Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 30.06.2009, Az.: 7 KS 186/06
Abwägungsmängel, Erheblichkeit; Denkmalschutz, Beurteilung des Vorliegens; Landesamt für Denkmalpflege; Planfeststellung, Zusammentreffen mehrerer Vorhaben
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 30.06.2009
- Aktenzeichen
- 7 KS 186/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 45327
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2009:0630.7KS186.06.0A
Verfahrensgang
- nachfolgend
- BVerwG - 09.06.2010 - AZ: BVerwG 9 B 106.09
Rechtsgrundlagen
- 17 I 2 FStrG
- 17e VI 1 FStrG
- 21 2 NDSchG
- 4 NDSchG
- 5 NDSchG
- 6 NDSchG
- 78 I VwVfG
Fundstelle
- NdsVBl 2010, 11-13
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Zu den Voraussetzungen der Zusammenführung verschiedener Planfeststellungsverfahren nach § 78 Abs. 1 VwVfG und zur möglichen Berücksichtigung von Teilen einer sich abzeichnenden künftigen Planung bereits in der vorangehenden Planfeststellung.
- 2.
Ob einem Gebäude Denkmalschutz nach dem Niedersächsischen Denkmalschutzgesetz zuzubilligen und es mit dieser Bedeutung in die planfeststellungsrechtliche Abwägung einzustellen ist, hängt grundsätzlich von der fachlichen Beurteilung des Landesamts für Denkmalpflege ab (wie 1. und 12. Senat des Nds.OVG). Dessen Bewertung kann durch eine laienhafte bloß andere Beurteilung nicht erschüttert werden.
- 3.
Zur Erheblichkeit eines Abwägungsfehlers nach § 17e Abs. 6 S. 1 FStrG
Tatbestand:
Die mit ihrem Grundeigentum in Anspruch genommenen Kläger wenden sich gegen den Planfeststellungsbeschluss der ehemaligen Bezirksregierung Hannover – im folgenden BRH – vom 15. September 2004, mit dem die Verlegung der Bundesstraße 3 als westliche Ortsumgehung von Hemmingen (Westerfeld – Arnum) gestattet worden ist.
Der Bau dieser Ortsumgehung ist im Bedarfsplan für die Bundesfernstraßen als Maßnahme des vordringlichen Bedarfs ausgewiesen. Sie ist ferner (zweispurig) in das Regionale Raumordnungsprogramm 1996 für den Großraum Hannover aufgenommen.
Auf Antrag des ehemaligen Autobahn – Neubauamts Hannover vom 26. August 1999 leitete die BRH unter dem 14. September 1999 das straßenrechtliche Planfeststellungsverfahren ein.
Der Plan lag vom 27. September bis zum 26. Oktober 1999 in Hannover, Hemmingen und Pattensen öffentlich zur Einsichtnahme aus. Einwendungen konnten bis zum 9. November 1999 erhoben werden.
Die geplante – 7 504 m lange – Baustrecke beginnt südlich des Landwehrkreisels in Hannover. Die hier vierstreifige neue Trasse (RQ 20) schwenkt dort nach Westen aus und wird über die Göttinger Chaussee hinweggeführt. Im weiteren Verlauf wird der Fluss Ihme überquert, und die Trasse verläuft überwiegend auf Geländeniveau westlich an Westerfeld, östlich von Devese und westlich an Arnum vorbei. Die ab Devese (Knotenpunkt B 3n / Kreisstraße K 221) nur noch dreistreifige (RQ 15,5, Betriebsform 2 + 1) Neubaustrecke schließt südlich von Arnum an die 1995 fertiggestellte Ortsumgehung Pattensen an.
