Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.10.2024, Az.: 13 LA 167/24

Begriff der Lieferung an andere Betriebe und Einrichtungen im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 2 AM-HandelsV; Beteiligung von zwei rechtlich selbstständigen natürlichen oder juristischen Personen an dem Arzneimittelliefervorgang

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
11.10.2024
Aktenzeichen
13 LA 167/24
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2024, 24140
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:2024:1011.13LA167.24.00

Verfahrensgang

vorgehend
VG Braunschweig - 21.11.2023 - AZ: 4 A 293/19

Fundstelle

  • GewArch 2024, 454-456

Amtlicher Leitsatz

Eine Lieferung an andere Betriebe und Einrichtungen im Sinne des § 6 Abs. 2 Satz 2 AM-HandelsV ist stets dann gegeben, wenn an dem Arzneimittelliefervorgang zwei rechtlich selbstständige natürliche oder juristische Personen beteiligt sind. Unerheblich ist, ob die rechtlich selbständigen Personen in einem Unternehmensverbund oder einer Unternehmensgruppe organisiert sind.

Tenor:

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 4. Kammer - vom 21. November 2023 wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes für das Zulassungsverfahren wird auf 15.500 EUR festgesetzt.

Gründe

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Braunschweig - 4. Kammer - vom 21. November 2023, soweit mit diesem ihre Klage gegen die Bescheide des Beklagten vom 24. Mai 2019 über die Anordnung der arzneimittelrechtlichen Dokumentation nach § 6 Abs. 2 der Arzneimittelhandelsverordnung (AM-HandelsV) und der Lieferberechtigung nach § 52a des Arzneimittelgesetzes (AMG), die Kostentragungspflicht und die Festsetzung einer Verwaltungsgebühr abgewiesen worden ist, bleibt ohne Erfolg.

Die von der Klägerin zur Begründung ihres Zulassungsantrags geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO (1.), der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (2.) und des Verfahrensmangels nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO sind zum Teil schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise dargelegt und liegen im Übrigen nicht vor.

1.Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind zu bejahen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, Beschl. v. 8.12.2009 - 2 BvR 758/07 -, BVerfGE 125, 104, 140 - juris Rn. 96). Die Richtigkeitszweifel müssen sich dabei auch auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, Beschl. v. 10.3.2004 - BVerwG 7 AV 4.03 -, NVwZ-RR 2004, 542, 543 - juris Rn. 9). Eine den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügende Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert, dass im Einzelnen unter konkreter Auseinandersetzung mit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ausgeführt wird, dass und warum Zweifel an der Richtigkeit der Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts bestehen sollen. Hierzu bedarf es regelmäßig qualifizierter, ins Einzelne gehender, fallbezogener und aus sich heraus verständlicher Ausführungen, die sich mit der angefochtenen Entscheidung auf der Grundlage einer eigenständigen Sichtung und Durchdringung des Prozessstoffes auseinandersetzen (vgl. Senatsbeschl. v. 31.8.2017 - 13 LA 188/15 -, juris Rn. 8; Stuhlfauth, in: Bader/Funke-Kaiser/Stuhlfauth u.a., VwGO, 8. Aufl. 2021, § 124a Rn. 80 jeweils m.w.N.).

