Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 09.06.2009, Az.: 10 ME 17/09
Bindung der Kommune an den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz i.R. ihrer Ermessensentscheidung bei der Gewährung von Zuwendungen an Fraktionen und Gruppen für ihre Geschäftsführung; Anspruch aller Fraktionen und Gruppen auf sachgerechte und willkürfreie Teilhabe an der Vergabe der für diesen Zweck zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel; Haftung der Kommune für die von Fraktionen oder Gruppen eingegangenen Verbindlichkeiten; Erfordernis der sachlichen Rechtfertigung i.R.e. Ungleichbehandlung der Fraktionen und Gruppen
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 09.06.2009
- Aktenzeichen
- 10 ME 17/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 16855
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2009:0609.10ME17.09.0A
Verfahrensgang
Rechtsgrundlagen
- § 35b Abs. 3 NLO
- § 57 Abs. 1 Nr. 2 NLO
- § 59 Abs. 1 NLO
- § 33c Abs. 3 S. 1 NAbgG
- § 42 Abs. 2 VwGO
Fundstellen
- DVBl 2009, 917-919
- DVP 2011, 391
- DÖV 2009, 684
- FStNds 2009, 721-724
- GK 2009, 257-265
- NdsVBl 2009, 258-260
Amtlicher Leitsatz
Die Kommune ist bei ihrer Ermessensentscheidung, den Fraktionen und Gruppen für ihre Geschäftsführung Zuwendungen zu gewähren, an den allgemeinen Gleichheitssatz gebunden, der Geltung auch für die Rechtsbeziehungen zwischen kommunalen Organen und Organteilen beansprucht. Er ist insoweit in seiner Ausprägung als Grundsatz der Chancengleichheit zu beachten.
Dieser Grundsatz verlangt, dass alle Fraktionen und Gruppen einen Anspruch auf sachgerechte und willkürfreie Teilhabe an der Vergabe der für diesen Zweck zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel haben. Eine Ungleichbehandlung der Fraktionen und Gruppen bedarf einer sachlichen Rechtfertigung, die mit dem Zweck der Ermächtigung im Einklang stehen muss. Eine solche sachliche Rechtfertigung ist im Falle der abgestuften Chancengleichheit gegeben.
Die Kommune haftet nicht für die von Fraktionen oder Gruppen eingegangenen Verbindlichkeiten. Fraktionen und Gruppen können von der Kommune nicht deshalb weitere Zuwendungen beanspruchen, weil sie eingegangene oder übernommene Verpflichtungen mit ihren Mitteln nicht erfüllen können,
Eine Rechtsnachfolge in die mit Ablauf der Wahlperiode aufgelöste Fraktion einer kommunalen Vertretung findet nicht statt.
Zuwendung an Fraktion
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen die Umsetzung eines Beschlusses des Kreistages durch den Antragsgegner.
Die Antragstellerin und die Beigeladene sind im Kreistag des Landkreises Hildesheim in der Wahlperiode 2006 bis 2011 in gleicher Stärke vertreten. Der Landkreis Hildesheim gewährt den Fraktionen und Gruppen im Kreistag Zuwendungen zu deren sächlichen und personellen Aufwendungen für die Geschäftsführung. In der bis Oktober 2006 laufenden Wahlperiode rügte die Kommunalaufsichtsbehörde die Höhe der Zuwendungen zur Deckung der Aufwendungen für die Vergütung der Geschäftsführer der Fraktionen und Gruppen im Kreistag. Mit Beschluss vom 18. Dezember 2006 beschloss der Kreistag eine Neuregelung der Gewährung von Zuwendungen für die Fraktionen und Gruppen im Kreistag für die Wahlperiode 2006 bis 2011.
Bereits zuvor hatte der Vorsitzende der Beigeladenen gegenüber deren Fraktionsgeschäftsführer eine Änderungskündigung ausgesprochen. Das Arbeitsgericht Hildesheim gab mit Urteil vom 11. Oktober 2007 (1 Ca 587/06) der gegen die Änderungskündigung gerichteten Klage statt. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen wies die dagegen von der Beigeladenen geführte Berufung mit Urteil vom 20. Februar 2008 (15 Sa 1720/07) mit der Begründung zurück, die als Änderungskündigung bezeichnete Erklärung der Beigeladenen beinhalte lediglich eine unzulässige Teilkündigung des Arbeitsverhältnisses, weil eine Änderungskündigung nur dann vorliege, wenn der Arbeitgeber unmissverständlich zum Ausdruck bringe, das Arbeitsverhältnis beenden zu wollen; die Beigeladene habe nach der Erklärung ihres Vorsitzenden das Arbeitsverhältnis mit ihrem Fraktionsgeschäftsführer aber nicht beenden wollen.
