Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 26.02.2004, Az.: 20 U 46/03

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
26.02.2004
Aktenzeichen
20 U 46/03
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2004, 42112
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2004:0226.20U46.03.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 04.06.2003 - AZ: 3 O 84/03
nachfolgend
BGH - 10.07.2007 - AZ: VIII ZR 66/04

In dem Rechtsstreit

...

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 11. Februar 2004 durch die Präsidentin des Oberlandesgerichts O sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. S und S für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 4. Juni 2003 verkündete Urteil des Einzelrichters der 3. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg wird zurückgewiesen.

  2. Auf die Berufung der Klägerin wird das vorbenannte Urteil teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

  3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5 553,51 € nebst 8 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21. August 2002 sowie weitere 718,79 € nebst 5 % Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21. August 2002 zu zahlen.

  4. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

  5. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages in Höhe von 10 000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

  6. Die Revision wird zugelassen.

  7. Streitwert: 6 272,30 €.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist ein Energieversorgungsunternehmen, das seine Kunden auf der Basis der Verordnung über Allgemeinbedingungen für die Elektrizitätsversorgung von Tarifkunden (AVBEltV) vom 21. Juni 1979 (Bl. 66 - 67) beliefert. Die Beklagte, deren Verwaltungssitz in H ist und die in N mehrere Seniorenzentren in H, S, Sch und C betreibt, unterhält unter der im Rubrum angegebenen Adresse in H eine sog. Abnahmestelle.

2

Der Klägerin obliegt im Gemeindegebiet H die allgemeine Versorgung von Letztverbrauchern im Sinne des § 10 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Insoweit hatte die Rechtsvorgängerin der Klägerin - Überlandwerk Nord-H Aktiengesellschaft (Ü) - mit der Gemeinde H unter dem 1. Juni/ 24. September 1992 (Bl. 92 - 104) einen sog. Elektrizitätsversorgungs- und Wegebenutzungsvertrag abgeschlossen, der die Ü auf die Dauer von 20 Jahren berechtigte und verpflichtete, im Gebiet der Gemeinde die öffentliche Versorgung mit elektrischer Energie durchzuführen. Der Vertrag enthielt u. a. die Verpflichtung der Ü, jedermann im Versorgungsgebiet nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen an ihr Versorgungsnetz anzuschließen und mit elektrischer Energie zu versorgen, und das ausschließliche Recht der Ü, auf und unter den öffentlichen Wegen Leitungen für die öffentliche Versorgung von Letztverbrauchern im Gemeindegebiet mit elektrischer Energie zu verlegen und zu betreiben.

3

In diesem Rahmen hatte die Klägerin ursprünglich auch die Beklagte mit Strom über ihr Netz versorgt.

4

Im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes wurde für andere Firmen die Möglichkeit geschaffen, Kunden über das Netz der bisherigen Monopolunternehmen mit Strom zu beliefern und insoweit eigenständige Verträge mit den Letztverbrauchern abzuschließen.

5

Die Beklagte trat unter dem 30. März 2000 dem sog. Strom-Pool NRW der Firma E AG - im folgenden E AG - bei (siehe Auftragsbestätigung vom 28. April 2000, Bl. 50).

6

Die E AG kündigte daraufhin im Namen der Beklagten den mit der Klägerin bis dahin bestehenden Stromlieferungsvertrag (siehe das Schreiben der Klägerin an die E AG vom 19. September 2000, Bl. 231) und schloss nunmehr ihrerseits mit der Klägerin eine Kooperationsvereinbarung (Bl. 225 - 230) ab. Vor dem Hintergrund, dass die technischen Voraussetzungen für eine "Durchleitung" im Sinne des § 6 EnWG noch nicht vorhanden waren, erfolgte die Stromlieferung im Wege der "Beistellung", d. h. die Klägerin verkaufte der E AG den Strom, wobei sie sich insoweit gegenüber der E AG verpflichtete, den von den Endkunden - hier der Beklagten - benötigten Strom selbst über ihr Netz an den Übergabe- bzw. Abnahmestellen zur Verfügung zu stellen.

7

Mit Schreiben vom 12. November 2001 (Bl. 70 - 71) - Zugang am 14. November 2001 (Bl. 72) - kündigte die Klägerin den Kooperationsvertrag wegen Zahlungsverzuges fristlos.

8

Über diese Kündigung informierte der Mitarbeiter M der Klägerin die Mitarbeiterin der Beklagten, A, im Seniorenzentrum H telephonisch am 28. November 2001, wobei er die Übersendung eines Vertragsangebotes zur Belieferung der Abnahmestelle H mit elektrischer Energie ankündigte. Am gleichen Tag telephonierte der Mitarbeiter B der Klägerin mit dem Mitarbeiter K am Verwaltungssitz der Beklagten in H. Thema des Gespräches waren ebenfalls die Kündigung und Fragen der Stromlieferung. Im Anschluss daran wandte sich K an den Mitarbeiter der E AG, R; in einem späteren Schreiben der Beklagten an den Aufsichtsratsvorsitzenden der E AG vom 5. Februar 2002 (Bl. 253 - 254) heißt es hierzu u. a.:

"In einem am 28. November 2001 gegen 12 Uhr zwischen einem Ihrer Mitarbeiter, Herrn R, und unserem Herrn K geführten Telefongespräch teilte dieser mit, dass am 04. Dezember 2001 zwischen Ihrem Unternehmen und der E AG die Aufkündigung des Kooperationsvertrages besprochen werden sollte."

9

Diese Information des Mitarbeiters R war falsch; nach dem unbestrittenen Vortrag der Klägerin hat diese der E AG nie weitere Vertragsverhandlungen angeboten.