Die Klägerin wendet gegen die Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Wesentlichen ein, das Verwaltungsgericht habe das Tatbestandsmerkmal "andere Betriebe" i.S.v. § 6 Abs. 2 Satz 2 AM-HandelsV unzutreffend ausgelegt. Anders als das Verwaltungsgericht annehme, seien alle Niederlassungen und Gesellschaften der klägerischen Unternehmensgruppe unabhängig von ihrer rechtlichen Selbstständigkeit als ein einheitlicher Betrieb anzusehen. Daher sei sie nicht verpflichtet, bei bestimmten Abgabevorgängen von Arzneimitteln innerhalb ihrer Unternehmensgruppe die jeweilige Chargenbezeichnung und Lieferberechtigung zu dokumentieren. Das Verwaltungsgericht habe erkennen müssen, dass durch die Nutzung eines einheitlichen Warenwirtschafts- und Lagerverwaltungssystems aller ihrer Unternehmen eine Organisationseinheit vorliege. Ein vom Verwaltungsgericht behaupteter natürlicher Sprachgebrauch des Begriffs "Betrieb" existiere tatsächlich nicht, habe aber jedenfalls keinen klaren, feststehenden Inhalt. Auch das Arzneimittelgesetz enthalte ebenso wie die Arzneimittelhandelsverordnung keine Legaldefinition des Betriebsbegriffs. Der zum Arzneimittelgesetz entwickelte Betriebsbegriff dürfe nicht auf die Arzneimittelhandelsverordnung übertragen werden. Der Betriebsbegriff in der Arzneimittelhandelsverordnung werde unabhängig vom Unternehmensbegriff verwendet, sei vom Verordnungsgeber bewusst weit gefasst worden und umfasse jede Organisationseinheit, die sich durch die Nutzung einheitlicher Betriebsmittel auszeichne. Eben dieses Merkmal sei mit dem in ihrer Unternehmensgruppe verwendeten einheitlichen Warenwirtschafts- und Lagerverwaltungssystem erfüllt. Auch aus § 52a AMG ließen sich keine Erkenntnisse zur Auslegung des Betriebsbegriffs i.S.v. § 6 Abs. 2 Satz 2 AM-HandelsV und § 64 AMG gewinnen. § 52a AMG mache an keiner Stelle die Erlaubnispflicht einer Großhandelstätigkeit davon abhängig, dass der Großhandel Betreibende ein Betrieb oder eine Einrichtung sei (vgl. im Einzelnen die Zulassungsbegründung v. 7.2.2024, S. 4 ff.).

Mit diesem Zulassungsvorbringen hat die Klägerin ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils schon nicht dargelegt. Im streitgegenständlichen Anordnungsbescheid wird der Klägerin vorgeworfen, bei Lieferungen an andere Betriebe oder Betriebsstätten der A-Gruppe, bei denen es sich um selbstständige juristische Personen handele, entgegen § 6 Abs. 2 AM-HandelsV den Lieferungen keine Unterlagen beizufügen, aus denen die Chargenbezeichnung des jeweiligen Arzneimittels sowie die Lieferberechtigung hervorgehe. Dies stellt auch die Klägerin mit ihrem Zulassungsvorbringen nicht für den Senat nachvollziehbar infrage. Sind an einem Liefervorgang zwei unterschiedliche natürliche oder juristische Personen beteiligt, kann ersichtlich nicht von einem einheitlichen Betrieb ausgegangen werden, sodass die Angabe der Chargenbezeichnung gemäß § 6 Abs. 2 Satz 2 AM-HandelsV in diesem Fall stets erforderlich ist. Der Senat folgt auch unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens der methodisch richtig und überzeugend begründeten Auffassung des Verwaltungsgerichts, soweit es davon ausgeht, eine gesamte Unternehmensgruppe mit mehreren rechtlich selbstständigen Gesellschaften könne nicht als einheitlicher Betrieb angesehen werden, sodass das Tatbestandsmerkmal "andere Betriebe" i.S.v. § 6 Abs. 2 Satz 2 AM-HandelsV erfüllt sei, wenn mehrere Gesellschaften eines Konzerns an einem Liefervorgang beteiligt seien (Seite 14 ff. des Urteilsabdrucks).

Würde man der gegensätzlichen klägerischen Ansicht folgen, wonach alle Niederlassungen und Gesellschaften der klägerischen Unternehmensgruppe unabhängig von ihrer rechtlichen Selbstständigkeit als einheitlicher Betrieb anzusehen seien, wäre zudem die Erlaubnis nach § 52a AMG für ein einzelnes Unternehmen der Klägerin ausreichend, um allen übrigen juristisch selbstständigen Unternehmen ihres Konzerns den Empfang und damit auch den Großhandel mit Arzneimittel zu gestatten und auf die von § 6 Abs. 2 Satz 2 AM-HandelsV geforderten Dokumentationsanforderungen zu verzichten. Damit wären Konstellationen denkbar, in denen juristische Personen, die keinen Bezug zum Handel mit Medikamenten aufweisen, Arzneimittel in Empfang nehmen und weitervertreiben. Dies ist offensichtlich weder vom Arzneimittelgesetz noch von der Arzneimittelhandelsverordnung beabsichtigt.