Zur Vermeidung weiterer gerichtlicher Verfahren ermächtigte der Kreistag mit Beschluss vom 1. Oktober 2008 (Tagesordnungspunkt 13) den Antragsgegner, mit der Beigeladenen und deren Fraktionsgeschäftsführer eine Vereinbarung dahin zu treffen, dem Fraktionsgeschäftsführer der Beigeladenen bis zum Ablauf der Wahlperiode 2006 bis 20011 ein monatliches Gehalt nach den Bedingungen der vorangegangenen Wahlperiode mit Ausnahme der übertariflichen Leistungen sowie eine Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes in Höhe von 10.000,- EUR zu zahlen.
Die Antragstellerin hat am 1. Oktober 2008 Klage gegen den Kreistag erhoben mit dem Feststellungsbegehren, dass der Beschluss des Kreistages vom 1. Oktober 2008 zum Tagesordnungspunkt 13 rechtswidrig ist. Des Weiteren hat die Antragstellerin im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung beantragt,
den Antragsgegner zu verpflichten, den vorgenannten Beschluss des Kreistages bis zur Entscheidung des Gerichts über die Klage nicht zu vollziehen.
Das Verwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 21. Januar 2009 den Antragsgegner verpflichtet, den Beschluss des Kreistages des Landkreises Hildesheim vom 1. Oktober 2008 zum Tagesordnungspunkt 13 vorläufig bis zur Entscheidung des Gerichts über die hierzu erhobene Klage (1 A 4700/08) nicht zu vollziehen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Der Antrag sei im Rahmen des hier vorliegenden Kommunalverfassungsstreitverfahrens zulässig. Die Antragstellerin sei entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Sie könne als Organteil eine mögliche Verletzung ihres Rechts auf Gleichbehandlung und Wahrung des Grundsatzes der Chancenfreiheit der Fraktionen bei der Vergabe von Zuwendungen (§ 35b Abs. 3 NLO) geltend machen. Der Antrag sei auch begründet. Ein Anordnungsgrund liege vor, weil der Antragsgegner beabsichtige, den Beschluss des Kreistages zeitnah umzusetzen. Schließlich sei auch ein Anordnungsanspruch gegeben. Der Beschluss des Kreistages vom 1. Oktober 2008 sei rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihren Organrechten aus § 35b Abs. 3 NLO. Der Antragsgegner hätte deshalb gemäß § 59 Abs. 1 NLO gegen diesen Beschluss Einspruch einlegen müssen und ihn nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 NLO nicht ausführen dürfen. Die Gewährung von Zuwendungen an die Fraktionen und Gruppen im Kreistag liege im Ermessen des Landkreises. Auch die Höhe dieser Zuwendungen stehe in seinem Ermessen. Dieser Ermessensspielraum werde neben dem Grundsatz der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit durch den Grundsatz der Chancengleichheit der Fraktionen begrenzt. Alle Fraktionen und Gruppen hätten einen Anspruch auf sachgerechte und willkürfreie Teilhabe an der Vergabe von Haushaltsmitteln, wobei eine abgestufte Chancengleichheit zulässig sei. Die mit Beschluss des Kreistages vom 18. Dezember 2006 getroffene Regelung über die Vergabe von Zuwendungen an die Fraktionen entspreche diesen Vorgaben. Hingegen verstoße der Beschluss des Kreistages vom 1. Oktober 2008 gegen den Grundsatz der Chancengleichheit. Durch den beabsichtigten Vergleich würde zugunsten der Beigeladenen von der Vergaberegelung gemäß dem Beschluss des Kreistages vom 18. Dezember 2006 abgewichen und die Beigeladene erhielte für die laufende Wahlperiode eine erheblich höhere finanzielle Zuwendung als die gleichgroße Antragsstellerin. Darin läge eine erhebliche Besserstellung der Beigeladenen mit greifbaren Folgen. Durch zusätzliche Zuwendungen in Höhe von etwa 115.000,- EUR hätte die Beigeladene die Möglichkeit, ihre Arbeit professioneller zu gestalten als die Antragstellerin. Eine sachliche Rechtfertigung liege hierfür nicht vor. Aus der arbeitsgerichtlichen Entscheidung über den Anspruch des Fraktionsgeschäftsführers der Beigeladenen auf Weiterbeschäftigung ergäben sich keine unmittelbaren Auswirkungen für den Landkreis. Der Landkreis sei nicht verpflichtet, für die arbeitsvertraglichen