Die Bedeutung der hier in Nord-Süd-Richtung verlaufenden B 3 für den Wirtschaftsverkehr, ihre Funktion als Sammelachse für Pendlerströme aus dem südlichen Großraum Hannover und den Naherholungsgebieten der südlichen Leineaue sowie den Erholungsräumen Leine- und Weserbergland haben zu einem hohen Verkehrsaufkommen geführt, das vor allem in den Ortsdurchfahrten Beeinträchtigungen mit sich bringt. So liegt das tägliche Aufkommen auf der vierspurig ausgebauten Ortsdurchfahrt Hemmingen – Westerfeld zwischen 32 000 Kfz/24 h (im Norden) und 22 000 Kfz/24 h (im Süden), auf der zweispurigen Durchfahrt von Hemmingen – Arnum im Norden bei 16 000 Kfz/24 h, in der Mitte bei 20 000 Kfz/24 h und im Süden bei 13 000 Kfz/24 h. Bereits ein 1982 durchgeführtes Raumordnungsverfahren sah Abhilfe in Form einer Ortsumgehung von Hemmingen vor, die östlich von Arnum verlaufen sollte. Ein darauf basierendes Planfeststellungsverfahren wurde allerdings im Dezember 1993 abgebrochen und die Planung für eine westliche Umgehung beider Ortsteile begonnen. Im Zuge der Anfertigung der Umweltverträglichkeitsstudie wurden dafür fünf Varianten untersucht, davon im Bereich der (heutigen) Landwehrschänke insgesamt vier verschiedene Möglichkeiten der Knotenpunktgestaltung mit der zukünftig ebenfalls geplanten Verlängerung der Stadtbahntrasse nach Hemmingen. Alle Varianten beginnen südlich des Landwehrkreisels und schwenken von der B 3 zwischen dem Ricklinger Friedhof und der Ihme nach Südwesten ab bis zum Knotenpunkt mit der K 221 (Devese). Unterschiede in der Lage der einzelnen Varianten bestehen lediglich im Bereich von Arnum. Grundlage für das jetzige Planfeststellungsverfahren ist die Vorzugsvariante „C 2“. Beim Knoten Landwehrschänke setzte sich die modifizierte „Variante 1“ durch, bei der die B 3n mittels eines Brückenbauwerks über die Göttinger Chaussee geführt wird. Die Überführung habe gegenüber einer höhengleichen Kreuzung erhebliche verkehrliche Vorteile und lasse Raum für eine künftige Stadtbahntrasse. Die Verbindung mit der B 3n soll über eine Verbindungsrampe (Querspange) in Höhe des Mühlenholzweges hergestellt, die Straße „In der Rehre“ parallel zur B 3n verlegt werden. Während dadurch zwar „F. – G.“ und „H.“ weichen müssen, bleiben die Landwehrschänke in ihrer wesentlichen Bausubstanz sowie das Ulmenwäldchen erhalten und der Abstand zum Friedhof günstig.
Im Anschluss an die Überführung der Göttinger Chaussee werden für die Trasse Flächen des Klägers zu 1.) in Anspruch genommen. Es handelt sich zunächst um das Flurstück Flur … (I.) 53/19 (Hf) mit einer Größe von 7 557 m². An dem Grundstück besteht bis 2033 ein Erbbaurecht der Familie G.. Der Kläger zu 1.) hat ein Heimfallrecht auf Rückerwerb der Gebäude, wobei die Heimfallentschädigung unter dem Verkehrswert liegt. Hier steht u.a. das Gebäude der früheren („alten“) Landwehrschänke, in dem heute ein Fliesenmarkt betrieben wird. Das südlich anschließende 6 953 m² große Flurstück 53/18 (A, Hf, Lpl), an dem ebenfalls ein Erbbaurecht der Familie G. besteht, wird vollständig für Straße und Kompensationsflächen beansprucht. Es ist verpachtet, teilweise bebaut und wird gärtnerisch genutzt. Als Kompensationsfläche in Anspruch genommen werden weiter von dem südöstlich angrenzenden Flurstück 53/8 (A, G, Hf) 2 047 m² (von insgesamt 10 775 m²). Es ist verpachtet und wird landwirtschaftlich genutzt. Vorübergehend teilweise in Anspruch genommen wird das dazwischen liegende 2 674 m² große Flurstück 53/9, auf dem die Ihme fließt. Der Kläger hat dort Fischereirechte. Als Kompensationsfläche in Anspruch genommen wird im weiteren Verlauf südwestlich das gesamte 7 209 m² große Flurstück 53/20 (A, Hf) – Ackerfläche, verpachtet – und östlich davon das 21 626 m² große Flurstück 578 der Flur … (J.) (überwiegend Kompensationsfläche) (A, Gr). Die Hälfte davon ist als Acker verpachtet, der Rest Grünland und Garten. Vorübergehend in Anspruch genommen wird noch das (4 161 m²) große Flurstück 577 (Wa), das sich nach Süden hinzieht und auf dem sich ebenfalls das Flussbett der Ihme befindet.