Die klägerische Ansicht würde außerdem dazu führen, dass die Durchsetzung des Zwecks der Arzneimittelhandelsverordnung vereitelt oder wesentlich erschwert würde. Gemäß § 1a Satz 1 AM-HandelsV müssen Betriebe und Einrichtungen die EU-Leitlinien für die Gute Vertriebspraxis von Arzneimitteln (Good Distribution Practice, vgl. Leitlinien v. 5.11.2013 für die gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln [2013/C 343/01], ABl. EU C 343 v. 23.11.2013, S. 1) einhalten und hierfür ein funktionierendes Qualitätssicherungssystem entsprechend Art und Umfang der durchgeführten Tätigkeiten betreiben, das die aktive Beteiligung der Geschäftsführung vorsieht. Nach § 1a Satz 2 AM-HandelsV muss das Qualitätssicherungssystem insbesondere gewährleisten, dass Arzneimittel nur von hierfür berechtigten Betrieben und Einrichtungen bezogen und nur an solche geliefert werden, die Qualität der Arzneimittel auch während Lagerung und Transport nicht nachteilig beeinflusst wird, Verwechslungen vermieden werden und ein ausreichendes System der Rückverfolgung einschließlich der Durchführung eines Rückrufs besteht. Die Erlaubnispflicht für Großhandelsbetriebe und die gesteigerten Dokumentationspflichten aus § 6 Abs. 2 Satz 2 AM-HandelsV bewirken in einem Zusammenspiel einen sicheren und überprüfbaren Handel mit Arzneimitteln (vgl. hierzu Stumpf, in: Kügel/Müller/Hofmann, AMG, 3. Aufl. 2022, § 52a Rn. 5). Die Erlaubnispflicht für Großhandelsbetriebe ermöglicht den Behörden eine effektive Kontrolle, da die Großhandelsbetriebe ihrerseits nur Waren von Betrieben mit Erlaubnis beziehen bzw. nur Waren an Betriebe mit Erlaubnis liefern dürfen und die Warenströme durch Dokumentation der betroffenen Chargen zu erfassen und belegen sind (Zach, jurisPR-MedizinR 1/2015 Anm. 3; vgl. zum Zusammenspiel von § 52a AMG und der Arzneimittelhandelsverordnung auch Rehmann, AMG, 5. Aufl. 2020, § 52a Rn. 1). Sähe man alle Niederlassungen und Gesellschaften einer Unternehmensgruppe unabhängig von ihrer rechtlichen Selbstständigkeit als einen einheitlichen Betrieb an, wäre für staatliche Kontrollbehörden nicht nachzuvollziehen und zu überprüfen, ob diese Anforderungen eingehalten werden. Auch eine lückenlose Kontrolle der Vertriebskette, etwa zur Sicherstellung des Rückrufs des Arzneimittels oder zur Vermeidung des Eindringens von Arzneimittelfälschungen (vgl. hierzu die Einleitung der Leitlinien v. 5.11.2013 für die gute Vertriebspraxis von Humanarzneimitteln), wäre nicht gewährleistet. In Ziffer 4.2 der Leitlinien heißt es ausdrücklich:

"Alle Transaktionen mit Arzneimitteln - Eingang, Lieferung oder Vermittlung - sind entweder in der Form von Einkaufs-/Verkaufsrechnungen und Lieferscheinen, in computergestützter oder in einer anderen Form aufzuzeichnen.

Die Aufzeichnungen müssen mindestens folgende Angaben enthalten: Datum, Name des Arzneimittels, eingegangene, gelieferte oder vermittelte Menge, Name und Anschrift des Lieferanten, Kunden, Vermittlers bzw. des Empfängers sowie mindestens die Chargennummer des Arzneimittels, das die Sicherheitsmerkmale trägt."

Die Leitlinien nehmen hier Bezug auf Art. 80 Buchst. e und Art. 82 der Richtlinie 2001/83/EG, die ebenfalls Anforderungen an den Großhandel mit Arzneimitteln stellen und sicherstellen sollen, dass "sich der Vertriebsweg jedes einzelnen Medikaments zurückverfolgen lässt" (Art. 82 Satz 2 der Richtlinie 2001/83/EG). Die von der Klägerin vorgenommene weitreichende Auslegung des Betriebsbegriffs und damit verbundene mögliche Zusammenfassung auch rechtlich selbstständiger Gesellschaften zu einem Betrieb würde dem ersichtlich zuwiderlaufen und den Schutzzweck des § 6 Abs. 2 Satz 2 AM-HandelsV aushöhlen.