10

Die Übersendung neuer Vertragsangebote war auch Gegenstand eines zwischen den Mitarbeitern der Parteien S und K geführten weiteren Telefongespräches vom 6. Dezember 2001. Der Mitarbeiter K telephonierte noch am selben Tag erneut mit dem Mitarbeiter R der E AG; in dem Vermerk über das Gespräch vom 6. Dezember 2001 (Bl. 248) heißt es unter dem Betreff "Kündigung der Kooperationsverträge durch E AG":

"Hr. R. teilte mit, dass die EWE neue Verträge gefertigt habe, die nun geprüft werden. Wir werden fortlaufend informiert. Energieversorger ist weiterhin die E S."

11

Unter dem 12. Dezember 2001 (Bl. 73) übersandte die Klägerin der Beklagten das betreffende Vertragsangebot, das gegenüber dem allgemeinen Stromtarif einen günstigeren Arbeitspreis enthielt - bezogen auch auf die weiteren Verbrauchsstellen der Beklagten in Seniorenheimen in C und S, die bis zur Kündigung ebenfalls von der E AG im Rahmen der mit der Klägerin vereinbarten "Beistellung" beliefert worden waren. Unter dem 13. Dezember 2001

12

(Bl. 282 - 283) schickte sie der Beklagten des weiteren eine "Vertragsbestätigung", in der es unter Bezugnahme auf die Abnahmestelle in H und unter Mitteilung einer neuen Vertrags- und Kundennummer u. a. heißt:

"Sehr geehrte Damen und Herren,

wir begrüßen Sie als neuen Vertragspartner.

Grundlage des Vertragsverhältnisses zwischen Ihnen und uns ist die bundeseinheitliche Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Elektrizität (AVBEltV).

Folgende Daten und Preise haben wir als Anfangswerte für sie gespeichert:

.... Datum 13.11.2001 ...

Für den Zeitraum bis zur Abrechnung haben wir für Sie folgende monatliche Abschlagsbeträge festgelegt ....

Der Abschlagsbeitrag ist erstmals fällig am 01.01.2002 ..."

13

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 19. Dezember 2001 (Bl. 250) die Auftragsbestätigung der Klägerin unter Hinweis darauf ab, dass nach wie vor Energieversorger die E AG sei. Gleichzeitig übermittelte sie eine Abschrift an die E AG; in dem Schreiben vom 19. Dezember 2001 (Bl. 249) heißt es u. a.:

"Wie Sie uns bereits vor einigen Wochen gegenüber bestätigt haben, stehen Sie mit der E AG, O, in Verhandlungen zwecks Verlängerung des Kooperationsvertrages. Wir bitten Sie uns gegenüber zu bestätigen, dass Ihre Gesellschaft uns weiterhin mit Strom beliefert und die abgenommene Energie zu den vereinbarten kw-Preisen abgerechnet wird. Sollte uns wider Erwarten aus dem zwischen Ihnen und der E AG, O, anscheinend unklaren Vertragsverhältnis ein finanzieller Schaden entstehen, werden wir diesen gegen Sie geltend machen."

14

Eine entsprechende Bestätigung erfolgte jedoch nicht.

15

Nachdem die Klägerin der Beklagten auf deren Bitte unter dem 18. Januar 2002 (Bl. 252) eine Ablichtung des Kündigungsschreibens vom 12. November 2001 unter Hinweis darauf übermittelt hatte, dass aufgrund dieses Datums die der Beklagten übersandten Vertragsangebote auf einen Vertragsbeginn 13. November 2001 ausgestellt worden seien, wandte sich die Beklagte an den Aufsichtsratsvorsitzenden der E AG; im Schreiben vom 5. Februar 2002 (Bl. 253 - 254) heißt es:

"...In der vorbezeichneten Angelegenheit hat uns die E AG in O darüber informiert, dass mit Wirkung vom 13. November 2001 der zwischen Ihnen und vorbenannter Gesellschaft bestehende Kooperationsvertrag gekündigt wurde und die E AG somit wieder die Stromlieferung für das von uns betriebene Seniorenzentrum in H übernimmt. In einem am 28. November 2001 gegen 12:00 Uhr zwischen einem ihrer Mitarbeiter, Herrn R, und unserem Herrn K geführten Telefongespräch, teilte dieser mit, dass am 4. Dezember 2001 zwischen Ihrem Unternehmen und der E AG die Aufkündigung des Kooperationsvertrages besprochen werden sollte. Über das Gesprächsergebnis, so wurde uns zugesichert, wollte uns Ihr Mitarbeiter, Herr R, am gleichen Tag persönlich in Kenntnis setzen. Dieses ist bis heute nicht erfolgt. Weder liegen uns von Ihrer Seite aus Unterlagen vor, aus denen hervorgeht, dass eine Kündigung erfolgt ist, noch dass das Vertragsverhältnis zwischen uns fortgesetzt wird. Auf weitere telefonische Anfragen ließ sich Ihr Mitarbeiter, Herr R, jeweils verleugnen dergestalt, dass er nicht im Hause sei oder sonst irgendwie nicht erreichbar sei. Derartiges Vertragsgebaren ist nicht hinnehmbar. Wir machen Sie darauf aufmerksam, dass durch die Inanspruchnahme der E AG und die damit verbundenen Mehrkosten Ihrer Gesellschaft gegenüber als Schadenersatz geltend gemacht wird. Des weiteren fordern wir Sie höflich auf, binnen einer Frist von 14 Tagen uns mitzuteilen, wie die vertraglichen Auseinandersetzungen mit Ihrer Gesellschaft und der E AG verlaufen sind. Die Aussage Ihres Mitarbeiters, Herrn R, dass wir nach wie vor Ihr Vertragspartner seien, bitten wir unverzüglich schriftlich zu bestätigen. Einer Stellungnahme sehen wir bis zum 13. Februar 2002 entgegen. Für den Fall, dass bis zu diesem Datum keine Stellungnahme bei uns eingegangen ist, behalten wir uns vor, ohne weitere Vorankündigungen rechtliche Schritte zu unternehmen."