Die in Anspruch genommenen Flächen des Klägers zu 2.) liegen südlich des Abschnitts der Straße „In der Rehre“, die bisher rechtwinklig nach Westen abknickt. Von seinem knapp 80 000 m² großen Flurstück 225 der Flur … (K., A) werden 27 894 m² in Anspruch genommen, davon 18 434 m² für die Trasse. Das Grundstück eignet sich nach Angabe des Klägers zu 2.) für den Zuckerrüben- und Gemüseanbau.
Mit am 9. November 1999 bei der BRH eingegangenem Schreiben wandten die Kläger sich gegen das Vorhaben. Sie kritisierten Erforderlichkeit und Ausmaß des Projekts, das gewählte Verfahren, eine ungleiche Inanspruchnahme von Flächen zu ihren Lasten und die Beeinträchtigung denkmalschutzwürdigen Baubestands.
Erörterungstermine wurden am 11. Oktober 2000 und ergänzend am 24. März 2004 in Hemmingen durchgeführt
Die Kläger nahmen weiter mit Schreiben vom 29. September 2000 und 8. Januar 2001 Stellung, nach Auslegung veränderter Planunterlagen – Herausnahme von „Stadtbahnelementen“ aus den Unterlagen – nochmals mit Schreiben vom 23. September 2003 und 12. Juli 2004, in welchen sie ihre Kritik an getrennten Verfahren für Ortsumgehung und Stadtbahn vertieften.
Am 29. November 2001 wurden die Anträge auf Einleitung der personenbeförderungsrechtlichen Planfeststellung für die Stadtbahnverlängerung Hemmingen und den Hochbahnsteig Wallensteinstraße gestellt. Diese Verfahren wurden am 9. Januar 2002 eingeleitet.
Mit Planfeststellungsbeschluss vom 15. September 2004 – im folgenden PfB – gestattete die BRH auf der Grundlage von § 17 des Bundesfernstraßengesetzes–FStrG– i.V.m. den §§ 72 – 78 des Verwaltungsverfahrensgesetzes–VwVfG– unter zahlreichen Nebenbestimmungen den Bau der Ortsumgehung. Nach Teil A III. 1. sind „Änderungen und Ergänzungen der festgestellten Planung durch das Planfeststellungsverfahren nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBefG) für die Verlängerung der Stadtbahn nach Hemmingen möglich“. Nach Nr. 2 wird mit dem PfB ein Bauwerk zur Überführung der Göttinger Chaussee (Hem 03) genehmigt, dessen Durchfahrtsöffnung bereits der Verlängerung der Stadtbahn nach Hemmingen Rechnung trägt. Sofern die Planung der Stadtbahn aufgegeben wird, ist es zulässig, das Bauwerk mit einer Durchfahrtsöffnung von nur 34 m, der bestehenden Breite, herzustellen.
Die Einwendungen der Kläger wies die Planfeststellungsbehörde zurück. Die Umgehung sei grundsätzlich erforderlich und in der vorgesehenen Ausführung sachgerecht. Eine höhengleiche Kreuzung mit der Göttinger Chaussee entspräche nach Leistungsfähigkeit und Sicherheit nicht den verkehrlichen Erfordernissen. Dies gelte unabhängig von der künftigen Stadtbahnführung, der dadurch aber, weil auf der Göttinger Chaussee vorgesehen, die Option offengehalten werde. Im Übrigen würden auch eine höhenfreie Lösung oder kleinräumig denkbare andere Linienführungen im nördlichen Bereich in die Gewerbebetriebe und den Grünzug der Ihme sowie die übrigen Grundflächen der Kläger erheblich eingreifen. Die sich für die Landwirtschaft ergebenden Nachteile seien betrachtet worden, über die Höhe der Entschädigung werde im Planfeststellungsverfahren aber nicht entschieden. Nicht verkannt worden sei, dass Grundstücke der Kläger in ganz erheblichem Umfang beansprucht würden. Neben den notwendigen Flächen für den Straßenbau befänden sich auch große Teile der für die Renaturierung der Ihme benötigten Flächen in ihrem Eigentum. Diese könnten nicht beliebig auf andere Flächen verschoben werden, wenn, wie hier der Fall, die Funktionen dort nicht in gleicher Art wiederhergestellt werden könnten. Hierfür seien größere zusammenhängende Flächen nötig, aus denen einzelne Stücke nicht einfach ausgespart werden könnten. Verfahrensrechtlich gelte, dass in den festgestellten Planunterlagen keine die Stadtbahn betreffenden Planungselemente enthalten seien. Zwar werde der Kläger zu 1.) auch für Kompensationsbedarf im Planfeststellungsverfahren Stadtbahn in Anspruch genommen werden. Die jeweils benötigen Teilflächen überschnitten sich jedoch nicht. Was einen denkmalschutzwürdigen Baubestand angehe, lägen Anhaltspunkte dafür nicht vor; Baudenkmale seien nicht eingetragen. Im Bereich der Baustrecke sei lediglich mit archäologischen Baudenkmalen zu rechnen. Insoweit werde eine Beobachtungs- und Anzeigepflicht angeordnet.