Verpflichtungen der Beigeladenen aufzukommen. Zwar könnten Fraktionen zur Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben am Privatrechtsverkehr teilnehmen. Für die aus solchen Geschäften entstandenen Verbindlichkeiten hätten die Fraktionen mit ihrem Fraktionsvermögen zu haften. Durch ihre Teilrechtsfähigkeit handelten die Fraktionen beim Abschluss von Arbeitsverträgen nicht als Teil des Landkreises. Alleiniger Arbeitgeber des Fraktionspersonals sei die Fraktion selbst. Das Personal der Fraktionen gehöre nicht zu dem des Landkreises und sei nicht einem Weisungsrecht des Landrats unterworfen. Eine personalrechtliche Verantwortung des Landkreises liege nicht vor, zumal dieser an der Begründung der Arbeitsverträge und der daraus folgenden Verbindlichkeiten nicht beteiligt sei. Eine Einstandspflicht des Landkreises bestehe nicht. Andernfalls könnten die Fraktionen durch Eingehung nicht bezahlbarer Verpflichtungen eine vom Kreistag beschlossene Begrenzung der Zuwendungen umgehen.
II.
Die nach § 146 Abs. 1 VwGO zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die vom Antragsgegner dargelegten Gründe, auf deren Überprüfung sich die Entscheidung des Senats zu beschränken hat (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen nicht eine Änderung der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts.
Der Antragsgegner macht geltend, der Antragstellerin fehle die für Organstreitigkeiten schon verfahrensrechtlich erforderliche "wehrfähige Rechtsposition". Der angestrebte Vergleich zeitige keinerlei Folgen für die eigene Rechtsphäre der Beschwerdegegnerin und es fehle an einer eigenen Betroffenheit. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der Beschluss des Kreistages vom 1. Oktober 2008 lediglich eine Reaktion auf eine dem Landkreis drohende (gerichtliche) Auseinandersetzung und das damit verbundene Risiko darstelle. Die Beigeladene werde im Hinblick auf die mit dem Vergleich gewährten Mittel nicht frei verfügen können, diese dienten vielmehr ausschließlich der Abgeltung der titulierten Forderung ihres Fraktionsgeschäftsführers.
Dieser Einwand greift nicht durch. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht die Antragsbefugnis der Antragsstellerin bejaht. In entsprechender Anwendung des § 42 Abs. 2 VwGO muss in kommunalverfassungsrechtlichen Verfahren der Antragsteller geltend machen können, durch ein anderes Organ oder einen Organteil eine eigene Rechtsverletzung erfahren zu haben. Die Möglichkeit einer solchen Rechtsverletzung ist ohne Weiteres gegeben, wenn die Gewährung von Zuwendungen nach § 35b Abs. 3 NLO unter Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung gegenüber anderen Fraktionen und Gruppen im Kreistag erfolgt. Eine mögliche Rechtsverletzung der Antragstellerin ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der streitgegenständliche Beschluss des Kreistages den Beschluss des Kreistages vom 18. Dezember 2006 über die Verteilung der Fraktionszuschüsse nicht ändert. Insoweit ergibt sich die Möglichkeit einer Rechtsverletzung daraus, dass die Beigeladene in gleichheitswidriger Weise über die mit Beschluss des Kreistages vom 18. Dezember 2006 gewährte Zuwendung hinaus weitere Mittel für die Fraktionsarbeit erhält. Dass eine Fraktion oder Gruppe bereits vor der Gewährung der Zuwendung für ihre Arbeit Zahlungsverpflichtungen eingegangen ist, vermag eine Antragsbefugnis nicht in Zweifel zu ziehen. Ebenso wenig ist von Bedeutung, ob eine einer Fraktion oder Gruppe obliegende Zahlungsverbindlichkeit bereits tituliert ist und insoweit die Dispositionsfreiheit der Fraktion oder Gruppe im Hinblick auf die Verwendung der Zuwendung des Landkreises eingeschränkt ist. Schließlich entfällt eine mögliche Rechtsverletzung auch nicht dadurch, dass die gegen eine gleichheitswidrige Begünstigung anderer Fraktionen oder Gruppen klagende Fraktion oder Gruppe die ihr gewährten Zuwendungen nicht vollständig verwendet hat und damit ein weitergehender Bedarf nicht bestanden hat.