Ob demgegenüber ein "anderer Betrieb" i.S.v. § 6 Abs. 2 Satz 2 AM-HandelsV auch dann vorliegt, wenn lediglich eine einzelne natürliche oder juristische Person an einem Liefervorgang beteiligt ist bzw. ob das Vorliegen unterschiedlicher Großhandelserlaubnisse nach § 52a AMG der an dem Liefervorgang beteiligten natürlichen oder juristischen Personen generell für das Vorhandensein "anderer Betriebe" spricht, bedarf hier keiner Entscheidung. Wie dargestellt, sind an den Liefervorgängen hier selbstständige juristische Personen beteiligt und der streitgegenständliche Anordnungsbescheid verpflichtet die Klägerin nur "bei der Abgabe von Arzneimitteln an andere Betriebe oder Betriebsstätten der A-Gruppe mit einer Erlaubnis nach § 52a AMG, bei denen es sich um Betriebe oder Betriebsstätten einer anderen juristischen Person als der A eG (Anm.: der Klägerin) handelt" (Hervorhebung durch den Senat; vgl. zur Bestimmtheit und Auslegung dieser Anordnung: S. 12 f. des Urteilsabdrucks). In einem derartigen Fall ist eine Dokumentation der Chargenbezeichnung stets erforderlich. Aus diesem Grund kommt es auf die weiteren vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Auslegungsmethoden zu § 6 Abs. 2 Satz 2 AM-HandelsV, etwa durch Hinzuziehung der DVO (EU) 2016/161, und die hiergegen von der Klägerin erhobenen Einwände nicht weiter an.

Ebenso wenig kommt es darauf an, ob die Klägerin anderweitig, etwa durch ein einheitliches Warenwirtschafts- und Lagerverwaltungssystems innerhalb ihrer Unternehmensgruppe, dafür Sorge tragen kann, dass der Handel mit Arzneimitteln ordnungsgemäß dokumentiert und nachvollzogen werden kann. Einem am Großhandel mit Arzneimitteln beteiligten Unternehmen steht es offensichtlich nicht frei, eine Dokumentationsmethode zu wählen, von der es meint, diese sei besser geeignet als die gesetzlich vorgeschriebene Methode. Der Gesetz- bzw. Normgeber hat eine bestimmte Methode verbindlich festgelegt. Abgesehen davon haben staatliche Stellen ohne Zustimmung des Unternehmens auch keine Möglichkeit, die im eigenen System hinterlegten Daten einzusehen bzw. sie nachzuvollziehen. Die klägerische Ansicht hätte ferner zur Folge, dass ein einheitlicher Betrieb stets vorliegt, wenn dasselbe Warenwirtschafts- und Lagerverwaltungssystem genutzt wird, unabhängig davon, ob die am Arzneimittelhandel beteiligten Unternehmen über einen Mutterkonzern oder eine sonstige Unternehmensgruppe miteinander verbunden sind. Eine derart weitreichende Auslegung des Betriebsbegriffs ist weder vom Normgeber noch von den (meisten) Normanwendern gewollt.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

Eine solche grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine höchstrichterlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (vgl. Senatsbeschl. v. 31.8.2017 - 13 LA 188/15 -, juris Rn. 53 m.w.N.). Um die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO darzulegen, hat der Zulassungsantragsteller die für fallübergreifend gehaltene Frage zu formulieren sowie näher zu begründen, weshalb sie eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat und ein allgemeines Interesse an ihrer Klärung besteht. Darzustellen ist weiter, dass sie entscheidungserheblich ist und ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten steht (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 15.8.2014 - 8 LA 172/13 -, GewArch 2015, 84, 85 - juris Rn. 15; Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 35 ff. m.w.N.).

Die Klägerin meint, der Begriff "Betrieb" i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 2 AM-HandelsV bedürfe der allgemeinen Klärung in einem Berufungsverfahren (vgl. die Zulassungsbegründung v. 7.2.2024, S. 13).

Dem folgt der Senat nicht.

In einem Berufungsverfahren klärungsbedürftig sind nur solche Rechts- oder Tatsachenfragen, deren Beantwortung zweifelhaft ist oder zu denen unterschiedliche Auffassungen vertreten werden oder die noch nicht oder nicht hinreichend ober- und höchstrichterlich geklärt sind. Nicht klärungsbedürftig ist hingegen eine Rechtsfrage, deren Beantwortung sich unter Heranziehung der anerkannten Auslegungsmethoden und unter Einbeziehung der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, Beschl. v. 29.7.2010 - 1 BvR 16345/04 -, juris Rn. 58 ff.; Senatsbeschl. v. 21.12.2020 - 13 LA 153/19 -, juris Rn. 30; Roth, in: Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO (Stand: 1.7.2024), § 124 Rn. 55 m.w.N.).