Die Kläger haben am 22. Oktober 2004 Klage erhoben. Zur Begründung führen sie aus, der Planfeststellungsbeschluss sei bereits deshalb rechtswidrig, weil im Hinblick auf das Stadtbahnvorhaben ein gemeinsames Planfeststellungsverfahren hätte durchgeführt werden müssen. Ohne jenes Vorhaben könnte etwa der Knoten „Landwehrschänke“ höhengleich ausgeführt werden, so dass sich der Flächenbedarf bei ihnen auf 30 % verringern würde und auch die Anwohner der Saarstraße weniger Lärm hinzunehmen hätten. Ferner werde bei der gewählten Verfahrensweise die durch eine Stadtbahnverlängerung zu erwartende Entlastung nicht berücksichtigt. Planrechtfertigung und Erforderlichkeit seien zweifelhaft, soweit auf das vorangegangene Raumordnungsverfahren verwiesen werde. Dieses habe eine Vierspurigkeit nicht vorgesehen. Eine Vierspurigkeit sei verkehrlich auch weder geboten noch wünschenswert und der Planfeststellungsbehörde vom Bundesverkehrsministerium nach formalen Kriterien aufgezwungen worden. Bei der Abwägung der Eingriffe in landwirtschaftliche Belange reiche es nicht, lediglich auf das Entschädigungsverfahren zu verweisen. Auch wenn der Erbbauberechtigte für seinen handwerklichen Betrieb (auf dem Flurstück 53/19) inzwischen Ersatz gefunden habe, bleibe es insoweit beim Eingriff in den bestehenden Erbbaurechtsvertrag für ihn, den Kläger zu 1.). Bei der (alten) Landwehrschänke sei die Denkmalseigenschaft unaufgeklärt geblieben. Dass sie nicht im Verzeichnis der Kulturdenkmale aufgeführt werde, sei ohne Bedeutung, weil dieses nur deklaratorische Wirkung habe. Es bleibe auch eine zu rügende Ungleichbehandlung, dass für die naturschutzrechtlichen Ausgleichsmaßnahmen zu einem großen Teil nur ihre, der Kläger, Grundstücke in Anspruch genommen würden.
Mit Ablauf des 31. Dezember 2004 ist nach Auflösung der Bezirksregierungen in Niedersachsen die jetzige Beklagte in ihre Beteiligtenstellung eingerückt.
Die Kläger beantragen,
den Planfeststellungsbeschluss der Bezirksregierung
Hannover vom 15. September 2004 aufzuheben,
verfahrensrechtlich hilfsweise,
unter Bezugnahme auf ihren Schriftsatz vom 29. Juni 2009, Bl. 3 bis 5, ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob das Ensemble, hilfsweise die Landwehrschänke als Einzelgebäude, auf dem Flurstück 53/19 wegen seiner geschichtlichen Bedeutung und damit im öffentlichen Interesse zu erhalten ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und die Hilfsbeweisanträge abzulehnen.