16

Eine Reaktion auf dieses Schreiben blieb jedoch aus.

17

Am 28. März 2002 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der E AG eröffnet. In der Zeit zuvor hatte die E AG aufgrund einer ihr von der Beklagten eingeräumten und nicht widerrufenen Einziehungsermächtigung für den streitgegenständlichen Zeitraum noch folgende monatliche Abschläge vom Konto der Beklagten abbuchen lassen: 1 834,57 DM für November 2001 am 12. Oktober 2001; 1 834,57 DM für Dezember 2001 am 28. November 2001; 1 834,57 DM für Januar 2002 am 21. Dezember 2001; 1 834,57 DM für Februar 2002 am 28. Dezember 2001;  938 € für März 2002 am 27. Februar 2002 (siehe Bl. 54 ff.).

18

Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 18. April 2002 (Bl. 106) den mit der E AG abgeschlossenen Energielieferungsvertrag fristlos. Das o. a. Angebot der Klägerin vom 12. Dezember 2001 nahm sie erst unter dem 4. Juli 2002 rückwirkend zum 1. April 2002 an; die Bezahlung der von der Klägerin auf der Grundlage des Vertragsangebotes und der dortigen Sonderkonditionen erstellten Rechnungen für die Zeit bis zum 31. März 2002 lehnte sie ab. In dem zuvor mit der Klägerin geführten Schriftwechsel (vgl. Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 25. März 2002, Bl. 267 - 268, und 18. April 2002, Bl. 271 - 273; Schreiben der Klägerin an die Beklagte vom 6. Februar 2002, Bl. 265 - 266, 12. April 2002, Bl. 269 - 270, und 22. April 2002, Bl. 274 - 276) begründete sie ihre Haltung damit, dass für diese Zeit eine unklare - und für sie letztlich nicht durchschaubare - Vertragslage zwischen der Klägerin und der E AG bestehe, wobei sie bis zum Nachweis des Gegenteils davon ausgehe, dass die E AG für die Zeit vor dem 1. April ihr Vertragspartner und Stromlieferant gewesen sei.

19

Der Streit der Parteien geht nunmehr um den Strom, den die Beklagte über ihre Abnahmestelle in H in der Zeit zwischen der Kündigung des Kooperationsvertrages (Klägerin - E AG) und dem o. a. Vertragsschluss zwischen den Parteien entnommen hat. Gegenstand der Klage ist ein der Höhe nach unstreitiger Betrag von 6 272,30 €, der sich aus den neuen Rechnungen der Klägerin vom 23. Juli 2002 (Bl. 6 - 22) unter Berücksichtigung von Teilzahlungen der Beklagten ergibt, die sie auf Grund des Vertragsabschlusses vom 1. April 2002 erbracht hat. Hierbei hat die Klägerin ihrer Abrechnung nunmehr für die Zeit bis zum 31. März 2002 den allgemeinen Tarif für Stromlieferung (E Entgelte für Ersatzbelieferung), für die Zeit danach den vertraglich vereinbarten günstigeren Sondertarif zu Grunde gelegt.

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Die Klägerin hat vorgetragen, die E AG sei seit der Kündigung des Kooperationsvertrages nicht mehr in der Lage gewesen, die Beklagte mit elektrischer Energie zu beliefern. Soweit die Beklagte daher ab Kündigung Strom entnommen habe, sei dies ihr Strom gewesen. Mithin sei gem. § 2 Abs. 2 AVBEltV zwischen den Parteien auch für die Zeit vor dem förmlichen Vertragsabschluss zum 1. April 2002 ein Vertragsverhältnis auf der Grundlage der AVBEltV kraft sozialtypischen Verhaltens zu Stande gekommen. Hilfsweise stünden ihr zumindest entsprechende Bereicherungsansprüche gegen die Beklagte zu.

21

Die Beklagte hat demgegenüber die Auffassung vertreten, zur Klägerin bestehe für die Zeit bis zum 31. März 2002 kein Vertragsverhältnis. Ihr Stromlieferant sei vielmehr die E AG gewesen, die im Rahmen des damals noch nicht gekündigten Vertrages aufgrund der erteilten Einzugsermächtigung auch die monatlichen Abschläge für die Stromlieferung abgebucht habe. Insoweit bestünden weder vertragliche noch bereicherungsrechtliche Ansprüche der Klägerin. Selbst wenn es sich um Strom der Klägerin gehandelt habe, könne diese von ihr keine Bezahlung verlangen. Denn sie sei auf Grund des fortbestehenden Vertragsverhältnisses mit der E AG und auch auf Grund von deren Abbuchungsverhalten gutgläubig davon ausgegangen, sie erhalte eine Leistung ihres Vertragspartners. Allein aus der telefonischen Information über die Kündigung des Kooperationsvertrages und der Übersendung eines Vertragsangebots durch die Klägerin habe sie nicht ableiten können, dass der Strom, den sie dem Netz entnommen habe, von der Klägerin stamme. Vom Empfängerhorizont her sei für sie Leistender ihr Vertragspartner (E AG) gewesen; zumindest müsse sich die Klägerin die von ihr (Beklagter) auf Grund der Einzugsermächtigung gutgläubig an die E AG erbrachten Leistungen entsprechend §§ 413, 407 BGB auf die Forderung anrechnen lassen.

22

Das Landgericht hat mit Urteil vom 4. Juni 2003 (Bl. 132 - 134), auf das wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird, der Klage in Höhe von 5 553,51 € nebst Zinsen stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen.

23

Hiergegen richten sich die Berufungen beider Parteien.