Des Weiteren macht der Antragsgegner geltend, die beabsichtigte Abweichung von der mit Beschluss vom 18. Dezember 2006 getroffenen Regelung über Fraktionszuschüsse beruhe auf einen sachlichen Grund. Mit dem Vergleich solle eine ungeklärte Problematik geregelt werden; insoweit beruhe die vom Grundsatzbeschluss abweichende Regelung nicht etwa "auf freien Stücken" oder sei Ergebnis "politischer Willkür". Im Hinblick hierauf hätten das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht in ihren Entscheidungen die kommunalrechtlichen Regelungen nicht im ausreichenden Maße berücksichtigt. Das Landesarbeitsgericht habe in Zweifel gezogen, dass die Beigeladene sich auf die Einrede der Unmöglichkeit wegen fehlender Mittel berufen könne. Damit habe das Landesarbeitsgericht die rechtliche Möglichkeit einer Einstandspflicht des Landkreises vorausgesetzt. Die Beigeladene habe für sich die rechtliche Möglichkeit gesehen, die Forderung ihres Fraktionsgeschäftsführers als "notwendige Kosten der Fraktionsarbeit" gegenüber dem Landkreis geltend zu machen. Die Beigeladene habe den Ausgang des arbeitsgerichtlichen Verfahrens als Aufforderung verstehen müssen, die Forderung ihres Fraktionsgeschäftsführers gegebenenfalls einzuklagen. Hieraus habe sich ein beachtliches Prozessrisiko für den Landkreis ergeben. Im Falle eines Erfolgs dieser Klage hätten vom Landkreis weit höhere Kosten - einschließlich der von der Kommunalaufsichtsbehörde missbilligten Kostenbestandteile - aufgebracht werden müssen. Durch den angestrebten Vergleich solle nicht nur dieser Streit, sondern die seit Jahrzehnten umstrittene Regelung der Fraktionszuschüsse endgültig bereinigt werden. Zugleich werde das Risiko gebannt, für die Kosten, die durch die Weiterbeschäftigung des Fraktionsgeschäftsführers der Beigeladenen entstehen, einstehen zu müssen, solange diese dem Kreistag des Landkreises angehöre. Die Bemühungen des Landkreises zielten allein darauf, einen mit erheblichem finanziellen Risiko behafteten Prozess zu vermeiden und den Rechtsfrieden herzustellen. Er habe nicht die Absicht verfolgt, der Beigeladenen aus einer prekären Lage zu helfen, die dadurch entstanden wäre, dass die Beigeladene übermäßig Geld ausgegeben hätte. Die finanziell prekäre Lage der Beigeladenen sei allein die Folge arbeitsgerichtlicher Entscheidungen und nicht ein vorweg eingegangenes Risiko oder das Ergebnis langjähriger offenkundiger Misswirtschaft. Der Beschluss stelle deshalb lediglich eine Reaktion auf ein von außen wirkendes Ereignis dar. Da der angestrebte Vergleich sachlich gerechtfertigt sei, sei auch der Grundsatz der Chancengleichheit nicht verletzt. Die Antragstellerin werde durch den angefochtenen Beschluss nicht nachteilig betroffen. Sie erhalte die ihr zugebilligten Fraktionszuschüsse weiter uneingeschränkt. Sie werde durch eine "Begünstigung" der Beigeladenen bzw. deren Fraktionsgeschäftsführers in ihrer Fraktionsarbeit in keiner Weise beeinträchtigt. Die (zusätzliche) Zuwendung führe nicht zu politischen Wettbewerbsvorteilen zugunsten der Beigeladen. Insoweit gehe die Annahme des Verwaltungsgerichts fehl, eine höhere Zuwendung bedinge eine tatsächlich höhere Stundenleistung des Fraktionsgeschäftsführers. Der Kreistag habe die Grenzen seines Ermessens nicht überschritten.