Wie aufgezeigt (siehe oben I.1.) hat der Senat keine vernünftigen, eine weitere Klärung erfordernden Zweifel, dass "andere Betriebe" i.S.d. § 6 Abs. 2 Satz 2 AM-HandelsV zumindest dann gegeben sind, wenn an einem Liefervorgang zwei unterschiedliche natürliche oder juristische Personen beteiligt sind. Hier kann nicht von einem einheitlichen Betrieb ausgegangen werden, auch dann nicht, wenn beide natürlichen oder juristischen Personen zum selben Mutterkonzern oder einer sonstigen Unternehmensgruppe gehören. Für die von der Klägerin vertretene widerstreitende Ansicht findet sich in der Vorschrift, in den Gesetzesmaterialien und in der bisherigen Rechtsprechung keine Stütze. Diese Ansicht würde zudem dem Schutzzweck der Norm zuwiderlaufen.

Etwas anderes mag für die Klärung der Frage gelten, ob die Dokumentationspflicht aus § 6 Abs. 2 Satz 2 AM-HandelsV auch dann greift, wenn lediglich eine einzelne natürliche oder juristische Person an einem Liefervorgang beteiligt ist bzw. ob das Vorliegen unterschiedlicher Großhandelserlaubnisse nach § 52a AMG der an dem Liefervorgang beteiligten natürlichen oder juristischen Personen generell für das Vorhandensein mehrerer Betriebe spricht. Dies bedarf vorliegend mangels Erheblichkeit für den Ausgang des streitigen Verfahrens aber keiner Entscheidung. Der angefochtene Bescheid verpflichtet die Klägerin wie dargestellt (siehe oben I.1.) zur Dokumentation der Chargenbezeichnung nur "bei der Abgabe von Arzneimitteln an andere Betriebe oder Betriebsstätten der A-Gruppe mit einer Erlaubnis nach § 52a AMG, bei denen es sich um Betriebe oder Betriebsstätten einer anderen juristischen Person als der A eG handelt".

3. Auch ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel, auf dem die Entscheidung beruhen kann, liegt nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).

a) Der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör ist vom Verwaltungsgericht nicht verletzt worden.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG gebietet, dass ein Urteil nur auf solche Tatsachen und Beweismittel gestützt werden darf, die von den Verfahrensbeteiligten oder vom Gericht im Einzelnen bezeichnet zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind und zu denen sich die Beteiligten äußern konnten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 18.7.2001 - 2 BvR 982/00 -, AuAS 2001, 201 f. - juris Rn. 15 f.; Niedersächsisches OVG, Beschl. v. 26.10.2004 - 8 LA 146/04 -, NVwZ 2005, 605 - juris Rn. 2). Darüber hinaus verpflichtet der Anspruch auf rechtliches Gehör die Gerichte, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dies soll sicherstellen, dass die gerichtliche Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, die ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und mangelnder Berücksichtigung des Sachvortrags eines Beteiligten haben (vgl. BVerfG, Beschl. v. 19.6.1985 - 1 BvR 933/84 -, BVerfGE 70, 215, 218 - juris Rn. 11; BVerwG, Beschl. v. 16.6.2009 - BVerwG 3 B 3.09 -, juris Rn. 2). Da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass das Gericht seiner diesbezüglichen Verpflichtung nachkommt, ist eine Versagung rechtlichen Gehörs nur dann anzunehmen, wenn besondere Umstände des Einzelfalls deutlich machen, dass dies wider Erwarten nicht geschehen ist (vgl. BVerfG, Beschl. v. 1.2.1978 - 1 BvR 426/77 -, BVerfGE 47, 182, 187 [BVerfG 01.02.1978 - 1 BvR 411/75] - juris Rn. 16; BVerwG, Beschl. v. 16.6.2009, a.a.O.). Der Anspruch auf rechtliches Gehör eines Prozessbeteiligten ist indes nicht verletzt, wenn dieser es versäumt hat, die verfahrensrechtlich eröffneten, zumutbaren und nach Lage der Dinge tauglichen Möglichkeiten auszuschöpfen, sich Gehör zu verschaffen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 10.2.1987 - 2 BvR 314/86 -, BVerfGE 74, 220, 225 - juris Rn. 14; BVerwG, Urt. v. 3.7.1992 - BVerwG 8 C 58.90 -, NJW 1992, 3185, 3186 - juris Rn. 9).