24

Die Klägerin ist der Auffassung, dass das Landgericht der Klage in vollem Umfang hätte stattgeben müssen. Denn zwischen den Parteien habe bereits seit Mitte November 2001 - also seit der Kündigung des Rahmenvertrages mit der E AG - ein wirksamer Stromlieferungsvertrag bestanden, weil die Beklagte die Elektrizität von diesem Tage an allein von ihr angeboten bekommen und aus ihrem Netz entnommen habe (§ 2 Abs. 2 AVBEltV). Auf die Frage, wann die Beklagte Kenntnis von der Kündigung des Vertrages erlangt habe, könne es demgegenüber nicht ankommen. Im Übrigen hafte die Beklagte zumindest nach Bereicherungsrecht für die ihr seitens der Klägerin zur Verfügung gestellte Notversorgung (§ 10 EnWG). An der Verpflichtung der Beklagten, den gelieferten Strom zu bezahlen, ändere der Umstand nichts, dass die E AG fortgesetzt weitere Abbuchungen vom Konto der Beklagten vorgenommen habe. Denn die Beklagte hätte nach den deutlichen Hinweisen der Klägerin auf die Kündigung des Kooperationsvertrags die Möglichkeit gehabt, diesen Abbuchungen unverzüglich zu widersprechen und eine Rückbelastung vorzunehmen.

25

Das Ergebnis - Zahlungspflicht der Beklagten in vollem Umfang - entspreche nicht nur den gesetzlichen Vorgaben, sondern trage auch der Interessenlage der Parteien Rechnung. Die Beklagte habe sich die E AG als Vertragspartner ausgesucht und trage deshalb zu Recht deren Konkursrisiko; für sie dagegen habe erst auf Grund der Wahlentscheidung der Beklagten für einen anderen Stromversorger die Notwendigkeit und rechtliche Verpflichtung bestanden, mit der E AG einen entsprechenden Kooperationsvertrag abzuschließen. Das Urteil des Landgerichts führe insoweit auch zu dem ungerechten Ergebnis, dass sie für den vor Kenntnis der Beklagten von der Kündigung des Kooperationsvertrages von dieser entnommenen Strom keine Bezahlung erhalte. Denn Ansprüche gegen die im Übrigen in Konkurs geratene E AG bestünden ihrerseits nicht. Weshalb die Beklagte, die ihren Strom verbraucht habe, hierfür nicht bezahlen sollte, sei nicht verständlich.

26

Im Übrigen treffe der Vorwurf der Beklagten, sie sei von der Klägerin nicht ausreichend aufgeklärt worden, nicht zu. Es sei unstreitig nach der Kündigung des Kooperationsvertrages zu mehreren Gesprächen mit den Mitarbeitern der Beklagten gekommen. Bereits am 28. November 2001 habe ihr Mitarbeiter M mit Frau A telefoniert, um die Beklagte über die Kündigung der Kooperationsvereinbarung mit der E AG zu informieren. In diesem Zusammenhang habe er Frau A ausdrücklich mitgeteilt, dass die Beklagte seit dem 15. November 2001 wieder von der Klägerin mit elektrischer Energie versorgt werde. Hintergrund für diese Stromlieferungen sei, dass die Klägerin die zwischen ihr und der E AG bestehende Kooperationsvereinbarung, die sie verpflichtet habe, der E AG den an die Beklagte zu liefernden Strom zur Verfügung zu stellen, gekündigt habe. Des weiteren habe Herr M Frau A angekündigt, der Beklagten ein Vertragsangebot zukommen zu lassen, um die Einzelheiten der nun durch die Klägerin erfolgenden Stromlieferungen zu regeln. Frau A habe ihm sodann mitgeteilt, sie werde die Leitung des Seniorenzentrums über den Inhalt dieses Telefongespräches informieren. Am gleichen Tag sei es dann noch zu einem Telefongespräch zwischen ihrem Mitarbeiter B und dem Mitarbeiter K der Beklagten gekommen. B habe diesem ebenfalls mitgeteilt, dass die Klägerin die zwischen ihr und der E AG bestehende Kooperationsvereinbarung gekündigt habe. Aus diesem Grund würden die Seniorenheime nun nicht mehr von der E AG mit Strom beliefert werden, sondern von der Klägerin. B habe darauf hingewiesen, dass die Klägerin beabsichtige, den von der Kündigung betroffenen Seniorenheimen neue Vertragsangebote für die Belieferung mit Strom zukommen zu lassen. Zu diesem Zweck habe er K nach der Adresse gefragt, an die die Vertragsangebote für die Seniorenheime geschickt werden sollten. K habe daraufhin entgegnet, die Klägerin solle die Vertragsangebote an das Seniorenzentrum O GmbH schicken. Schließlich sei es am 6. Dezember 2001 erneut zu einem Telefongespräch - diesmal zwischen ihrem Mitarbeiter S und Herrn K - gekommen. S habe K gefragt, ob Interesse an einem neuen Vertragsangebot durch die Klägerin bestehe. Daraufhin habe K entgegnet, die Klägerin habe bereits vor eineinhalb Wochen angekündigt, der Beklagten ein neues Vertragsangebot für die Belieferung mit Strom zukommen zu lassen. S habe daraufhin Köhnen mitgeteilt, er werde sich um die angekündigten Vertragsangebote kümmern.

27

Vor dem Hintergrund dieser Gespräche liege auf der Hand, dass sie einer etwaigen Informations- und Aufklärungspflicht nachgekommen sei. Wenn die Beklagte ihrerseits darauf nicht reagiere bzw. auf falsche Auskünfte eines Mitarbeiters der Firma E AG vertraue - mit dieser Firma habe es nach der Kündigung keine weiteren Vertragsgespräche gegeben -, sei dies das Problem der Beklagten.