Auch diese Einwände verhelfen der Beschwerde nicht zum Erfolg. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht den Beschluss des Kreistages vom 1. Oktober 2008 für rechtswidrig erachtet. Die mit dem Beschluss erklärte Zustimmung des Kreistages zu dem angestrebten Vergleich zwischen dem Landkreis einerseits sowie der Beigeladenen und deren Fraktionsgeschäftsführer andererseits, durch den u.a. die Beigeladene weitere und damit im Vergleich zu anderen Fraktionen höhere Fraktionszuschüsse gewährt werden sollen, stellt aufgrund der gleichheitswidrigen Begünstigung der Beigeladenen einen Verstoß gegen § 35b Abs. 3 Satz 1 NLO dar.
Nach dieser Bestimmung kann der Landkreis den Fraktionen und Gruppen im Kreistag zu den sächlichen und personellen Aufwendungen für die Geschäftsführung Zuwendungen gewähren. Die Regelung räumt dem Landkreis Ermessen hinsichtlich der Gewährung von Zuwendungen ein. Sie begründet für die Fraktionen und Gruppen daher keinen unmittelbaren Rechtsanspruch auf Zuwendungen, insbesondere keinen Anspruch auf vollständige Erstattung der entstandenen Aufwendungen für ihre Geschäftsführung ein.
Der Landkreis hat bei der Entscheidung über die Gewährung von Zuwendungen nach § 35b Abs. 3 Satz 1 NLO sein Ermessen aber entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens einzuhalten. Im Hinblick hierauf ist er insbesondere an den allgemeinen Gleichheitssatz gebunden, der jenseits des Art. 3 Abs. 1 GG als objektivrechtliches Rechtsprinzip Geltung auch für die Rechtsbeziehungen zwischen kommunalen Organen und Organteilen beansprucht. Er ist insoweit in seiner Ausprägung als Grundsatz der Chancengleichheit zu beachten (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 8. Oktober 2002 - 15 A 4734/01 -, NVwZ-RR 2003, 376 [OVG Nordrhein-Westfalen 08.10.2002 - 15 A 7434/01] [377]). Dieser Grundsatz verlangt, dass alle Fraktionen und Gruppen einen Anspruch auf sachgerechte und willkürfreie Teilhabe an der Vergabe der für diesen Zweck zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel haben. Mithin bedarf eine Ungleichbehandlung der Fraktionen und Gruppen im Kreistag einer sachlichen Rechtfertigung, die mit dem Zweck der Ermächtigung im Einklang stehen muss. Die an der Größe einer Fraktion oder Gruppe orientierte Abstufung bei der Höhe der Zuwendung stellt in Anlehnung an § 5 Abs. 1 Satz 2 PartG eine solche sachliche Rechtfertigung dar und unterliegt deshalb keinen rechtlichen Bedenken. Denn eine solche Differenzierung liegt im unterschiedlichen Bedarf verschieden großer Fraktionen bzw. Gruppen begründet.
Nach Maßgabe dessen hat das Verwaltungsgericht zu Recht einen Verstoß gegen den Grundsatz der Chancengleichheit der im Kreistag vertretenen Fraktionen und Gruppen durch den o.a. Beschluss des Kreistages des Landkreises vom 1. Oktober 2008 bejaht. Bezogen auf die Gewährung von Zuwendungen des Landkreises an die im Kreistag vertretenen Fraktionen und Gruppen liegt eine Ungleichbehandlung vor, die sachlich nicht gerechtfertigt ist.
Für die Wahlperiode 2006 bis 2011 soll die Beigeladene durch den angestrebten Vergleich über die allgemeine Regelung von Fraktionszuschüssen hinaus im erheblichen Umfang weitere Zuwendungen erhalten. Diese Ungleichbehandlung hinsichtlich der Höhe der Zuwendung des Landkreises für die personellen Aufwendungen der Geschäftsführung der Beigeladenen wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass der Landkreis den anderen Fraktion Zuwendungen in unveränderter Höhe gewährt. Entsprechendes gilt für die Annahme des Antragsgegners, die Begünstigung der Beigeladenen werde tatsächlich nicht zu politischen Wettbewerbsvorteilen zugunsten der Beigeladen führen. Insoweit ist im Hinblick auf eine Gleichbehandlung der Fraktionen allein die Höhe der vom Landkreis gewährten Zuwendungen, nicht aber der durch den Einsatz der Zuwendungen für die Fraktionen tatsächlich erzielte Nutzen maßgeblich.
Entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners ist die durch die Gewährung einer zusätzlich Zuwendung bedingte Begünstigung der Beigeladenen sachlich nicht gerechtfertigt. Im Hinblick hierauf sieht der Antragsgegner den Abschluss eines Vergleichs darin gerechtfertigt, dass durch diesen eine gerichtliche Auseinandersetzung über die Zahlung der Aufwendungen für den Fraktionsgeschäftsführer der Beigeladenen vermieden werden könne und damit das Risiko deutlich höherer Aufwendungen für den Landkreis gebannt werde. Diese Erwägungen vermögen bereits dem Grunde nach eine Ungleichbehandlung gleichstarker Fraktionen und Gruppen nicht sachlich zu rechtfertigen. Sie weisen einen unmittelbaren Bezug zum Bedarf der Fraktionen und Gruppen für ihre Geschäftsführung nicht auf. Ein signifikant höherer Bedarf der Beigeladenen in Bezug auf ihre Fraktionsgeschäftsführung im Vergleich zu anderen gleichstarken Fraktionen und Gruppen ist weder erkennbar noch vom Antragsgegner dargelegt worden. Ein rechtlich relevanter Bedarf ergibt sich insbesondere nicht aus Verpflichtungen, die die Beigeladene eingegangen ist (oder übernommen hat) und gegebenenfalls durch die Zuwendungen des Landkreises nicht mehr vollständig erfüllen kann.
Daneben liegen die vom Antragsgeber angeführten Rechtfertigungsgründe tatsächlich nicht vor. Der vom Antragsgegner angestrebte Vergleich wäre im Hinblick auf die damit verbundene gleichheitswidrige Begünstigung der Beigeladenen allenfalls dann gerechtfertigt, wenn das zugrunde Prozessrisiko beachtlich ist, d.h. eine Zahlungsverpflichtung des Landkreises gegenüber der Beigeladenen bei objektiver Betrachtung wahrscheinlich ist. Dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend verneint. Durch die angeführten arbeitsgerichtlichen Entscheidungen wird der Landkreis weder unmittelbar noch mittelbar zur Leistung verpflichtet.
Aufgrund der arbeitsgerichtlichen Entscheidungen besteht das Arbeitsverhältnis zwischen der Beigeladenen und ihrem Fraktionsgeschäftsführer unverändert fort. Insoweit hat das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in seiner Entscheidung über die Berufung der Beigeladenen seine Entscheidung allein darauf tragend abgestellt, dass die Beigeladene das Arbeitsverhältnis mit ihrem Fraktionsgeschäftsführer nicht wirksam beendet habe, weil sie nicht unmissverständlich zum Ausdruck gebracht habe, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Es hat hiernach ausdrücklich offen gelassen, ob die Voraussetzungen für eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung vorgelegen haben und ob die Beigeladene in das Arbeitsverhältnis mit ihrem Fraktionsgeschäftsführer zu den Bedingungen der Verträge aus den Jahren 1990 und 1996 rechtsgeschäftlich oder von Rechts wegen nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB eingetreten ist. Folge des Fortbestehens des Arbeitsverhältnisses zwischen der Beigeladenen und ihrem Fraktionsgeschäftsführer sind entsprechende Zahlungsverpflichtungen der Beigeladenen hinsichtlich des geschuldeten Arbeitsentgelts.
Hieraus ergibt sich aber keine Zahlungsverpflichtung des Landkreises. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht eine Teilrechtfähigkeit der Fraktionen und Gruppen von kommunalen Vertretungskörperschaften, insbesondere im Hinblick auf den Abschluss von Arbeitsverträgen mit Personal für die Geschäftsführung, bejaht. Die Fraktionen und Gruppen haften daher zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten aus solchen Geschäften mit ihren Vermögen. Der Landkreis haftet für die von den Fraktionen eingegangenen Verbindlichkeiten hingegen nicht. Aufgrund ihrer Teilrechtsfähigkeit treten die Fraktionen als insoweit eigenständige Rechtssubjekte auf. Bei Abschluss der o.a. Geschäfte handeln sie nach außen nicht für den Landkreis. Sie sind weder befugt noch nicht in der Lage, für den Landkreis entsprechende Verpflichtungen einzugehen. Allein die Landrätin oder der Landrat kann in rechtsverbindlicher Weise Erklärungen abgeben, durch die der Landkreis verpflichtet werden soll (§ 58 Abs. 1 NLO).