Sie entgegnet: Für die Ortsumgehung habe ein eigenständiges Planfeststellungsverfahren gewählt werden dürfen. Die künftig weiter geplante Stadtbahnverlängerungsstrecke werde nur an einer Stelle kreuzen. Der partielle Abstimmungsbedarf bei der Größe des Brückenbauwerks mache ein einheitliches Verfahren nicht notwendig. Die ernsthaft in Frage gekommenen Linienvarianten seien in diesem Bereich identisch und fächerten sich erst weiter südlich auf. Ähnliches gelte für die Verlängerung der Stadtbahn, die praktisch nur über die Göttinger Chaussee in die Göttinger Landstraße geführt werden könne. Sie sei erst realisierbar, wenn die Ortsumgehung fertiggestellt sei und die Trasse der alten B 3 in Hemmingen für die Bahn zur Verfügung stehe. Im Übrigen sei für beide Verfahren früher und heute die gleiche Behörde zuständig (gewesen) und habe es für eine Zusammenführung an einem nahen zeitlichen Zusammenhang gefehlt. Unzutreffend sei die Annahme, die Kreuzung Göttinger Chaussee / B 3n könne ohne die Stadtbahn höhengleich ausgeführt werden. Ein höhenfreier Knoten liefe dem Ziel einer größtmöglichen Entlastung Hemmingens zuwider und sei nicht ausreichend leistungsfähig. Die planfestgestellte Variante berücksichtige im Übrigen auch den – unwahrscheinlichen – Fall, dass die Stadtbahn nicht gebaut werde; das Überführungsbauwerk würde dann kleiner ausgeführt. Der Erlass des personenbeförderungsrechtlichen Planfeststellungsbeschlusses stehe unmittelbar bevor. Der Flächenbedarf einer höhengleichen Querung wäre nicht wesentlich geringer.
Die großflächige Inanspruchnahme der klägerischen Grundstücke resultiere neben dem Bedarf für die Trasse vor allem auf dem mit den Trägern öffentlicher Belange abgestimmten Renaturierungskonzept für die Ihme.
Die (jetzige) Landwehrschänke, deren Eigentümer im Übrigen nicht die Kläger seien, bleibe erhalten. Da die entsprechenden Bauten im Laufe der Zeit eine starke Veränderung erfahren hätten, sei die frühere „alte“ Landwehrschänke kein Denkmal mehr. Die Auswirkungen auf den Betrieb G. auf dem Grundstück des Klägers zu 1.) seien umfassend abgewogen worden. Heimfall- oder Pachtausfallentschädigungen und deren Ausgleich stellten kein Thema in der Planfeststellung dar.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Beiakten (A bis Q im erledigten Parallelverfahren 7 KS 258/04) verwiesen, die in ihren für die Entscheidung wesentlichen Teilen Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe
Die Anfechtungsklage ist unbegründet. Der auf § 17 Abs. 5, Abs. 1 FStrG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes vom 11.10.2002 (BGBl. I, 4015) gestützte Planfeststellungsbeschluss vom 15.09.2004 (PfB) verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
1.)
a.) Der PfB ist nicht deshalb formell rechtswidrig, weil er lediglich den Straßenbau regelt und nach § 78 Abs. 1 VwVfG nicht auch die gesamte bevorstehende Stadtbahnerweiterung mit einbezieht („Stadtbahnstrecke Süd“, jetziges Aktenzeichen bei der Beklagten 209.24 – 30161 -A -Süd).
Nach dieser Vorschrift gilt, dass für mehrere selbständige Vorhaben nur ein Planfeststellungsverfahren stattfindet, wenn diese derart zusammentreffen, dass für sie oder Teile von ihnen nur eine einheitliche Entscheidung möglich ist.
Abgesehen davon, dass Straßen- und Stadtbahnvorhaben bei Beginn des vorliegenden Verfahrens zeitlich zu weit auseinanderlagen, um im Sinne der Vorschrift „zusammenzutreffen“, ein Koordinierungsdefizit durch die hier gegebene Zuständigkeit derselben Behörde für beide Verfahren von vornherein kaum eintreten kann – die Behördenidentität lässt bereits die Anwendbarkeit der Vorschrift zweifelhaft erscheinen – und weiter abgesehen davon, ob und wie ein in der Nichtanwendung liegender Verfahrensfehler die Entscheidung in der Sache zugunsten der Kläger beeinflusst hätte, § 46 VwVfG, bestand hier nicht die von § 78 Abs. 1 VwVfG verlangte strikte Notwendigkeit einer einheitlichen Entscheidung. Dieser Begriff ist in Anbetracht der mit § 78 VwVfG regelmäßig verbundenen und gewollten Zuständigkeitsverschiebung eng auszulegen. Gründe bloßer Zweckmäßigkeit oder ein Interesse an planerischer Koordinierung genügen deshalb nicht. Es muss ein gesteigerter Koordinierungsbedarf etwa in Gestalt einer starken und vielfältigen räumlichen Verflechtung bestehen (Kopp/Ramsauer, VwVfG, 10. A., Rn. 5 f., 7 zu § 78). Verhindert werden soll, dass sich auf gleichem Raum ein zeitlich gegenüber einem anderen nur geringfügig fortgeschrittenes Projekt gleichsam „blind“ durchsetzt.