28

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Landgerichts Lüneburg vom 4. Juni 2003 teilweise abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie weitere 718,79 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB seit dem 21. August 2002 zu zahlen,

29

2. die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

30

Die Beklagte beantragt,

1. unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage insgesamt abzuweisen,

31

2. die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

32

Die Beklagte ist der Auffassung, sie sei zu keinerlei Zahlungen an die Klägerin verpflichtet.

33

Sie rügt zunächst, dass die Ausführungen im landgerichtlichen Urteil widersprüchlich und unklar seien; so spreche der Einzelrichter teilweise davon, dass es für sie erkennbar gewesen sei, dass die E AG den Strom nicht mehr habe liefern können, zum Teil spreche er davon, dass sie davon gewusst habe, dass diese Firma keinen Strom mehr liefern konnte. Insoweit bleibe unklar, ob das Landgericht als Tatsache eine entsprechende Kenntnis habe feststellen wollen oder nur von einem rechtlichen "Kennenkönnen bzw. Kennenmüssen" ausgegangen sei. Tatsache sei, dass sie damals nicht gewusst habe, wer ihr "wirklicher Stromlieferant" gewesen sei, abgesehen davon, dass nicht klar sei, was mit diesem vom Landgericht gebrauchten Begriff eigentlich gemeint sei. Rechtlich sei zum damaligen Zeitpunkt in erster Linie nach wie vor die E AG in Betracht gekommen, die ja auch weiterhin die vereinbarten Abschlagzahlungen von ihrem Konto abgebucht habe; daneben hätten aber nicht nur die Klägerin, sondern auch der eigentliche Stromproduzent in Betracht kommen können, nämlich die EON-AG oder die EON-Netz GmbH als Betreiberin des vorgelagerten Netzes. Definiere man den "wirklichen Stromlieferanten" tatsächlich, habe ihr erst recht nicht klar sein können, wer dies sei. Denn der Strom sei nach wie vor aus der Steckdose gekommen, ohne dass sich daran etwas durch die Kündigung des Kooperationsvertrages zwischen der Klägerin und der E AG geändert habe. Unter diesen Umständen sei es reine Fiktion, wenn unterstellt werde, die E AG habe keinen Strom mehr liefern können. Rein tatsächlich habe diese Firma dies entweder schon von Anfang an nicht gekonnt oder sie konnte es eben doch; dass durch irgendwelche technischen Eingriffe eine Änderung in der realen Strombelieferung eingetreten sei, behaupte die Klägerin selbst nicht.

34

Sie habe sowohl vorgerichtlich als auch wiederholt in 1. Instanz darauf hingewiesen, dass für sie nicht durchschaubar sei, welche Funktion und Rechtsposition die Klägerin und weitere Beteiligte bezüglich des gelieferten Stroms gehabt hätten, solange noch ihr Vertrag mit der E AG bestanden habe. Durch die Mitteilung über die Kündigung des Kooperationsvertrages habe sich doch ihr eigenes Vertragsverhältnis mit der E AG nicht erledigt. Denn ein Wechsel des Vertragspartners könne nicht schon dann fingiert werden, wenn dieser in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten sei und deshalb sein Vertrag mit dem Netzbetreiber gekündigt werde. Abgesehen davon, dass die E AG sich ihren an die Beklagte zu liefernden Strom ggf. anderweitig hätte besorgen können, hätten auch die Schwierigkeiten mit der Klägerin schließlich überwunden und die Kündigung des Kooperationsvertrages zurückgenommen oder durch zwischenzeitliche Zahlung erledigt werden können. Die bloße Mitteilung der Kündigung sei deshalb von vornherein ungeeignet gewesen, sie "bösgläubig" zu machen. Jedenfalls könne einem Kunden frühestens dann ein Vertragswechsel auferlegt werden, wenn er Klarheit über die Person seines neuen Vertragspartners habe und dieser sich ihm gegenüber zur Stromlieferung verpflichte. Diese Klarheit habe sie nie erhalten.

35

Dies gelte auch unter Einbeziehung der von der Klägerin geschilderten Telefongespräche. Das erste Telefongespräch vom 28. November 2001 mit ihrer Mitarbeiterin A werde es vermutlich gegeben haben, wenngleich sich diese nicht mehr an das behauptete Telefonat und dessen Inhalt erinnern könne. So ausführlich, wie es die Klägerin darzustellen versuche, werde das Telefongespräch ganz sicher nicht gewesen sein. Denn die Mitarbeiterin A habe mit Stromlieferungen, Verträgen mit der E AG und etwaigen neuen Vertragsangeboten nichts zu tun. Sie werde den Anrufer der Klägerin an die Zentrale in Hannover verwiesen haben. Das dann geführte Gespräch mit dem Mitarbeiter K könne ebenfalls nur kurz gewesen sein und sei nicht einmal durch einen Telefonvermerk dokumentiert. Allerdings habe dieser das Telefonat zum Anlass genommen, seinerseits sofort bei der E AG anzurufen und dort nachzufragen, was es mit der angeblichen Kündigung des Kooperationsvertrages auf sich habe. Herr R von der E AG habe ihn auf in Kürze stattfindende Gespräche mit der Klägerin hingewiesen und ihn dann ausweislich der Telefonnotiz vom 6. Dezember 2001 dahingehend informiert, dass Energieversorger weiterhin die E AG sei. Aus diesem Grunde sei auch das Formschreiben "Vertragsbestätigung" der Klägerin zurückgewiesen worden, zumal die Klägerin zuvor lediglich die Übersendung eines neuen Vertragsangebotes angekündigt habe, das jedoch nach ihrem (Beklagten) Verständnis nur als Angebot zum Wechsel des Vertragspartners zu verstehen gewesen sei.

