lasten des Klägers durfte auch berücksichtigt werden, dass er nicht freiwillig ausgereist ist, sondern durch weitere behördliche und gerichtliche Verfahren seine Aufenthaltsbeendigung herausgezögert hat und eine Abschiebung erforderlich geworden ist.

26

Die aus diesem Gesamtverhalten abzuleitende negative Prognose hinsichtlich seines künftigen straffreien Verhaltens wird nicht schon durch die vorgelegte Bescheinigung des Amtsgerichts P. vom 1. April 2004 widerlegt, wonach gegen den Kläger dort kein Ermittlungsverfahren geführt wurde oder wird. Straffreies Verhalten unter dem Druck der Verhältnisse im Heimatland und der Erwartung, eine Rückkehrgestattung nach Deutschland zu erhalten, ist eine allgemein zu erwartende Grundvoraussetzung für eine Befristung der Sperrwirkung, aber für sich gesehen keine Besonderheit, die ein jahrelanges gegenteiliges Vorverhalten ohne Weiteres relativieren kann (vgl. auch Nds. OVG, Urteil vom 18. März 1997 - 11 L 3049/96 -).

27

Die Verhältnisse im Heimatland des Klägers können bei der Befristungsentscheidung, die sich an der Schutzfunktion von Ausweisung und ihrer Sperrwirkung (Vermeidung weiterer Straftaten eines strafrechtlich im erheblichen Umfang aufgefangenen Ausländer) orientiert, allenfalls am Rande Berücksichtigung finden. Dass dem Kläger als Kosovo-Albaner die kulturelle und berufliche Integration im Kosovo überhaupt nicht gelingt, hält die Kammer angesichts der Umstände, dass er seine ersten zehn Lebensjahre dort verbracht und auch im Bundesgebiet weiterhin in Lebensbeziehungen mit Landsleuten gestanden hat, nicht für glaubhaft. Die Darstellung des Klägers und der Beigeladenen, die Hilfeleistungen humanitärer Einrichtungen im Kosovo für zurückkehrende Flüchtlinge seien unzureichend, vermag die Kammer nicht zu teilen. Ebenso wenig können Kläger und Beigeladene sich auf die Unruhen im Kosovo im Frühjahr 2004 mit Erfolg berufen. Denn der Kläger gehört schon nicht zu der durch die jüngsten Übergriffe im Kosovo gefährdeten Bevölkerungsgruppe. Denn dort haben albanische Volkszugehörige Übergriffe auf Serben verübt. Außerdem ist in der Rechtsprechung der mit Asylverfahren befassten 12. Kammer des Gerichts (vgl. etwa Urteil vom 29. Juni 2004 - 12 A 3421/03 -) und des Nds. OVG (etwa: Beschluss vom 30. April 2004 - 8 LA 102/04 -) keine Änderung der Rechtsprechung zur Rückkehrgefahr von serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigen albanischer Volkszugehörigkeit eingetreten. Nach dem Erlass des Nds. MI vom 25. Juni 2004 - 45.22-122313-6-SCG-K - werden Rückführungen von Albanern in den Kosovo eingeschränkt durchgeführt.

28

Die von der Beigeladenen für den Kläger begonnene Schadenswiedergutmachung in Form von ratenweiser Schuldentilgung stellt ebenso wenig eine Besonderheit dar, die angesichts der entgegenstehenden öffentlichen Belange der Bundesrepublik Deutschland eine Verkürzung der Sperrfrist erfordern würde. Abgesehen davon, dass die monatlichen Raten (50 €) gering sind und ein persönlicher Einsatz gerade des Klägers nicht ersichtlich wird, ist auch die Schadenswiedergutmachung eine generelle Grundvoraussetzung für eine Befristungsentscheidung. Schließlich wird nicht deutlich, mit welcher Strategie der Kläger, dem eine wirtschaftliche Integration weder früher im Bundesgebiet noch (offenbar) im Kosovo gelungen ist, eine effektive Schadenswiedergutmachung und eine Versorgung seiner Familie nach Rückkehr ins Bundesgebiet erreichen will.