Nach diesen Maßstäben ergibt sich aus der Rüge der Klägerin keine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör.

Die Klägerin meint, dies sei der Fall, weil das Verwaltungsgericht die ursprünglich auf den 14. Dezember 2023 terminierte mündliche Verhandlung auf den 21. November 2023 vorverlegt habe, ohne den Termin vom 14. Dezember 2023 ausdrücklich aufzuheben. Sie sei davon ausgegangen, dass der Termin am 21. November 2023 nur dazu diene, Fragen des Gerichts zum Sachverhalt zu klären und ggf. vorläufige Rechtsansichten auszutauschen. In der Ladungsverfügung für den Dezembertermin sei aufgegeben worden, alle relevanten Tatsachen und Beweismittel bis zum 30. November 2023 anzugeben. Sie sei überrascht gewesen, dass das Gericht am 21. November 2023 ein Urteil verkündet habe. Wäre im November noch kein Urteil verkündet worden, hätte sie dem Gericht Unterlagen vorgelegt, aus denen die Konzeption und Funktionsweise der die gesamte A-Gruppe übergreifenden Software für Warenwirtschaft und Lagerverwaltung ersichtlich gewesen wäre (vgl. die Zulassungsbegründung v. 7.2.2024, S. 1 ff).

Eine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs scheidet bereits deshalb aus, weil es, wie aufgezeigt, auf die Funktionsweise der klägerischen Software für Warenwirtschaft und Lagerverwaltung nicht ankommt (siehe oben I.1.). Im Übrigen erschließt sich dem Senat nicht, weshalb die Klägerin davon ausgegangen ist und auch davon ausgehen durfte, dass im Termin vom 21. November 2023 kein Urteil verkündet wird. Ausweislich der Sitzungsniederschrift des Verwaltungsgerichts wurden in der mündlichen Verhandlung die Anträge gestellt. Anschließend haben die Beteiligten erklärt, dass nichts weiter zu erörtern sei. Das Verwaltungsgericht hat sodann beschlossen, dass eine Entscheidung am Schluss der Sitzung ergeht. Insoweit musste es sich der Klägerin aufdrängen, dass keine weitere Verhandlung im Dezember 2023 stattfinden, sondern ein Urteil verkündet wird. Andernfalls hätte das Verwaltungsgericht die Fortsetzung der mündlichen Verhandlung oder zumindest eine Vertagung beschließen müssen. Es war in keiner Weise ersichtlich, dass eine nicht das Verfahren beendende Entscheidung, etwa ein Beweisbeschluss, verkündet werden sollte. Auch bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin in der mündlichen Verhandlung einen weiteren Sachaufklärungs- oder Erörterungsbedarf geltend gemacht hat.

Nicht entschieden werden braucht die Frage, ob für die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Abkürzung der Ladungsfrist ein dringender Fall i.S.d. § 102 Abs. 1 Satz 2 VwGO vorgelegen hat. Die Klägerin ist zur mündlichen Verhandlung erschienen und hat sich rügelos zur Sache eingelassen (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 295 ZPO), wodurch ein etwaiger Verstoß des Gerichts gegen die Vorschriften zur Ladungsfrist geheilt wurde (vgl. Brüning, in: Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO (Stand: 1.7.2024), § 102 Rn. 17).

b) Soweit die Klägerin noch vorträgt, es widerspreche offenkundig den Grundsätzen eines fairen Verfahrens, wenn ein Gericht eine Frist zur Stellungnahme für die Vorlage weiterer Beweismittel setze, dann aber vor Ablauf dieser Frist und mithin ohne Berücksichtigung etwaigen weiteren Vortrags eine Entscheidung verkündet (vgl. die Zulassungsbegründung v. 7.2.2024, S. 3 f.), folgt der Senat dem aus den Erwägungen zur mangelnden Verletzung rechtlichen Gehörs (siehe oben I.3.a)) nicht. Die Klägerin konnte sich zu allen relevanten Aspekten äußern und hat ausweislich der Sitzungsniederschrift des Verwaltungsgerichts erklärt, dass nichts weiter zu erörtern ist; auch liegt ersichtlich keine Überraschungsentscheidung vor.

Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).

II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

III. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, 52 Abs. 1 und 3 Satz 1 GKG und Nrn. 4, 25.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NordÖR 2014, 11).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).