36

Ein Anspruch der Klägerin folge auch nicht aus § 2 Abs. 2 AVBEltV. Diese Bestimmung sei von der ratio legis erkennbar auf den Neuabschluss eines Vertrages nach zuvor vertragslosem Zustand zugeschnitten, nicht aber auf den Wechsel des Vertragspartners. Die Rechtsverordnung stamme aus einer Zeit, in der der Endverbraucher seinen Strom ausschließlich von Monopolunternehmen bezogen habe und deshalb von vornherein kein Zweifel habe entstehen können, wer Lieferant des aus der Steckdose entnommenen Stroms sei; für die vorliegende Konstellation sei die Norm nicht einschlägig.

37

Bereicherungsansprüche bestünden ebenfalls nicht. Denn aus ihrer - nach der Lehre vom Empfängerhorizont maßgeblichen - Sicht habe es sich um eine Leistung ihres Vertragspartners (E AG) gehandelt.

38

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der beiderseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

39

Die Berufungen der Parteien sind zulässig. Das Rechtsmittel der Klägerin ist begründet, das Rechtsmittel der Beklagten ist unbegründet.

40

1. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten ein vertraglicher Anspruch auf Bezahlung des von ihr nach der Kündigung der Kooperationsvereinbarung mit der E AG an die Beklagte in der Zeit bis 31. März 2002 gelieferten Stromes nach § 433 Abs. 2 BGB zu.

41

Rechtlich unterliegt die Lieferung von Strom dem Kaufrecht, sodass Anspruchsgrundlage für einen etwaigen Zahlungsanspruch § 433 Abs. 2 BGB ist (vgl. Palandt-Putzo, 62. Aufl., § 433 BGB, Rn. 8; § 453 BGB, Rn. 6).

42

Die Parteien haben für den o.a. Zeitraum einen Stromlieferungsvertrag durch sozialtypisches Verhalten (Stromentnahme) geschlossen.

43

a) Die Klägerin hat der Beklagten nach Kündigung der Kooperationsvereinbarung mit der E AG den Strom nicht mehr für Rechnung der E AG im Rahmen der "Beistellung" zur Verfügung gestellt, sondern der Beklagten mit der Lieferung von Strom im Rahmen der Notversorgung nach § 10 Abs. 1 EnWG ein Angebot zum Abschluss eines Liefervertrages in Form einer sog. Realofferte gemacht.

44

Dieses Angebot ist der Beklagten auch zugegangen. Dem steht nicht entgegen, dass für die Beklagte - zumindest im Vorfeld der zwischen den Mitarbeitern der Parteien geführten Telefongespräche - die Bedeutung der Stromlieferung als Realofferte nicht erkennbar war.

45

Nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, dann, wenn sie in dessen Abwesenheit abgegeben wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in welchem sie ihm zugeht.

46

Der Zugang wird dabei herkömmlicherweise dahingehend beschrieben, dass eine Willenserklärung zugeht, wenn sie so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen (vgl. Palandt-Heinrichs, 62. Aufl., § 130 BGB, Rn. 5, m. w. N.).

47

Insoweit wird zum Teil in der Rechtsprechung (vgl. LG Kiel NJW - RR 2001, 1625; OLG Celle, 3. Zivilsenat , Urteil vom 3. Dezember 2003 in 3 U 181/03 ) die Meinung vertreten, in Fällen der vorliegenden Art könne man von einem Zugang nur reden, wenn der Adressat die Bedeutung der Stromlieferung als konkludente Willenserklärung (Realofferte) habe erkennen können.

48

Nach Auffassung des Senats ist demgegenüber der Begriff des Zugangs nach § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB räumlich zu verstehen; d. h. eine Willenserklärung ist dann zugegangen, wenn sie in den räumlichen Bereich des Adressaten gelangt ist. Nicht dagegen setzt der Zugang die richtige inhaltliche Bewertung als Willenserklärung (Angebot) voraus.

49

Auch ansonsten wird auf den Empfangsbereich des Adressaten abgestellt, steht es mithin dem Zugang einer Willenserklärung nicht entgegen, wenn der Empfänger unverschuldet etwa wegen Urlaub, Krankheit, Haft oder sonstiger Ortsabwesenheit nicht in der Lage ist, vom Inhalt einer ihm übermittelten Erklärung Kenntnis zu nehmen (vgl. nur Palandt-Heinrichs, a.a.O.; Münchener Kommentar <Eisele>, 4. Auflage, § 130 BGB, Rn. 35, jeweils m.w.N.). Dies muss nach Auffassung des Senats auch dann gelten, wenn der Empfänger die Bedeutung einer Willenserklärung (Realofferte) nicht erkennt bzw. erkennen kann.

50

Zwar wird zum Teil im Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit bei dem Zugang einseitiger belastender Willenserklärungen an einen der deutschen Sprache nicht mächtigen Arbeitnehmer diskutiert, ob der Zugang nach Treu und Glauben nicht insoweit auf den Zeitpunkt verschoben werden muss, bis zu dem sich der Adressat

51

- ggf. unter Hinzuziehung eines Dolmetschers - über den Inhalt der Erklärung hätte informieren können (bejahend etwa LAG Hamm, NJW 1979, 2488 [LAG Hamm 04.01.1979 - 8 Ta 105/78]; verneinend LAG Köln NJW 1988, 1870; s. a. BAG NJW 1985, 823). Um entsprechend einseitig belastende Willenserklärungen geht es im vorliegenden Streit jedoch nicht. Abgesehen davon würde nach Auffassung des Senats der Zugangsbegriff überfrachtet, wenn man für den Zugang die Kenntnis oder Erkennbarkeit für den Adressaten voraussetzen würde. Auch wäre bei fristgebundenen Erklärungen (wie z. B. Anfechtungserklärungen oder der Kündigung von Mietverhältnissen) das dann im Einzelfall denkbare Ergebnis der Fristversäumung nach Auffassung des Senats nicht sachgerecht.