Ein in diesem Sinne gesteigerter Koordinierungsbedarf bestand und besteht hier nicht. Die höhenungleiche Ausführung des Knotens Landwehrschänke hat ihre maßgebliche Grundlage nicht im absehbaren Stadtbahnbau, sondern eigenständig in den dargelegten straßenverkehrlichen Erfordernissen. Eine Abhängigkeit besteht allein in der Länge der Brücke (Aufweitung auch für eine Stadtbahntrasse). Dieser Teilbezug durfte in der geschehenen Weise auch im durchgeführten „isolierten“ Verfahren berücksichtigt werden, weil „Blindplanungen“ damit nicht geschaffen werden und die Beklagte einen absehbaren zusätzlichen Bedarf bei der Bemessung der Brückenkapazität berücksichtigen darf (vgl. dazu BVerwG, Beschl.v. 23.12.1992 – 4 B 188.92–, Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 20; juris).
b.) Die Rechtmäßigkeit der Berücksichtigung dieses Teilbezugs ist weniger eine verfahrensrechtliche als vielmehr eine damit verknüpfte materiellrechtliche Frage, nämlich ob die Realisierung des Stadtbahnvorhabens „hinreichend sicher“ prognostiziert werden kann, um (auch) damit bereits Eingriffe in das Grundeigentum zu rechtfertigen, § 17 Abs. 1 S. 2 FStrG. Eines förmlichen Vorbehalts in der zeitlich früheren Planfeststellung bedarf es dafür, anders etwa als bei nicht eigenständigen Abschnitten des gleichen Projekts, in der Regel nicht; eine „hinreichende Gewissheit“ reicht hier aus (vgl. BVerwG, a.a.O., LS 4, juris Rn. 25, 26). Auch insoweit bestehen keine durchgreifenden Bedenken. Die Entwicklung nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses hat den Realitätsgehalt der Annahmen hinsichtlich des Baues der Stadtbahn und ihrer Trasse im Überschneidungsbereich bestätigt. Die Regelung ist überdies in Anbetracht einer gewissen Ungewissheit zu Beginn des straßenrechtlichen Planfeststellungsverfahrens bis zur Ausführungsplanung „offen“ ausgestaltet und trägt der Koordinierung damit bestmöglich Rechnung.
2.)
Die Kläger können ihr Klageziel auch nicht aus (anderen) materiell-rechtlichen Gründen erreichen.
a.) Das Umgehungsstraßenprojekt verfügt über die erforderliche Planrechtfertigung, d.h., dass es, gemessen an den Zielsetzungen des Bundesfernstraßengesetzes, vernünftigerweise geboten und geeignet ist, damit generell auch private Eigentumsbelange zu überwinden (vgl. dazu BVerwG, Urt.v. 23.11.2005 – 9 A 28.04–, BVerwGE 124, 334[BVerwG 23.11.2005 - BVerwG 9 A 28/04]; juris Rn. 16). Das folgt bereits daraus, dass es nach dem FStrAG als im vordringlichen Bedarf liegend anerkannt ist und infolge der Überlastung der Ortsdurchfahrten Zweifel an dieser gesetzlichen Einstufung nicht bestehen.
b.) Auch die „Feintrassierung“ ist rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere entspricht die „Vierspurigkeit“ bis zum Knoten Devese anerkannten verkehrlichen Standards. Dass dies im vorangegangenen Raumordungsverfahren teilweise noch anders eingeschätzt worden ist, hat auf die Rechtmäßigkeit der erst in der Planfeststellung zu treffenden Regelung keinen Einfluss.
c.) Der PfB genügt in nicht zu beanstandender Weise dem Abwägungsgebot, § 17 Abs. 1 S. 2 FStrG (vgl. dazu grundlegend BVerwG, Urt.v. 14.02.1975 – IV C 21.74–, BVerwGE 48, 56 <59> ) .