Aus § 35b Abs. 3 Satz 1 NLO ergibt sich weiter, dass der Landkreis nicht neben den Fraktionen und Gruppen für die von diesen eingegangenen Verpflichtungen haftet. Wollte man eine solche Einstandspflicht des Landkreises annehmen, führte das zu einer Umgehung der genannten Bestimmung. Nach § 35b Abs. 3 Satz 1 NLO ist es gerade in das Ermessen des Landkreises gestellt, ob er überhaupt und bejahendenfalls in welcher Höhe er den im Kreistag vertretenen Fraktionen und Gruppen Zuwendungen für die Geschäftsführung gewährt. Sollte eine Fraktion oder Gruppe nicht in der Lage sein, die von ihr eingegangenen und ggf. übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen, hätte eine Haftung des Landkreises für diese Verpflichtungen zur Folge, dass die betreffende Fraktion oder Gruppe die Gewährung weiterer Zuwendungen de facto erzwingen könnte, obwohl eine entgegenstehende Regelung besteht. Im Falle einer (Mit-)Haftung des Landkreises für Verpflichtungen der Fraktionen und Gruppen wäre nicht nur die rechtlich gebotene Gleichbehandlung der anderen Fraktionen und Gruppen im Kreistag nicht mehr gewährleistet, sondern sie stünde zudem im Widerspruch zur alleinigen Befugnis des Landkreises, über die Gewährung von Zuwendungen an die Fraktionen und Gruppen nach Ermessen zu entscheiden.
Aus den vorstehenden Gründen folgt weiter, dass die Beigeladene vom Landkreis keine weiteren Zuwendungen beanspruchen kann, um sämtliche eingegangenen und ggf. übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen. Insoweit greift auch der Vortrag des Antragsgegners nicht durch, die finanziell prekäre Lage der Beigeladenen sei allein Folge von arbeitsgerichtlichen Entscheidungen und nicht ein vorweg eingegangenes Risiko oder Ergebnis offenkundiger Misswirtschaft. Die Begründung oder Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses mit ihrem Fraktionsgeschäftsführer beruht auf einer Entscheidung der Beigeladenen, die deshalb auch die damit zusammenhängenden finanziellen Folgen zu tragen hat. Dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 20. Februar 2008 - 15 Sa 1720/07 - kann Gegenteiliges nicht entnommen werden. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass eine Rechtsnachfolge in die mit Ablauf der Wahlperiode aufgelöste Fraktion nicht stattfindet (Beschluss vom 17. Januar 2002 - 10 LA 1407/01 -, NdsVBl. 2002, 175; ebenso: OVG Schleswig, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - 2 LA 85/07 -, SchlHA 2008, 138; Wefelmeyer, in: KVR-Nds/NGO, § 39b Rdnr. 25; Thiele, Niedersächsische Gemeindeordnung, 8. Aufl. 2007, § 39b Nr. 6, der eine entsprechende Anwendung des § 33c Abs. 3 Satz 1 NAbgG verneint). Aber selbst wenn man eine entsprechende Anwendung des § 33c Abs. 3 Satz 1 NAbgG und damit eine Übernahme des Vermögens einschließlich der Forderungen und Verbindlichkeiten aus Rechtsgeschäften der früheren Fraktion annehmen wollte, beruhten die Verpflichtungen aus einem übernommenen Arbeitsverhältnis auf einer Entscheidung der früheren Fraktion, an deren Stelle die in der laufenden Wahlperiode neu gebildeten Fraktion getreten ist. Es liegt aber auch dann allein im Verantwortungsbereich einer Fraktion, rechtsgeschäftliche Verpflichtungen nur zu begründen, soweit deren Erfüllung durch Fraktionsmittel gewährleistet ist.
Da die angestrebte Begünstigung der Beigeladenen zu einer Verletzung des Grundsatzes der Gleichbehandlung gegenüber anderen Fraktionen im Kreistag führen wird, verletzt der streitgegenständliche Beschluss des Kreistages vom 1. Oktober 2008 die Rechte der Antragstellerin als Organteil.