52

b) Die Beklagte hat die Realofferte der Klägerin durch die Inanspruchnahme bzw. den Verbrauch des von der Klägerin gelieferten Stroms angenommen.

53

Dem steht nach Meinung des Senats nicht entgegen, dass die Beklagte - jedenfalls im Vorfeld der zwischen den Mitarbeitern der Parteien geführten Telefongespräche - kein auf die Annahme der Realofferte gerichtetes Erklärungsbewusstsein hatte bzw. hätte haben müssen. Insoweit folgt der Senat nicht der zum Teil in der Rechtsprechung (vgl. OLG Brandenburg RdE 2002, 20 [OLG Brandenburg 07.03.2001 - 13 U 202/00]; OLG Celle, 3. Zivilsenat , Urteil vom 3. Dezember 2003 in 3 U 181/03 ) vertretenen Auffassung, die Annahme eines Vertragsschlusses scheitere in Fällen der vorliegenden Art am fehlenden Erklärungsbewusstsein bzw. daran, dass der Kunde des Stromlieferanten das Realangebot bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt nicht als solches habe erkennen können und dementsprechend der Stromlieferant die Stromentnahme auch nicht als Annahme des Angebots habe verstehen dürfen.

54

Zwar kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf das Vorliegen des Erklärungsbewusstseins regelmäßig nur verzichtet werden, wenn der Erklärende bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden können, dass seine Äußerung nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte und wenn der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (vgl. nur BGHZ 91, 324 ). Diese Grundsätze gelten auch für Willenserklärungen durch schlüssiges Verhalten (vgl. BGH NJW 1990, 454 [BGH 02.11.1989 - IX ZR 197/88]).

55

Die vorstehenden allgemeinen Grundsätze können jedoch nach Auffassung des Senats unter Berücksichtigung des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 1991 ( BGHZ 115, 311 ) nicht für Realofferten und deren Annahme im Bereich der Massenleistungen der modernen Daseinsvorsorge gelten. In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof zur Frage eines Vertragsschlusses mit dem Kunden eines Abwasserentsorgers im Falle des Vertrags- bzw. Gläubigerwechsels auf Seiten des Betreibers der Abwasserbeseitigungsanlage u. a. (S. 314) ausgeführt:

"Zu Unrecht bezweifelt die Revisionserwiderung das Zustandekommen eines Entsorgungsvertrages zwischen den Parteien. Die Beklagte hat die vom Kläger angebotene Leistung, die Abwasserbeseitigung, durch Nutzung der vom Kläger zur Verfügung gestellten Einrichtungen konkludent angenommen. ... Unerheblich ist, in welchem Zeitpunkt die Beklagte Kenntnis davon erlangt hat, dass der Kläger die Abwasserbeseitigung übernommen hatte. Der Vertrag ist auch dann zwischen den Parteien zustande gekommen, wenn die Beklagte ursprünglich angenommen haben sollte, diese Aufgabe werde (noch) von der Gemeinde M. bzw. dem Amt F. erfüllt. Vertragspartner des Benutzers ist in derartigen Fällen grundsätzlich derjenige, der die Abwasserbeseitigungsanlage betreibt."

56

Der Senat teilt nicht die Meinung des hiesigen 3. Zivilsenats (Urteil vom 3. Dezember 2003 in 3 U 181/03 ), wonach die in dieser Entscheidung entwickelten Grundsätze auf Fälle der vorliegenden Art deshalb nicht zu übertragen seien, weil Vertragspartner des Abwasserbeseitigers grundsätzlich derjenige sei, der die Anlage betreibe, während im Bereich der Stromversorgung nach Aufhebung des Monopols nicht nur der Betreiber der Leitungen, sondern auch Dritte Stromlieferer sein könnten.

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Zwar trifft letzteres vom rein Tatsächlichen her zu. Entscheidend ist jedoch nach Auffassung des Senats, dass der Bundesgerichtshof bei der Prüfung der Frage, ob zwischen dem neuen Betreiber der Anlage und dem Kunden des alten Betreibers ein Vertragsverhältnis bereits zum Zeitpunkt der Übernahme der Abwasserbeseitigungsanlage oder erst ab Kenntnis des Kunden von dem Wechsel zustande gekommen ist, ausschließlich auf den ersten Zeitpunkt abgestellt hat. Der Vertrag ist danach durch die in dem weiteren Betrieb der Abwasseranlage liegende Realofferte des neuen Betreibers einerseits und die Nutzung dieser Anlage durch den Kunden andererseits zustande gekommen, unabhängig davon, ob der Kunde vom Wechsel des Betreibers etwas wusste oder wissen konnte. Der Bundesgerichtshof hat deshalb für Realofferten und deren Annahme im Bereich der Massenleistungen der modernen Daseinsvorsorge nicht nur auf die Prüfung des Erklärungsbewusstseins verzichtet, sondern auch nicht die Frage einer fahrlässigen Unkenntnis gestellt, die sonst bei der Prüfung, ob ausnahmsweise das Vorliegen einer Willenserklärung auch ohne Erklärungsbewusstsein angenommen werden kann, eine entscheidende Rolle spielt.

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Hiervon ausgehend genügt es deshalb, wenn im Bereich der Inanspruchnahme von Leistungen der modernen Daseinsvorsorge der Kunde weiß, dass er eine entgeltliche Leistung in Anspruch nimmt, die er zu bezahlen hat. Es kommt nicht darauf an, ob der Kunde positive Kenntnis davon hat oder haben kann, wer sein <neuer> Vertragspartner ist.