29

Bei näherer Betrachtung führt auch der besondere Schutz der angestrebten familiären Lebensgemeinschaft des Klägers mit der mittlerweile eingebürgerten Beigeladenen und den 1998, 2000 und 2003 geborenen Kindern aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und Art. 8 EMRK nicht zur Ermessensfehlerhaftigkeit der getroffenen Befristungsentscheidung. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass sich insbesondere bei kleineren Kindern und kranken Familienangehörigen eine bedeutsame Schutzbedürftigkeit ergeben kann, die die Ausländerbehörden bei ihren Entscheidungen hinreichend zu berücksichtigen haben. Allerdings ist der Schutz des Vertrauens des Klägers und der Beigeladenen darauf, ihre eheliche und familiäre Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet führen zu können, generell dadurch eingeschränkt, dass sie 1998 die Ehe bereits angesichts des schwebenden Ausweisungsverfahrens geschlossen haben und der Kläger durch weitere strafrechtliche Auffälligkeiten seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet selbst gefährdet hat. Weder die Beziehung zur Beigeladenen noch die Geburt der beiden ersten Kinder vermochten ihn seinerzeit von weiteren Straftaten abzuhalten.

30

Trotz seiner Rückkehr in das Kosovo und der dortigen Lebensbedingungen hat er sich mit der Beigeladenen für ein weiteres Kind entschieden. Im Hinblick auf die erst im Jahre 2002 erworbene deutsche Staatsangehörigkeit der Beigeladenen ist zu berücksichtigen, dass sie als ehemals serbisch-montenegrinische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit mit den Lebensverhältnissen und der Kultur im Kosovo vertraut ist. Folglich ist ein gemeinsames Zusammenleben mit dem Kläger im Heimatland nicht von vornherein ausgeschlossen, auch wenn die Lebensverhältnisse dort weitaus schlechter als im Bundesgebiet sein mögen. Zumindest sind ihr und den Kindern (ggf. auch längere) besuchsweise Aufenthalte beim Kläger im Kosovo möglich und zumutbar. Die in diesem Zusammenhang mit zu berücksichtigenden Erkrankungen (psychische Beschwerden der Beigeladenen, vgl. Bestätigung des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. F. vom 21. November 2001, Bescheinigung des Dipl.-Psychologen S. vom 18. November 2003 sowie Neurodermitis der Tochter I., vgl. Attest des Facharztes für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Dr. R. vom 28. Januar 2003) gebieten keine andere Entscheidung. Grds. ist der Umstand, dass die deutsche Ehefrau eines Ausländers unter der Ausweisung psychisch leidet ein mit dieser Maßnahme typischerweise einhergehendes Erscheinungsbild (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 10. Mai 2004 - 8 ME 30/04 -).

31

Im Bundesgebiet vermag die Beigeladene ihre offenbar trennungsbedingt und durch Belastung mit der Alleinerziehung von drei Kindern verursachten Beschwerden durch ärztliche Behandlung, Durchführung einer psychosomatischen Kurbehandlung (etwa Mutter-Kind-Kur) sowie Unterstützung einer Familienberatungsstelle zu lindern. So erwähnt der Dipl.-Psychologe S. in seiner Bescheinigung vom 18. November 2003 auch bereits erzielte Fortschritte und Teilerfolge seiner Behandlung, wenngleich infolge des "chronifizierten Krankheitsbildes" das Beschwerdebild und die Unterstützungsbedürftigkeit fortbestehen dürften. In diesem Zusammenhang erhält die Beigeladene weitere Hilfe durch ihre Schwiegereltern, mit denen sie nach Angaben des Beklagten in einem Haushalt lebt. Im Übrigen erscheint es nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sie ihre trennungsbedingten psychischen Belastungen durch ein Zusammenleben mit dem Kläger im Kosovo abbaut oder zumindest durch besuchsweise Aufenthalte vermindert. Auf diese Weise könnte sie auch besser belegen, dass sich der Kläger - anders als vor seiner Abschiebung - auf Betreuung und Unterstützung seiner Familie konzentriert und sich dauerhaft von einem Umfeld fernhält, dass ihn zu der Begehung neuer Straftaten verleiten könnte. Die Neurodermitis-Erkrankung des Kindes I, lässt sich nach dem Attest von Dr. R. vom 28. Januar 2003 jedenfalls mit konzentrierter Cortison-Behandlung lindern. Die zwingende Anwesenheit des Klägers im Bundesgebiet für eine solche Behandlung wird nicht attestiert und erscheint auch sonst nicht zwingend geboten. Ebenso wenig stellt die attestierte chronische Krankheit ein unüberwindbares Hindernis für einen besuchsweisen oder gar längerfristigen Aufenthalt im Kosovo dar. Für den Fall, dass die Versorgung mit den erforderlichen Cortisonpräparaten im Kosovo mit Schwierigkeiten behaftet sein sollte, könnte die Beigeladene unschwer einen Vorrat aus dem Bundesgebiet mitnehmen oder sich entsprechende Medikamente von den hier aufenthaltsberechtigten Schwiegereltern übersenden lassen.