Die Kläger verkennen, dass sie als direkt in ihrem Grundeigentum Betroffene zwar auch die Vereinbarkeit des Vorhabens mit Vorschriften geltend machen können, die öffentliche Interessen schützen, ihnen § 42 Abs. 2 VwGO aber nicht zu der Befugnis verhilft, private Belange anderer geltend zu machen (vgl. etwa BVerwG, Urt.v. 18.03.1983 – 4 C 80.79–, BVerwGE 67, 74, [BVerwG 18.03.1983 - BVerwG 4 C 80.79]<76> ) . Damit sind die Lärmbetroffenheit der Anwohner der Saarstraße oder die Interessen des Eigentümers der (neuen) Landwehrschänke hier kein Thema.
Die Planfeststellungsbehörde hat die Betroffenheiten der Kläger erkannt, ihre Bedeutung gewürdigt und ist auf dieser Grundlage zu der gerichtlich nicht zu beanstandenden Schlussfolgerung gelangt, dass die Eingriffe in das Eigentum der Kläger trotz ihrer räumlichen Erheblichkeit in Anbetracht der öffentlichen Bedeutung des Straßenprojekts und der Erforderlichkeit es Zugriffs auf diese Flächen hingenommen werden müssen:
Die Kläger machen insoweit nicht die Verkennung bestimmter Einzelbelange geltend, soweit sie im Planfeststellungsverfahren und nicht, wie etwa die Wertigkeit des Ackerbodens oder die Bemessung der Entschädigung für den Eingriff in das Erbbaurecht, erst im nachfolgenden Entschädigungsverfahren zu würdigen sind. Sie rügen vielmehr generell, im Vergleich zu anderen „ungleich“ stark in Anspruch genommen werden. Diese Rüge liegt indes neben der Sache. Die Inanspruchnahme wird nicht abstrakt durch eine möglichst gerechte Lastenverteilung gesteuert, sondern richtet sich nach den konkreten Erfordernissen der gewählten Trasse sowie der Eignung und Nähe von Ausgleichs- und Ersatzflächen. Letztere sind nach § 12 Abs. 1 des Niedersächsischen Naturschutzgesetzes – NNatG – (vgl. § 19 Abs. 2 S. 1, S. 3 des Bundesnaturschutzgesetzes–BNatSchG–) in dem jeweils betroffenen Landschaftsraum, also in räumlicher Nähe, und nicht an beliebiger Stelle vorzunehmen (Louis, Niedersächsisches Naturschutzgesetz, Rn 3 zu § 12; Gassner/Bandomer-Kahlo/Schmidt-Räntsch, BNatSchG, Rn. 36 zu § 19). Während unter diesen Aspekten die Inanspruchnahme des Klägers zu 1) im nördlichen Bereich und die des Klägers zu 2.) im Süden für die Trasse mit Randstreifen unmittelbar einleuchtet, erschließt sich die Inanspruchnahme von großen Flächen des ersteren im südöstlichen Bereich aus dem naturschutzfachlichen Konzept der Planfeststellungsbehörde, die hier begradigte Ihme als Ersatzmaßnahme zu renaturieren. Wie der Beistand der Beklagten in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen ausgeführt bzw. vertieft hat, wird damit eine Lücke geschlossen und sehen auch die Landschaftsrahmenpläne sowie das Raumordnungsprogramm die Renaturierung an dieser Stelle vor, die überdies als Überschwemmungsgebiet dienen kann. Damit erfüllt die Inanspruchnahme fachlich nachvollziehbar die gesetzlichen Voraussetzungen und ist gerichtlich nicht zu beanstanden.
d.) Auch in der Nichtannahme einer Denkmaleigenschaft des Fliesenmarktgebäudes auf dem Grundstück Flurstück 53/19 des Klägers zu 1.), der früheren („alten“) Landwehrschänke, und einer damit verbundenen Schutz- und Erhaltungspflicht im Sinne von § 6 Abs. 1 S. 1 des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes– NDSchG –, liegt kein Abwägungsdefizit.
Allerdings durchzieht das Verfahren insoweit das – von den Klägern über lange Zeit auch nicht korrigierte – Missverständnis der Beklagten, dass die Kläger mit ihrer mehrfachen Ansprache der „denkmalwürdigen Landwehrschänke“ die auf dem Grundstück Göttinger Chaussee Nr. 277 stehende aktuell betriebene so bezeichnete („neue“) Schänke meinen, zu welcher allein der PfB deshalb auch Stellung nimmt. Eine Denkmaleigenschaft der „alten Landwehrschänke“ und heutigen Fliesenmarktgebäudes zieht er nicht in Betracht. Das ist indessen unschädlich, weil dem Gebäude eine solche Eigenschaft nicht zukommt. Zwar ist nach § 5 S. 1 NDSchG der Schutz dieses Gesetzes nicht davon abhängig, dass, was vorliegend nicht der Fall ist, Kulturdenkmale in das Verzeichnis nach § 4 eingetragen sind. Zur Beurteilung des Denkmalwerts ist jedoch Fachwissen erforderlich und kommt es deshalb auf das Urteil eines sachverständigen Betrachters an. Denn die fachgerechte Einschätzung setzt ein Vertrautsein mit den historischen und baugeschichtlichen Hintergründen des zu schützenden Baudenkmals in seiner Epoche voraus (st. Rspr.d. Nds.OVG, vgl. Urt.v. 28.11.2007 – 12 LC 70/07–, Nds.VBl. 2008, 171 = juris, Rn. 58; Urt.v. 07.02.1996 – 1 L 3301/94–, NVwZ-RR 1996, 633 [OVG Niedersachsen 07.02.1996 - 1 L 3301/94]; Urt.v. 05.09.1985 – 6 OVG A 54/83 –, OVGE 39, 323). Dieses Fachwissen vermittelt in erster Linie nach dessen Errichtung zum 1. Januar 1998 das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege, das als staatliche Denkmalfachbehörde bei der Ausführung des Niedersächsischen Denkmalschutzgesetzes mitwirkt und dem die in § 21 Satz 2 NDSchG aufgeführten Aufgaben obliegen (vgl. Nds.OVG, Urt.v. 28.11.2007, a.a.O.; v. 03.5.2006 –1 LB 16/05–, BRS 70 Nr. 201). Das Landesamt hat die auf dem Flurstück 53/19 des Klägers zu 1.) stehenden Gebäude auf Ersuchen der Beklagten in Augenschein genommen und unter dem 26. Juni 2009 mitgeteilt, dass es die schon bisher bestehende Einschätzung bestätige, nach welcher es sich nicht um ein Denkmal handele (GA Bl. 138). Dafür seien die Bauten inzwischen zu stark verändert.
Diese Einschätzung vermögen die Kläger mit ihrer bloß gegenteiligen Behauptung und Bewertung nicht ernsthaft in Frage zu stellen. Denn insoweit kommt es auf eine laienhafte Beurteilung nicht an, auch wenn diese von einem sogenannten „gebildeten Durchschnittsmenschen“ und „offenen Betrachter“ angestellt wird ( Nds. OVG, Beschl.v. 09.06.2004 – 1 LA 123/03 –, BA Bl. 4).
e.) Unabhängig davon sind nach § 17 Abs. 6c S. 1 (jetzt § 17e Abs. 6 S. 1) FStrG auch Mängel bei der Abwägung der von dem Vorhaben berührten öffentlichen (und privaten) Belange nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen sind.
Erheblichkeit in diesem Sinne bestünde auch bei Annahme eines Abwägungsmangels beim Denkmalschutz nach keiner dieser Voraussetzungen.
Eine mögliche Denkmaleigenschaft von Gebäuden, die nicht im Verzeichnis der Kulturdenkmale nach § 4 NDSchG eingetragen sind und die, wie hier, seit ihrer Errichtung erheblich verändert und umgenutzt wurden, ist jedenfalls nicht „offensichtlich“, selbst wenn sie nach noch eingehenderer sachverständiger Prüfung anzunehmen wäre (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 16 zu § 75). Vorliegend wäre ein derartiger Mangel zudem deshalb nicht erheblich, weil er auf das Abwägungsergebnis keinen Einfluss gehabt hätte. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat plausibel dargelegt, dass es für die Trassenwahl in diesem engen Bereich keinen Spielraum gegeben habe, so dass es bei der Inanspruchnahme des Grundstücks auch bei Annahme von Denkmalschutz für ein oder mehrerer Gebäude geblieben und die Entscheidung damit am Ende nicht anders ausgefallen wäre (vgl. hierzu Kopp/Ramsauer, a.a.O., Rn. 17).
Aus den zu d.) und e.) ausgeführten Gründen kommt es deshalb auf die Hilfsbeweisanträge der Kläger nicht an.