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Dieses Ergebnis erscheint dem Senat auch interessengerecht. Die Klägerin ist auf Grund der gesetzlichen Vorgabe in § 10 EnWG verpflichtet, jedermann im Gebiet der Gemeinde H mit Strom zu beliefern; sie muss - falls die Stromlieferung nicht oder nicht mehr durch Dritte erfolgt - im Wege der Notversorgung einspringen. Insoweit hat sie nach der Kündigung des Kooperationsvertrages mit der E AG der Beklagten auch nicht die Stromzufuhr abgesperrt, sondern diese nunmehr für eigene Rechnung mit Strom beliefert. Sie hat deshalb auch einen Anspruch darauf, dafür bezahlt zu werden. Der Kunde des Versorgungsunternehmens wird in seinen Interessen grundsätzlich ausreichend dadurch geschützt, dass das Versorgungsunternehmen im Rahmen des durch die Stromlieferung/ -entnahme entstehenden Vertragsverhältnisses die vertragliche Nebenpflicht trifft, den Kunden unverzüglich darüber zu informieren, wer nunmehr Stromlieferant ist, damit der Kunde weiß, an wen er den aus der Steckdose entnommenen Strom zu bezahlen hat bzw. ggfs. - soweit auf seiner Seite noch Zweifel bestehen, ob nicht doch der bisherige Versorger weiter Gläubiger ist - den entsprechenden Betrag notfalls nach § 372 BGB hinterlegen kann. Eine Verletzung dieser Aufklärungspflicht kann Ansprüche auf Schadensersatz auslösen.

60

2. Soweit danach ein Vertrag zwischen den Parteien auch für die Zeit bis zum 31. März 2002 zu Stande gekommen ist, kann die Beklagte ihre Zahlungen an die E AG der Klägerin nicht nach §§ 413, 407 BGB bzw. §§ 412, 407 BGB entgegenhalten. Diese Normen setzen einen Forderungsübergang auf vertraglichem oder gesetzlichem Wege voraus; ein solches Verhältnis von Alt- und Neugläubiger besteht aber zwischen der E AG und der Klägerin im Hinblick auf die von der Klägerin ab Mitte November 2001 erbrachte Versorgung nach § 10 EnWG nicht.

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3. Der Beklagten stehen gegenüber der Klägerin keine Schadensersatzansprüche wegen Verletzung von Aufklärungs- bzw. Informationspflichten zu. Zwar war die Klägerin nach Aufnahme der Notversorgung gemäss § 10 EnWG verpflichtet, die Beklagte darüber zu informieren, dass sie nunmehr Stromlieferant der Beklagten ist. Diese Pflicht hat die Klägerin erfüllt (a); soweit dies nicht unverzüglich geschah, scheitert ein Anspruch auf Schadensersatz - bezogen auf den unterlassenen Widerruf der der E AG erteilten Einzugsermächtigung - an der fehlenden Kausalität der Pflichtverletzung (b).

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a) Die Klägerin hat die Beklagte am 28. November 2001 ausreichend informiert. Hierbei kann dahinstehen, ob das Telephongespräch mit der Mitarbeiterin A im Seniorenzentrum in H genügt hätte; jedenfalls ist am gleichen Tag auch die Verwaltungszentrale der Beklagten in H über die erfolgte Kündigung und darüber, dass nunmehr die Klägerin die Beklagte mit Strom beliefert, unterrichtet worden. Den diesbezüglichen Vortrag zu dem insoweit zwischen dem Mitarbeiter der Klägerin B und dem Mitarbeiter der Beklagten K geführten Telephongespräch hat die Beklagte nicht substantiiert in Abrede gestellt, abgesehen davon, dass die Beklagte für die Verletzung von Aufklärungs- bzw. Informationspflichten durch die Klägerin selbst darlegungs- und beweispflichtig ist. Darüber hinaus hat die Klägerin der Beklagten - neben dem Angebot zum Abschluss eines Stromlieferungsvertrages zu bestimmten Sonderkonditionen - unter dem 13. Dezember 2001 auch eine "Vertragsbestätigung" übersandt, die eindeutig zum Ausdruck brachte, dass die Klägerin die Beklagte seit Mitte November 2001 auf eigene Rechnung mit Strom beliefert.

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Für die falschen Angaben des Mitarbeiters der E AG R ist die Klägerin nicht verantwortlich. Soweit dieser bei der Beklagten Unklarheiten darüber verursacht hat, wer Stromlieferant ist, kann dies daher nicht der Klägerin angelastet werden, die ihrerseits die Beklagte korrekt aufgeklärt hat.

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b) Allerdings ist die Information der Beklagten nicht unverzüglich bereits Mitte November 2001 - parallel zur Kündigung der Kooperationsvereinbarung mit der E AG - erfolgt. Letztlich scheitert ein darauf gestützter Schadenersatzanspruch aber an der Kausalität der Pflichtverletzung, da nicht ersichtlich ist, dass eine frühere Mitteilung die Beklagte tatsächlich dazu veranlasst hätte, die Einzugsermächtigung zu widerrufen bzw. ggfs. das Stromgeld zu hinterlegen. Denn die Beklagte hat weder auf die Telephonate vom 28. November/6. Dezember 2001, noch auf die Schreiben der Klägerin vom 12. und 13. Dezember 2001 in dieser Form reagiert. Die Einzugsermächtigung ist auch in der Folgezeit nicht widerrufen worden, so dass die E AG sogar noch unter dem 27. Februar 2002 Geld vom Konto der Beklagten abbuchen konnte. Konsequenzen in Form der fristlosen Kündigung des Vertrages hat die Beklagte erst im April 2002 mehrere Wochen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der E AG gezogen. Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass eine frühere Information der Beklagten bereits Mitte November nichts am eingetretenen Schaden geändert hätte.

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4. Die Entscheidung über die Zinsen folgt aus §§ 286, 288 BGB. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 543 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1, 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO.